BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Annette von Droste-Hülshoff

1797 - 1848

 

Gedichte

 

1838

 

Das Hospiz am

Großen St. Bernhard

 

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Zweiter Gesang

 

Wo auf Sankt Bernhards Mitte recht

Die Zinnen streckt der Felsenbau,

In seiner Trümmer Irrgeflecht

Ein Thal sich lagert, eng und rauh.

5

Da harrt es nun in ew'gem Lauschen,

Nicht Vogelsang, nicht Blätterrauschen,

Nein, wie die Stürme Seufzer tauschen.

Inmitten schwärzlich ruht der See,

Der des verlornen Strahles Weh

10

Gefesselt hält in seinen Flächen,

So dort gleich dem Gefangnen liegt,

Sich angstvoll an die Decke schmiegt,

Den glas'gen Kerker zu durchbrechen.

Und nah dem unwirthbaren Strand

15

Das Hospital steigt in die Höh'

So schlicht wie eine Klippenwand,

Der Wandrer unterscheidet's nicht.

Nur wenn ein Klang die Stille bricht,

Vom Hochaltar das ew'ge Licht

20

Wenn's durch die Nacht den blassen Schein

Wirft in das Schneegefild' hinein,

Lenkt er zur Schwelle seinen Schritt,

Der wahrlich sonst vorüber glitt.

Denn in der Dämmrung ungestalt

25

Erscheint es wie ein Felsengrat

Rings eingekerbt von weitem Spalt.

Doch jetzt ein Flockennebel kraus

Löscht duftig alle Formen aus.

30

Die Schneenacht dieser ew'gen Wüste,

Als ob sie nimmer enden müßte,

So dicht die Mauern hält umrungen,

In jede Zelle ist gedrungen.

Auf allen Wimpern liegt der Mohn,

35

Und nur des Schlafes tiefer Ton,

Wie er bejahrter Brust entsteigt,

Gespenstig durch die Gänge schleicht.

Ein Augenpaar noch offen steht.

Nachlässig, in verklommten Händen,

40

Der Mönch des Glockenstranges Enden,

Sich auf und nieder windend, dreht.

Ermüdung kämpft in seinen Zügen,

Die Nacht ist streng, der Dienst ist schwer.

Wie die Gedanken abwärts fliegen,

45

Er wirft den düstern Blick umher,

Zumeist sein Auge ist gericht't

Doch immer auf den Estrichgrund,

Wo ew'ger Lampe schlummernd Licht

Geträumet hat ein mattes Rund.

50

In dieser todten Einsamkeit

Der Bruder sich des Schimmers freut.

Er weiß es selbst nicht wie ihm ist,

So öd', so öd' zu dieser Frist.

Das Dunkel, das im Bethaus waltet

55

Der leeren Bänke Reih'n, ein Bild,

Das scheinbar aus der Nische quillt,

Und von der Decke hochgestaltet

Manch' grauer Heil'ger zürnend schaut,

Zudem – das Eis an Wänden hängt,

60

Vom Glockenstuhl ein Luftzug drängt,

Wie endlos Bimmeln über'm Haupt

Schier die Geduld dem Bruder raubt.

Ob denn die Stunde nimmer endet?

Doch still! die Klosteruhr sich wendet:

65

Eins – zwei – und drei – das Echo dröhnt,

Und auch der Mönch die Glieder dehnt.

Er läßt den Strang, im Spähn verloren,

Ihm summt's noch immer vor den Ohren.

Nun knarren Thüren, schlurfen Tritte,

70

Ein Lichtstrahl durch die Ritze gleitet;

Dann, haltend vor des Auges Mitte

Sein Lämpchen in gebräunter Hand,

Hervor Denis der Alte schreitet.

Längst vom Gesetz dem Dienst entbunden,

75

Hat er sich nimmer drein gefunden,

Ein eifervoller Gottesknecht,

Behauptend seiner Pflichten Recht.

Grau ist sein Haar wie sein Gewand,

Und da er bleibt am Pförtchen stehn

80

Den Finger mahnend aufgehoben,

Du meinst den Alpengeist zu sehn.

«O Eleuthère! soll man dich loben?

Mein junger rüstiger Gesell,

Ermattest du im Dienst so schnell?»

85

Der Bruder läßig faßt den Strang

Und läßt sogleich ihn wieder fallen;

«Dem Vater wird die Zeit wohl lang;

Ihr seyd der Rüstigste von Allen.»

Dann steht er, streicht mit flacher Hand

90

Die Falten von der Stirne Rand:

«Nehmt's, Vater, heut nicht so genau,

Die Nacht war gar zu wüst und rauh,

Mir friert das Hirn am Schädel an.» –

«Schlaf wohl!» versetzt der alte Mann.

95

Sein Lämpchen zündet Eleuthère,

Zupft an dem Dochte mit Bedacht,

Und nickt und murmelt drüber her:

«Hab' ich mich je dem Dienst entzogen,

Wenn Schnee die Pässe gleich gemacht,

100

Und jede alte Spur getrogen?

