BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Joseph von Eichendorff

1788 - 1857

 

Aus dem Leben eines Taugenichts,

Das Marmorbild,

Lieder und Romanzen

 

Gedichte. Zweite Abteilung

 

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[237]

 

Glückliche Fahrt.

 

Wünsche sich mit Wünschen schlagen,

Und die Gier wird nie gestillt.

Wer ist in dem wüsten Jagen

Da der Jäger, wer das Wild?

Seelig, wer es fromm mag wagen,

Durch das Treiben dumpf und wild

In der festen Brust zu tragen

Heilger Schönheit hohes Bild!

 

Sieh, da brechen tausend Quellen

Durch die felsenharte Welt,

Und zum Strome wird ihr Schwellen,

Der melodisch steigt und fällt.

Ringsum sich die Fernen hellen,

Gottes Hauch die Seegel schwellt –

Rettend spülen Dich die Wellen

In des Herzens stille Welt.

 

__________

 

[238]

Morgenlied.

 

Ein Stern still nach dem andern fällt

Tief in des Himmels Kluft,

Schon zucken Strahlen durch die Welt,

Ich wittre Morgenluft.

 

In Qualmen steigt und sinkt das Thal

Verödet noch vom Fest,

Liegt still der weite Freudensaal,

Und todt noch alle Gäst'.

 

Da hebt die Sonne aus dem Meer

Erathmend ihren Lauf:

Zur Erde geht, was feucht und schwer,

Was klar, zu ihr hinauf.

 

Hebt grüner Wälder Trieb und Macht

Neurauschend in die Luft,

Zieht hinten Städte, eitel Pracht,

Blau' Berge durch den Duft.

 

Spannt aus die grünen Tepp'che weich,

Von Strömen hell durchrankt,

Und schallend glänzt das frische Reich,

So weit das Auge langt.

 

Der Mensch nun aus der tiefen Welt

Der Träume tritt heraus,

Freut sich, daß alles noch so hält,

Daß noch das Spiel nicht aus.

 

[239]

Und nun geht's an ein Fleißigseyn!

Umsumsend Berg und Thal,

Agiret lustig Groß und Klein

Den Plunder allzumal.

 

Die Sonne steiget einsam auf,

Ernst über Lust und Weh

Lenkt sie den ungestörten Lauf

Zu stiller Glorie. –

 

Und wie er dehnt die Flügel aus,

Und wie er auch sich stellt:

Der Mensch kann nimmermehr hinaus

Aus dieser Narrenwelt.

 

__________

 

Im Walde bei L.

 

O Thäler weit, o Höhen,

O schöner grüner Wald,

Du meiner Lust und Wehen

Andächt'ger Aufenthalt!

Da draußen, stets betrogen,

Saußt die geschäft'ge Welt,

Schlag' noch einmal die Bogen

Um mich, du grünes Zelt!

 

Wenn es beginnt zu tagen,

Die Erde dampft und blinkt,

Die Vögel lustig schlagen,

Daß Dir Dein Herz erklingt:

[240]

Da mag vergehn, verwehen

Das trübe Erdenleid,

Da sollst Du auferstehen

In junger Herrlichkeit!

 

Da steht im Wald geschrieben,

Ein stilles, ernstes Wort

Von rechtem Thun und Lieben,

Und was des Menschen Hort.

Ich habe treu gelesen

Die Worte schlicht und wahr,

Und durch mein ganzes Wesen

Ward's unaussprechlich klar.

 

Bald werd' ich Dich verlassen,

Fremd in der Fremde geh'n,

Auf buntbewegten Gassen

Des Lebens Schauspiel sehn;

Und mitten in dem Leben

Wird Deines Ernst's Gewalt

Mich Einsamen erheben,

So wird mein Herz nicht alt.

 

__________

 

Treue.

 

Frisch auf, mein Herz! wie heiß auch das Gedränge,

Bewahr' ich doch mir kühl und frei die Brust!

Schickt Wald und Flur doch noch die alten Klänge,

Erschütternd mich mit wunderbarer Lust.

[241]

Und ob die Woge feindlich mit mir ränge:

So frömmer nur sing' ich aus treuer Brust;

Da bleicht das Wetter, Himmelblau scheint helle,

Das Meer wird still und zum Delphin die Welle.

 

„Was wollt' Ihr doch mit Euer'm Lieder=Spaße!

Des Würd'gern beut die große Zeit so viel!“

So schallt's hoffärtig nun auf jeder Gasse,

Und jeder steckt sich dreist sein glänzend Ziel.

Die Lieder, die ich stammelnd hören lasse,

Ew'ger Gefühle schwaches Widerspiel, –

Sie sind es wahrlich auch nicht, was ich meine,

Denn ewig unerreichbar ist das Eine.

 

Doch lieben oft, der Sehnsucht Gluth zu mildern,

Gefang'ne wohl, das ferne Vaterland

An ihres Kerkers Mauern abzuschildern.

Ein Himmelsstrahl fällt schweifend auf die Wand,

Da rührt's lebendig sich in allen Bildern. –

Dem Auge scheint's ein lieblich bunter Tand –

Doch wer der lichten Heimath recht zu eigen,

Dem wird der Bilder ernster Geist sich zeigen.

 

So wachse denn und treibe fröhlich Blüthe,

Du kräftig grüner deutscher Sangesbaum!

Rausch' nur erfrischend fort mir in's Gemüthe

Aus deiner Wipfel klarem Himmelsraum!

