Annette von Droste-Hülshoff
1797 - 1848
Gedichte
Einzelveröffentlichungen
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Im Graseentstanden 1844/45
Süße Ruh', süßer Taumel im Gras,Von des Krautes Arom umhaucht,Tiefe Flut, tief tief trunkne Flut,Wenn die Wolk' am Azure verraucht, | |
5 | Wenn aufs müde, schwimmende HauptSüßes Lachen gaukelt herab,Liebe Stimme säuselt und träuftWie die Lindenblüth' auf ein Grab.
Wenn im Busen die Todten dann, |
10 | Jede Leiche sich streckt und regt,Leise, leise den Odem zieht,Die geschloss'ne Wimper bewegt,Todte Lieb', todte Lust, todte Zeit,All die Schätze, im Schutt verwühlt, |
15 | Sich berühren mit schüchternem KlangGleich den Glöckchen, vom Winde umspielt.
Stunden, flücht'ger ihr als der KußEines Strahls auf den trauernden See,Als des zieh'nden Vogels Lied, |
20 | Das mir nieder perlt aus der Höh',Als des schillernden Käfers Blitz,Wenn den Sonnenpfad er durcheilt,Als der flücht'ge Druck einer Hand,Die zum letzten Male verweilt.
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25 | Dennoch, Himmel, immer mir nurDieses Eine mir: für das LiedJedes freien Vogels im BlauEine Seele, die mit ihm zieht,Nur für jeden kärglichen Strahl |
30 | Meinen farbig schillernden Saum,Jeder warmen Hand meinen Druck,Und für jedes Glück meinen Traum. |