Allein, was in der Jahre Lauf,

Uns reibt am allermeisten auf,

Dies Läuten, Läuten durch die Nacht,

Wo nicht das Schneehuhn kommt hervor,

105

Wo nicht der Uhu selber wacht,

Wo auf dem Bernhard klimmt kein Thor;

Und wir!» Er hebt die Lamp' empor.

An dem Gemäuer, überall,

Steigt glitzernd auf der Eiskristall,

110

Daß klar, wie in polirtem Stahl,

Steht geisterhaft der kleine Strahl.

«'S ist eben eine hies'ge Nacht,»

Versetzt Denis, «doch kannst du sagen,

Dich habe Trug hierher gebracht

115

Zur Ruhe und bequemen Tagen?

Und, Eleuthère, wie magst du wissen,

Daß Niemand in der Steppe wacht?

Ich selbst hab' in Decembernacht

Vor Zeiten diesen Weg gemacht.

120

Ich macht' ihn, hab' ihn machen müssen,

Und, rathlos am Montmort gebettet,

Hat unser Glöckchen mich gerettet.

So treibt die Noth» – der Alte schweigt,

Doch nieder auf den Strang sich beugt,

125

Und angeschlagen mit Gewalt

Das Glöckchen durch die Steppe schallt.

Dann – «still! rief's meinen Namen nicht?»

«Nein, Vater.» – «Hast du nichts vernommen?"

"Ein Schnauben, Scharren?» Jener spricht:

130

«Ist's möglich! unsre Hunde kommen.»

«Still! Bruder, still!» – Man horcht auf's neu;

Ein leises Winseln schleicht herbei

Vom Klosterthor, ein Stoßen, Kratzen,

Ein Rütteln wie mit schweren Tatzen.

135

«Schnell, Eleuthère! schnell aufgemacht!

Schau, was der Barry uns gebracht!»

Denis, gebannt am Glockenstrang,

Doch immer schaut den Weg entlang.

Nun nahen Tritte, ja gewiß –

140

Die Gänge tappt's hinauf – allein

Ein Hund scheint's und ein Mensch zu seyn.

Das Pförtchen öffnet sich. «Denis!»

Ruft Eleuthère, «o seht doch hier

Das gute, kluge, treue Thier!»

145

Und nach ihm, schwer ermüdet, wankt

Der große Hund in die Kapelle;

Er dreht die Augen rings, er schwankt,

Ihm hängt das Eis vom zott'gen Felle,

Auf seinem Rücken liegt ein Kind,

150

Ein armes Knäbchen, schier erfroren:

Voll Reifen seine Löckchen sind;

Die Hände hat es eingeklemmt

In seines Trägers rauhe Ohren,

Mit schwachen Beinchen sich gestemmt

155

Um Barry's Leib: in Angst verloren

Wagt's nicht zu schrein, nur allgemach

Ein Thränchen rinnt dem andern nach.

«O Barry, brav!» der Bruder hebt

Das Kind empor, das schaudert, bebt,

160

Sich immer noch nicht fassen kann,

Die kalten Händchen nun und dann

An sein geblendet Auge hebt,

Und von dem wunderlichen Mann,

Der, fort es tragend kos't und schilt,

165

Sich angstvoll loszuwinden strebt.

Hart nebenher, das Ebenbild

Des Mönches schier, der Dogge trabt,

Mit gleicher Einsicht fast begabt,

Der auch den Knaben will ergötzen,

170

Glutäugig, mit gehobnem Haupt

Gar liebreich in die Höhe schnaubt,

Und tummelt sich in wüsten Sätzen;

Peitscht mit dem Schweif, steigt gähnend auf,

Streckt seine breite Tatze auf

175

Bis an das Kind, das vor Entsetzen

Beginnt zu schrei'n, der Hund zu bellen:

Die Fenster klirren, alle Zellen

Beleben sich, und vorgeduckt

Aus jeder Thür ein Mönchlein guckt.

180

Und wie das Knäbchen sie erschau'n,

Das Kindchen unter ihrem Dache,

Da ist's, als ob die Sonne, traun!

Auf jedem Angesicht erwache.

Und alle eilen, wie bethört,

185

Ihm irgend Gutes zuzufügen;

Auf die Geschichte keiner hört.

Das ist das heilige Vergnügen,

Das ist die unverstandne Macht,

So über Kindes Leben wacht!

190

Der Infirmier mit leiser Hand

Die Glieder rührt, ob sie auch schwellen,

Die Schuh ihm von den Füßchen zieht,

Und heimlich, an der Zellenwand,

Ein alterschwacher Mönch sich müht

195

Den kleinen Korb herabzustellen,

Darin nach seiner thör'gen Art

Er gute Bissen aufgespart.

Dem Pater Koch nicht schnell genug

Das Reisig will die Flamme zollen.