Du aber, wunderbare, ew'ge Güte,

Die mir den Himmel wies im schönen Traum,

Erhalt' auf Erden rüstig mir die Seele,

Daß ich, wo's immer ehrlich gilt, nicht fehle!

 

__________

 

[242]

An meinen Bruder.

Zum Abschiede im Jahr 1813.

 

Steig' aufwärts, Morgenstunde!

Zerreiß' die Nacht, daß ich in meinem Wehe

Den Himmel wiedersehe,

Wo ew'ger Frieden in dem blauen Grunde!

Will Licht die Welt erneuen:

Mag auch der Schmerz in Thränen sich befreien.

 

Mein lieber Herzensbruder!

Still war der Morgen – Ein Schiff trug uns beide,

Wie war die Welt voll Freude!

Du faßtest ritterlich das schwanke Ruder,

Uns beide treulich lenkend,

Auf froher Fahrt nur Einen Stern bedenkend.

 

Mich irrte manches Schöne,

Viel reizte mich und viel mußt' ich vermissen.

Von Lust und Schmerz zerrissen,

Was so mein Herz hinausgeströmt in Töne:

Es waren Wiederspiele

Von Deines Busens ewigem Gefühle.

 

Da ward die Welt so trübe,

Rings stiegen Wetter von der Berge Spitzen,

Der Himmel borst in Blitzen,

Daß neugestärkt sich Deutschland d'raus erhübe. –

Nun ist das Schiff zerschlagen,

Wie soll ich ohne Dich die Fluth ertragen! –

 

[243]

Auf einem Fels geboren,

Vertheilen kühlerrauschend sich zwei Quellen,

Die eigne Bahn zu schwellen.

Doch wie sie fern einander auch verloren:

Es treffen ächte Brüder

Im ew'gen Meere doch zusammen wieder.

 

So wolle Gott Du flehen,

Daß er mit meinem Blut und Leben schalte,

Die Seele nur erhalte,

Auf daß wir freudig einst uns wiedersehen,

Wenn nimmermehr hienieden:

So dort, wo Heimath, Licht und ew'ger Frieden!

 

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Der Tiroler Nachtwache.

 

In stiller Bucht, bei finst'rer Nacht,

Schläft tief die Welt im Grunde,

Die Berge rings steh'n auf der Wacht,

Der Himmel macht die Runde,

Geht um und um

Ums Land herum,

Mit seinen goldnen Schaaren

Die Frommen zu bewahren.

 

Kommt nur heran mit Eurer List,

Mit Leitern, Strick und Banden!

Der Herr doch noch viel stärker ist,

Macht Euren Witz zu Schanden.

[244]

Wie war't Ihr klug! –

Nun schwindelt Trug

Hinab vom Felsenrande –

Wie seid Ihr dumm! o Schande!

 

Gleichwie die Stämme in dem Wald,

Woll'n wir zusammen halten,

Ein' feste Burg, Trutz der Gewalt,

Verbleiben treu die alten.

Steig', Sonne, schön!

Wirf von den Höh'n

Nacht und die mit ihr kamen,

Hinab in Gottes Namen.

 

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Soldatenlied.

 

Was zieht da für schreckliches Sausen,

Wie Pfeifen durch Sturmes Wehn?

Das wendet das Herz recht vor Grausen,

Als sollte die Welt vergehn.

 

Das Fußvolk kommt da geschritten,

Die Trommeln wirbeln voran,

Die Fahne in ihrer Mitten

Weht über den grünen Plan,

Sie prangt in schneeweißem Kleide

Als wie eine milde Braut,

Die giebt dem hohe Freude,

Wen Gott ihr angetraut.

[245]

Sie haben sie recht umschlossen,

Dicht Mann an Mann gerückt,

So ziehen die Kriegsgenossen

Streng, schweigend und ungeschmückt,

Wie Gottes dunkeler Wille,

Wie ein Gewitter schwer,

Da wird es ringsum so stille,

Der Tod nur blitzt hin und her.

 

Wie seltsame Klänge schwingen

Sich dort von der Waldeshöh'!

Ja, Hörner sind es, die singen

Wie rasend vor Lust und Weh.

 

Die jungen Jäger sich zeigen

Dort drüben im grünen Wald,

Bald schimmernd zwischen den Zweigen,

Bald lauernd im Hinterhalt.

Wohl sinkt da in ewiges Schweigen

Manch' schlanke Rittergestalt,

Die anderen über ihn steigen,

Hurrah! in dem schönen Wald,

„Es funkelt das Blau durch die Bäume –

Ach, Vater, ich komme bald!“

 

Trompeten nur hör' ich werben

So hell durch die Frühlingsluft,

Zur Hochzeit oder zum Sterben

So übermächtig es ruft.

 

[246]

Das sind meine lieben Reiter,

Die rufen hinaus zur Schlacht,

Das sind meine lustigen Reiter,

Nun, Liebchen, gute Nacht!

Wie wird es da vorne so heiter,

Wie sprühet der Morgenwind,

In den Sieg, in den Tod und weiter,

Bis daß wir im Himmel sind!

 

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Die ernsthafte Fastnacht 1814.

Als Wittenberg in der Nacht mit Sturm genommen wurde.

 

Wohl vor Wittenberg auf den Schanzen

Sind der edlen Werber viel,

Wollen da zur Fastnacht tanzen

Ein gar seltsam Ritterspiel.

 

Und die Stadt vom Felsen droben

Spiegelt sich im Sonnenschein,

Wie ein Jungfräulein erhoben –

Jeder will ihr Bräut'gam seyn.

