BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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losen Nebengebäude und auf dem untern Geländer, das einen kleinen Hafen bildet, Statuen von Heiligen, oder auf jenem Vorsprunge das Kapellchen mit halbverwischtem Madonnenbilde und das Dorf, dessen Häuser ganz kunstlose Fenster haben, denn sie sind ohne Scheiben und Läden und gleichen so schwarzen Grotten. Oft schon in Nizza hab' ich bemerkt, wie zauberisch ähnliche Fensterhöhlen eines Bauerhäuschens auf mich zu wirken vermochten. Unter einem so sonnigen, lachenden Himmel, wie Italien, hat das Wilde und Düstere auch seinen besondern Werth, ja einem ernsten, mehr traurenden als heitern Gemüth, wird eine solche Erscheinung zur stillen Freude. – Bei Bellaggio verließen wir das Dampfboot, und ein Nachen brachte uns an das Ufer dieses Städtchens. In diesem Augenblicke sitz' ich auf der höchsten Spitze der Besitzung des Grafen Serbelloni. Rechts glänzt der blaue Spiegel Como's und wie Manzoni schreibt: tra due catene non interrotte di monti (Promessi sposi, Capitolo I.) Links begrenzen den Horizont: il Resegone dai molti suoi cucuzzoli in fila, che in vero lo fanno somigliare una sega. Hier der hohe, wunderlich gestaltete Berg Canzi, dessen getheilter Gipfel zweien Hörnern ähnlich ist. In der Mitte  schwimmt  die  blaue  Ferne  und  blaue  Berge  in immer  kleinern  Abstufungen.  Hinter  dem  Resegone liegt  aber  Lecco,  leider  meinen  Blicken  verborgen: Lecco la principale di quelle terre, e che dà nome al territorio. – Auch das Schloß Don Rodrigo's liegt dort sicherlich,  meint  der  Gärtner  wenigstens,  der  Man­zoni's Werke  so  gut  als  ich  kennt,  und  hätte  ich  nur  gewollt,

 

er würde mir Gesänge von Ariost und Tasso deklamirt haben. Das italienische Volk ist ein poetisches. Seine heutige Geschichte aber ist eine Elegie. Oft trifft man in diesem Lande kleine Straßenjungen, die mit einer Kohle an die Mauer großartige Gestalten, aus der römischen Geschichte, entwerfen. Talente sind hier im Ueberfluß, aber selten mögen sie sich einer tüchtigen, gründlichen Schule unterwerfen. Verweichlichung ist der Wurm, der an Italiens Blüthen verzehrend nagt. – Was mich betrifft, so bin ich heute ganz Manzoni. Nicht genügt mir, daß ich mit Augen die Landschaft, die er so anziehend und geistreich in Worten ausmalt, in der Wirklichkeit sah, auch ein schönes Mädchen, dem ich im Dampfboot begegnete, wird zur Luzia, ein alter Pfaffe Don Abondio, und der schöne Ruderer, der uns nach Bellaggio brachte, wird zum Renzo. – Von Bellaggio schwammen wir in leichtem Nachen hinüber zur Villa Sommariva. Von den Terrassen bis zum Gipfel des Berges sind hier die schönsten Anlagen. Javanische Pflanzen, hohe Myrthen nnd Cederbäume, breit gewölbte Pinien, bis zur Spitze umrankt mit Rosen, machen diesen Ort zum fabelhaften Hain. Die prächtigen Heliotrop-Bäume gewährten, in der That, mir einen süßen Schrecken der Bewunderung. Gerne würd' ich einen Zweig gebrochen haben, hätte ich nicht gefürchtet, daß hinter dem Busche es hervorraschle und ein, als Unthier verwünschter Prinz, sich um meine Hand bewerbe! – Beim Eintritt in die Villa ist ein Saal mit Basreliefs von Thorwalds[e]n, die den Triumphzug Alexanders vorstellen.  Alexander  auf einem Triumphwagen, die erste

 

 


 

Lecco

 

Bellagio