BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Ponce de Leon

Ein Lustspiel

 

Der fünfte Akt:

Auf dem Gute.

Morgen des folgenden Tags bis Mittag.

 

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Fünfter Akt

 

 

Erster Auftritt

 

Garten mit der Statue, sehr frühe. Valerio und Valeria.

 

Valerio. Hörst du nichts klimpern oder quieken, Flämmchen?

Valeria. Ich höre nichts – auf was wartet Ihr nur, und was soll ich dabei? Ihr hättet mich wohl noch ein bißchen schlafen lassen können, es ist noch kühl. Sie hüllt sich ein.

Valerio. Ja, es war eine unruhige Nacht, eine ungezogne Nacht, so recht nach der neuen Sitte. Hörst du immer noch nichts klimpern oder quieken? Die Mohren sollen ja so ein vortrefflich Gehör haben.

Valeria. Ei, wie soll es dann klimpern und quieken?

Valerio. Es soll klimpern und quieken wie eine Hochzeit, die in der Ferne übers Land zieht.

Valeria. Wessen Hochzeit? Sprecht doch!

Valerio. Das weiß ich selbst noch nicht. Heute, mein Kind heute ist ein herrlicher Tag, und wenn Porporino Valerien mitbringt, so ist die Freude vollkommen. Sage, was war das heute nacht für ein Partikularlärmen? Die Hauptsache weiß ich: der Sohn aus dem Hause hat die Tochter aus einem andern Hause entführt und in dieses Haus gebracht. Aber ich hörte auch deine Stimme, du zanktest.

Valeria. Ei, der eine Pilger wollte in der Fräulein Stube!

Valerio. Nun sage mir noch einer einmal, daß die großen Herren nicht gradeaus sind, – und du jagtest ihn gehörig?

Valeria. Natürlich! Jetzt höre ich Geräusch im Walde, aber keine Musik, keine Hochzeit, die über Land zieht; und wer sollte auch so frühe Hochzeit halten?

Valerio. Ei, liebes Kind, es ist manchmal in aller Frühe hohe Zeit. Aber ich will dir nun sagen, worauf ich eigentlich warte. Ich warte auf Hülfstruppen und Musikanten, denn heute ist ein wunderlicher Tag, ein wetterwendscher Tag, der nicht wissen wird, wozu er sich entschließen soll. – Es ist wahrscheinlich, daß die entführte Jungfrau verfolgt und wir belagert werden; da müssen wir uns null wehren. Auch ist es möglich, das alles gut abläuft und die Leute sich heiraten, und da müssen wir tanzen. Gieb nur acht, ob, du nichts klimpern hörst.

Valeria. Wißt Ihr denn das alles zum voraus?

Valerio. Nein – darum eben harre ich auf ein Zeichen vom Himmel, denn sieh, morgens so ganz früh glaubt die Zukunft, die Menschen schliefen noch, und exerziert sich einstweil, wie sie's machen soll; ja, aber bei mir da müßte sie früher aufstehen. Nun beobachte ich, was es geben wird. Klimpert es in der Ferne wie Musik, so bedeutet es Hochzeit; klimpert es wie Schwerter, so giebt es Krieg.

Valeria. Aber wenn es gar nicht klimpert, wie jetzt, was bedeutet es wohl dann? – Da kommt ein Mann, das war das Geräusch.

Valerio. Ein Mann, kein Phänomen, der wird reden können; desto besser, auf den wartete ich eigentlich.

Valeria. So habt Ihr mich wohl nur zum besten gehabt?

Valerio. Ei freilich, du sollst ja die Beste sein, so will es die Moral.

 

 

Zweiter Auftritt

 

Vorige; Alonso, ein Schulmeister.

 

Alonso. Seid Ihr der Hausmeister? Hier ist ein Brief an Euch.

Valerio liest. Gut! Ich mache Euch mein Kompliment, Herr Schulmeister. Es ist mir leid, daß Ihr so frühen Auftrag erhieltet.

Alonso. Früh gesattelt, spät geritten! Was man früh lernt, kömmt einem spät zustatten.

Valerio. Nur nicht zu spät! Wieviel streitbare Männer habt Ihr im Dorfe?

Alonso. Ach, die lassen sich zählen, besser als die Prügel, die sie von ihren streitsüchtigen Weibern kriegen mögen.

Valerio. Die Prügel mögen den Takt und die Taktik in sie schlagen, denn die Ordre im Briefe des gnädgen Herrn lautet Liest. «Der Herr Schulmeister wird Euch eine Anzahl Musikanten stellen, welche, ehe sie ihr freundliches Spiel anfangen, voll feindlichem Ernst zu sein scheinen.»

Alonso. Alles das zusammen wird Mühe kosten. Lasset uns erwägen, voll feindlichem Ernst – voll? Nun, das wäre zu haben, wenn Ihr eine gute Portion Wein zum besten gebt; feindlich? Ja, auch so – volle Leute werden grob und prügeln sich untereinander, leider, leider! Ernst? Das ist nun der böse Punkt; es wäre selbst nicht zu hoffen, nein, es wäre schrecklich, wenn es einem Besoffen Ernst wäre! Hui, das gäbe der Lehre von Gutem und Bösen eine böse Wendung!

Valerio. Nun, das wird sich alles finden, wenn Eure Musikanten nur gut spielen.

Alonso. Ich will sie Euch zusammenzählen, ob sie gut zusammen zählen oder zusammen spielen werden, muß der Himmel verfügen, denn es sind einige theoretische Genies unter ihnen, die alles schlechter zeigen als die andern, aber dafür wieder alles besser wissen; – in meinem Dorfe sind drei Lautenschläger, aber nur eine Laute.

Valeria. Wenn sie nur nicht alle drei auf der einen Laute schlagen wollen.

Alonso. Eher stünde zu erwarten, daß sie sich um die eine Laute schlügen.

Valerio. Hier im Schlosse sind zwei Lauten.

Alonso. So wäre geholfen, – dann habe ich einen Geiger, der etwas mager und auf der E-Saite nicht ganz capable ist.

Valerio. Gott gebe dann, daß er nicht verheiratet sei!

Alonso. Oder Gott nehme ihm seine Frau, denn sie ist allein schuld, sie hat ihm diese E-Saite oft gebrochen. Dann habe ich einen Pfeifer, der von der Armee zurückblieb, weil er die schnellen Märsche nicht vertragen kann.

Valeria. Er wird wohl nur Leichenmärsche blasen können; der paßt nicht zur Hochzeit.

Valerio. Er hat wohl die Schwindsucht, weil er die schnellen Märsche nicht blasen konnte?

