BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Joseph von Eichendorff

1788 - 1857

 

Gedichte in zeitlicher Folge

 

1837

 

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Frühlingsnacht.

 

Ueber'n Garten durch die Lüfte

Hört' ich Wandervögel ziehn,

Das bedeutet Frühlingsdüfte,

Unten fängt's schon an zu blühn.

 

Jauchzen möcht' ich, möchte weinen,

Ist mir's doch, als könnt's nicht sein!

Alte Wunder wieder scheinen

Mit dem Mondesglanz herein.

 

Und der Mond, die Sterne sagen's,

Und in Träumen rauscht's der Hain,

Und die Nachtigallen schlagen's:

Sie ist Deine, sie ist Dein!

 

Erstdruck 1837

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Der wandernde Musikant.

 

I.

 

Wandern lieb' ich für mein Leben,

Lebe eben wie ich kann,

Wollt' ich mir auch Mühe geben,

Paßt' es mir doch gar nicht an.

 

Schöne alte Lieder weiß ich,

In der Kälte, ohne Schuh'

Draußen in die Saiten reiß' ich,

Weiß nicht, wo ich Abend's ruh'.

 

Manche Schöne macht wohl Augen,

Meinet, ich gefiel' ihr sehr,

Wenn ich nur was wollte taugen,

So ein armer Lump nicht wär'. –

 

Mag dir Gott ein'n Mann bescheeren

Wohl mit Haus und Hof versehn!

Wenn wir zwei zusammen wären,

Möcht' mein Singen mir vergehn.

 

 

II.

 

Wenn die Sonne lieblich schiene

Wie in Wälschland, lau und blau,

Ging' ich mit der Mandoline

Durch die überglänzte Au.

 

In der Nacht dann Liebchen lauschte

An dem Fenster süß verwacht,

Wünschte mir und ihr – uns Beiden,

Heimlich eine schöne Nacht.

 

Wenn die Sonne lieblich schiene

Wie in Welschland lau und blau,

Ging' ich mit der Mandoline

Durch die überglänzte Au.

 

 

III.

 

Ich reise übers grüne Land,

Der Winter ist vergangen,

Hab' um den Hals ein gülden Band,

Daran die Laute hangen.

 

Der Morgen thut ein'n rothen Schein,

Den recht mein Herze spüret,

Da greif' ich in die Saiten ein,

Der liebe Gott mich führet.

 

So silbern geht der Ströme Lauf,

Fernüber schallt Geläute,

Die Seele ruft in sich: Glück auf!

Rings grüßen frohe Leute.

 

Mein Herz ist recht von Diamant,

Ein' Blum von Edelsteinen,

Die funkelt lustig über's Land

In tausend schönen Scheinen.

 

Vom Schlosse in die weite Welt

Schaut eine Jungfrau 'runter,

Der Liebste sie im Arme hält,

Die seh'n nach mir herunter.

 

Wie bist du schön! Hinaus, im Wald

Geh'n Wasser auf und unter,

Im grünen Wald sing', daß es schallt,

Mein Herz, bleib frei und munter!

 

Die Sonne uns im Dunklen läßt,

Im Meere sich zu spülen,

Da ruh' ich aus vom Tagesfest

Fromm in der rothen Kühle.

 

Hoch führet durch die stille Nacht

Der Mond die goldnen Schafe,

Den Kreis der Erden Gott bewacht,

Wo ich tief unten schlafe.

 

Wie liegt all' falsche Pracht so weit!

Schlaf' wohl auf stiller Erde,

Gott schütz' dein Herz in Ewigkeit,

Daß es nie traurig werde!

 

 

IV.

 

Bist du manchmal auch verstimmt,

Drück' dich zärtlich an mein Herze,

Daß mir's fast den Athem nimmt,

Streich' und kneif' in süßem Scherze,

Wie ein rechter Liebesthor

Lehn' ich sanft an dich die Wange

Und du singst mir fein ins Ohr.

