BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Gottlieb Fichte

1762 - 1814

 

Der geschlossene Handelsstaat

 

3. Buch

 

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Zweites Capitel.

 

Rechtsansprüche des Bürgers,

als bisherigen freien Theilnehmers am Welthandel,

an den schliessenden Handelsstaat.

 

Durch seine Arbeit und das Stück Geld, welches er dadurch erwirbt, erhält der Bürger Anspruch auf alles, was Begünstigung durch die Natur oder menschliche Kunst in irgend einem Theile der grossen Handelsrepublik hervorbringen. Dies ist der Zustand, in welchem ihn die Regieruns, die im Begriffe ist, den Handelsstaat zu schliessen, antrifft. Wenigstens können wir diesen Zustand als festen Punct, von welchem unsere Untersuchungen ausgehen, voraussetzen, indem ja doch in allen gegenwärtigen europäischen Staaten der Handel einmal durchaus frei gewesen, wenn er auch etwa hinterher unter unvollständige Beschränkungen gebracht worden.

In diesem Zustande zu bleiben, ist das erworbene Recht des Bürgers, denn er hat auch von seiner Seite irgend etwas zu dem Flor dieser grossen Handelsrepublik und zur Belebung es allgemeinen Verkehrs mit beigetragen. Es ist sein vom Staate ihm zugestandenes Recht; denn er hat, wie wir schon oben erinnert, mit stillschweigender Bewilligung des Staates auf die Fortdauer dieses Zustandes gerechnet. Es ist ein Recht, welches ihm nicht ohne seinen grossen Nachtheil verweigert werden kann. Der Strenge nach ist es freilich wahr, dass jeder mit dem Ertrage des Klimas, welches er bewohnt, und der Kunst seiner Mitbürger, unter denen er lebt, sich begnügen solle. Auch würde es jeder ohne Beschwerde und ohne Gelüst des Ausländischen; wenn nicht so viele, vielleicht von der frühesten Jugend an, an das letztere gewöhnt wären. Durch diese Angewöhnung ist es ihnen ein zum Wohlseyn unentbehrliches Bedürfniss geworden; die Regierung hat stillschweigend zugesehen, wie sie sich daran gewöhnten; sie hat ihnen durch dieses Stillschweigen die Gewähr geleistet, dass Sie wenigstens nichts thun werde, um sie dieser Bedürfnisse zu berauben, oder ihnen den Besitz derselben zu erschweren.

Also – der aus der Theilnahme am grossen Welthandel hervorgehende Bürger hat bei Schliessung des Handelsstaates einen rechtlichen Anspruch auf den fortdauernden Genuss alles dessen, was er bisher von den Gittern der grossen europäischen Handelsrepublik an sich zu bringen vermochte, inwiefern dasselbe in demjenigen Lande, welche, er bewohnt, nur irgend erzeugt, oder verfertigt werden kann. Was zuvörderst das letztere betrifft, die Verfertigung, so lässt sich kein Grund denken, warum nicht, den Besitz des rohen Stoffes vorausgesetzt in jedem Lande alles mögliche sollte fabricirt werden können, und warum irgend ein Volk von Natur so ungelehrig seyn sollte, dass es nicht jede mechanische Kunst bis zur Fertigkeit sich zu eigen machen könnte. Was das erstere anlangt, die Erzeugung, so ist allerdings ausgemacht, dass gewisse Producte in gewissen Klimaten nie, oder wenigstens nicht mit Vortheil, und ohne grösseren Nachtheil für die natürlichen Erzeugnisse des Landes, werden angebaut werden können. Wohl aber dürften in jedem nur gemässigten Klima stellvertretende Producte der ausländischen Erzeugnisse sich entdecken und anbauen lassen, wenn nur Mühe und Rosten nicht gescheut werden dürfen.

Also – eine Regierung, die im Begriffe wäre, den Handelsstaat zu schliessen, müsste vorher die inländische Fabrication aller, ihren Bürgern zum Bedürfniss gewordenen, Fabricate, ferner die Erzeugung aller bisher gewöhnlichen, oder zur Verarbeitung durch die Fabriken erforderlichen, ächten oder stellvertretenden Producte, beides in der für das Land nöthigen Quantität, eingeführt und durchgesetzt haben.

Selbst diejenigen Waaren, deren Erzeugung oder Verfertigung im Lande unmöglich befunden würde, und welche für die Zukunft aus dem Handel ganz wegfallen sollen, müssten nicht auf einmal, sondern nur nach und nach aus dem Umlauf gebracht werden, so dass von denselben periodisch eine immer kleinere Quantität, und endlich gar nichts mehr ausgegeben würde. Die Bürger wären von dieser Veranstaltung vorher zu unterrichten; und so fiele ihr von der stillschweigenden Einwilligung des Staates abgeleiteter Rechtsanspruch auf den fortdauernden Genuss jener Waaren weg.

Jedoch ist sowohl in Rücksicht der Verpflanzung ausländischer Industrie in das Land, als in Rücksicht der allmähligen Entwöhnung der Nation von Genüssen, die in der Zukunft nicht weiter befriedigt werden sollen, ein Unterschied zu machen, zwischen Bedürfnissen, die wirklich zum Wohlseyn etwas beitragen können, und solchen, die bloss und lediglich auf die Meinung berechnet sind. Es lässt sich sehr wohl denken, dass es einem hart falle, des chinesischen Thees plötzlich zu entbehren, oder im Winter keinen Pelz, im Zimmer kein leichtes Kleid zu haben. Aber es lässt sich nicht einsehen, warum das erstere gerade ein Zobelpelz, oder das letztere von Seide seyn müsse, wenn das Land weder Zobel noch Seide hervorbringt; und noch weniger, was es für ein Unglück seyn würde, wenn an einem Tage alle Stickerei von den Kleidern verschwände, durch welche ja die Kleidung weder wärmer, noch dauerhafter wird.

In Summa: das Verschliessen des Handelsstaates, wovon wir reden, sey keinesweges eine Verzichtleistung und bescheidene Beschränkung auf den engen Kreis der bisherigen Erzeugungen unseres Landes, sondern eine kräftige Zueignung unseres Antheils von dem, was Gutes und Schönes auf der ganzen Oberfläche der Erde ist, insoweit wir es uns zueignen können; unseres uns gebührenden Antheils, indem auch unsere Nation durch ihre Arbeit und ihren Kunstsinn seit Jahrhunderten zu diesem Gemeinbesitze der Menschheit ohne Zweifel beigetragen hat.