Alonso. O! er mußte leider so viel blasen, daß er keine Zeit zum Pfeifen behielt, er ist sehr dick, und da es zu schnell in den Krieg ging, bekam er unterwegs die Verschwindsucht, verirrte sich in ein Kornfeld, und fand den Weg nach Haus; bei der Armee glaubt man noch jetzt, er sei unterwegs geschmolzen, übrigens ist er ein pfiffiger Pfeifer.

Valerio. Summa Summarum?

Alonso. Summa Summarum, mit diesen Fünfen und mehreren aus der Gegend, welche aber nur biskayische Tänze spielen können, wird ein Dutzend zusammenzubringen sein. – Gott gebe, daß sie zusammenbleiben!

Valeria. Zusammen pausieren werden sie vortrefflich.

Valerio. Diese schlechten Musikanten und guten Leute also werden sich unter Eurer Anführung im Walde versammeln, wo sie sich womöglich so still als möglich verhalten werden; Ihr sollt einem jeden ein Seitengewehr verschaffen, ihre Instrumente werde ich von einem hier empfangen und verwahren bis zur gehörigen Zeit; im Walde werdet ihr Essen und Trinken finden, damit der Hunger euer Stillschweigen nicht bricht, und Ihr, Herr Alonso, stehet vor die Nüchternheit.

Alonso. Ich werde so mäßig sein, daß ich noch vor ihnen stehen kann, wenn sie noch so trunken wären.

Valerio. Seht, mein Freund, ich werde Euch ein Zeichen mit einem ordinären Horne geben, dann kommt ihr alle hierher, und sollte ich nicht zugegen sein, so werdet ihr in allem diesem Mohrenkinde, welches an Weisheit viele übertrifft, Folge leisten.

Alonso. Ich sehe sie mir an und merke sie mir, damit ich sie unter den vielen weißen Menschen nicht verliere. In einer Stunde soll alles bereit sein. Ab.

Valeria. Aber wozu alle die Anstalten?

Valerio. Zu großen Freuden! Komme herein, daß ich dich unterrichte! Beide ab.

 

 

Dritter Auftritt

 

Stube im Schlosse. Isabella, Felix.

 

Isabella. Ihr habt einen raschen Schritt getan, lieber Neffe! Die Familie ist mächtig, die Ihr Euch zu Feinden machtet.

Felix. Die Liebe ist mächtiger als alle Familien, und ich habe mir die Liebe zum Freunde gemacht. Das Schicksal begünstigt mich schon durch Eure Gegenwart; mein Vater tat mir Gutes, ohne es zu wissen, durch diesen Wechsel.

Isabella. Euer Vorurteil für mich freut mich, ich biete Euch zu allem meine Hülfe recht gern. – Ihr habt einen Überfall von den vielen Freunden der Familie aus der Nachbarschaft zu erwarten, besonders, da Eure Braut noch einen Prätendenten hat, und dieser wird nicht zögern.

Felix. Was glaubt Ihr, würdige Tante, daß zu tun sei?

Isabella. Ihr müßt Euch gleich vermählen, damit Eure Feinde schon unauflösliche Bande finden.

Felix. Ich will gleich nach unserm alten Freunde, dem Dechant, reiten, und ihn herüberholen.

Isabella. Lieber Neffe – Ihr seht ein, Eure Schwestern können in diesem Sturme nicht schicklich hier bleiben.

Felix. Ihr habt recht, besonders, da meine Freunde die Ungezogenheit hatten, sich hier als Pilger einzuschleichen.

Isabella lächelnd. Und ich beinahe vermute, auch in der Mädchen Herzen! Ich will also mit den beiden Fräulein sogleich nach Saragossa, wo Ihr herkommt, – ich kenne die Mutter der Entführten.

Felix. Ich kenne sie nicht, Lucilla war immer bei ihrer Tante in Sevilla.

Isabella. Sie ist eine gute Frau, und ich will das Meinige beitragen, die Familie zu versöhnen.

Felix. Ihr seid unser guter Engel in dieser Verwirrung!

Isabella. Ich gehe lieber, mich zur Reise anzuschicken.

Felix. Ich weiß nicht, wie ich alle Eure Güte verdienen werde.

Isabella. Ihr wisset ja nicht, ob ich ganz uneigennützig handle. Ihr seid der erste Sarmiento, der entführt – ich bin die erste, die entführt ward, aber man holte mich wieder ein, und da ich weiß, wie unangenehm dies ist, so will ich Euch unterstützen.

Felix. Eure schöne Laune selbst in dieser Verwirrung macht mich lustiger.

Isabella. Lebt wohl, lieber Neffe, ich eile zur Mutter, und hoffe so einig mit ihr zu werden als Ihr mit der Tochter. Ab.

Felix. Dank, herzlichen Dank!

 

 

Vierter Auftritt

 

Felix. Ich habe nicht geglaubt, daß eine Tante so human sein könnte. – Ich will doch erst die Briefe lesen, die ich im Walde erhielt, und zusehen, was ich im Garten fand – Erbricht den Brief von Melanie und Isidora an ihn und liest.

 

 

Fünfter Auftritt

 

Lucilla, Voriger.

 

Lucilla umarmt ihn rücklings. Was liest du, Lieber?

Felix küßt sie. Guten Morgen, schöne Beute!

Lucilla. Ei, die Beute geht ja nicht freiwillig mit.

Felix. Also holder Überläufer!

Lucilla sie nimmt den Brief und liest. Was steht in dem Briefe? Deine guten Schwestern rufen dich um Hülfe an gegen zwei Pilger, aus denen sie nicht klug werden können; Melanie schrieb: «Sie sind so liebenswürdig und unklug; komme bald, lieber Felix, sonst steckt es an.» – Hier ist aber noch ein Zettelchen von Isidora. Liest. «Lieber Felix, Du hast mir immer so viel von Ponce erzählt, und wie ich alles liebe, was Dir angehört, hatte ich einen stillen Bund mit diesem Ponce errichtet – diesen Bund habe ich gebrochen, und auch Du sollst Deinem Freunde weniger verzeihen, denn ich weiß, daß Ponce ein armes Bürgermädchen mit Liebe täuschte, und daß dies Mädchen nun sehr unglücklich ist, – auch weiß ich, daß dieser Ponce mich liebt, mich, die er nie sah, und dies um Deiner gütigen Schilderung willen, wie mußt Du mich nicht lieben, lieber Felix! Ich kenne Ponce nicht, und will ihn nie sehen, doch gestehe ich gern, meine Phantasie hat ihn immer allen Männern vorgezogen. Sprich ihm nicht mehr von mir, tadle mich vor ihm, damit er seinen Sinn von mir wendet; kannst Du, guter Bruder, so führe ihn zu seiner ersten Liebe zurück, daß er die Tränen des treuen Kindes trockne. Diese Sache beschäftigt meine ganze Seele. Der eine der Fremden, der sich hier aufhält, ist unglücklich durch Liebe, sehr unglücklich, ich bin ihm sehr gut – ein schöner Wahn läßt ihn in mir seine untreue Geliebte sehn – ich wollte, ich wäre stark genug, ihn sich selbst wiederzugeben, – aber Felix! das will nicht gelingen, ich muß ihn vermeiden, er ist mir sehr gefährlich – komme bald, gleich, zu Deiner bedrängten Isidora.»

