Annette von Droste-Hülshoff
1797 - 1848
Gedichte
1838
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Am vierten Sonntagein der FastenJosephsfest[Ev.: Matth. 1, 18-21]entstanden 1820
Gegrüßt in deinem Scheine,Du Abendsonne reine,Du alter Lilienzweig!Der du noch hast getragen | |
5 | In deinen grauen TagenSo mildes Blüthenreich!
Je mehr es sich entfaltet,Zum Ehrenkranz gestaltet,Der deine Stirn umlaubt: |
10 | Jemehr hast du geneiget,In Ehrfurcht ganz gebeugetDein gnadenschweres Haupt.
Wie ist zu meinem FrommeDein freundlich Fest gekommen |
15 | In diese ernste Zeit?Ich war fast wie begraben:Da kömmst du mich zu laben.Mit seltner Freudigkeit.
Zu dir will ich mich flüchten, |
20 | Mein scheues Leben richten,O Joseph, milder Hauch!Du hast gekannt die FehleIn deiner starken Seele,Und die Vergebung auch!
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25 | Was hast du nicht geduldet,Da in Geheim verschuldetMaria dir erschien?Und konntest ihr nicht trauen,Worauf die Himmel bauen, |
30 | Und hast ihr doch verziehn!
Und da du mußtest scheidenMit deinen lieben Beyden:Wie groß war deine Noth!Die Wüste schien dir lange; |
35 | Doch war vom UntergangeDein liebes Kind bedroht.
Und da er glanzumkrönet:Wie bist du nicht gehöhnetUm seine Gotteskraft! |
40 | Wie mag, den Groll zu laben,Dich nicht gelästert habenDie arge Priesterschaft!
Und gar, wenn gottdurchdrungenDich grüßten fromme Zungen |
45 | Und priesen laut und weit:Wie hast du nicht in ZagenAn deine Brust geschlagenIn deiner Sündlichkeit!
So hast du viel getragen, |
50 | Unendlich viele Plagen,Mit freundlicher Geduld,Und ist in all den JahrenManch' Seufzer dir entfahrenUnd manche kleine Schuld.
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55 | Du frommer Held! im Glauben,Den schrecklich dir zu raubenSich alle Welt verband:Hast können nicht erhaltenEin unbeflecktes Walten |
60 | An deines Jesu Hand.
Was soll ich denn nicht hoffen,Da noch der Himmel offen,Und meine Seele still?Will sich die Gnade nahen: |
65 | Ich kann sie wohl emphahen,So Gott mir helfen will.
Zerrissen in den GründenBin ich um meine Sünden,Und meine Reu ist groß. |
70 | O hätt' ich nur Vertrauen,Die Hütte mein zu bauenIn meines Jesu Schoos! |