Zedlers Universal-Lexicon
1732 - 1754
Gedichte
1844
Haidebilder
|
|
______________________________________________________________________________
|
|
[333] |
Die Vogelhütteentstanden 1841/42
Regen, Regen, immer Regen! will nicht das Geplätscher enden,Daß ich aus dem Sarge brechen kann, aus diesen Bretterwänden?
Sieben Schuhe ins Gevierte, das ist doch ein ärmlich RäumchenFür ein Menschenkind, und wär' es schlank auch wie ein Rosenbäumchen!
|
5 | O was ließ ich mich gelüsten, in den Vogelheerd zu flüchten,Als nur schwach die Wolke tropfte, als noch flüsterten die Fichten:
Und muß nun bestehn das Ganze, wie wenn zögernd man dem SchwätzerRaum gegeben, dem langweilig Seile drehnden Phrasensetzer;
Und am Knopfe nun gehalten, oder schlimmer an den Händen, |
10 | Zappelnd wie der Halbgehängte langet nach des Strickes Enden!
Meine Unglücksstrick' sind dieser Wasserstriemen Läng' und Breite,Die verkörperten Hyperbeln, denn Bindfäden regnet's heute.
Denk ich an die heitre Stube, an das weiche Kanapée,Und wie mein Gedicht, das meine, dort zerlesen wird beim Thee:
|
15 | Denk ich an die schwere Zunge, die statt meiner es zerdrischt,Bohrend wie ein Schwertfisch möcht' ich schießen in den Wassergischt.
Pah! was kümmern mich die Tropfen, ob ich naß, ob säuberlich!Aber besser stramm und trocken, als durchnäßt und lächerlich.
Da – ein Fleck, ein Loch am Himmel; bist du endlich doch gebrochen, |
20 | Alte Wassertonne, hab ich endlich dich entzwei gesprochen?
Aber wehe! wie's vom Fasse brodelt, wenn gesprengt der Zapfen,Hör ich's auf dem Dache rasseln, förmlich wie mit Füßen stapfen.
Regen! unbarmherz'ger Regen! mögst du braten oder sieden!Wehe, diese alte Kufe ist das Faß der Danaiden!
|
25 | Ich habe mich gesetzt in Gottes Namen;Es hilft doch alles nicht, und mein GedichtIst längst gelesen und im Schloß die Damen,Sie saßen lange zu Gericht.
Statt einen neuen Lorbeerkranz zu drücken |
30 | In meine Phöboslocken, hat man sachtDen alten losgezupft und hinter'm RückenWohl Eselsohren mir gemacht.
Verkannte Seele, fasse dich im Leiden,Sey stark, sey nobel, denk, der Ruhm ist leer, |
35 | Das Leben kurz, es wechseln Schmerz und Freuden,Und was dergleichen Neugedachtes mehr!
Ich schau mich um in meiner kleinen Zelle:Für einen Klausner wär's ein hübscher Ort;Die Bank, der Tisch, das hölzerne Gestelle, |
40 | Und an der Wand die Tasche dort;
Ein Netz im Winkelchen, ein Rechen, Spaten –Und Betten? nun, das macht sich einfach hier;Der Thimian ist heuer gut gerathen,Und blüht mir grade vor der Thür.
|
45 | Die Waldung drüben – und das Quellgewässer –Hier möcht ich Haidebilder schreiben, zum Exempel:«Die Vogelhütte», nein – «der Heerd», nein besser:«Der Knieende in Gottes weitem Tempel.»
'S ist doch romantisch, wenn ein zart Geriesel |
50 | Durch Immortellen und WachholderstrauchUmzieht und gleitet, wie ein schlüpfend WieselUnd drüber flirrt der Stöberrauch;
Wenn Schimmer wechseln, weiß und seladonen;Die weite Eb'ne schaukelt wie ein Schiff, |
55 | Hindurch der Kibitz schrillt, wie HalcyonenWehklagend ziehen um das Riff.
Am Horizont die kolossalen Brücken –Sind's Wolken oder ist's ein ferner Wald?Ich will den Schemel an die Luke rücken, |
60 | Da liegt mein Hut, mein Hammer, – halt:
Ein Teller am Gestell! – was mag er bieten?Fundus! bei Gott, ein Fund die Backwerk drin!Für einen armen Hund von Eremiten,Wie ich es leider heute bin!
|
65 | Ein seid'ner Beutel noch – am Bort zerrissen;Ich greife, greife Rundes mit der Hand;Weh! in die dürre Erbs' hab' ich gebissen –Ich dacht', es seye Zuckerkand.
Und nun die Tasche! he, wir müssen klopfen – |
70 | Vielleicht liegt ein Gefang'ner hier in Haft;Da – eine Flasche! schnell herab den Pfropfen –Ist's Wasser? Wasser? – edler Rebensaft!
Und Edlerer, der ihn dem Sack vertraute,Splendid barmherziger Wildhüter du, |
75 | Für einen armen Schelm, der Erbsen kaute,Den frommen Bruder Tuck im Ivanhoe!
Mit dem Gekörn will ich den Kibitz letzen,Es aus der Luke streun, wenn er im FlugHerschwirrt, mir auf die Schulter sich zu setzen, |
80 | Wie man es lies't in manchem Buch.
Mir ist ganz wohl in meiner armen Zelle;Wie mir das Klausnerleben so gefällt!Ich bleibe hier, ich geh nicht von der Stelle,Bevor der letzte Tropfen fällt.
|
85 | Es verrieselt, es verraucht,Mählig aus der Wolke tauchtNeu hervor der Sonnenadel.In den feinen Dunst die FichteIhre grünen Dornen streckt, |
90 | Wie ein schönes Weib die NadelIn den Spitzenschleier steckt;Und die Haide steht im LichteZahllos blanker Tropfen, dieAm Wachholder zittern, wie |
95 | Glasgehänge an dem Lüster.Ueberm Grund geht ein Geflüster,Jedes Kräutchen reckt sich auf,Und in langgestrecktem Lauf,Durch den Sand des Pfades eilend, |
100 | Blitzt das gold'ne PanzerhemdDes Kurier's 1); am Halme weilendStreicht die Grille sich das NaßVon der Flügel grünem Glas.Grashalm glänzt wie eine Klinge, |
105 | Und die kleinen Schmetterlinge,Blau, orange, gelb und weiß,Jagen tummelnd sich im Kreis.Alles Schimmer, alles Licht,Bergwald mag und Welle nicht |
110 | Solche Farbentöne hegen,Wie die Haide nach dem Regen.
Ein Schall – und wieder – wieder – was ist das? –Bei Gott, das Schloß! Da schlägt es Acht im Thurme –Weh mein Gedicht! o weh mir armem Wurme, |
115 | Nun fällt mir alles ein, was ich vergaß!Mein Hut, mein Hammer, hurtig fortgetrabt –Vielleicht, vielleicht ist man discret gewesen,Und harrte meiner, der sein FederlesenIndeß mit Kraut und Würmern hat gehabt. – |
120 | Nun kommt der Steeg und nun des Teiches Ried,Nun steigen der Alleen schlanke Streifen;Ich weiß es nicht, ich kann es nicht begreifen,Wie ich so gänzlich mich vom Leben schied –Doch freilich – damals war ich Eremit!
―――――――― 1) BUPRESTIS, ein in allen Farben schimmernder Prachtkäfer, der sich im Haidekraut aufhält. |