200

Dort Einer bringt ein warmes Tuch;

Doch, horch! die Gitterpforten rollen. –

«Der Prior!» läuft's von Mund zu Mund.

Mit freud'gem Funkeln lauscht der Hund,

Die Mönche mit den Brüdern schelten

205

Und lassen sie den Lärm entgelten;

Zur Zelle ein Noviz sich schleicht.

Der Prior naht, gesetzt, doch leicht.

Die Schritte, schon vor manchen Jahren,

Der schlanken Gemse tödlich waren,

210

Als auf dem Montblanc diese Hand

Vergebens nie den Schuß entsandt.

Und der Gewohnheit zähes Band

Verräth sich noch bei grauen Haaren;

Ja, dieser blauen Augen Blitz

215

Scheint noch zu spähn des Geiers Sitz;

Den Stab er in der Mitte faßt,

Wie einst der Doppelbüchse Last.

Fürwahr! als einst, gedankenschwer,

Berathend in der Brüder Kreis

220

Er zum Brevier griff ungefähr,

Sah man das heil'ge Buch ihn schütteln,

Wie's Pulverhorn die Jäger rütteln.

So leis' und fest die Schritte greifen.

Nun, redend, an des Gurtes Strang

225

Die Sehne scheint er noch zu streifen.

«Was, Brüder, zaudert ihr so lang?

Der Barry hat das Kind gebracht,

Allein wer nahm das Kind in Acht?

Wo ist der Mann, wo ist die Frau,

230

So auf den Bernhard es getragen?

Seyd Väter ihr umsonst so grau?

Muß euch des Hundes Witz verklagen?

Seht, wie das arme Thier sich müht,

Euch eure Pflichten anzusagen,

235

Wie's den Eugene am Kleide zieht!

Ja, Barry, solche Lässigkeit

Erfährst zum ersten Mal du heut!»

Hier wirft er einen Blick umher,

Der trifft nur wen'ge, aber schwer;

240

Zwei Brüder nur, von Schüchternheit

An ihren Plätzen festgehalten.

Schon in den Zellen sind die Alten,

Schon zur gefahrumgebnen Fahrt

An dieses Schneemeers falschen Küsten

245

In Eile sich die Jungen rüsten.

Bereit nun alles. Aus dem Thor

Sechs Brüder treten hastig vor

Im Schneelicht wie ein Geisterchor.

Die grauen Mäntel, Kappen rauh,

250

An ihrem Fuß der Filzschuh grau,

Gewirkte Gürtel um die Lenden,

Der Eisenstachel in den Händen.

Und ihrer zwei an Stangen auch,

Die arme Leiche einzuschlagen,

255

Ein festgerolltes Leilach tragen.

Voran, in der Laterne Schein,

Die Funken sendend über'n See,

Tritt festen Schritts der Marronier;

Den Alpstock trägt er in die Höh',

260

So kühn wie den Kommandostab

Der Feldherr über Schlachtfelds Grab.

Er kennt die Stege, jeden Stein:

Ein Felsgeäder sichtbar kaum,

Des Schneehuhns überjährig Nest,

265

Geborgen in der Spalte Raum,

Das Strombett, sich nur wenig dehnend,

Ein Block sich an den andern lehnend

Stellt ihm sogleich die Richtung fest.

Denn täglich in des Hunds Geleite

270

Grüßt er die todtdurchhauchte Weite –

Ja, jeden Tag und ganz allein!

Drum man zu diesem Amte schafft

Den Besten stets an Muth und Kraft.

Doch seht, wer mischt sich in den Zug?

275

Gebeugt, mit angestrengtem Schritte

Denis ist in der Brüder Mitte.

Du Alter, hast du nicht genug

Durch dreißig saure Jahr' getragen?

Nein, heute muß er es schon wagen.

280

Ihm Eleuthère, des Trägen, Wort

Bohrt wie ein Dorn im Herzen fort.

Da hilft kein Mahnen, kein Versagen:

Sie sollen sehn, die Leute jung,

Der Alte thut auch noch genung.

285

Schau, wie voran in weiten Sprüngen

Den starken Leib die Hunde schwingen,

Dickmaulig, scheckig, lang von Haar,

Fest in den Gliedern ganz und gar,

Nicht Wachtelhund, nicht Dogge ganz,

290

Halb Spaniens, halb Englands Raçe

Ist's eine eigne edle Klasse.

Die Augen drehn in klugem Glanz,

Bei jedem Sprunge Schellchen klingen

An ihrer Nacken Lederringen.

295

Barry voran, obgleich in Scheiben

Und Schollen sich die Zotten reiben,

Der Barry mag zu Haus nicht bleiben.

Bald geht es abwärts; näher schon

Die ungeheuren Massen drohn.

300

Den Todtenschädel reckt Montmort

Und scheint den Wanderern zu nicken.

