BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Gottlieb Fichte

1762 - 1814

 

Reden an die deutsche Nation

 

1807/08

 

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Vierte Rede.

 

Hauptverschiedenheit zwischen

den Deutschen und den übrigen Völkern

germanischer Abkunft.

 

Das in diesen Reden vorgeschlagene Bildungsmittel eines neuen Menschengeschlechtes müsse zu allererst von Deutschen an Deutschen angewendet werden, und es komme dasselbe ganz eigentlich und zunächst unserer Nation zu, ist gesagt worden. Auch dieser Satz bedarf eines Beweises, und wir werden auch hier, so wie bisher, anheben von dem höchsten und allgemeinsten, zeigend, was der Deutsche an und für sich, unabhängig von dem Schicksale, das ihn dermalen betrogen hat, in seinem Grundzuge sey, und von jeher gewesen sey, seitdem er ist; und darlegend, dass schon in diesem Grundzuge die Fähigkeit und Empfänglichkeit einer solchen Bildung, ausschliessend vor allen anderen europäischen Nationen, liege.

Der Deutsche ist zuvörderst ein Stamm der Germanier überhaupt, Über welche letztere hier hinreicht die Bestimmung anzugeben, dass sie da waren, die im alten Europa errichtete gesellschaftliche Ordnung mit der im alten Asien aufbewahrten wahren Religion zu vereinigen, und so an aus sich selbst eine neue Zeit, im Gegensatze des untergegangenen Alterthums, zu entwickeln. Ferner reicht es hin, den Deutsche insbesondere nur im Gegensatye mit den anderen, neben ihm entstandenen germanischen Völkstämmen zu bezeichnen; indem andere neueuropäische Nationen, als z.B. die von slavischer Abstammung, sich vor dem übrigen Europa noch nicht so klar entwickelt zu haben scheinen, dass eine bestimmte Zeichnung von ihnen möglich sey, andere aber von der gleichen germanischen Abstammung, von denen der sogleich anzuführende Hauptunterschei-dungsgrund nicht gilt, wie die Scandinavier, hier unbezweifelt für Deutsche genommen werden, und unter allen den allgemeinen Folgen unserer Betrachtung mit begriffen sind.

Vor allem voraus aber ist der jetzt insbesondere anzustellenden Betrachtung folgende Bemerkung voranzusenden. Ich werde als Grund des erfolgten Unterschieds in dem ursprünglich Einen Grundstamme eine Begebenheit angeben, die bloss als Begebenheit klar und unwidersprechlich vor aller Augen liegt; ich werde sodann einzelne Erscheinungen dieses erfolgten Unterschieds aufstellen, welche als bloss Begebenheiten wohl einleuchtend dürften gemacht werden können. Was aber die Verknüpfung der letzteren, als Folgen, mit dem ersten, als ihrem Grunde, und die Ableitung der Folge aus dem Grunde betrifft, kann ich im allgemeinen nicht auf dieselbe Klarheit und überzeugende Kraft für alle rechnen. Zwar spreche ich auch in dieser Rücksicht nicht eben ganz neue und bisher unerhörte sätze aus, sondern es giebt unter uns viele einzelne, die für eine solche Ansicht der Sache entweder sehr gut vorbereitet, oder auch wohl mit derselben schon vertraut sind. Unter der Mehrheit aber sind über den anzuregenden Gegenstand Begriffe im Umlaufe, die von den unserigen sehr abweichen, und welche zu berichtigen, und alle, von solchen, die keinen geübten Sinn für ein Ganzes haben, aus einzelnen Fällen beizubringende Einwürfe zu widerlegen, die Grenze unserer Zeit und unseres Planes bei weitem überschreiten würde. Den letzteren muss ich mich begnügen das in dieser Rücksicht zu sagende, das in meinem gesammten Denken nicht so einzeln und abgerissen, und nicht ohne Begründung bis in die Tiefe des Wissens, dastehen dürfte, wie es hier sich giebt, nur als Gegenstand ihres weiteren Nachdenkens hinzulegen. Ganz übergehen durfte ich es, noch abgerechnet die für das Ganze nicht zu erlassende Gründlichkeit, auch schon nicht in Rücksicht der wichtigen Folgen daraus, die sich im späteren Verlaufe unserer Reden ergeben werden, und die ganz eigentlich zu unserem nächsten Vorhaben gehören.

Der zu allererst und unmittelbar der Betrachtung sieh darbietende Unterschied zwischen den Schicksalen der Deutschen und der übrigen aus derselben Wurzel erzeugten Stämme ist der, dass die ersten in den ursprünglichen Wohnsitzen des Stammvolkes blieben, die letzten in andere Sitze auswanderten, die ersten die ursprüngliche Sprache des Stammvolkes behielten und fortbildeten, die letzten eine fremde Sprache annahmen, und dieselbe allmählig nach ihrer Weise umgestalteten. Aus dieser frühesten Verschiedenheit müssen erst die später erfolgten, z.B. dass im ursprünglichen Vaterlande, angemessen germanischer Ursitte, ein Staatenbund unter einem beschränkten Oberhaupte blieb, in den fremden Ländern mehr auf bisherige römische Weise die Verfassung in Monarchien überging, u. dergl. erklärt werden, keinesweges aber in umgekehrter Ordnung.