Aber Felix! wie ist da zu helfen, sie liebt den Pilger, und haßt Ponce!

Felix. Ponce muß unterliegen, der Pilger muß siegen – nun lesen wir, was wir im Garten fanden – Er untersucht. Ei, noch einer dabei – an Isidoren – Ponces Hand – Liest. Gott! wie anders lautet das – er ist entzückt, er fleht um Verzeihung, daß er in ihren Armen lag – er lügt!

Lucilla. Das ist eine Verwirrung! Liest den Brief mit dem Golde. An Melanie.

Felix. Das ist Aquilars Hand.

Lucilla liest. Er dankt fürs Geld, preist ihre Mildtätigkeit – Ei, Felix, wie ging das hier zu – auch er preist mit poetischen Worten die Minuten, die sie ihn in den Armen hielt, und er sie küßte.

Felix. Ich begreife das alles nicht und die Reden gestern im Garten, und was Aquilar sprach, als er gestern abend ins Zimmer trat – Lucilla, was ist das?

Lucilla. Dinge, über die man schweigen muß! Hast du deine Schwestern gesprochen?

Felix. Ja, sie sprechen wunderbar unbestimmt über die beiden; doch habe ich ihnen noch verschwiegen, wer die Pilger sind. Was die Mädchen sagten, lautete wie Liebe, die sich selbst nicht traut.

Lucilla. Und deine Freunde?

Felix. Brennen vor Liebe.

Lucilla. Bemerke, daß Ponce deine Ankunft segnete und laut gestand, er habe den Mädchen Unrecht getan. Das Ganze mag Eifersucht und Mißverständnis sein. Doch rufe deine Schwestern und die Ritter, mache sie bekannt miteinander, schnell! so wendet sich alles.

Felix klingelt. Du hast recht! Diener tritt auf. Meine Schwestern!

Diener. Die gnädige Tante ist vor einer Viertelstunde mit den Fräuleins abgereist, alle meine Kameraden begleiteten sie, sie bittet Euch, zu eilen.

Felix. So ist es dann zu spät, die beiden Fremden rufe mir.

Diener. Diese sind soeben dem Hause hinausgelaufen, ich wollte ihnen das Frühstück bringen, und erzählte von der Abreise der Damen, da sprangen sie wie Raketen aus den Betten, warfen sich in die Kleider und stürzten dem Schlosse hinaus. «Wir müssen sie einholen, um Verzeihung flehen», schrie der eine. Sie liefen ins Blaue hinein, ohne nur zu fragen, wo die Damen hin seien.

Felix. Geschwind ein Pferd gesattelt! Diener ab. Es ist nun zu spät, ich muß weg!

Lucilla. Du! wohin?

Felix. Nach dem Dechant, der uns verbindet. Du mußt mein Weib sein, ehe uns die Feinde einholen. Verzeih, Geliebte, daß ich dich schon jetzt über andere vergaß.

Lucilla. So eile nur, eile! ich bin ja gern dein Weib, auch ist nichts zu fürchten. Ist es nicht die Liebe, die zwischen jenen waltet, und was wird vollenden als die Liebe?

Felix. O Lucilla, wie sprichst du wahr, wie wahr spricht die Liebe aus dir! Ich armer Schelm werde doch nichts tun, wo die Liebe waltet. Lebe wohl, meine Braut, ich muß dich aufgeben, süße Braut, ich muß dir untreu werden, ich sehe dich nicht wieder! Umarmt sie.

Lucilla. Ich sehe dich nicht wieder, lieber Bräutigam, ach! kein Scheiden ist süß, als wenn Braut und Bräutigam scheiden!

Felix. Weil der Bräutigam den Priester holt. Lebe wohl! Ab.

 

 

Sechster Auftritt

 

Lucilla allein. Ist je ein sterbliches Mädchen in einer solchen Lage gewesen, und in aller Unschuld? und ohne im mindesten verdrießlich, traurig oder bang zu werden? Felix weiß eigentlich gar nicht, wo er dran ist, vielleicht muß er mich noch gar erkämpfen, und ich werde immer ganz ruhig zusehen. Wer nur mein andrer Bräutigam sein wird? O Liebe, o Not, bewegt mich doch, nehmt mir doch diese Seelenruhe! Die Zärtlichkeit des ganzen Geschlechts wird an mir scheitern. Ich will mich nur traurig stellen, damit man mich nicht etwa gar für einen verkleideten Mann hält. Setzt sich in einen Winkel, nimmt das Schnupftuch vor die Augen.

 

 

Siebenter Auftritt

 

Lucilla, Valerio, Valeria. Letztere hält eine Liste in der Hand und eine Feder, Valerio ein Tintenfaß.

 

Valerio. Dito, ein weinendes Frauenzimmer – lies, Adjudant, was du bis jetzt aufgeschrieben.

Valeria. Aber Ihr seid auch heute gar zu komisch, Valerio.

Valerio. Es wird dir noch vieles in der Welt gar zu komisch vorkommen, ehe du aufhörst, ein gar zu komisches Mädchen zu sein. Wenn der Scherz taugen soll, so muß er Ernst enthalten. – Also nenne mich nicht mehr Valerio, denn ich bin nun Kommandant dieses bald belagerten Schlosses; gewöhne dich an diesen Titel, wie ich dich schon lange Adjudant nenne.

Valeria. Solange aber Porporino und Eure Tochter nicht zurück sind, könnt Ihr ja die Zugbrücken nicht aufziehen lassen, die ohnedies gar nicht da sind.

Valerio. Sprich nicht so vor der Prinzessin, die wir bewachen, du unehrerbietiger Adjudant!

Lucilla. O der Schmerz, der Schmerz! Lacht. Ha, ha, ha, verlassen – verraten – ha, ha – belagert! Lacht.