Der Weg, beengt von Felsenstücken,

Die längs der Mutterklippe Rand

Entrafft des Wintersturmes Hand,

305

Muß oft an das Gestein sich drücken;

Dann schlingt er mühsam sich heran,

Springt über eingeschneite Zacken;

Die Brüder wandeln Mann für Mann

Und ziehn die Kappen in den Nacken.

310

Zuerst manch abgebrochnes Wort

Fliegt durch die Reihe hier und dort,

Vom letzten Zuge, jener Frau,

Die halb erstarrt man heimgetragen;

Was in den jüngsten zwanzig Jahren

315

Das Hospital an Leid erfahren,

Gezählt an Kranken und an Bahren:

Der Marronier weiß ganz genau

Dir jeden Umstand herzusagen.

Doch steiler sinkt der Pfad; vom Schaft

320

Gestützt, eindrängend mit Gewalt

Den Stachel in des Eises Spalt,

Die Brüder nur mit ganzer Kraft

Der strammen Sohle Gleiten hemmen.

Und immer, immer näher sich

325

Die glimmerblanken Riffe klemmen:

Steil, zackenreich, ein Riesenschloß,

Wo aus gespaltner Scharten Hort

Sich niederdrängt des Winters Zeichen,

Als wollten Riesenjungfrau'n dort

330

Im Nebelthau die Schleier bleichen.

Und oben drauf an Zinnenwand

Die wunderlichsten Steingestalten,

Um einen Zoll breit nur vom Rand

Im Gleichgewichte scharf gehalten,

335

Noch aufrecht, zu getreuer Wacht.

Doch weiter – und in Schlummers Macht

Die Häupter immer schwerer neigen,

So schwindelnd an einander beugen,

Daß kaum in seinem höchsten Stand

340

Läßt einen Strahl der Sonnenbrand

Auf Augenblicke niedersteigen.

Oft einer an des andern Hand

Die frommen Brüder, keuchend nur,

Ein jeder in des Vormanns Spur,

345

Verstummt auf ihre Tritte achten,

Als noch des Himmels karger Schein

Verlischt, und nur die Leuchte klein

Flammt heller auf bei tiefrem Nachten.

Sieh an des Glimmers reinen Scheiben

350

Den Strahl sich mit Geflatter reiben,

Ein Silbernetz auf Felsen webend

Und an der Brüder Kutte bebend,

Die reiferglänzend ganz und gar

Nachziehn wie des Kometen Haar.

355

Wie lang die Schlucht, die Nacht wie kalt!

Des Nordes schneidende Gewalt

Strömt langsam durch die schmale Gasse,

Sich öffnend nur nach Mitternacht.

Die Brüder mit der Sohle Rand,

360

Und wechselnd dieser, jener Hand

Den Schaft der Eisenstange schlagen,

Daß nicht der Frost die Glieder fasse.

Nur kaum vermögen sie's zu tragen;

Und Einen hört man heimlich klagen,

365

Der noch in keiner solchen Nacht

Den Klosterzug hat mitgemacht.

Frei wird die Bahn, doch milder nicht;

Der Wind sich an den Klippen bricht

Und wirft ihm Flocken in's Gesicht.

370

«Hätt' er's gewußt, hätt' er's gedacht!

Es ist zu arg! und "– horch, sie lauschen,

Nicht fern seitab Gewässer rauschen,

Doch kollernd, dumpf, wie überdacht

Von einer Röhre hohlen Gängen.

375

Die Hunde schnaubend näher drängen,

Und Barry plötzlich wie gehetzt

Zur Seite in den Flugschnee setzt;

Steht still dann, winselt, schaut sich um,

Dann fort er watet, mühvoll stöhnend,

380

Versinkend oft, nun auf sich dehnend,

In kurzen Sprüngen weiter jetzt:

Und immer mit gestoßnem Laut

Er rückwärts nach den Brüdern schaut.

Voran der Marronier, geschürzt,

385

Sein Mantel unter'm Arm sich kürzt;

Die Brüder nach mit weiten Schritten,

Versenkt bis an des Leibes Mitten;

Und rechts und links die Hunde klimmen,

Im aufgerührten Schneemeer schwimmen.

390

So vorwärts; «halt! der Führer ruft:

Hier steh'n wir an der Drance Kluft!

Nicht weiter!» Aber Barry leicht

Mit Einem Satz den Stamm erreicht,

Der zweier Felsen Rücken bindet;

395

Tief drunter sich die Drance windet,

Wo aus gesprengten Eises Spalt

Das Wasser brodelt mit Gewalt.

Nur einmal sich der Barry schüttelt,

Die Flocken aus dem Pelze rüttelt,

400

Im Hui schwindet: längs der Kluft

Hört man ihn rauschen über'n Duft.

Der Marronier die Leuchte jetzt

Dicht an den Rand der Tiefe setzt.

Auf steigt die alte Fichte weiß,

405

Ein ungeheurer Zapfen Eis,

Wo überall gleich Bergkrystallen

Die blanken Stengel abwärts fallen,

Wie sich der Tropfstein bildet leis'

In feuchter Grottenwölbung Hallen.

