BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Der andere Brentano

 

Gedichte

 

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Unter einem Feigenbaume

Auf dem Eselssattel lehnend,

Dich an ein . . . . . . . . . Saume

Sah ich ganz allein sich wähnend,

 

Zweie klug und schwarz wie Raben,

Einen Bettler und sein Mädchen

Beide gleich einander haben

Sie am Fädchen, er am Drähtchen.

 

Während sie den Knaben lauset

Fängt dem Mädchen er die Flöhe,

Wie ein Kätzchen, das gut mauset

Er ein Falke auf der Spähe.

 

Sie guckt starrend weg zur Ferne,

Fühlt und faßt doch was sie suchet,

Er guckt harrend in die Sterne

Ihrer Augen und versuchet

 

Von dem Glanze einer Feige

Die ihr auf dem Schlüsselbeine

Ruht, gefallen von dem Zweige,

Küßt die Schulter er, die Reine,

 

Und ihr Stechblick, der in Züchten

Starret, gleicht der Wespe Pfeilen,

Die nach süßgereiften Früchten

In des Nachbarn Garten eilen

 

Und des klugen Mundes Lippe

Schwillt, und wie die Welle

Die zunächst die heiße Klippe

Küßt mit ihrer lauen Welle.

 

Er gesteht, was beide wissen

Sie verschweigt, was beide fühlen,

Daß er küßt, was sie läßt küssen

Und das Wasser dreht die Mühlen.

 

Endlich spricht die braune Schlange,

Diese flinke Zitterhexe,

Diese Hange und Verlange

Dieses stumme Fühlgewächse:

 

Wahrlich, wahrlich, mich nimmt Wunder

Wie wir sind so sehr verschieden,

Deiner Seele feinsten Zunder

Stahl und Stein kannst aus du bieten,

 

Deine Fehler, deine Schwächen

Deine Schulden, deine Leiden,

Gießt du aus in reichen Bächen

Auf den Schaf- und Rinderweiden,

 

Das ist ein sich selbst zerreißen,

Ach bedecket mich ihr Berge

Brauchts bei dir einst nicht zu heißen,

Denn es wissen jene Zwerge

 

Die in unterirdschen Höhlen

Die geheimen Schätze hüten,

Nichts garnichts erzählen

Gar von dir nichts auszubieten.

 

Gestern hört ich dich vor manchen

Maultiertreibern und Studenten

Und vor Gretchen und vor Hannchen

All dein Innres so umwenden,

 

Wie man eine Tasche fegt,

Was, die eine Hand beschauet

Die Zigeunrin ausgelegt,

Hast du allen da vertrauet.

 

Wie du nur in Einem lebest

Immer nur nach Einem blickest,

Wie dich drücket was du hebest,

Wie du was du hebst erdrückest.

 

Was ich immer muß verstecken

Meiner Seele goldne Vliese

Hängest du an alle Hecken

Wie die Schafe auf der Wiese

 

Die sich drängen zu dem Borne,

Von der Wolle stets das Beste

Hangen lassen an dem Dorne

Vögel tragens dann zu Neste.

 

Drauf der Bursche, der die Augen

Nie von ihrem Mund gewendet:

Kanns ins Nest dem Vogel taugen

Wohl so ist mir nichts verschwendet.

 

Ja verschieden sind wir beide

Ich bin männlich, du bist weiblich

Offen sind in Lust und Leide

Ich so seelisch, als du leiblich.

 

Meine Seel ist unverschlossen,

Vögel tragen draus zu Nest,

Weil dein Leib ist ausgegossen

Schnürst du gleich die Seele fest.

 

Wahrlich mich nahm wunder

Wie wir sind so schön verschieden

Wie du deines Leibes Zunder

Fleisch und Bein so kühn kannst bieten,

 

Deine Schultern, deinen Nacken,

Deine Füllen, deine Schwächen,

Deine Wogen, deine Hacken

Gießt du aus bei allen Zechen

 

Allen stets zur Augenweide

Hört dein Leib nicht auf zu plaudern,

Meine Seele, was sie leide

Kann nicht auszusprechen zaudern

 

Wie dein Leib nur immer locket

Sieh so locket meine Seele

Wie dein Seelchen ist verstocket

Daß es Seel und Leib mir schmähle,

 

Zeig ich meiner Seele Lasten

Zeigst du deines Leibes Nacken

Trunken machst du um zu fasten

Und packst aus um einzusacken.

 

Während er so spricht, da runzelt

Ihre Seele ernst die Stirne

Während so so zürnt, da schmunzelt

Süßer Mund der braunen Dirne.

 

Ach wie oft sah ich, wie jeder

Küster, Meister und Studente

Hinz und Kunz und Paul und Peter,

Sich an deinem Leib entbrennte,

 

Wie dich Gottes Hand gebauet

Hast du stets zu Tag gelegt

Hast der Welt du anvertrauet

. . .

 

Entstanden Mitte der dreißiger Jahre