Von den angegebenen Veränderungen ist nun die erste, die Veränderung der Heimath, ganz unbedeutend. Der Mensch wird leicht unter jedem Himmelsstriche einheimisch, und die Volkseigenthüm-lichkeit, weit entfernt durch den Wohnort sehr verändert zu werden, beherrscht vielmehr diesen und verändert ihn nach sieh. Auch ist die Verschiedenheit der Natureinflüsse in dem von Germaniern bewohnten Himmelsstriche nicht sehr gross. Ebensowenig wolle man auf den Umstand ein Gewicht legen, dass in den eroberten Ländern die germanische Abstammung mit den früheren Bewohnern vermischt worden; denn Sieger, und Herrscher und Bildner des aus der Vermischung entstehenden neuen Volkes waren doch nur die Germanen. Ueberdies erfolgte dieselbe Mischung, die im Auslande mit Galliern, Cantabriern u.s.w. geschah, im Mutterlande mit Slaven wohl nicht in geringerer Ausdehnung; so dass es keinem der aus Germaniern entstandenen Völker heutzutage leichtfallen dürfte, eine grössere Reinheit seiner Abstammung vor den übrigen darzuthun.

Bedeutender aber, und wie ich dafürhalte, einen vollkommenen Gegensatz zwischen den Deutschen und den übrigen Völkern germanischer Abkunft begründend, ist die zweite Veränderung, die der Sprache; und kommt es dabei, welches ich gleich zu Anfange bestimmt aussprechen will, weder auf die besondere Beschaffenheit derjenigen Sprache an, welche von diesem Stamme beibehalten, noch auf die der anderen, welche von jenem anderen Stamme angenommen wird, sondern allein darauf, dass dort eigenes behalten, hier fremdes angenommen wird; noch kommt es an auf die vorige Abstammung derer, die eine ursprüngliche Sprache fortsprechen, sondern nur darauf, dass diese Sprache ohne Unterbrechung fortgesprochen werde, indem weit mehr die Menschen von der Sprache gebildet werden, denn die Sprache von den Menschen.

Um die Folgen eines solchen Unterschiedes in der Völkererzeugung, und die bestimmte Art des Gegensatzes in den Nationalzügen, die aus dieser Verschiedenheit nothwendig erfolgt, klar zu machen, soweit es hier möglich und nöthig ist, muss ich Sie zu einer Betrachtung über das Wesen der Sprache überhaupt einladen.

Die Sprache überhaupt, und besonders die Bezeichnung der Gegenstände in derselben durch das Lautwerden der Sprachwerkzeuge, hängt keinesweges von willkürlichen Beschlüssen und Verabredungen ab, sondern es giebt zuvörderst ein Grundgesetz, nach welchem jedweder Begriff in den menschlichen Sprachwerkzeugen zu diesem, und keinem anderen Laute wird. So wie die Gegenstände sich in den Sinnenwerkzeugen des Einzelnen mit dieser bestimmten Figur, Farbe u.s.w. abbilden, so bilden sie sich im Werkzeuge des gesellschaftlichen Menschen, in der Sprache, mit diesem bestimmten Laute ab. Nicht eigentlich redet der Mensch, sondern in ihm redet die menschliche Natur, und verkündiget sich anderen seines Gleichen. Und so müsste man sagen: die Sprache ist eine einzige und durchaus nothwendige.

Nun mag zwar, welches das zweite ist, die Sprache in dieser ihrer Einheit für den Menschen schlechtweg, als solchen, niemals und nirgend hervorgebrochen seyn, sondern allenthalben weiter geändert und gebildet durch die Wirkungen, welche der Himmelsstrich und häufigerer oder seltenerer Gebrauch auf die Sprachwerkzeuge, und die Aufeinanderfolge der beobachteten und bezeichneten Gegenstände auf die Aufeinanderfolge der Bezeichnung hatten. Jedoch findet auch hierin nicht Willkür oder Ohngefähr, sondern strenges Gesetz statt; und es ist nothwendig, dass in einem durch die erwähnten Bedingungen also bestimmten Sprachwerkzeuge nicht die Eine und reine Menschensprache, sondern dass eine Abweichung davon, und zwar, dass gerade diese bestimmte Abweichung davon hervorbreche.

Nenne man die unter denselben äusseren Einflüssen auf das Sprachwerkzeug stehenden, zusammenlebenden und in fortgesetzter Mittheilung ihre Sprache fortbildenden Menschen ein Volk, so muss man sagen: die Sprache dieses Volkes ist nothwendig so wie sie ist, und nicht eigentlich dieses Volk spricht seine Erkenntniss aus, sondern seine Erkenntniss selbst spricht sich aus aus demselben.