410

Und drunten das Gewässer schäumt,

Sich sprühend an der Scholle bäumt,

Wirft Perlen auf, in Bogen springt

Und tiefe, heis're Weisen singt,

Bis, nicht zu fern, des Winters Macht

415

Auf's neu' in Fesseln es gebracht,

Wo pfeilgeschwinder Wellen Zug

Des Strudels Macht verräth genug.

Die Brüder stehn und sehn sich an. –

420

Der Marronier der feste Mann

Streicht mit den Fingern bald die Sohlen,

Bald prüfend auf den Steg sie reibt

Und in die Tiefe blickt verstohlen.

Kopfschüttelnd spricht er: «Brüder, bleibt!

425

Hier ist nur sichrer Tod zu holen;

Der Wildbach hat den Steg beschwemmt,

Seht, wie das blanke Eis sich dämmt:

So sey die Leiche Gott befohlen!

Was für den Lebenden uns Pflicht,

430

Das bleibt es für den Todten nicht.

He, Barry! Barry!» Aber dicht

Von drüben Wind und Stromes Rauschen

Ein wohlbekannter Ruf durchbricht,

Erst kurz, gestoßen – Alles still –

435

Dann folgt ein ungeduldig Heulen,

Man hört ihn hin und wieder eilen;

Nun scheint er an der Kluft zu lauschen,

Wo über'm Rande, weiß umhegt,

Ein matter dunkler Fleck sich regt. –

440

Und plötzlich in des Steges Mitte

Erscheint die zottige Gestalt:

Ein Sprung – sich vor den Brüdern schmiegt

Das fromme Thier; es winselt, keucht,

Am Marronier sich angstvoll streicht,

445

Zupft an den Kleidern mit Gewalt.

«Ich fürcht' – ich hoffe – ja, ich glaube –»,

Haucht ein Noviz, der Angst zum Raube,

«Was drüben liegt, todt ist es nicht.»

Und «Barry! alter Barry! » spricht

450

Der Führer, streichelt sanft das Thier,

Vielleicht zum ersten Mal verlegen

In seines Amtes schwerem Segen.

Da stöhnend durch den Schnee sich bricht

Denis, die morschen Kniee schüttern,

455

Vor Zorn mehr als Erschöpfung zittern.

«Zurück!» ruft er, «ich will voran!»

Trifft mit dem Arm und grimmen Blicken,

Was schnell nicht aus dem Pfad kann rücken,

Und vorwärts bricht der rauhe Mann.

460

Betäubt, fast willenlos die Brüder

Gestalten einer Kette Glieder;

Nun vorwärts, mit verschränkten Händen;

Der Himmel mag ein Unglück wenden!

Er hat's gewandt: tief athmend setzt

465

Jenseits den Fuß der Letzte jetzt.

Nur einen Blick, der war nicht süß,

Schenkt den Genossen noch Denis,

Brummt etwas noch von «trägen Hunden;»

Dann hat er schon den Ort gefunden,

470

Wo an die Felsenwand geschmiegt

Benoit der alte Senne liegt,

Und neben ihm der Barry gut,

Der Wanderstab, der breite Hut,

Sein Mantel, oben festgehalten

475

Durch der erstorbnen Finger Band,

Scheint, unten offen, aus den Falten

Gezerrt von ungeschickter Hand,

Wo in dem Schnee steckt tief genug

Die Flasche, so der Barry trug.

480

Zu Nacht gefallne Flocken haben

Den Körper mehr als halb begraben:

Wenn nicht ein Knie sich aufwärts streckt,

Man hätt' ihn nicht so bald entdeckt.

Herbei, Elias'! fromme Raben!

485

Stemmt euch, hebt, hebt, das Leilach breitet!

Die steifen Glieder, drein geschlagen,

Ein Bruderpaar sich stumm bereitet,

Auf seinen Schultern heimzutragen.

Derselbe Paß, erhöhte Noth!

490

Bräch' jetzt hervor des Mondes Licht!

Auf allen Zügen steht der Tod,

Doch keine Lippe widerspricht.

Zuerst der Marronier gebeugt

Dicht an den Steg die Leuchte streicht,

495

Daß jeder sieht zu jeder Seite

Der überglas'ten Wölbung Breite.

Schwieg jetzt des Strudels Rauschen auch,

Man körte keines Athems Hauch,

Und Mancher schlöss' die Augen gar,

500

Doch reißt sie offen die Gefahr.

Nur langsam – flach den Fuß gesetzt –

Des Vormanns Stange Jeder fasse –

Und seyd auf einen Ruck bereitet,

Wenn Einer schwankt, wenn Einer gleitet;

505

Nur immer langsam – Schritt vor Schritt. –

Ha! auf den Grund der Erste tritt

Und zieht mit seiner festen Hand

Die ganze Kette an den Strand.

Und Jeder, wie er fühlt das Land,

510

Den Athem stößt mit voller Kraft

Aus der befreiten Kehle Haft.