 

„Jäger! laßt die Hörner klingen

Durch den Morgen kalt und blank!

Wohl, sie läßt sich noch bezwingen,

Hört sie alten deutschen Klang.“

 

[247]

Drauf sie einen Reiter schnelle

Senden, der so fröhlich schaut,

Der bläßt seinen Gruß so helle,

Wirbt da um die stolze Braut.

 

„Sieh', wir werben lang' verstohlen

Schon um Dich in Noth und Tod,

Komm! sonst wollen wir Dich hohlen,

Wann der Mond scheint blutigroth!“

 

Bleich schon fallen Abendlichter –

Und der Reiter bläßt nur zu,

Nacht schon webt sich dicht und dichter –

Doch das Thor bleibt immer zu.

 

Nun so spielt denn, Musikanten,

Blaßt zum Tanz aus frischer Brust!

Herz und Sinne mir entbrannten,

O Du schöne, wilde Lust!

 

Wer hat je so'n Saal gesehen?

Strom und Wälder spielen auf,

Sterne auf und nieder gehen,

Stecken hoch die Lampen auf.

 

Ja der Herr leucht't selbst zum Tanze,

Frisch denn, Kameraden mein!

Funkelnd schön im Mondesglanze

Strenges Lieb, mußt unser sein! –

 

[248]

Und es kam der Morgen heiter,

Mancher Tänzer lag da tod,

Und Victoria bließ der Reiter

Von dem Wall ins Morgenroth.

 

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Der Liedsprecher *).

 

Und wo ein tüchtig Leben,

Und wo ein Ehrenhaus,

Da geht der Sänger eben

Gern gastlich ein und aus.

 

Der freudige Geselle

Grüßt Pfaff und Rittersmann,

Und frische Morgenhelle

Weht all' im Liede an.

 

Und kühn im Rossesbügel

Der Ritter waldwärts zieht,

Und das Gebet nimmt Flügel

Und überfliegt das Lied.

 

[249]

Denn ob's mit Schwert, mit Liedern

Sich Bahn zum Himmel schafft;

S' ist eine Schar von Brüdern

Und eine Liebeskraft.

 

Wo die vereint, da ranken

Sich willig Stein und Erz,

Da pfeilern die Gedanken

Sich freudig himmelwärts.

 

Die haben diese Bogen

Kühn über'n wilden Strom

Empörter Zeit gezogen

Zum wunderbaren Dom.

 

Die Burgen sahn wir fallen,

Die Adler zogen aus,

Wehklagend durch die Hallen

Gehn Winde ein und aus.

 

Doch droben auf der Zinne

Steht noch der Heldengeist

Der – was die Zeit beginne –

Still nach dem Kreuze weis't.

 

Es wechseln viel' Geschlechter

Und sinken in die Nacht –

Steh' fest, Du treuer Wächter,

Und nimm Dein Land in Acht!

 

[250]

Schon hat zum Kreuzeslichte

Dein Volk sich ernst gewandt,

Im Sturm der Weltgerichte

Tief schauernd Dich erkannt.

 

Nun hebt sich wieder fröhlich

Dein Haus im Morgenschein,

Die Jungfrau minneseelig

Schaut weit in's Land hinein.

 

Gesänge hör' ich schallen,

Durch's Grün geschmückte Gäst'

Wallfahrten nach den Hallen –

Wem gilt das frohe Fest?

 

Der Königssohn, Ihr Preußen,

Weilt auf dem Ritterschloß,

Das ist nach Adlers Weisen,

Daß er der Höh' genoß.

 

Das ist des Königs Walten,

Was herrlich, groß und recht,

Im Wechsel zu erhalten

Dem kommenden Geschlecht.

 

Er hob die Heldenmale

Zu neuer Herrlichkeit,

Damit das Volk im Thale

Gedenk' der großen Zeit.

 

[251]

Das ewig Alt und Neue,

Das mit den Zeiten ringt,

Das, Fürst, ist's, was das treue

Herz Deines Volks durchdringt.

 

Wo das noch ehrlich waltet,

Da ist zu Gottes Ruhm

Die Kreuzesfahn' entfaltet,

Und rechtes Ritterthum.

 

O, reicht dem Liedersprecher,

Bevor er scheiden muß,

Den hochgefüllten Becher

Zu seinem besten Gruß!

 

Doch einzeln nicht verhallen

Darf, was ich jetzt gedacht.

Was Jeder meint, von Allen,

Sey's freudig auch gebracht!

 

All' ritterliche Geister

Umringen fest den Thron,

Und auf zum höchsten Meister

Dringt treuer Liebe Ton:

 

Dem ritterlichen König

Heil, und dem Königssohn!

 

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*) Das vorstehende Lied wurde am 20sten Juni 1823 während der Tafel, welche des damaligen Kronprinzen von Preußen Königl. Hoheit in dem großen Rempter des Marienburger Ritterschlosses gab, von einem Freunde des Verfassers, in dem Kostüm der alten Liedsprecher, gesungen.

 

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[252]

Nachtbilder.

 

I.

Ich wandre durch die stille Nacht,

Da schleicht der Mond so heimlich sacht

Oft aus der dunklen Wolkenhülle,

Und hin und her im Thal

Erwacht die Nachtigall,

Dann wieder alles grau und stille.

 

O wunderbarer Nachtgesang:

Von fern im Land der Ströme Gang,

Leis Schauern in den dunklen Bäumen –

Wirr'st die Gedanken mir,

Mein irres Singen hier

Ist wie ein Rufen nur aus Träumen.

 

II.