Valerio. Sieh, da hast du schon der Prinzessin ihren gerechten Schmerz verdorben.

Valeria. Denn sie muß lachen, wo sie weinen sollte.

Valerio. Still, es giebt allerlei Nationen unter den Weibern, die nicht so einseitig sind als so eine Mohrin. Nähert sich Lucillen. Gebt Euch zufrieden, Ihr steht unter meinem Schutze, und wenn mein kleiner Adjudant etwas frevelhaft spricht, so ist dies nur schlecht übersetzte Vorsichtigkeit.

Lucilla lacht. Ihr werdet meinen gerechten Schmerz nicht beruhigen. Lacht.

Valerio. Ihr sollt die beruhigende Einsicht in alle Verteidigungsanstalten haben. Lies also, was wir notiert haben!

Valeria. Ihr wart heute schon so früh lustig, Herr Kommandant; die Vögel, die so früh pfeifen, trifft abends der Jäger.

Valerio. Ei was, du wirst mich nicht mutlos machen, sie werden schon kommen, ich habe für sie das Hinterpförtchen aufgelassen.

Lucilla. Ihr wolltet das Inventarium der Festung vorlesen, mich zu beruhigen. Geschwind ans Werk, die Beruhigung ist mir nötig! Lacht.

Valerio. Ich habe wohl von einem schmerzlichen Lächeln gehört, aber Dero schmerzliches Lachen ist mir bis jetzt noch nicht vorgekommen. Ihr erlaubt, daß ich Euch vor allem notieren lasse, denn ich muß vor Euch stehen; schreib, Adjudant!

Valeria. Diktiert!

Valerio diktierend. In der Festung anwesende Standespersonen, die nicht im Verteidigungszustande sind.

Lucilla. He, Ihr werdet mich doch nicht unter die Invaliden setzen wollen?

Valerio. Schreibe also: Nicht invalide, bloß durch Geschlecht gebrechlich. Diktiert. Donna Lucilla, Kleinod und Preis des Kampfs; Zustand: wird durch sein Lachen auch in der größten Verzweiflung die Besatzung ermuntern. Lucilla lacht.

Valeria. O! mäßigt Euch, wir sind noch sehr munter, greifet unsre beste Munition, Dero Lachen, nicht zu sehr an. Valerio, Valeria, Lucilla lachen nacheinander.

Valerio. Ja, ja, wir sind alle noch sehr mutvoll; lies das Verzeichnis, Adjudant!

Valeria liest ab. Hoffentliche Freiwillige, welche in dem Augenblicke vermißt werden. Personen: Don Gabriel Ponce de Leon, Duca Fernand de Aquilar. Zustand: Nicht ganz richtig. Besatzung: Valerio de Campaces, Kommandant. Zustand: Vacat.

Valerio. Schreibe hin – Eigenlob sieht nicht gut aus.

Valeria schreibend. Sieht nicht gut aus.

Valerio. He! vergiß Eigenlob nicht, denn ich sehe doch ziemlich aus.

Lucilla lacht. Ha, ha – ach, Felix – Felix!

Valerio. O! er ist sicher nicht vergessen, der Herr Adjudant überging ihn, um Euch die alten Wunden nicht aufzureißen. Stößt Valerien an. Schreibe ihn hin, lies weiter!

Valeria liest. Personen: Flammetta, Adjudant. Zustand: Kohlrabenschwarz, wird den Feinden schrecklich vorkommen; Gott wolle, daß der Schrecken sie nicht bleiche!

Lucilla. Gut, und die Gemeinen?

Valerio. Die Besatzung ist so vornehm, daß der Kommandant außer einem alten Bedienten der allergemeinste ist.

Valeria liest. Weiter – Proviant-Verzeichnis.

Valerio. Hierzu rufe den Kellermeister und Hausmeister.

Valeria ruft zur Türe hinaus. Kellermeister, Hausmeister!

Valerio ruft. Hier – das war nur des Zeremoniells halber. Die Speisekammer und der Keller, diese Hauptbatterien, diese angreiflichsten, kitzlichsten Posten, durften nur dem Kommandanten vertraut sein.

 

 

Achter Auftritt

 

[Alter Diener, die Vorigen.]

 

Der alte Diener. Ich sehe Staub auf der Heerstraße.

Valerio. Sahst du Waffen glänzen, Fahnen wehen, Geräusch?

Diener. Es glänzt nichts und weht nichts, Geräusch auch nicht, es trippelt nur wie ein paar tausend Füße, und blärrt.

Valerio. Es ist doch kein Kriegslied, das gesungen wird?

Diener. Ei behüte, das wäre ja die verkehrte Welt, wenn die Schafe Kriegslieder sängen.

Valerio. Nein, mein Freund, ich versichere dich, die Schafe singen oft Kriegslieder. Doch gehe; wenn du Menschen siehst, so schließe die Tore, bis auf das hintere Türchen.

Diener. Hier ist auch der Schlüssel zu des gnädigen Herrn Rüstkammer, die vielmehr eine Rostkammer sein mag; auch hütet Euch dort vor den Ratzen, Ihr müßt etwas trommeln, ehe Ihr hineingeht, die Trommel habe ich hier vor die Türe gestellt. Aber sagt, lieber Herr Valerio, ist es wirklich so gefährlich?

Valerio. Kannst du schweigen?

Diener. Wie ein Fisch.

Valerio. Ich auch! Gehe und tue, was ich befahl! Diener ab.

 

 

Neunter Auftritt

 

Vorige [ohne den alten Diener]

 

Lucilla. Ihr haltet ja strenge Subordination!

Valerio. Der gute Soldat wisse nie, was er tue.

Valeria. Und der gute Spion wisse nie, was er spioniert.

Valerio. Sei nicht so vorlaut, sonst wirst du mich noch in Harnisch bringen.

Valeria. Brav, es ist nötig, daß ein guter Krieger im Harnisch sei; also kommt, kommt in die Rüstkammer, ich will die Trommel holen. Ab.

Lucilla. Ich gehe mit in die Rüstkammer.

Valeria hat die Trommel umhängen. Nun fort, gegen die Ratzen!

Lucilla. Wir wollen alle drei Harnische anlegen.

Valerio. O tapfre Zeit! wo ruhmentglüht ein alter Diener, und ein närrisch Mohrenkind, und ein entführtes Mädchen nach den alten Waffen der braven Ritter Spaniens greifen.

Lucilla. Ihr werdet ja ganz feierlich!