Bei allen im Fortgange der Sprache durch dieselben oben erwähnten Umstände erfolgten Veränderungen bleibt ununterbrochen diese Gesetzmässigkeit; und zwar für alle, die in ununterbrochener Mittheilung bleiben, und wo das von jedem Einzelnen ausgesprochene Neue an das Gehör aller gelangt, dieselbe Eine Gesetzmässigkeit. Nach Jahrtausenden, und nach allen den Veränderungen, welche in ihnen die äussere Erscheinung der Sprache dieses Volkes erfahren hat, bleibt es immer dieselbe Eine, ursprünglich also ausbrechenmüssende lebendige Sprachkraft der Natur, die ununterbrochen durch alle Bedingungen herabgeflossen ist, und in jeder so werden musste, wie sie ward. am Ende derselben so seyn musste, wie sie jetzt ist, und in einiger Zeit also seyn wird, wie sie sodann müssen wird. Die reinmenschliche Sprache zusammengenommen zuvörderst mit dem Organe des Volkes, als sein erster Laut ertönte; was hieraus sich ergiebt, ferner zusammengenommen mit allen Entwickelungen, die dieser erste Laut unter den gegebenen Umständen gewinnen musste, giebt als letzte Folge die gegenwärtige Sprache des Volkes. Darum bleibt auch die Sprache immer dieselbe Sprache. Lasset immer nach einigen Jahrhunderten die Nachkommen die damalige Sprache ihrer Vorfahren nicht verstehen, weil für sie die Uebergänge verlorengegangen sind, dennoch giebt es vom Anbeginn an einen stätigen Uebergang ohne Sprung, immer unmerklich in der Gegenwart, und nur durch Hinzufügung neuer Uebergänge bemerklich gemacht, und als Sprung erscheinend. Niemals ist ein Zeitpunct eingetreten, da die Zeitgenossen aufgehört hätten sich zu verstehen, indem ihr ewiger Vermittler und Dollmetscher die aus ihnen allen sprechende gemeinsame Naturkraft immerfort war und blieb. So verhält es sich mit der Sprache als Bezeichnung der Gegenstände unmittelbar sinnlicher Wahrnehmung, und dieses ist alle menschliche Sprache anfangs. Erhebt von dieser das Volk sich zu Erfassung des Uebersinnlichen, so vermag dieses Uebersinnliche zur beliebigen Wiederholung und zur Vermeidung der Verwirrung mit dem Sinnlichen für den ersten Einzelnen, und zur Mittheilung und zweckmässigen Leitung für andere, zuvörderst nicht anders festgehalten zu werden, denn also, dass ein Selbst als Werkzeug einer übersinnlichen Welt bezeichnet, und von demselben Selbst, als Werkzeug der sinnlichen Welt, genau unterschieden werde – eine Seele, Gemüth und dergl. einem körperlichen Leibe entgegengesetzt werde. Ferner könnten die verschiedenen Gegenstände dieser übersinnlichen Welt, da sie insgesammt nur in jenem übersinnlichen Werkzeuge erscheinen, und für dasselbe da sind, in der Sprache nur dadurch bezeichnet werden, dass gesagt werde, ihr besonderes Verhältniss zu ihrem Werkzeuge sey also, wie das Verhältniss der und der bestimmten sinnlichen Gegenstände zum sinnlichen Werkzeuge, und dass in diesem Verhältnisse ein besonderes übersinnliches einem besonderen sinnlichen gleichgesetzt, und durch diese Gleichsetzung sein Ort im übersinnlichen Werkzeuge durch die Sprache angedeutet werde. Weiter vermag in diesem Umkreise die Sprache nichts; sie giebt ein sinnliches Bild des Uebersinnlichen bloss mit der Bemerkung, dass es ein solches Bild sey; wer zur Sache selbst kommen will, muss nach der durch das Bild ihm angegebenen Regel sein eigenes geistiges Werkzeug in Bewegung setzen. – Im allgemeinen erhellet, dass diese sinnbildliche Bezeichnung des Uebersinnlichen jedesmal nach der Stufe der Entwickelung des sinnlichen Erkenntnissvermögens unter dem gegebenen Volke sich richten müsse; dass daher der Anfang und Fortgang dieser sinnbildlichen Bezeichnung in verschiedenen Sprachen sehr verschieden ausfallen werde, nach der Verschiedenheit des Verhältnisses, das zwischen der sinnlichen und geistigen Ausbildung des Volkes, das eine Sprache redet, stattgefunden, und fortwährend stattfindet.