Er reitet Nachts auf einem braunen Roß,

Er reitet vorüber an manchem Schloß:

Schlaf' droben, mein Kind, bis der Tag erscheint,

Die finstre Nacht ist des Menschen Feind!

 

Er reitet vorüber an einem Teich,

Da stehet ein schönes Mädchen bleich

Und singt, ihr Hemdlein flattert im Wind,

Vorüber, vorüber, mir graut vor dem Kind!

 

Er reitet vorüber an einem Fluß,

Da ruft ihm der Wassermann seinen Gruß,

Taucht wieder unter dann mit Gesaus,

Und stille wird's über dem kühlen Haus.

 

[253]

Wenn Tag und Nacht in verworrenem Streit,

Schon Hähne krähen in Dörfern weit,

Da schauert sein Roß und wühlet hinab,

Scharret ihm schnaubend sein eigenes Grab.

 

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Das kalte Liebchen.

 

III.

Er.   Laß mich ein, mein süßes Schätzchen!

Sie.  Finster ist mein Kämmerlein.

Er.   Ach, ich finde doch ein Plätzchen.

Sie.  Und mein Bett ist eng und klein.

 

Er.   Fern komm ich vom weichen Pfühle.

Sie.  Ach, mein Lager ist von Stein!

Er.   Draußen ist die Nacht so kühle.

Sie.  Hier wird's noch viel kühler seyn.

 

Er.   Sieh! die Sterne schon erblassen.

Sie.  Schwerer Schlummer fällt mich an. –

Er.   Nun, so will ich schnell Dich fassen!

Sie.  Rühr' mich nicht so glühend an.

 

Er.   Fieberschauer mich durchbeben.

Sie.  Wahnsinn bringt der Todten Kuß. –

Er.   Weh! es bricht mein junges Leben!

Sie.  Mit ins Grab hinunter muß.

 

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[254]

Geistesgruß.

 

IV.

Nächtlich dehnen sich die Stunden,

Unschuld schläft in stiller Bucht,

Fernab ist die Welt verschwunden,

Die das Herz in Träumen sucht.

 

Und der Geist tritt auf die Zinne,

Und noch stiller wird's umher,

Schauet mit dem starren Sinne

In das wesenlose Meer.

 

Wer ihn sah bei Wetterblicken

Steh'n in seiner Rüstung blank:

Den mag nimmermehr erquicken

Reichen Lebens frischer Drang. –

 

Fröhlich an den öden Mauern

Schweift der Morgensonne Blick,

Da versinkt das Bild mit Schauern

Einsam in sich selbst zurück.

 

V.

Vergangen ist der lichte Tag,

Von ferne kommt der Glocken Schlag;

So reis't die Zeit die ganze Nacht,

Nimmt manchen mit, der's nicht gedacht.

 

[255]

Wo ist nun hin die bunte Lust,

Des Freundes Trost und treue Brust,

Des Weibes süßer Augenschein?

Will keiner mit mir munter seyn?

 

Da's nun so stille auf der Welt,

Ziehn Wolken einsam übers Feld,

Und Feld und Baum besprechen sich –

O Menschenkind! was schauert dich?

 

Wie weit die falsche Welt auch sey,

Bleibt mir doch Einer nur getreu,

Der mit mir weint, der mit mir wacht,

Wenn ich nur recht an Ihn gedacht.

 

Frisch auf denn, liebe Nachtigall,

Du Wasserfall mit hellem Schall!

Gott loben wollen wir vereint,

Bis daß der lichte Morgen scheint!

 

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Die deutsche Jungfrau.

 

Es stand ein Fräulein auf dem Schloß,

Erschlagen war im Streit ihr Roß,

Schnob wie ein See die finstre Nacht,

Wollt' überschrei'n die wilde Schlacht.

 

Im Thal die Brüder lagen todt,

Es brannt' die Burg so blutigroth,

In Lohen stand sie auf der Wand,

Hielt hoch die Fahne in der Hand.

 

[256]

Da kam ein röm'scher Rittersmann,

Der ritt keck an die Burg hinan,

Es blitzt' sein Helm gar mannigfach,

Der schöne Ritter also sprach:

 

„Jungfrau, komm in die Arme mein!

Sollst Deines Siegers Herrin seyn.

Will bau'n Dir einen Pallast schön,

In prächt'gen Kleidern sollst Du gehn.

 

Es thun Dein' Augen mir Gewalt,

Kann nicht mehr fort aus diesem Wald,

Aus wilder Flammen Spiel und Graus

Trag' ich mir meine Braut nach Haus!“

 

Der Ritter ließ sein weißes Roß,

Stieg durch den Brand hinauf ins Schloß,

Viel' Knecht' ihm waren da zur Hand,

Zu holen das Fräulein von der Wand.

 

Das Fräulein stieß die Knecht' hinab,

Den Liebsten auch ins heiße Grab,

Sie selber dann in die Flamme sprang,

Ueber ihnen die Burg zusammen sank.

 

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Auf dem Schwedenberge.

 

Da hoben bunt und bunter

Sich Zelte in die Luft,

Und Fähnlein wehten munter

Herunter von der Kluft.

 

[257]

Und um die leichten Tische,

An jenem Bächlein klar,

Saß in der kühlen Frische

Der lust'gen Reiter Schar.

 

Eilt' durch die rüstgen Zecher

Die Marketenderinn,

Reicht' flüchtig ihre Becher,

Nimmt flücht'ge Küsse hin.