Valerio. Ja, ich habe manchmal Unpäßlichkeiten, für die kein Aderlaßmännchen die rechte Ader zeigt. Ich meine die poet'sche Ader.

Lucilla. Ihr seid ein lustiger Alter, und du bist ein freundliches Mädchen, ich will euch die Geheimnisse meines Herzens vertrauen; seht, ich bin eigentlich gar nicht traurig, ich bin von allem unterrichtet. Kommt, den Spaß zu vollenden!

Valerio. Ach! wäre nur Valeria und Porporino hier, so wären unsrer fünf.

Lucilla. Alle gute Dinge sind drei.

Valeria. Ja, laßt uns alle drei guter Dinge sein! Rührt die Trommel; alle ab.

 

 

Zehnter Auftritt

 

Garten mit der Statue.

Alonso und der dicke Pfeifer kommen aus dem Wald; sie tragen die Instrumente herbei.

 

Pfeifer zu Apollo. Ist dies der Herr, der sie in Empfang nimmt? Legt die Instrumente auf das Piedestal.

Alonso. Pfui über einen Pfeifer, der seinen Gott nicht kennt!

Pfeifer. Nun, so sage ich dann: Unser tägliches Brot gieb uns heut!

Alonso. Du bist ein Nimmersatt; haben wir nicht Essen und Trinken im Walde erhalten?

Pfeifer. So kehre ich die Sache um, und sage: Unser heutiges Brot gieb uns täglich. Doch kommt, damit unsre Gesellen uns nicht zu sehr zurücklassen, oder zu wenig zurücklassen. Ihr wißt, der Geiger ist stark in den Fugen und hohl in den Rippen. Er könnte dem kalten Braten ein paar Rippen aus den Fugen reißen, und wir müßten dann pizzikando an den Knochen pausieren.

Alonso. Du sprichst triftig. Beide ab.

 

 

Eilfter Auftritt

 

Ponce, Aquilar, außer Atem.

 

Aquilar. Das ganze Schloß ist leer, wie ein ausgeblasenes Ei!

Ponce. Auch hier niemand?

Aquilar. So ist es dann nicht übertrieben, wenn wir sagen, das ganze Schloß ist leer, seitdem die Mädchen weg sind. Es ist verdammt, daß wir sie nicht einholten!

Ponce. Laß es uns als ein Glück ansehen, so brauchen wir uns nicht zu schämen.

Aquilar. Der Teufel schäme sich und seh es für sein Glück an, Mensch, wie sprichst du?

Ponce immer gelassen. Ich bitte dich, schweige still, und störe mich nicht!

Aquilar immer heftig. O Himmel, deine Geduld! sie fehlt mir noch zu meiner Ungeduld.

Ponce. Fernand – in mir ist eine fürchterliche Sanftmut, und eine große Ruhe schlummert in mir – wecke sie nicht.

Aquilar. Der große Riese Faulheit schläft in dir – o den erwecken Kanonen nicht – und wahrlich, ich möchte es, es ist mir recht zum Totschlagen – o brave, fabelhafte Zeit! wo bist du? Ich möchte Alt-Kastilien von ein halb Dutzend Lindwürmer säubern.

Ponce. Fernand! du bist es, der alles verdorben hat; du hast durch deinen Vorwitz der Mädchen Ehre gekränkt.

Aquilar. Brav, ich habe deiner Göttin Ehre gekränkt – laß es eine Herausforderung sein!

Ponce. Ich fordre keinen Menschen mehr heraus, und wisse es, von mir ist ebenso in Zukunft nichts zu fordern – das ist vorbei!

Aquilar heftig. Vorbei? Vorbei? Ins Teufels Namen seis vorbei! In mir brennt helle Wut – o Ponce, ich bitte dich, laß dich erbittern!

Ponce. Erbittern wird dein Zorn mich nie. So laß mich ruhn! In meinem Herzen ist ein wunderbares Leben, meine Liebe wird zu Grabe getragen, und alle guten Wunsche meiner Seele wandeln mit. Sei ruhig, Aquilar, o! störe nicht den feierlichen Zug. Bald wirds vorüber sein, dann bin ich einer wie die andern alle, habe weiter keine Sehnsucht mehr, mein Leben hinzupflanzen in seinen eignen Boden, wo es nur gedeiht; dem ersten Besten gebe ich mich hin, und sollte nicht der König und sein Land das erste Beste sein?

Aquilar spottend. Bei Gott! das ist erbaulich – so wollte ich doch lieber vor Liebchens Tür erfrieren! Höre, Ponce, hast du dir auch schon einen Hund gekauft, der sich auf des Helden Grab zu Tode hungert?

Ponce. Der Liebe Haus hat keine Tür als Auf- und Untergang. Den Hund? Ich werde mir ihn kaufen, um jenen auf das Maul zu schlagen, die von Freundschaft sprechen.

Aquilar. Brav, es wird, es wird! Das war bitter – Sieht an die Statue. Da liegen ja auch Pfeifen, um die Liebe auszupfeifen; gieb Achtung, Freund, ich blase deiner Liebe einen Leichenmarsch.

Ponce. O lasse diese Pfeifen ruhn, denn sie regieren diese Welt. – Auspfeifen kannst du die Liebe nimmer, da jeder Ton die Liebe ist, welche den Mensch auspfeift.

Aquilar. Die Pfeifen regieren die Welt? So habe ich denn endlich die Welt unter den Fingern, ich will mich rächen und sie an falschen Tönen verzweifeln lassen – Nimmt die Pfeife.

Ponce. Lasse ab, ich bitte dich; wer nicht liebt, versteht die Töne nicht, – o blase nicht! Aquilar lamentiert auf der Pfeife. O höre auf, gieb unsrem stummen Mißton keine Worte! Aquilar dudelt fort. Ich bitte, Aquilar, hör auf! o laß den Riesen meines Unmuts schlummern – ich sage dir, du erbitterst mich.

Aquilar. So habe ich das Mittel doch gefunden – ei, ich wäre doch begierig, das zu sehn – dein Übel wäre also nichts als die schlummernde Disharmonie. Dudelt und läuft um die Statue herum.

Ponce erbittert, läuft ihm nach. Ich sage, steh, du empörst mich – Steht. O Gott! o Isidora! – warum hat dieser Tor dich von mir gewendet? Höre auf! – Aquilar auf der andern Seite dudelt fort. O alle Mächte, infamer Mensch, stehe still, du rennst in meinen Degen! Er zieht.

Aquilar wirft die Pfeife weg und zieht. Gut! so wollt ich dich, zwei Leben vor der Klinge – Fechten. Komm, braver Ponce! laß unsrer Liebe ein Ende machen – Fällt aus. Isidora, ich bohre ein Loch in deine Residenz, daß du herauskannst!