Wir beleben zuvörderst diese in sich klare Bemerkung durch ein Beispiel. Etwas, das zufolge der in der vorigen Rede erklärten Erfassung des Grundtriebes nicht erst durch das dunkle Gefühl, sondern sogleich durch klare Erkenntniss entsteht, dergleichen jedesmal ein übersinnlicher Gegenstand ist, heisst mit einem griechischen, auch in der deutschen Sprache häufig gebrauchten Worte eine Idee, und dieses Wort giebt genau dasselbe Sinnbild, was in der deutschen das Wort Gesicht, wie dieses in folgenden Wendungen der lutherischen Bibelübersetzung: ihr werdet Gesichte sehen, ihr werdet Träume haben, vorkommt. Idee oder Gesicht in sinnlicher Bedeutung wäre etwas, das nur durch das Auge des Leibes, keinesweges aber durch einen anderen Sinn, etwa der Betastung, des Gehörs u.s.w. erfasst werden könnte, so wie etwa ein Regenbogen, oder die Gestalten, welche im Traume vor uns vorübergehen. Dasselbe in übersinnlicher Bedeutung hiesse zuvörderst, zufolge des Umkreises, in dem das Wort gellen soll, etwas, das gar nicht durch den Leib, sondern nur durch den Geist erfasst wird; sodann, das auch nicht durch das dunkle Gefühl des Geistes, wie manches andere, sondern allein durch das Auge desselben, die klare Erkenntniss, erfasst werden kann. Wollte man nun etwa ferner annehmen, dass den Griechen bei dieser sinnbildlichen Bezeichnung allerdings der Regenbogen, und die Erscheinungen der Art, zum Grunde gelesen, so müsste man gestehen, dass ihre sinnliche Erkenntniss schon vorher sich zur Bemerkung des Unterschiedes zwischen den Dingen, dass einige sich allen oder mehreren Sinnen, einige sich bloss dem Auge offenbaren, erhoben haben müsse, und dass ausserdem sie den entwickelten Begriff, wenn er ihnen klar geworden wäre, nicht also, sondern anders hätten bezeichnen müssen. Es würde sodann auch ihr Vorzug in geistiger Klarheit erhellen etwa vor einem anderen Volke, das den Unterschied zwischen sinnlichem und übersinnlichem nicht durch ein aus dem besonnenen Zustande des Wachens hergenommenes Sinnbild habe bezeichnen können, sondern zum Traume seine Zuflucht genommen, um ein Bild für eine andere Welt zu finden; zugleich würde einleuchten, dass dieser Unterschied nicht etwa durch die grössere oder geringere Stärke des Sinnes fürs Uebersinnliche in den beiden Völkern, sondern dass er lediglich durch die Verschiedenheit ihrer sinnlichen Klarheit, damals, als sie Uebersinnliches bezeichnen wollten, begründet sey.

So richtet alle Bezeichnung des Uebersinnlichen sich nach dem Umfange und der Klarheit der sinnlichen Erkenntniss desjenigen, der da bezeichnet. Das Sinnbild ist ihm klar und drückt ihm das Verhältniss des Begriffenen zum geistigen Werkzeuge vollkommen verständlich aus, denn dieses Verhältniss wird ihm erklärt durch ein anderes unmittelbar lebendiges Verhältniss zu seinem sinnlichen Werkzeuge. Diese also entstandene neue Bezeichnung, mit aller der neuen Klarheit, die durch diesen erweiterten Gebrauch des Zeichens die sinnliche Erkenntnis selber bekommt, wird nun niedergelegt in der Sprache; und die mögliche künftige übersinnliche Erkenntniss wird nun nach ihrem Verhältnisse zu der ganzen in der gesammten Sprache niedergelegten Übersinnlichen und sinnlichen Erkenntniss bezeichnet; und so geht es ununterbrochen fort; und so wird denn die unmittelbare Klarheit und Verständlichkeit der Sinnbilder niemals abgebrochen, sondern sie bleibt ein stätiger Fluss. – Ferner, da die Sprache nicht durch Willkür vermittelt, sondern als unmittelbare Naturkraft aus dem verständigen Leben ausbricht, so hat eine ohne Abbruch nach diesem Gesetze fortentwickelte Sprache auch die Kraft, unmittelbar einzugreifen in das Leben und dasselbe anzuregen. Wie die unmittelbar gegenwärtigen Dinge den Menschen bewegen, so müssen auch die Worte einer solchen Sprache den bewegen, der sie versteht, denn auch sie sind Dinge, keinesweges willkürliches Machwerk. So zunächst im Sinnlichen. Nicht anders jedoch auch im Uebersinnlichen. Denn obwohl in Beziehung auf das letztere der stätige Fortgang der Naturbeobachtung durch freie Besinnung und Nachdenken unterbrochen wird, und hier gleichsam der unbildliche Gott eintritt, so versetzt dennoch die Bezeichnung durch die Sprache das Unbildliche auf der Stelle in den stätigen Zusammenhang des Bildlichen zurück; und so bleibt auch in dieser Rücksicht der stätige Fortgang der zuerst als Naturkraft ausgebrochnen Sprache ununterbrochen, und es tritt in den Fluss der Bezeichnung keine Willkür ein. Es kann darum auch dem übersinnlichen Theile einer also stätig fortentwickelten Sprache seine Leben anregende Kraft auf den, der nur sein geistiges Werkzeug in Bewegung setzt, nicht entgehen. Die Worte einer solchen Sprache in allen ihren Theilen sind Leben und schaffen Leben. – Machen wir auch in Rücksicht der Entwickelung der Sprache für das Uebersinnliche die Voraussetzung, dass das Volk dieser Sprache in ununterbrochener Mittheilung geblieben, und dass, was Einer gedacht und ausgesprochen, bald an alle gekommen, so gilt, was bisher im allgemeinen gesagt worden, für alle, die diese Sprache reden. Allen, die nur denken wollen, ist das in der Sprache niedergelegte Sinnbild klar; allen, die da wirklich denken, ist es lebendig und anregend ihr Leben.