 

Da war ein Toben, Lachen,

Weit in den Wald hinein,

Die Trommel ging, es brachen

Die lust'gen Pfeifen drein.

 

Durch die verworr'nen Klänge

Stürmt' fort manch' wilde Brust,

Da schallten noch Gesänge

Von Freiheit und von Lust.

 

Fort ist das bunte Toben,

Verklungen Sang und Klang,

Und stille ist's hier oben

Viel hundert Jahre lang.

 

Du Wald, so dunkelschaurig,

Waldhorn, Du Jägerlust!

Wie lustig und wie traurig

Rührst Du mir an die Brust!

 

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[258]

Die Brautfahrt.

 

Durch des Meeresschlosses Hallen

Auf bespültem Felsenhang,

Weht der Hörner festlich Schallen;

Froher Hochzeitgäste Drang,

Bei der Kerzen Zauberglanze,

Wogt im buntverschlungnen Tanze.

 

Aber an des Fensters Bogen,

Ferne von der lauten Pracht,

Schaut der Bräut'gam in die Wogen

Draußen in der finstern Nacht,

Und die trunknen Blicke schreiten

Furchtlos durch die öden Weiten.

 

„Lieblich“ , sprach der wilde Ritter

Zu der zarten, schönen Braut,

„Lieblich girrt die sanfte Zitter –

Sturm ist meiner Seele Laut,

Und der Wogen dumpfes Brausen

Hebt das Herz in kühnem Grausen.

 

Ich kann hier nicht müßig lauern,

Treiben auf dem flachen Sand,

Dieser Kreis von Felsenmauern

Hält mein Leben nicht umspannt;

Schön're Länder blühen ferne,

Das verkünden mir die Sterne.

 

[259]

Du mußt glauben, Du mußt wagen,

Und, den Argonauten gleich,

Wird die Woge fromm Dich tragen

In das wunderbare Reich;

Muthig streitend mit den Winden,

Muß ich meine Heimath finden!

 

Siehst Du, heißer Sehnsucht Flügel,

Weiße Seegel dort gespannt?

Hörst Du tief die feuchten Hügel

Schlagen an die Felsenwand?

Das ist Sang zum Hochzeitsreigen –

Willst Du mit mir niedersteigen?

 

Kannst Du rechte Liebe fassen,

Nun so frage, zaudre nicht!

Schloß und Garten mußt Du lassen

Und der Eltern Angesicht –

Auf der Fluth mit mir alleine,

Da erst, Liebchen, bist Du meine!“

 

Schweigend sieht ihn an die milde

Braut mit schauerlicher Lust,

Sinkt dem kühnen Ritterbilde

Trunken an die stolze Brust.

„Dir hab ich mein Loos ergeben,

Schalte nun mit meinem Leben.“

 

[260]

Und er trägt die süße Beute

Jubelnd aus dem Schloß aufs Schiff,

Drunten harren seine Leute,

Stoßen froh vom Felsenriff;

Und die Hörner leis verhallen,

Einsam rings die Wogen schallen.

 

Wie die Sterne matter blinken

In die morgenrothe Fluth,

Sieht sie fern die Berge sinken,

Flammend steigt die hehre Gluth,

Ueber'm Spiegel trunkner Wellen

Rauschender die Seegel schwellen.

 

Monde steigen und sich neigen,

Lieblich weht schon fremde Luft,

Da seh'n sie ein Eiland steigen

Feenhaft aus blauem Duft,

Wie ein farb'ger Blumenstreifen –

Meerwärts fremde Vögel schweifen.

 

Alle faßt ein freud'ges Beben –

Aber dunkler rauscht das Meer,

Schwarze Wetter schwer sich heben,

Stille wird es ringsumher,

Und nur freudiger und treuer

Steht der Ritter an dem Steuer.

 

[261]

Und nun flattern wilde Blitze,

Sturm ras't um den Felsenriff,

Und von grimmer Wogen Spitze

Stürzt geborsten sich das Schiff.

Schwankend auf des Mastes Splitter,

Schlingt die Braut sich um den Ritter.

 

Und die Müde in den Armen,

Springt er abwärts, sinkt und ringt,

Hält den Leib, den blühendwarmen,

Bis er alle Wogen zwingt,

Und am Blumenstrand gerettet,

Auf das Gras sein Liebstes bettet.

 

„Wache auf, wach' auf, Du Schöne!

Liebesheimath rings um lacht,

Zaubrisch ringen Duft und Töne,

Wunderbarer Blumen Pracht

Funkelt rings im Morgengolde –

Schau um Dich! wach auf, Du Holde!“

 

Aber frei von Lust und Kummer

Ruht die liebliche Gestalt,

Lächelnd noch im längsten Schlummer,

Und das Herz ist still und kalt,

Still der Himmel, still im Meere,

Schimmernd rings des Thaues Zähre.

 

[262]

Und er sinkt zu ihr vor Schmerzen,

Einsam in dem fremden Thal,

Thränen aus dem wilden Herzen

Brechen da zum erstenmal,

Und vor diesem Todesbilde

Wird die ganze Seele milde.

 

Von der langen Täuschung trennt er

Schauernd sich – der Stolz entweicht,

Andre Heimath nun erkennt er,

Die kein Seegel hier erreicht,

Und an ächten Schmerzen ranken

Himmelwärts sich die Gedanken.

 

Schweigend scharrt er ein die Stille,

Pflanzt ein Kreuz hoch auf ihr Grab,

Wirft von sich die seidne Hülle,

Leget Schwert und Mantel ab,

Kleidet sich in rauhe Felle,

Haut in Fels sich die Kapelle.