Ponce. Melanie, dein schlechter Tempel stürze über dir zusammen. Fechten.

Aquilar. Du fichst so matt; warte, ich will dich reizen. Springt hinter die Statue, nimmt die Pfeife in den Mund und ficht dudelnd.

Ponce. Teufel – !

 

 

Zwölfter Auftritt

 

Valeria, Lucilla, Valerio; geharnischt, alle mit langen Hellebarten und geschloßnem Visier, letzterer sehr abenteuerlich. Valerio und Lucilla schlagen mit den Spießen zwischen die beiden, Aquilar entfällt die Pfeife, Valeria reißt Ponce zurück.

 

Valerio. Wollt ihr Ruhe haben! – Schöner Trost, wenn die Besatzung uneins wird!

Lucilla. Wendet euren Mut gegen die Feinde an.

Aquilar. Alle gute Geister loben Gott den Herrn! O weh, Rittergespenster – sie handeln mit alt Eisen!

Ponce. Was soll die Maskerade?

Valerio. Besser das alte Eisen als das kalte.

Aquilar. Da waren wir eben dran.

Valeria. Wir sind Freunde; kommt herauf, das Schliß zu verteidigen!

Ponce. Gegen wen?

Aquilar. Sie wollen uns als Ratzengift gebrauchen; du weißt, es sind viele Mäuse hier im Schlosse!

Valerio. Spottet nicht – Ihr wißt, Don Felix, Euer Freund, hat seine entführte Braut hier und ist weggeritten, einen Prediger zu holen; nun aber ist ein Überfall von dem andern Bräutigam und der Familie zu erwarten, und wir verteidigen das Schloß.

Aquilar. Ihr seid wohl die Nachtwächter aus der Gegend?

Valerio. Nein, unsres Herrn Don Felix treue Diener! Nachtwächter sind keine hier im Schlosse, sonst würden gewisse Unordnungen nicht begangen worden sein; doch wir fordern euch auf, eures Freundes Sache zu verteidigen!

Aquilar. Er stichelt auf uns.

Diener außer Atem gelaufen. Ich sehe Staub, und Leute zu Pferde!

Valerio. Hast du die Zugbrücken gleich herabgelassen?

Diener. Ach! ich hätte es ja gern getan, wenn nur welche da wären; die Tore habe ich aber zugemacht.

Valerio. Nun stelle dich ans Hintertürchen, und fragt einer unsrer Freunde nach mir, so rufe mich.

Diener. Verzeiht, wer seid Ihr denn?

Valerio. Ich stelle den geharnischten Hausmeister vor. Diener ab.

Ponce nimmt seinen Degen. Bringt mich vor die Türe Lucillens!

Lucilla und Valeria. Wir sind ihre Diener, wir werden mit Euch hingehen.

Aquilar. Ich werde vor das Tor gehen und ihnen wie ein mörderischer Sphinx, der diese Burg bewacht, halsbrechende Rätsel aufzubeißen geben.

Valerio. Es kam auch gar zu schnell – ich muß geschwinde die Hülfstruppen zusammenblasen – Nimmt ein Kuhhorn. Geht nur, geht – nehmt die Pfeifen mit – Bläst wie ein Kuhhirt.

Aquilar. Ihr wollt doch nicht erst jetzt die Herden eintreiben lassen?

Valeria. Fort, fort! Alle ab mit den Instrumenten bis auf Valerio.

 

 

Dreizehnter Auftritt

 

Valerio bläst: ut, ut, ut. – Der Schulmeister Alonso, hinter ihm der dicke Pfeifer und magre Geiger, dann die übrigen Musikanten, alle mit Seitengewehr aus der linken Kulisse, dem Walde; der Geiger nagt an einem Bratenknochen.

 

Alonso. Ich stelle Euch hier meine Familie vor; sucht sie zu verwenden, wie Ihr könnt!

Valerio. Macht fort, kauet aus, und laßt die Knochen hier!

Pfeifer. Wenn die Knochen hierbleiben sollen, werde ich wohl allein mitgehen müssen.

Geiger. Schweige still, du Blasbalg!

Valerio. Blasbalg, schweige still, und Knochen, schweige still! Aber lege deine Knochen ab, du bist zu rachsüchtig! Weil du kein Fleisch auf den Rippen hast, meinst du an einem andern ehrlichen Knochen dürftest du keines lassen. Kommt!

Alonso. Nun, wie sollen wir uns verhalten? Seht, diese sind die Lautenisten, und diese die Biskaiyer, die können gut zuschlagen.

Pfeifer. Ja, Trumpf, mit der Karte auf den Tisch beim Spiele.

Geiger. Kannst du dein Maul nicht halten?

Valerio. Still, ihr habt immer etwas!

Pfeifer. Er? Er hat sein Lebtage nichts, er versäuft alles.

Alonso. Das war gesalzen, das war gesalzen; da trinkt es sich gut drauf.

Valerio. Kommt, und wenn ihr nicht ruht, so zwinge ich den Knochen, dich Pfeifer aufzuessen, dann wird er eine Karbonade. Alle ab.

 

 

Vierzehnter Auftritt

 

Ein großer Vorsaal im Schloß, rings Türen.

Ponce, Lucilla, Valeria.

 

Ponce. So wolle Ihr dann wirklich geharnischt bleiben, Lucilla?

Lucilla. Ja, ich und meine Kammerfrau, wir sind so sichrer, und mitten im Getümmel vermutet man mich nicht.

Valeria. Aber was war denn die Ursache Eures Gefechts?

Ponce. Berührt die Wunde nicht! Ich gehe einen Augenblick nach meiner Stube. Links in eine Türe.

Valeria. Dieser Mann ist sehr niedergeschlagen, er ist ein edler Mann.

Lucilla. Liebt ihn Isidora nicht?

Valeria. Sie liebt ihn, aber weiß nicht, wer er ist.

Ponce kömmt aus der Stube, sein Testament in der Hand. Zu Lucillen. Meine Dame, verkennet meinen Unmut nicht, es ist nicht Mutlosigkeit – ich habe viel verloren, – dies ist mein Testament – ich stelle es Eurer Gesellschafterin zu. Giebt es Valerien. Sollte ich im Kampfe fallen, und solltet Ihr, Lucilla, eines andern als meines Freundes Felix werden, Zu Valerien. so werdet Ihr es Don Felix einhändigen, daß er es vollziehe!

Valeria. Euer Testament?