So verhält es sich, sage ich, mit einer Sprache, die von dem ersten Laute an, der in derselben ausbrach, ununterbrochen aus dem wirklichen gemeinsamen Leben eines Volkes sich entwickelt hat, und in die niemals ein Bestandtheil gekommen, der nicht eine wirklich erlebte Anschauung dieses Volkes, und eine mit allen übrigen Anschauungen desselben Volkes im allseitig eingreifenden Zusammenhange stehende Anschauung ausdrückte. Lasset dem Stammvolke dieser Sprache noch so viel Einzelne anderen Stammes und anderer Sprache einverleibt werden; wenn es diesen nur nicht verstattet wird, den Umkreis ihrer Anschauungen zu dem Standpuncte, von welchem von nun an die Sprache sich fortentwickele, zu erheben: so bleiben diese stumm in der Gemeine, und ohne Einfluss auf die Sprache, so lange, bis sie selbst in den Umkreis der Anschauungen des Stammvolkes hineingekommen sind, und so bilden nicht sie die Sprache, sondern die Sprache bildet sie.

Ganz das Gegentheil aber von allem bisher Gesagten erfolgt alsdann, wenn ein Volk, mit Aufgebung seiner eigenen Sprache eine fremde, für Übersinnliche Bezeichnung schon sehr gebildete annimmt; und zwar nicht also, dass es sich der Einwirkung dieser fremden Sprache ganz frei hingebe, und sich bescheide, sprachlos zu bleiben, so lange, bis es in den Kreis der Anschauungen dieser fremden Sprache hineingekommen; sondern also, dass es seinen eigenen Anschauungskreis der Sprache aufdringe, und diese, von dem Standpuncte aus, wo sie dieselbe fanden, von nun an in diesem Anschauungskreise sich fortbewegen müsse. In Absicht des sinnlichen Theils der Sprache zwar ist diese Begebenheit ohne Folgen. In jedem Volke müssen ja ohnedies die Kinder diesen Theil der Sprache, gleich als ob die Zeichen willkürlich wären, lernen, und so die ganze frühere Sprachentwickelung der Nation hierin nachholen; jedes Zeichen aber in diesem sinnlichen Umkreise kann durch die unmittelbare Ansicht oder Berührung des Bezeichneten vollkommen klar gemacht werden. Höchstens würde daraus folgen, dass das erste Geschlecht eines solchen, seine Sprache ändernden Volkes als Männer wieder in die Kinderjahre zurückzugehen genöthigt gewesen; mit den nachgeborenen aber und an den künftigen Geschlechtern war alles wieder in der alten Ordnung. Dagegen ist diese Veränderung von den bedeutendsten Folgen in Rücksicht des übersinnlichen Theils der Sprache. Dieser hat zwar für die ersten Eigenthümer der Sprache sich gemacht auf die bisher beschriebene Weise; für die späteren Eroberer derselben aber enthält das Sinnbild eine Vergleichung mit einer sinnlichen Anschauung, die sie entweder schon längst, ohne die beiliegende geistige Ausbildung, übersprungen haben, oder die sie dermalen noch nicht gehabt haben, auch wohl niemals haben können. Das höchste, was sie hierbei thun können, ist, dass sie das Sinnbild und die geistige Bedeutung desselben sich erklären lassen, wodurch sie die flache und todte Geschichte einer fremden Bildung, keinesweges aber eigene Bildung erhalten, und Bilder bekommen, die für sie weder unmittelbar klar, noch auch lebenanregend sind, sondern völlig also willkürlich erscheinen müssen, wie der sinnliche Theil der Sprache. Für sie ist nun, durch diesen Eintritt der blossen Geschichte, als Erklärerin, die Sprache in Absicht des ganzen Umkreises ihrer Sinnbildlichkeit todt, abgeschlossen, und ihr stätiger Fortfluss abgebrochen; und obwohl über diesen Umkreis hinaus sie nach ihrer Weise, und inwiefern dies von einem solchen Ausgangspuncte aus möglich ist, diese Sprache wieder lebendig fortbilden mögen; so bleibt doch jener Bestandtheil die Scheidewand, an welcher der ursprüngliche Ausgang der Sprache, als einer Naturkraft aus dem Leben, und die Rückkehr der wirklichen Sprache in das Leben ohne Ausnahme sich bricht. Obwohl eine solche Sprache auf der Oberfläche durch den Wind des Lebens bewegt werden, und so den Schein eines Lebens von sich geben mag, so hat sie doch tiefer einen todten Bestandtheil, und ist, durch den Eintritt des neuen Anschauungskreises und die Abbrechung des alten, abgeschnitten von der lebendigen Wurzel.