 

Ueberm Rauschen dunkler Wogen

In der wilden Einsamkeit,

Hausend auf dem Felsenbogen,

Ringt er fromm mit seinem Leid,

Hat, da manches Jahr entschwunden,

Heimath, Braut und Ruh gefunden. –

 

[263]

Viele Schiffe drunten gehen

An dem schönen Inselland,

Sehen hoch das Kreuz noch stehen,

Warnend von der Felsenwand;

Und des strengen Büßers Kunde

Gehet fromm von Mund zu Munde.

 

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Der Gefangene.

 

In goldner Morgenstunde,

Weil alles freudig stand,

Da ritt im heitern Grunde

Ein Ritter über Land.

 

Rings sangen auf das Beste

Die Vöglein mannigfalt,

Es schüttelte die Aeste

Vor Lust der grüne Wald.

 

Den Nacken, stolz gebogen,

Klopft er dem Rößelein –

So ist er hingezogen

Tief in den Wald hinein.

 

Sein Roß hat er getrieben,

Ihn trieb der frische Muth:

„Ist alles fern geblieben,

So ist mir wohl und gut!“

 

[264]

Mit Freuden mußt' er sehen

Im Wald' ein' grüne Au,

Wo Brünnlein kühle gehen,

Von Blumen roth und blau.

 

Vom Roß ist er gesprungen,

Legt sich zum kühlen Bach,

Die Wellen lieblich klungen,

Das ganze Herz zog nach.

 

So grüne war der Rasen,

Es rauschte Bach und Baum,

Sein Roß thät stille grasen,

Und alles wie ein Traum.

 

Die Wolken sah er gehen,

Die schifften immer zu,

Er konnt nicht widerstehen –

Die Augen sanken ihm zu.

 

Nun hört' er Stimmen rinnen,

Als wie der Liebsten Gruß,

Er konnt' sich nicht besinnen –

Bis ihn erweckt' ein Kuß.

 

Wie prächtig glänzt die Aue!

Wie Gold der Quell nun floß,

Und einer süßen Fraue

Lag er im weichen Schooß.

 

[265]

„Herr Ritter! wollt Ihr wohnen

Bei mir im grünen Haus:

Aus allen Blumenkronen

Wind' ich Euch einen Strauß!

 

Der Wald ringsum wird wachen,

Wie wir beisammen seyn,

Der Kukuk schelmisch lachen,

Und alles fröhlich seyn.“

 

Es bog ihr Angesichte

Auf ihn den süßen Leib,

Schaut mit den Augen lichte

Das wunderschöne Weib.

 

Sie nahm sein'n Helm herunter,

Löst' Krause ihm und Bund,

Spielt' mit den Locken munter,

Küßt' ihm den rothen Mund.

 

Und spielt' viel' süße Spiele

Wohl in geheimer Lust,

Es flog so kühl und schwüle

Ihm um die offne Brust.

 

Um ihn nun thät sie schlagen

Die Arme weich und bloß,

Er konnte nichts mehr sagen,

Sie ließ ihn nicht mehr los.

 

[266]

Und diese Au zur Stunde

Ward ein krystallnes Schloß,

Der Bach ein Strom, gewunden

Ringsum, gewaltig floß.

 

Auf diesem Strome gingen

Viel' Schiffe wohl vorbei,

Es konnt' ihn keines bringen

Aus böser Zauberei.

 

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Der verirrte Jäger.

 

Ich hab gesehn ein Hirschlein schlank

Im Waldesgrunde steh'n,

Nun ist mir draußen weh' und bang,

Muß ewig nach ihm gehn.

 

Frischauf, ihr Waldgesellen mein!

Ins Horn, ins Horn frisch auf!

Das lockt so hell, das lockt so fein,

Aurora thut sich auf!“

 

Das Hirschlein führt den Jägersmann

In grüner Waldesnacht,

Thalunter schwindelnd und bergan,

Zu niegeseh'ner Pracht.

 

[267]

„Wie rauscht schon abendlich der Wald,

Die Brust mir schaurig schwellt!

Die Freunde fern, der Wind so kalt,

So tief und weit die Welt!“

 

Es lockt so tief, es lockt so fein

Durch's dunkelgrüne Haus,

Der Jäger irrt und irrt allein,

Find't nimmermehr heraus. –

 

__________

 

Der zaubrische Spielmann.

 

Nächtlich in dem stillen Grunde,

Wenn das Abendroth versank,

Um das Waldschloß in die Runde

Ging ein lieblicher Gesang.

 

Fremde waren diese Weisen

Und der Sänger unbekannt,

Aber, wie in Zauberkreisen,

Hielt er jede Brust gebannt.

 

Hinter blühnden Mandelbäumen

Auf dem Schloß das Fräulein lauscht –

Drunten alle Blumen träumen,

Wollüstig der Garten rauscht.

 

[268]

Und die Wellen buhlend klingen,

Ringend in geheimer Lust

Kommt das wunderbare Singen

An die süß verträumte Brust.

 

„Warum weckst Du das Verlangen,

Das ich kaum zur Ruh gebracht?

Siehst Du hoch die Lilien prangen?

Böser Sänger, gute Nacht!

 

Sieh, die Blumen steh'n voll Thränen,

Einsam die Viole wacht,

Als wollt' sie sich schmachtend dehnen

In die warme Sommernacht.

 

Wohl von süßem rothem Munde

Kommt so holden Sanges Macht –

Bleibst Du ewig dort im Grunde,

Unerkannt in stiller Nacht?