Dem Himmel Dank! das war ein Wagen!

Hat Niemand es zu künden Lust?

Doch war sich Keiner in der Brust

515

Nur eines sichern Schritts bewußt,

Und Keinem blieb, so kühn er sey,

Das Auge klar, Bewußtseyn frei,

Als sie, wo drunten Wogen spülten,

Der Sohle leises Gleiten fühlten

520

Und in der Hand verklommen, zitternd

Die Stange hin und her sich schütternd.

Ja, Gottes Huld hat sie getragen,

Des Herrn, so sprach: «Ich bin dein Reich,»

Und: «Meinen Engel send' ich euch.»

525

Erst späterhin und fern vom Stege

Löst mählich sich der Zungen Band,

Und wenn auch auf demselben Wege,

Den früher man so übel fand,

Scheint doch, nach dem was man befuhr,

530

Ein Kinderspiel die Heimfahrt nur.

Entschlossen wird der Fuß gesetzt,

Was schlüpfrig sonst, scheint sicher jetzt;

Auch klimmt sich's leichter wohl hinan

Als abwärts auf beeister Bahn.

535

Nah ist der Tag, der Frost gewaltsam;

Allein die Luft, da man gekehrt,

Den Wandernden so unaufhaltsam

Nicht ferner in die Augen fährt.

Und wer sie hört, nicht sollt er sagen,

540

Daß diese einen Leichnam tragen;

So überstandne Fährlichkeit

Die Herzen stimmt zur Heiterkeit.

Man lockt die Hunde, lobt und streichelt,

Geplauder wechselt durch die Reihe,

545

Zumeist bei der Gefahr es bleibt;

Und, wie's der Phantasie nun schmeichelt,

Wenn Dieser spricht mit Heldenweihe,

Die Schrecken Jener übertreibt.

Der Marronier auch redet drein,

550

Die Träger selber stimmen ein;

Sogar das Lachen überrascht

Den Jüngsten, als ein Bruder gleitet,

Nach der entfallnen Kappe hascht

Und stolpernd auf dem Alpstock reitet.

555

Doch wen dort, als von ungefähr

Der Lampe Schimmer sich verbreiten,

Sieht hinter'm Zuge man von weiten?

Denis! Wird ihm der Weg zu schwer?

Man ruft und harrt, er schreitet an.

560

«Reicht mir die Hand!» Ein Bruder spricht:

«Stützt euch auf mich!» Der alte Mann

Erwiedert: «Müde bin ich nicht.»

Dann setzt er an mit festem Schritt

Und rüstig in die Reihe tritt.

565

Was wohl den Mann betroffen hat?

Nicht kraftlos scheint er, in der That!

Und doch ihm in so kurzer Frist

Die Stimme klein geworden ist.

Wie das Gespräch sich wieder rege,

570

Er wandelt stumm und träumend fort,

Und fällt auch wohl ein schlimmes Wort,

Daß allzuviel in dieser Nacht

Um eine Leiche sey gewagt,

Nur tiefer sich der Alte bückt,

575

Nur in den Schnee die Ferse drückt,

Und der, so geht zunächst im Wege,

Meint, täusch' ihn nicht des Frostes Knistern,

Er höre schwere Seufzer flüstern.

Was wohl das gute Mönchlein quält?

580

Dem alten treuen Männchen fehlt?

Indessen, nun zum zweiten Mal

Hat man die Klippenschlucht betreten;

Hier sind die Sinne all vonnöthen.

Hu, wie der Wirbel streicht durch's Thal!

585

Die Luft gleich Aether scharf und fein!

Sogar die Worte frieren ein.

Und wieder hört man durch die Stille

Der Mäntel Reiben an den Kappen,

Des Tritt's Geknarr, des Alpstocks Klappen;

590

Und Jeder schmiegt sich in die Hülle,

Und treibt den Fuß, so sehr er kann,

Voran, und immer nur voran.

Das Lampenlicht, was hier zuvor

Um Vließe duftbestreut geflogen,

595

Trifft sie mit Eise jetzt umzogen,

Und ganz von Glas erscheint der Chor.

Voran, voran! zieht sacht den Hauch,

Und streicht die Kappe dicht an's Aug'!

Voran! – Schaut nicht die Klippe hier

600

Fast wie ein formlos wüstes Thier?

Hier ein verstümmelt Riesenhaupt,

Das rechte Aug' ist ihm geraubt.

Voran, voran! – Was flattert dort?

Ein Lämmergeier, aufgeweckt

605

Aus seinem Lager, flieht erschreckt,

Gefangen in die Passes Enge.

Seht, wie er angstvoll krallt die Fänge!

Zurück! zurück! er naht dem Licht.

Und nun er über'm Leilach schwebt,

610

Mit ausgespanntem Fittich bebt.

Die Lampe bergt! Da steigt er auf,

Um's Riesenhaupt noch einmal kreisend

Und pfeifend, daß die Gasse schallt;

Und nun verschwimmt er in die Nacht.

