BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Thüre , hinter der noch Licht war. Man öffnet. Da saßen Spieler und Trinker fröhlich beisammen, und mich schnell verbergend, harre ich der Antwort. À gauche! schallte mir herüber. Allez donc à gauche, wiederholte der Mann; est-ce vrai à gauche? oui, oui, allez-y toujours. Muth! Noch einmal öffne ich weit die Augen, zähle die Häuser und nun langsamen Schrittes, aber schluchzend schwanke ich weiter. Noch wirft seinen letzten Strahl ein erlöschendes Licht auf eine Tafel. Ich lese: Pension de jeunes Demoiselles. Nebenan muß es seyn. Ach! ich erkenne das Gitter wohl und klingele, aber alles schläft. Eben schlägt es 12 Uhr, und Todtenstille um mich her. Endlich, nachdem ich lange Sturm geläutet, erscheint die schlaftrunkene Figur des·Dienstmädchens, mir wenigstens ein rettender Engel. Kaum war die Thüre wieder abgeschlossen, so zog die Patrouille vorüber. So war denn dieser Tag ein merkwürdiges Gemisch von großer Gefahr und gnädiger Bewahrung gewesen!

 

 

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XX.

 

Paris, am 20. April.   

 

Ach! liebster Vater! hättest Du doch ein paar Worte nur dem letzten Brief vom Hause beigefügt! Du kannst Dir denken, wie mir war, als ich hörte: Gräfin Elisa v. d. Recke, meine mütterliche Freundin sey nicht mehr. Augen­blicklich  kann  ich's  glauben,  aber  dann wieder nicht. Ich

 

sehe sie noch immer wie damals in Dresden – ihre dunklen klaren Augen! und dieser Mund, vor kurzem noch nur zu Worten der Liebe geöffnet, ist nun im Tode geschlossen! Neulich träumte mir: ich betrachte ihr Bild, jenen Kupferstich im rothen Zimmer, da sehe ich wie das Bild heraustritt, immer höher wird und glänzender und endlich verschwindet. Da weinte und erwachte ich zugleich. Ach! lieber Vaters sollte der Schmerz an Deiner rechten Hand Dich am Schreiben verhindern, so dictire wenigstens ein paar Worte, nur so viel: ich grüße Dich, mein liebes Kind!

 

 

 

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Am 4. Juny.  

 

Endlich erreichten mich E―s Zeilen, die mir sagen, daß Du nächstens nach Frankfurt und von dort nach Schwalbach, das Bad zu gebrauchen, reisen wirst. Schone Dich doch, lieber Vater! pflege Dich, so viel als möglich, denn . . . . . . . .

 

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Am 14. Juni.  

 

Noch war dieser Brief nicht beendigt, als man mir einen schwarzgesiegelten überreicht – zitternd erbreche ich ihn und lese – den Tod meines Vaters. – Wie sollte ich Worte finden, da, vor Uebermaaß der Schmerzen, jetzt noch die Augen ein paar Thränen versagen?

In dem großelterlichen Hause zu Frankfurt a. M. verschied  er  an  einem  Nervenschlag  am  29.  Mai.  Zwei

 

 


 

Elisa von der Recke (1754 - 1833), eine deutschbaltische Schriftstellerin, die in Dresden lebte und mit der Familie Feuerbach eng befreundet war. (Kupferstich von Carl Friedrich Naumann, um 1800)

Quelle: Universitätsbibliothek Leipzig