 

Ach, im Wind' verfliegt mein Grüßen!

Einmal, eh' der Tag erwacht,

Möcht' ich Deinen Mund nur küssen,

Sterbend so in süßer Nacht!

 

Nachtigall, verliebte, klage

Nicht so schmeichelnd durch die Nacht! –

Ach! ich weiß nicht was ich sage,

Krank bin ich und überwacht.“

 

[269]

Also sprach sie, und die Lieder

Lockten stärker aus dem Thal,

Rings durchs ganze Thal hallt's wider

Von der Liebe Lust und Qual.

 

Und sie konnt' nicht widerstehen,

Enge ward ihr das Gemach,

Aus dem Schlosse mußt' sie gehen

Diesem Zauberstrome nach.

 

Einsam steigt sie von den Stufen

Ach! so schwüle weht der Wind!

Draußen süß die Stimmen rufen

Immerfort das schöne Kind.

 

Alle Blumen trunken lauschen,

Von den Klängen hold durchirrt,

Lieblicher die Brunnen rauschen,

Und sie eilet süß verwirrt. –

 

Wohl am Himmel auf und nieder

Trieb der Hirt die goldne Schaar,

Die Verliebte kehrt nicht wieder,

Leer nun Schloß und Garten war.

 

Und der Sänger seit der Stunde

Nicht mehr weiter singen will,

Rings im heimlich kühlen Grunde

War's vor Liebe seelig still.

 

__________

 

[270]

Der armen Schönheit Lebenslauf.

 

Die arme Schönheit irrt auf Erden,

So lieblich Wetter draußen ist,

Möcht' gern recht viel gesehen werden,

Weil jeder sie so freundlich grüßt.

 

Und wer die arme Schönheit schauet,

Sich wie auf großes Glück besinnt,

Die Seele fühlt sich recht erbauet,

Wie wenn der Frühling neu beginnt.

 

Da sieht sie viele schöne Knaben,

Die reiten unten durch den Wind,

Möcht manchen gern im Arme haben,

Hüt' Dich, hüt' Dich, Du armes Kind!

 

Da zieh'n manch' redliche Gesellen,

Die sagen: Hast nicht Geld, noch Haus,

Wir fürchten Deine Augen helle,

Wir haben nichts zum Hochzeitsschmauß.

 

Von andern thut sie sich wegdrehen,

Weil keiner ihr so wohl gefällt,

Die müssen traurig weitergehen,

Und zögen gern an's End' der Welt.

 

Da sagt sie: Was hilft mir mein Sehen,

Ich wünscht', ich wäre lieber blind,

Da alle furchtsam von mir gehen,

Weil gar so schön mein' Augen sind. –

 

[271]

Nun sitzt sie hoch auf lichtem Schlosse,

In schöne Kleider putzt sie sich,

Die Fenster glüh'n, sie winkt vom Schlosse,

Die Sonne sinkt, das blendet Dich.

 

Die Augen, die so furchtsam waren,

Die haben jetzt so freien Lauf,

Fort ist das Kränzlein aus den Haaren,

Und hohe Federn steh'n darauf.

 

Das Kränzlein ist herausgerissen,

Ganz ohne Scheu sie mich anlacht;

Geh' Du vorbei: sie wird Dich grüßen,

Winkt dir zu einer schönen Nacht. –

 

Da sieht sie die Gesellen wieder,

Die fahren unten auf dem Fluß,

Es singen laut die lust'gen Brüder,

So furchtbar schallt des Einen Gruß:

 

„Was bist Du für'ne schöne Leiche!

So wüste ist mir meine Brust,

Wie bist Du nun so arm, Du Reiche,

Ich hab' an Dir nicht weiter Lust!“

 

Der Wilde hat ihr so gefallen,

Laut schrie sie auf bei seinem Gruß,

Vom Schloß möcht sie herunter fallen,

Und unten ruh'n im kühlen Fluß. –

 

[272]

Sie blieb nicht länger mehr da oben,

Weil alles anders worden war,

Vor Schmerz ist ihr das Herz erhoben,

Da ward's so kalt, doch himmlischklar.

 

Da legt sie ab die goldnen Spangen,

Den falschen Putz und Ziererei,

Aus dem verstockten Herzen drangen

Die alten Thränen wieder frei.

 

Kein Stern wollt nicht die Nacht erhellen,

Da mußte die Verliebte geh'n,

Wie rauscht der Fluß! die Hunde bellen,

Die Fenster fern erleuchtet steh'n.

 

Nun bist du frei von deinen Sünden,

Die Lieb' zog triumphirend ein,

Du wirst noch hohe Gnade finden,

Die Seele geht in Hafen ein. –

 

Der Liebste war ein Jäger worden,

Der Morgen schien so rosenroth,

Da blies er lustig auf dem Horne,

Blies immerfort in seiner Noth.

 

__________

 

Die Hochzeitsnacht.

 

Nachts durch die stille Runde

Rauschte des Rheines Lauf,

Ein Schifflein zog im Grunde,

Ein Ritter stand darauf.

 

[273]

Die Blicke irre schweifen

Von seines Schiffes Rand,

Ein blutigrother Streifen

Sich um das Haupt ihm wand.

 

Der sprach: „Da oben stehet

Ein Schlößlein über'm Rhein,

Die an dem Fenster stehet:

Das ist die Liebste mein.

 

Sie hat mir Treu' versprochen,

Bis ich gekommen sey,

Sie hat die Treu gebrochen,

Und alles ist vorbei.“

 

Viel Hochzeitleute drehen

Sich oben laut und bunt,

Sie bleibet einsam stehen,

Und lauschet in den Grund.