Ponce. Ich bin ohne Liebe, Freundin, und dem Untergange nah. Was soll das Gold? Denn ohne Liebe ist ja kein Besitz; doch ich höre Getöse – Lucilla und Valeria treten hinter ihn vor die Türe rechts.

Lucilla. In dieser Stube, soll es scheinen, sei Lucilla.

Ponce. Gut, ich stehe hier mit bloßer Klinge!

Lucilla. Das klingt so fürchterlich um ein Mädchen.

Ponce. Um das Weib klingt es allein, die Liebe ist allein im Weibe, die Liebe allein ist Klang, und ohne sie ist alles stumm, auch Ponce wird bald verstummen.

Valeria aus der Fülle des Herzens. Du armer Ponce!

Ponce. O wie das klang! von Euren Lippen; Ihr wißt nicht, liebe Jungfrau, welche Stimme der Euren gleicht – o Valeria! wie denke ich dein! – sie kommen!

 

 

Funfzehnter Auftritt

 

Die Vorigen, Valerio, Alonso, die Musikanten.

 

Valerio. Brav, brav, ihr Kinder, das sieht tapfer drein, – Zu den Musikanten. ihr verteilt euch links und rechts in die Stuben, und wer von den Feinden hineinkömmt, den faßt ihr! Diese beiden Stuben stellen gleichsam Mausefallen vor.

Geiger. So müßt Ihr den Pfeifer in Stocke reißen, denn die Mäuse gehen nur nach Speck.

Pfeifer. Der Geiger wird wie eine hungrige Katze die Mäuse fangen, um etwas in den Leib zu kriegen.

Valerio schiebt den Pfeifer und einige andere in die Stube rechts. Hier ist also die Mausefalle. Wenn ich mit dem Fuß stampfe, wißt ihr, was ihr zu tun habt – Schiebt den Geiger und die andern in die Stube links. und hier ist also die Mausekatze; wenn ich das Zeichen mit dem Fuße gebe, so wißt ihr, was ihr zu tun habt.

Diener kommt. Es hat sich am Hinterpförtchen eine alte Zigeunerin eingefunden, sie will mit Euch sprechen; sie sagt, sie bringe dem Hause Frieden.

Valerio. Gehe hinab, Adjudant, und ist sie kein Spion, so bringe sie herauf! Man muß den Finger Gottes achten, sonst schlägt er einem auf die Pfoten. Valeria und Diener ab. So könnte dann der Feind in Gottes Namen kommen!

Ponce. Ich bin bereit.

Diener stürzt herein. Ach, um Gottes willen! um Gottes willen! sie kommen, sie kommen! alle durchs Hinterpförtchen herein.

Valerio. Schurke, packe dich, halt sie auf, da sollten sie ja nicht herein! Diener ab.

Ponce. Ruhig, ich empfange sie. Geht gegen die Tür.

 

 

Sechszehnter Auftritt

 

Getöse.

Vorige, ein Ritter mit einer Maske, in einem schönen reichen Kleide, mehrere Edelleute mit ihm.

 

Ponce gelassen entgegen. Steht! was ist Euer Begehr? daß Ihr so ungezogen in ein fremdes Haus dringt.

Ritter heftig. Ungezogen Ihr selbst! Ich komme mit gezogenem Degen, ich komme nicht ungezogen – ich komme in kein fremdes Haus, ich komme, meine Braut zu holen – Donna Lucilla, die Don Felix de Sarmiento mit Gewalt entführte – ich habe den Willen der Mutter.

Ponce gelassen. Ihr könnt den Willen der Mutter nicht heiraten, Lucilla will Euch nicht – Ihr holt hier keine Braut – den Tod könnt Ihr hier nur holen.

Ritter ironisch. Seid Ihr vielleicht mein Tod? Ha ha, ein galanter Tod, willkommen, Tod!

Ponce steigend. – Valeria tritt im Hintergrund herein. Willkommen, Tod! Ihr seid der meine, oder ich der Eure, das werden unsre stählernen Zungen aussprechen – laßt ab und geht zurück! Bedeutend. Ich schwöre Euch, wir holen beide keine Bräute hier – steht ab! Ihr wißt nicht, wen Ihr vor Euch habt – Traurig. Ich bin zu sterben willens – ich wage alles – nehmt Euch in acht – o Isidora!

Ritter steigend. So wende ich dann Euer Wort – ich wage alles – ich bin zu sterben willens – o Lucilla! Nein, ich kann nicht lügen – ich spreche laut – o Valeria! Steigend. Ficht, Ponce! – ich bin Porporino – ich sterbe hier – wo ist Valeria? wo? ficht! Er dringt auf ihn ein, Ponce wirft den Degen hin, Valeria reißt Porporino zurück.

Valerio auf ihn zu. Du, du bist es! Was sprachst du? Valeria! wo ist sie?

Porporino. Nirgends, in ganz Sevilla nicht!

Valerio. Ach, ach! Läuft ab.

 

 

Siebenzehnter Auftritt

 

Vorige, Isabella mit Isidora und Melanie.

 

Ponce der verwirrt stand, läuft auf sie zu. O Gott! Ihr, Ihr! o Isidora, zu dieser Stunde?

Isabella zurückweisend. Ruhig, mein Herr! erwartet!

Porporino faßt Ponce. Wo ist Valeria – he, Mensch! – wo ist sie?

Ponce drängt ihn bescheiden zurück. Auf Ehrenwort, lieber Porporino, ich weiß es nicht; doch schwöre ich, ich suche sie mit dir am Ende der Welt!

Porporino. Genug, wenn Ihr es nicht wißt; Ihr wärt imstande und liebtet sie wieder!

 

 

Achtzehnter Auftritt

 

Vorige, Valerio und eine alte Zigeunerin mit einer großen Pelzmütze.

 

Valerio. Beruhigt euch, hier ist ein Weib, die uns alles lösen will.

Ponce. Hier ist keine Zeit zum Scherz – sag, Porporino.

Zigeunerin in der Mitte. Zerhaut mich in Stocke, wenn ich nicht helfe, ihr habt mich!

Viele. Das läßt sich hören!

 

 

Neunzehnter Auftritt

 

Vorige; Aquilar führt Donna Juanna herein.

 

Aquilar. Wie, hier ist der Feind schon, ich habe einstweilen einen alten Spion gefangen – Sieht Melanie, geht auf sie los.

Ponce zieht ihn zurück. Ruhig, wir sind hier am Vergleich!

Juanna. Aber Gott und Herr, welche Verwirrung, welch Getöse, die Herren alle, präsentiert doch Stühle! Man setzt ihr einen Stuhl.