Wohl im Hofe bei dem Klange

Katze miaut, Hund heult und bellt,

Nachbar schimpft mit wilder Miene –

Doch was kümmert uns die Welt,

Süße, traute Violine!

 

 

V.

 

Mürrisch sitzen sie und maulen

Auf den Bänken stumm und breit,

Gähnend strecken sich die Faulen,

Und die Kecken suchen Streit.

 

Da komm' ich durch's Dorf geschritten,

Fernher durch den Abend kühl,

Stell' mich in des Kreises Mitten,

Grüß' und zieh' mein Geigenspiel.

 

Und wie ich den Bogen schwenke,

Ziehn die Klänge in der Rund'

Allen recht durch die Gelenke

Bis zum tiefsten Herzensgrund.

 

Und nun geht's ans Gläserklingen,

An ein Walzen um und um,

Je mehr ich streich', je mehr sie springen

Keiner fragt erst lang: warum? –

 

Jeder will dem Geiger reichen

Nun sein Scherflein auf die Hand –

Da vergeht ihm gleich sein Streichen,

Und fort ist der Musikant.

 

Und sie seh'n ihn fröhlich steigen

Nach den Waldeshöh'n hinaus,

Hören ihn von fern noch geigen,

Und gehn All' vergnügt nach Haus.

 

Doch in Waldes grünen Hallen

Rast' ich dann noch manche Stund',

Nur die fernen Nachtigallen

Schlagen tief aus nächt'gem Grund.

 

Und es rauscht die Nacht so leise

Durch die Waldeseinsamkeit,

Und ich sinn' auf neue Weise,

Die der Menschen Herz erfreut.

 

 

VI.

 

Durch Feld und Buchenhallen

Bald singend, bald fröhlich still,

Recht lustig sey vor allen

Wer's Reisen wählen will!

 

Wenn's kaum im Osten glühte,

Die Welt noch still und weit:

Da weht recht durch's Gemüthe

Die schöne Blüthenzeit!

 

Die Lerch' als Morgenbote

Sich in die Lüfte schwingt,

Eine frische Reisenote

Durch Wald und Herz erklingt.

 

O Lust, vom Berg zu schauen

Weit über Wald und Strom,

Hoch über sich den blauen

Tiefklaren Himmelsdom!

 

Vom Berge Vöglein fliegen

Und Wolken so geschwind,

Gedanken überfliegen

Die Vögel und den Wind.

 

Die Wolken zieh'n hernieder,

Das Vöglein senkt sich gleich,

Gedanken gehn und Lieder

Fort bis in's Himmelreich.

 

Erstdruck des Zyklus 1837. I.: Erstdruck 1826. II.: Erstdruck 1815. III.: Entstanden um 1812, Erstdruck 1837. IV.: Erstdruck 1837. V.: Erstdruck 1826. VI.: Erstdruck 1826 unter dem Titel «Reiselied».

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Der Soldat.

 

I.

 

Ist auch schmuck nicht mein Rößlein,

So ist's doch recht klug,

Trägt im Finstern zu 'nem Schlößlein

Mich rasch noch genug.

 

Ist das Schloß auch nicht prächtig:

Zum Garten aus der Thür

Tritt ein Mädchen doch allnächtig

Dort freundlich herfür.

 

Und ist auch die Kleine

Nicht die Schönst' auf der Welt,

So giebt's doch just Keine,

Die mir besser gefällt.

 

Und spricht sie vom Freien:

So schwing' ich mich auf mein Roß –

Ich bleibe im Freien,

Und sie auf dem Schloß.

 

 

II.

 

Wagen mußt du und flüchtig erbeuten,

Hinter uns schon durch die Nacht hör' ich's schreiten,

Schwing' auf mein Roß dich nur schnell

Und küß' noch im Flug mich, wildschönes Kind,

Geschwind,

Denn der Tod ist ein rascher Gesell'.

 

Erstdruck als Zyklus 1837. I.: Entstanden wohl 1814, Erstdruck 1826 als 3. Lied im Zyklus «Der zufriedene Musikant», hier Fassung von 1826. II.: Entstanden wohl 1834/35