Wir beleben das soeben Gesagte durch ein Beispiel; indem wir zum Behufe dieses Beispieles noch beiläufig die Bemerkung machen, dass eine solche im Grunde todte und unverständliche Sprache sich auch sehr leicht verdrehen und zu allen Beschönigungen des menschlichen Verderbens misbrauchen lässt, was in einer niemals erstorbenen nicht also möglich ist. Ich bediene mich als solchen Beispieles der drei berüchtigten Worte: Humanität, Popularität, Liberalität. Diese Worte, vor dem Deutschen, der keine andere Sprache gelernt hat, ausgesprochen, sind ihm ein völlig, leerer Schall, der an nichts ihm schon bekanntes durch Verwandtschaft des Lautes erinnert, und so aus dem Kreise seiner Anschauung und aller möglichen Anschauung ihn vollkommen herausreisst. Reizt nun doch etwa das unbekannte Wort durch seinen fremden, vornehmen und wohltönenden Klang seine Aufmerksamkeit, und denkt er, was so hoch töne, müsse auch etwas hohes bedeuten; so muss er sich diese Bedeutung ganz von vornherein, und als etwas ihm ganz neues, erklären lassen, und kann dieser Erklärung eben nur blind glauben, und wird so stillschweigend gewöhnt, etwas für wirklich daseyend und würdig anzuerkennen, das er, sich selbst überlassen, vielleicht niemals des Erwähnens werthgefunden hätte. Man glaube nicht, dass es sich mit den neulateinischen Völkern, welche jene Worte vermeintlich als Worte ihrer Muttersprache aussprechen, viel anders verhalte. Ohne gelehrte Ergründung des Alterthums und seiner wirklichen Sprache verstehen sie die Wurzeln dieser Wörter ebensowenig, als der Deutsche. Hätte man nun etwa dem Deutschen statt des Wortes Humanität das Wort Menschlichkeit, wie jenes wörtlich übersetzt werden muss, ausgesprochen, so hätte er uns ohne weitere historische Erklärung verstanden; aber er hätte gesagt: da ist man nicht eben viel, wenn man ein Mensch ist, und kein wildes Thier. Also aber, wie wohl nie ein Römer gesagt hätte, würde der Deutsche sagen, deswegen, weil die Menschheit überhaupt in seiner Sprache nur ein sinnlicher Begriff geblieben, niemals aber wie bei den Römern zum Sinnbilde eines übersinnlichen geworden; indem unsere Vorfahren vielleicht lange vorher die einzelnen menschlichen Tugenden bemerkt und sinnbildlich in der Sprache bezeichnet, ehe sie darauf gefallen, dieselben in einem Einheitsbegriffe, und zwar als Gegensatz mit der thierischen Natur, zusammenzufassen, welches denn auch unseren Vorfahren den Römern gegenüber zu gar keinem Tadel gereicht. Wer nun den Deutschen dennoch dieses fremde und römische Sinnbild künstlich in die Sprache spielen wollte, der würde ihre sittliche Denkart offenbar herunterstimmen, indem er ihnen als etwas vorzügliches und lobenswürdiges hingäbe, was in der fremden Sprache auch wohl ein solches seyn mag, was er aber, nach der unaustilgbaren Natur seiner Nationaleinbildungskraft, nur fasst als das bekannte, das gar nicht zu erlassen ist. Es liesse sich vielleicht durch eine nähere Untersuchung darthun, dass dergleichen Herabstimmungen der frühern sittlichen Denkart durch unpassende und fremde Sinnbilder den germanischen Stämmen, die die römische Sprache annahmen, schon zu Anfange begegnet; doch wird hier auf diesen Umstand nicht gerade das grösste Gewicht gelegt.

Würde ich ferner dem Deutschen statt der Wörter Popularität und Liberalität die Ausdrücke Haschen nach Gunst beim grossen Haufen, und Entfernung vom Sklavensinn, wie jene wörtlich übersetzt werden müssen, sagen, so bekäme derselbe zuvörderst nicht einmal ein klares und lebhaftes sinnliches Bild, dergleichen der frühere Römer allerdings bekam. Dieser sah alle Tage die schmiegsame Höflichkeit des ehrgeizigen Candidaten gegen alle Welt, so wie Ausbrüche des Sklavensinns vor Augen, und jene Worte bildeten sie ihm wieder lebendig vor. Durch die Veränderung der Regierungsform und die Einführung des Christenthums waren schon dem spätern Römer diese Schauspiele entrissen; wie denn überhaupt diesem, besonders durch das fremdartige Christenthum, das er weder abzuwehren, noch sich einzuverleiben vermochte, die eigne Sprache guten Theils abzusterben anfing im eignen Munde. Wie hätte diese, schon in der eignen Heimath halbtodte Sprache lebendig überliefert werden können an ein fremdes Volk? Wie sollte sie es jetzt können an uns Deutsche? Was ferner das in jenen beiden Ausdrücken liegende Sinnbild eines Geistigen betrifft, so liegt in der Popularität schon ursprünglich eine Schlechtigkeit, die durch das Verderben der Nation und ihrer Verfassung in ihrem Munde zur Tugend verdreht wurde. Der Deutsche geht in diese Verdrehung, so wie sie ihm nur in seiner eignen Sprache dargeboten wird, nimmer ein. Zur Uebersetzung der Liberalität aber dadurch, dass ein Mensch keine Sklavenseele, oder, wenn es in die neue Sitte eingeführt wird, keine Lakaiendenkart habe, antwortet er abermals, dass auch dies sehr wenig gesagt heisse.