Ponce. Sitzt und schweigt!

Juanna. Welche Redensarten! Bin ich unter Christen, ich, mich, Donna Juanna, Grazia, Gabriele?

Aquilar und andere. Schweigt, still, still! sprich, Zigeunerin!

Zigeunerin zählt die Anwesenden. Es fehlt noch einer.

Ponce. Don Felix ist es.

 

 

Zwanzigster Auftritt

 

Vorige, Don Felix und der Prediger.

 

Felix. Welche Menge! mit gezogenem Degen! Wo ist mein Nebenbuhler? – wo ist Lucilla? Er zieht. Was soll das alte Weib in der Mitte? Donna Isabella, auch Ihr, was soll das?

Isabella. Dort steht der Prätendent.

Felix. Porporino, du? Es ist nicht möglich!

Porporino. Seid ruhig!

Alle. Schweigt, laßt die Zigeunerin sprechen!

Zigeunerin.

Wenn Schwarz in Eisen sich verhüllt

Und weiß aus diesem Eisen kehrt,

Hat sich ein freundlich Herz enthüllt

Und jeder hat, was er begehrt.

 

Wenn aus dem Pelz ein Herrscher steigt,

Der jedem wieder nehmen kann,

Was die Entwicklung ihm gereicht,

So wird aus einem Weib ein Mann.

Ponce. Was soll das?

Wenn Schwarz in Eisen sich verhüllt

Und weiß aus diesem Eisen kehrt –

Porporino.

Hat sich ein freundlich Herz enthüllt,

Und jeder hat, was er begehrt!

Felix. Schafft das Eisen weg, alle weg!

Valeria tritt in die Mitte, nimmt den Helm ab, sie ist wieder weiß.

Valerio. Jesus – Valeria – ach, mein Kind!

Porporino. O Valeria, Valeria! Umarmung.

Ponce. Valeria, du, du warst die Mohrin selbst – o Engel!

Isidora, Melanie Umarmung. Flammetta, Engel, du, du bist das Bürgermädchen – du Valeria! Freudengetümmel um sie.

Valeria. Laßt mich, ich will euch noch alles erklären – ach, die Freude – willkommen, alle, alle!

Valerio. Deswegen hast du es so natürlich gemacht – ei, mich so anzuführen!

Porporino. Und mir die Angst einzujagen!

Isidora, Melanie. So seid Ihr Ponce! Ihr Aquilar! in Zukunft seid artiger, Herr Pilger!

Ponce. Wir sind es selbst – verzeiht der Leidenschaft – Valeria, o du Engel!

Porporino. Ei, laßt sie – bist du mein – ganz mein?

Valeria. Ja, ja!

Porporino. O, ich verzeihe dir alles!

Valerio. Hat sich was zu verzeihen; ei, du Kind – du Tausendkind!

Felix. Aber wo ist Lucilla – um Gottes willen! wo ist sie?

Lucilla entmaskt. Hier! Umarmt ihn.

Zigeunerin. Still!

Wenn aus dem Pelz ein Herrscher steigt,

Der jedem wieder nehmen kann,

Was die Entwicklung ihm gereicht,

So wird aus einem Weib ein Mann.

Valeria nimmt ihm den Pelz ab.

Ponce. Der Automate, der Ritter, der uns herschickte –

Felix. Der mich zur Entführung beredete –

Sarmiento. Ist dein Vater!

Felix, Isidora, Melanie Umarmung. Vater! lieber Vater! Ihr, ach! lieber Vater! usw.

Juanna. Don Sarmiento, geliebter Bruder! o dios! welche Verwirrung!

Ponce. Ihr habt uns zu Euren Töchtern geschickt.

Aquilar. Steht für die Leidenschaft, Ihr habt uns verführt.

Sarmiento. Ruhig, nun kömmt erst was ganz Neues! Isabella, Lucilla, Porporino! Sie treten herbei. Hier, Lucilla, ist dein Bruder: Porporino ist mein Sohn!

Valeria. Euer Sohn?

Porporino. Vater, Vater, Ihr seid es selbst! o, nicht mehr Findelvater!

Sarmiento. Isabella ist dein Mutter, und nun mein Weib! Ich schickte sie als meine Schwester her, damit ihr eure Mutter kennen lerntet.

Juanna. Ei, wegen dem Unsinn mich ins Blaue hineinzujagen! Am Ende bin ich auch jemandes Kind!

Sarmiento. Ich beredete dich, Felix, Lucillen zu entführen, um dich aus der Zärtlichkeit zu jagen.

Lucilla Isabellen an der Hand. Und ich wußte alles, stellte mich nur so, die Mutter war auch unterrichtet.

Felix. Habe ich dich doch!

Valeria. Porporino, da du Ritter bist, willst du mich noch? Er umfängt sie lächelnd.

Sarmiento. Isidora, liebst du Ponce? Ponce, liebt Ihr Isidora? Stehen einander gegenüber, schlagen die Augen nieder, Ponce kniet – Isidora hebt ihn auf. Melanie, liebst du Aquilar? Aquilar, liebst du Melanie? Beide ebenso. Lucilla, liebst du Felix? Felix, liebst du Lucillen? Beide ebenso. Isabella, wir lieben uns, so sage ich dann das Letzte – Aquilar, Ponce, ich verspreche euch meine Kinder, lernt sie näher kennen, und rührt euch für das Vaterland!

Valeria. Don Ponce, hier, nehmt Euer Testament, – wißt, ich war es, die Ihr vor dem Schlosse umarmtet.

Porporino. Don Ponce, ich war der Schneider und Maler; Duca Aquilar, ich war der Arzt, und habe Euch Eure Bestechungsdukaten in die Pastete gebacken.

Ponce, Aquilar. Wir sind glücklich.

Valeria zu Porporino. Sei nicht böse. Küßt Ponce.

Ponce singt.

Wenn das Leben nicht hinaus mich triebe,

Nicht nach Ferne Sehnsucht mich verzehrte,

Blieb ich dir, du Heimat meiner Liebe,

Die mich scherzen, tändeln, küssen lehrte.

Valeria.

So sei dann feierlich entbunden!

Wie dieses Kusses Feuer leicht verglühet,

So schlossen sich der frühen Liebe Wunden

Und neue schönre Liebe ist erblühet.

Valerio stampft mit dem Fuß. Laut. Laßt es euch gefallen!

 

Die Musikanten treten, links und rechts, spielend hervor. – Alle schließen einen Kreis; Porporino und Valeria in der Mitte tanzen Solo, die andern um sie her.