615

Noch einmal, sein Gekreisch verhallt.

Gottlob! jetzt hebt die Leuchte auf!

Leicht wird des Weges Rest vollbracht,

Ein Schimmer, nach dem Ausgang weisend,

Des Tages erster Bote scheint.

620

Ganz recht! hier öffnet sich das Thal!

Die Brüder schau'n empor zumal:

Montmort steht schwarz, die Jungfrau grau:

Doch südlich im versenkten Blau

Die mächt'ge Rosenkuppel schwebt,

625

Bewegungslos am Aether hängt,

Und unter ihr Gewölke webt.

Es ist die Stirn, so stets empfängt

Den ersten Strahl der niedersank,

Es ist der Alpenfürst Montblanc.

630

Allein des Dunkels Ueberrest

Verdoppelt auf die Fläche preßt;

Formlose Massen noch, die Höh'n

Im Horizont verschwimmend stehn.

Nur links am breiten Felsenthurm

635

Erscheint, ein mächt'ger Feuerwurm,

Die ew'ge Lampe, deren Strahl

So milde winkt in's Hospital.

Noch tausend Schritt – die Wandrer keuchen,

Noch hundert Schritt – sie stehn am Thor.

640

Und eben bricht, ein glühend Zeichen,

Verschämt der Jungfrau Stirn hervor.

Was zaudert Bruder Pförtner noch?

Vielleicht vom Schlummer aufgestört?

Du alter Benoit, hat dich doch

645

Dein Wunsch in's Hospital gebracht!

Ach, anders gar wie du gedacht.

Da klinkt das Schloß, und eben hört,

Als grade sie ins Thor ihn tragen,

Man sechs die Klosterglocke schlagen.

650

Der Infirmier indeß zu Nacht

Durch Schmeicheln und geduld'ges Fragen

Vom Knäbchen hat herausgebracht:

Wie Mutter schon vor vielen Tagen

Geschlafen, Vater auch nachher,

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Der wenig Stunden krank gewesen,

Und beide gar nicht wachten mehr.

Wie anders dann Großvaters Wesen,

Wie sein Gesicht geworden schmal;

Und wie er gestern erst vom Thal

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Bei argem Frost und harter Müh'

Getragen ihn auf üblen Wegen

Und viel erzählt von St. Remi,

Wo Tante Rose ganz genau

Ihn wie die Mutter werde pflegen,

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Etienne la Borte des Sennen Frau.

O wohl mein armer Henry dir,

Daß du entschlummert unter Klagen,

Da sie vorbei an deiner Thür

Jetzt deinen guten Aetti tragen!

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Sähst du so blau das Antlitz treu,

Zu stillen nicht wär' dein Geschrei.

Im Krankenzimmer schon die Glieder

Man hüllt in Schnee, man bürstet, reibt,

Sucht den entfloh'nen Athem wieder

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Ihm einzuhauchen; alle Brüder

Verstummt und lauschend stehn dabei.

Kein Regen – und der Kerze Licht

Kein Zucken zeigt im Angesicht; –

Am vorgehaltnen Flaume nicht

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Ein schwaches Fäserchen sich beugt,

Und mählig schon das Morgenroth

Bis an den Rand des Thales steigt.

«Ihr Brüder!» nun der Prior spricht,

«Es scheint, der arme Greis sey todt.

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Doch thut noch ferner eure Pflicht;

Ihr seyd zur eignen Seele Frommen

Bis jetzt ihr treulich nachgekommen:

Allein zumeist, das ist gewiß,

Am allermeisten that Denis.

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Wo ist er? nun er ruht wohl aus!

Und sicher war's ein harter Strauß

Für seine Jahre.»Ach Denis

An keinen Schlummer denkt gewiß

Vor dem Altare, wo im Bild

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Die Gottesmutter rauchgeschwärzt

Ihr eingeräuchert Kindlein herzt,

Verzeichnet, bunt, doch gut genug,

Da es dem Manne sonder Trug

Mit Andacht so die Seele füllt,

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Denn ganz besonders hat er sich

Geweiht der Jungfrau minniglich.

Was mag ihm so zu Herzen gehn?

Die Falte um den Mund, dies Stöhnen –

So hat man sonst ihn nicht gesehn.

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Wie, schmolz der Mauerduft? Sind's Thränen,

Die niederfallen auf den Stein?

Dies feste Auge scheint mir nicht

Gewöhnt zu solcher Tropfen Pflicht.

Der Alte ist ja ganz allein!

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Stets weiß die Jungfrau was er denkt:

Wär' zehnfach herber auch sein Grämen,

Vor ihr braucht er sich nicht zu schämen.

Indeß das Dämmergrau zergeht;

Nur einzeln in die Mauerlücken

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Sich kleine schwarze Schatten drücken.

Schon in der Fenster Mittelscheiben

Die rothe Sonnenkugel schwebt;

Viel goldbestreute Wölkchen treiben,

Die ganze Luft ist glanzdurchbebt.