Nun hat man aber noch ferner in diese, schon in ihrer reinen Gestalt bei den Römern auf einer tiefen Stufe der sittlichen Bildung entstandenen, oder geradezu eine Schlechtigkeit bezeichnenden Sinnbilder in der Fortentwicklung der neulateinischen Sprachen den Begriff von Mangel an Ernst über die gesellschaftlichen Verhältnisse, den des sich Wegwerfens, den der gemüthlosen Lockerheit, hineingespielt, und dieselben auch in die deutsche Sprache gebracht, um durch das Ansehen des Alterthums und des Auslandes, ganz in der Stille und ohne dass jemand so recht deutlich merke, wovon die Rede sey, die letztgenannten Dinge auch unter uns in Ansehen zu bringen. Dies ist von jeher der Zweck und der Erfolg aller Einmischung gewesen: zuvörderst, aus der unmittelbaren Verständlichkeit und Bestimmtheit, die jede ursprüngliche Sprache bei sich führt, den Hörer in Dunkel und Unverständlichkeit einzuhüllen; darauf, an den dadurch erregten blinden Glauben desselben sich mit der nun nöthig gewordenen Erklärung zu wenden, in dieser endlich Laster und Tugend also durcheinander zu rühren, dass es kein leichtes Geschäft ist, dieselben wieder zu sondern. Hätte man das, was jene drei ausländischen Worte eigentlich wollen müssen, wenn sie überhaupt etwas wollen, dem Deutschen in seinen Worten und in seinem sinnbildlichen Kreise also ausgesprochen: Menschenfreundlichkeit, Leutseligkeit, Edelmuth, so hätte er uns verstanden; die genannten Schlechtigkeiten aber hätten sich niemals in jene Bezeichnungen einschieben lassen. Im Umfange deutscher Rede entsteht eine solche Einhüllung in Unverständlichkeit und Dunkel entweder aus Ungeschicktheit oder aus böser Tücke; sie ist zu vermeiden, und die Uebersetzung in rechtes wahres Deutsch liegt als stets fertiges Hülfsmittel bereit. In den neulateinischen Sprachen aber ist diese Unverständlichkeit natürlich und ursprünglich, und sie ist durch gar kein Mittel zu vermeiden, indem diese überhaupt nicht im Besitze irgend einer lebendigen Sprache, woran sie die todte prüfen könnten, sich befinden, und, die Sache genau genommen, eine Muttersprache gar nicht haben.

Das an diesem einzelnen Beispiele Dargelegte, was gar leicht durch den ganzen Umkreis der Sprache sich würde hindurchführen lassen und allenthalben also sich wieder finden würde, soll Ihnen das bis hieher Gesagte so klar machen, als es hier werden kann. Es ist vom übersinnlichen Theile der Sprache die Rede, vom sinnlichen zunächst und unmittelbar gar nicht. Dieser übersinnliche Theil ist in einer immerfort lebendig gebliebenen Sprache sinnbildlich, zusammenfassend bei jedem Schritte das Ganze des sinnlichen und geistigen, in der Sprache niedergelegten Lebens der Nation in vollendeter Einheit, um einen, ebenfalls nicht willkürlichen, sondern aus dem ganzen bisherigen Leben der Nation nothwendig hervorgehenden Begriff zu bezeichnen, aus welchem, und seiner Bezeichnung, ein scharfes Auge die ganze Bildungsgeschichte der Nation rückwärtsschreitend wieder müsste herstellen können. In einer todten Sprache aber, in der dieser Theil, als sie noch lebte, dasselbige war, wird er durch die Ertödtung zu einer zerrissenen Sammlung willkürlicher und durchaus nicht weiter zu erklärender Zeichen ebenso willkürlicher Begriffe, wo mit beiden sich nichts weiter anfangen lässt, als dass man sie eben lerne.

Somit ist unsre nächste Aufgabe, den unterscheidenden Grundzug des Deutschen vor den andern Völkern germanischer Abkunft zu finden, gelöst. Die Verschiedenheit ist sogleich bei der ersten Trennung des gemeinschaftlichen Stammes entstanden, und besteht darin, dass der Deutsche eine bis zu ihrem ersten Ausströmen aus der Naturkraft lebendige Sprache redet, die übrigen germanischen Stämme eine nur auf der Oberfläche sich regende, in der Wurzel aber todte Sprache. Allein in diesen Umstand, in die Lebendigkeit und in den Tod, setzen wir den Unterschied; keinesweges aber lassen wir uns ein auf den übrigen innern Werth der deutschen Sprache. Zwischen Leben und Tod findet gar keine Vergleichung statt, und das erste hat vor dem letzten unendlichen Werth; darum sind alle unmittelbare Vergleichungen der deutschen und der neulateinischen Sprachen durchaus nichtig, und sind gezwungen von Dingen zu reden, die der Rede nicht werth sind. Sollte vom innern Werthe der deutschen Sprache die Rede entstehen, so müsste wenigstens eine von gleichem Range, eine ebenfalls ursprüngliche, als etwa die griechische, den Kampfplatz betreten; unser gegenwärtiger Zweck aber liegt tief unter einer solchen Vergleichung.