 

Und wie sie tanzen munter,

Und Schiff und Schiffer schwand,

Stieg sie vom Schloß herunter,

Bis sie im Garten stand.

 

Die Spielleut' musizirten,

Sie sann gar mancherlei,

Die Töne sie so rührten,

Als müßt' das Herz entzwei.

 

[274]

Da trat ihr Bräut'gam süße

Zu ihr aus stiller Nacht,

So freundlich er sie grüßte,

Daß ihr das Herze lacht.

 

Er sprach: „Was willst Du weinen,

Weil alle fröhlich sei'n?

Die Stern' so helle scheinen,

So lustig geht der Rhein.

 

Das Kränzlein in den Haaren

Steht Dir so wunderfein,

Wir wollen etwas fahren

Hinunter auf dem Rhein.“

 

Zum Kahn folgt' sie behende,

Setzt' sich ganz vorne hin,

Er setzt' sich an das Ende

Und ließ das Schifflein zieh'n.

 

Sie sprach: „Die Töne kommen

Verworren durch den Wind,

Die Fenster sind verglommen,

Wir fahren so geschwind.

 

Was sind das für so lange

Gebürge weit und breit?

Mir wird auf einmal bange

In dieser Einsamkeit!

 

[275]

Und fremde Leute stehen

Auf mancher Felsenwand,

Und stehen still und sehen

So schwindlig über'n Rand.“ –

 

Der Bräut'gam schien so traurig

Und sprach kein einzig Wort,

Schaut in die Wellen schaurig

Und rudert immerfort.

 

Sie sprach: „Schon seh' ich Streifen

So roth im Morgen steh'n,

Und Stimmen hör' ich schweifen,

Vom Ufer Hähne kräh'n.

 

Du siehst so still und wilde,

So bleich wird Dein Gesicht,

Mir graut vor Deinem Bilde –

Du bist mein Bräut'gam nicht!“ –

 

Da stand er auf – das Sausen

Hielt an in Fluth und Wald –

Es rührt mit Lust und Grausen

Das Herz ihr die Gestalt.

 

Und wie mit steinern'n Armen

Hob er sie auf voll Lust,

Drückt ihren schönen, warmen

Leib an die eis'ge Brust. –

 

[276]

Licht wurden Wald und Höhen,

Der Morgen schien blutroth,

Das Schifflein sah man gehen,

Die schöne Braut d'rin todt.

 

__________

 

An die Dichter.

 

Wo treues Wollen, redlich Streben

Und rechten Sinn der Rechte spürt,

Das muß die Seele ihm erheben,

Das hat mich jedesmal gerührt.

 

Das Reich des Glaubens ist geendet,

Zerstört die alte Herrlichkeit,

Die Schönheit weinend abgewendet,

So gnadenlos ist unsre Zeit.

 

O Einfalt, gut in frommen Herzen,

Du züchtig schöne Gottesbraut!

Dich schlugen sie mit frechen Scherzen,

Weil dir vor ihrer Klugheit graut.

 

Wo find'st Du nun ein Haus, vertrieben,

Wo man Dir Deine Wunder läßt,

Das treue Thun, das schöne Lieben,

Des Lebens fromm vergnüglich Fest?

 

Wo findest du den alten Garten,

Dein Spielzeug, wunderbares Kind,

Der Sterne heil'ge Redensarten,

Das Morgenroth, den frischen Wind?

 

[277]

Wie hat die Sonne schön geschienen!

Nun ist so alt und schwach die Zeit;

Wie steh'st so jung Du unter ihnen,

Wie wird mein Herz mir stark und weit!

 

Der Dichter kann nicht mit verarmen;

Wenn Alles um ihn her zerfällt,

Hebt ihn ein göttliches Erbarmen –

Der Dichter ist das Herz der Welt.

 

Den blöden Willen aller Wesen,

Im Irdischen des Herren Spur,

Soll er durch Liebeskraft erlösen,

Der schöne Liebling der Natur.

 

D'rum hat ihm Gott das Wort gegeben,

Das kühn das Dunkelste benennt,

Den frommen Ernst im reichen Leben,

Die Freudigkeit, die Keiner kennt.

 

Da soll er singen frei auf Erden,

In Lust und Noth auf Gott vertrau'n,

Daß aller Herzen freier werden,

Erathmend in die Klänge schau'n.

 

Der Ehre sei er recht zum Horte,

Der Schande leucht' er ins Gesicht!

Viel Wunderkraft ist in dem Worte,

Das hell aus reinem Herzen bricht.

 

[278]

Vor Eitelkeit soll er vor Allen

Streng hüten sein unschuld'ges Herz,

Im Falschen nimmer sich gefallen,

Um eitel Witz und blanken Scherz.

 

Oh, laß't unedle Mühe fahren,

O klingelt, gleißt und schielet nicht

Mit Licht und Gnad', so ihr erfahren,

Zur Sünde macht ihr das Gedicht!

 

Den lieben Gott laß' in Dir walten,

Aus frischer Brust nur treulich sing'!

Was wahr in Dir, wird sich gestalten,

Das andre ist erbärmlich Ding. –

 

Den Morgen seh ich ferne scheinen,

Die Ströme zieh'n im grünen Grund,

Mir ist so wohl! – die's ehrlich meinen,

Die grüß' ich All' aus Herzensgrund!

 

 

 

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Berlin, gedruckt bei J. G. F. Kniestädt.