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Im Morgenlichte doppelt mild

Dem Beter scheint das Mutterbild;

Selbst Märtyrer aus Gitterschrein

Nicht all so kläglich schauen drein.

Und nun das Diadem, das klare,

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Am Haupt der Tagesfürstin ragt,

Da aus dem Winkel am Altare

Den letzten Schatten sie verjagt.

Sich von den Knien hebt Denis,

Ein andrer Mann; die Finger leis'

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Streicht er durch seine Löckchen weiß,

Er ordnet sorglich sein Gewand,

Dem eingedrückt des Estrichs Sand,

Und zu den Brüdern, die noch immer

Versammelt sind im Krankenzimmer,

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Begibt entschlossen sich der Greis.

Doch als er nun die Thüre lichtet,

Auf ihn sich jedes Auge richtet;

Da, deut' ich recht der Finger Zucken,

Am Gurt' das unbewußte Rucken,

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So sinkt ein wenig ihm der Muth,

Auch in die Wange tritt das Blut.

«Wie, alter Vater! schlaft Ihr nicht?»

Ruft ihm der Prior schon entgegen,

«Nein, Maaß muß sein in allen Wegen,

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Auch ihre Schranken hat die Pflicht.

Ihr scheint's Euch heute vorzunehmen,

Uns alle gründlich zu beschämen,

Und Ihr seyd matt, man sieht's Euch an,

Zu Bett, zu Bett!» Der alte Mann

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Steht lautlos und in seiner Noth

Auf's neu beginnt das Kleid zu reiben,

Als sollte nicht ein Stäubchen bleiben:

Bis an die Stirne steigt das Roth.

Dann holt er tief und tiefer aus,

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Und zitternd bricht die Stimm' heraus:

«Nein, lobt mich nicht, ich bin's nicht werth!

Ich will den schlimmsten Vorwurf dulden

Und daß ihr mir den Rücken kehrt;

Allein vergebt mir meine Schulden,

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Der alte Feind hat mich bethört,

Der alte eingefreßne Zorn,

Im Herzen mit ein steter Dorn,

Seit ich in meinen jungen Tagen

Den Sennen blutig einst geschlagen.»

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Hier stockt er, seufzt so tief betrübt,

Daß jede Brust ihm Antwort gibt.

«Als ich nach einem Ausweg sah

Am Drance-Rand die Brüder suchen,

Da fühlt' ich seine Kralle nah'

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Und innerlich begann zu fluchen.

Und als nun sprach der Marronier:

‚Hier ist nur sichrer Tod zu holen,'

Und: ‚Sey die Leiche Gott befohlen!'

Es kribbelt mir durch alle Glieder:

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Den Alpstock hob ich in die Höh',

Dem Himmel Dank, ich senkt' ihn wieder.

Und als nun endlich, als am Strand

Barry, das unerschrockne Thier,

Ich treu auf seinem Posten fand:

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Da hab' ich, hab' in Zornes Brand

Den Bruder einen Hund genannt.»

Er athmet auf: «Es ist heraus!

Ihr Brüder, ach vergebt dem alten

Verstockten Mann, was ich verbrach;

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Kein böses Beispiel bleibe nach.

Vergib mir Bruder!» Ganz gebeugt

Zum Marronier er langsam schleicht

Und küßt voll Demuth ihm die Hand.

Dann, eh noch Einer spricht ein Wort

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Vor Rührung, Staunen, tiefer Scham,

Schon stapft er durch das Zimmer fort,

Nicht ganz so trübe, als er kam,

Um sich in seine Zelle klein

Drei Tage, frierend und allein,

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Bei Brod und Wasser einzuschließen.

Noch immer stehn die Brüder stumm,

Und Jeder heimlich schilt sich dumm,

Daß sie den Alten ziehen ließen.

Die Stirn soldatisch in die Höh'

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Am steifsten steht der Marronier.

Zuerst das lange Schweigen bricht

Der Prior: «Was wir alle denken,

Ihr Brüder, brauch' ich nicht zu sagen.

Denis will uns in diesen Tagen

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Nicht nur von wandelloser Pflicht,

Von Reue auch ein Vorbild schenken.

So demuthsvoll ein Christ nur handelt:

Deshalb» – Er stockt und wendet sich,

Denn eine Regung wunderlich

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In Zittern ihm die Rede wandelt.

Der Prior sich zur Seite kehrt,

Und, dem Erstarrten zugewandt,

Die steifen Glieder abwärts fährt.

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Den Flaum noch einmal mit der Hand

Bringt langsam an des Mundes Rand,

Erst quer, dann senkrecht aus der Höh'.

Nun hebt er sich, vom Bücken roth:

«Eugene und Louis! nehmt ihn fort!

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Jetzt gleich! Und, Bruder Clavendier,

Zum Sennen Etienne la Borte

Schickt nach Remi! Der Mann ist todt.»