Welchen unermesslichen Einfluss auf die ganze menschliche Entwicklung eines Volks die Beschaffenheit seiner Sprache haben möge, der Sprache, welche den Einzelnen bis in die geheimste Tiefe seines Gemüths bei Denken und Wollen begleitet, und beschränkt oder beflügelt, welche die gesammte Menschenmenge, die dieselbe redet, auf ihrem Gebiete zu einem einzigen gemeinsamen Verstande verknüpft, welche der wahre gegenseitige Durchströmungspunct der Sinnenwelt und der der Geister ist, und die Enden dieser beiden also in einander verschmilzt, dass gar nicht zu sagen ist, zu welcher von beiden sie selber gehöre: wie verschieden die Folge dieses Einflusses ausfallen möge, da, wo das Verhältniss ist, wie Leben und Tod, lässt sich im allgemeinen errathen. Zunächst bietet sich dar, dass der Deutsche ein Mittel hat, seine lebendige Sprache durch Vergleichung mit der abgeschlossenen römischen Sprache, die von der seinigen im Fortgange der Sinnbildlichkeit gar sehr abweicht, noch tiefer zu ergründen, wie hinwiederum jene auf demselben Wege klarer zu verstehen, welches dem Neulateiner, der im Grunde in dem Umkreise derselben Einen Sprache gefangen bleibt, nicht also möglich ist; dass der Deutsche, indem er die römische Stammsprache lernt, die abgestammten gewissermaassen zugleich mit erhält, und falls er etwa die erste gründlicher lernen sollte, denn der Ausländer, welches er aus dem angeführten Grunde gar wohl vermag, er zugleich auch dieses Ausländers eigene Sprachen weit gründlicher verstehen und weit eigenthümlicher besitzen lernt, denn jener selbst, der sie redet; dass daher der Deutsche, wenn er sich nur aller seiner Vortheile bedient, den Ausländer immerfort übersehen und ihn vollkommen, sogar besser, denn er sich selbst, verstehen, und ihn nach seiner ganzen Ausdehnung übersetzen kann; dagegen der Ausländer, ohne eine höchst mühsame Erlernung der deutschen Sprache, den wahren Deutschen niemals verstehen kann, und das ächt Deutsche ohne Zweifel unübersetzt lassen wird. Was in diesen Sprachen man nur vom Ausländer selbst lernen kann, sind meistens aus Langeweile und Grille entstandene neue Moden des Sprechens, und man ist sehr bescheiden, wenn man auf diese Belehrungen eingeht. Meistens würde man statt dessen ihnen zeigen können, wie sie, der Stammsprache und ihrem Verwandlungsgesetze gemäss, sprechen sollten, und dass die neue Mode nichts tauge und gegen die althergebrachte gute Sitte verstosse. – Jener Reichthum an Folgen überhaupt, sowie die besondere zuletzt erwähnte Folge ergeben sich, wie gesagt, von selbst.

Unsere Absicht aber ist es, diese Folgen insgesammt im Ganzen, nach ihrem Einheitsbande und aus der Tiefe zu erfassen, um dadurch eine gründliche Schilderung des Deutschen im Gegensatze mit den übrigen germanischen Stämmen zu gehen. Ich gebe diese Folgen vorläufig in der Kürze also an: 1) Beim Volke der lebendigen Sprache greift die Geistesbildung ein ins Leben; beim Gegentheile geht geistige Bildung und Leben, jedes seinen Gang für sich fort. 2) Aus demselben Grunde ist es einem Volke der ersten Art mit aller Geistesbildung rechter eigentlicher Ernst, und es will, dass dieselbe ins Leben eingreife; dagegen einem von der letztern Art diese vielmehr ein genialisches Spiel ist, mit dem sie nichts weiter wollen. Die letztern haben Geist; die erstern haben zum Geiste auch noch Gemüth. 3) Was aus dem zweiten folgt: die erstern haben redlichen Fleiss und Ernst in allen Dingen und sind mühsam, dagegen die letztern sich im Geleite ihrer glücklichen Natur gehen lassen. 4) Was aus allem zusammen folgt: in einer Nation von der ersten Art ist das grosse Volk bildsam, und die Bildner einer solchen erproben ihre Entdeckungen an dem Volke, und wollen auf dieses einfliessen; dagegen in einer Nation von der zweiten Art die gebildeten Stände vom Volke sich scheiden, und des letztern nicht weiter, denn als eines blinden Werkzeugs ihrer Pläne achten. Die weitere Erörterung dieser angegebenen Merkmale behalte ich der folgenden Stünde vor.