Clemens Brentano
1778 - 1842
Der andere Brentano
Gedichte
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Fortsetzung von Hölderlins Nacht
I.
Aber sie tröstet mich nicht, sie kennt mich und nahet mit BangenWie dem Gefangenen strenge der Wächter sich nahtUnd sie reicht mir den Becher, daß ich mit Tränen ihn fülle,Legt einen Stein mir aufs Herz, daß ich ihn weiche zu Brot,Und als der Becher erfüllt, stößt sie ihn um, und die LampeLöscht sie und traurig [ja wohl fällt] wie ein Schleier mir auf dem glühenden HerzenTauschwere Locken voll Duft, du trunkene Blüte der Lippe,Stummer Kelch rede, wer schickt dich, du glühender Odem,Saget, wo ruhet mein Haupt, so müde, so selig gewieget,Fein ist dies Kissen geschwungen, der Fels, ach unschuldigElfenbein duldet kein Gift, ruh sanft du gegeißeltes Herz!Unter der Wange, ich fühl es, und bebe, des HimmelsSchlüsselbein bist du, die Not! weint an verschlossener Tür –
Wohl dann ihr treuen Augen, mitleidige Bettler des Lichtes,Sehet und sucht einen Quell, sucht einen Strahl, einen Klang –Stumm ist es rings, und Nacht, und Durst und Liebe und Sterben!Über mir schweiget ein Himmel, heiliges Antlitz verschleiertEinsam blickt sinnend ein Stern, sein Bruder blinkt jenseitsUnd es weidet mein Blick im Paradies, dem verschloßnenAch und die Wimper auch sinkt, schlaf süß, du liebliches KindSieh nächst deiner Wiege, die Blume, die glühende RoseGlühet und blühet und schweigt, spricht das Geheimnis doch aus.
Lippe der Wahrheit du lügst nicht, du sprichst, ich werde geliebetSprichst es schweigend so spricht süßes Bewußtsein im BlickUnd lächelst so freundlich, da flöten Töne sehnsüchtig, so flehetEinsam ein Vogel im Schilf, flehet die Liebe im Traum,Liebliche Blumen blühn vor dir, sie wollen das Haupt dir bekränzenUnd es hüpfet ein Kind vor dir dein.unschuldiges Herz.Braun ist sein Röckchen, es hat versteckt in der Tasche die Händchen.Drehet den Rücken dir zu und hüpft, ach könnt ich es haschen,Eine Klein-Kinder-Anstalt würde mein liebendes Herz!
Süß Lieb, schwarzlaubige LindeMein Friede ruht bei dir,Gieb Schutz dem armen KindeHut meine Liebe mir.
Süß Lieb, du reife Gold GarbeDaß Gott sich mein erbarmIch hungre zum Tod und darbe,Und trage den Segen im Arm
Süß Lieb, viel goldene KörnerSie fallen mir brennend aufs Herz,Ich suche durch Distel und DörnerUnd sammle dir alle mit Schmerz
Süß Lieb, das Körnlein, das KleineDas Einzige, pflanz mir zum LohnAm Herzen, wenn wieder ich weine,Da wächst es zur Goldähre schon.
Süß Lieb, die Vögel sie tragenAch all deine Körner zu(m) Nest,Ich muß ja am Leben verzagen,Und halte dies Körnlein mir fest.
Süß Lieb, und hast du genicket,So war es ein Eid auch so gleichUnd hast du ins Äug mir geblicket,So war ich ein Körnlein auch reich!
Süß Lieb, schwarzlaubige LindeMein Körnlein bewahr es mir feinDer Liebe, dem WaisenkindeDer gebe den Zehnten allein.
Also sang ich, es hüpfte lustig das Kind nach dem TakteStumm war mein Leid und dein Mund lächelte all deiner WeisheitAch ich kenne dich wohl, Traum ist deine Name du Glück,Schwermut heiße ich, es schlummert ein Traum mir am Herzen,Alles ist Nacht, ist öde, ohne Hoffnung spannt das Meer sich hinaus,Und doch fasset der Arm hier, o Traum, die liebliche Garbe,Doch ruht die süßeste Hand, kühl.Höret mich, schreiet mein Herz, hört mich, die etwa ihr lebet.Süße Wunder der Tiefe, Sirenen, Sibyllen der FlutO erbarmt euch und nehmt mir von der StirneDen Traum –Und nun hebt sich die Woge, es stürmt, ich fasse die GarbeBanger ans glühende Herz, sinkt sie, so sink ich mit ihr.Sieh da tauchen zwei Schwestern, Kinder des Meeres hervor,Lieblich und heilig und töricht und ernst,Flamme (?) und Wasser und Glanz (?) und – fluthBeide so blank wie Frau Venus, wie sie der WogeEinet (?) ein Leib und der Fisch beginnt wo die Weissagung ruhtZwillinge lieblich und ernst und töricht mutwillig getrennetBlühen sie mit doppel. . .
II.
Ach und sie tröstet mich nicht, ich kenn' sie, ich laure, sie nahetWie zum Gefangnen sich schleichet der Wächter heranHier ist ein Becher so spricht sie fülle ihn ein (?) dir mit TränenHier diesen Stein nimm aufs Herz daß er dir werde zu BrotUnd ist der Becher erfüllet stößt sie ihn um und die LampeLöscht sie und senkt mir aufs Haupt heiß ihren Schleier den Traum –Tauschwere Locken voll Duft ihre trunkenen Blüten des MundesLispelt verstummender Kelch glühender Odem, o sprich –Sagt mir wo ruhet mein Haupt so müde so selig gewieget –Fein wie dies Bettchen sich schwingt wölbt sich kein Fels, UnschuldigElfenbein duldet kein Gift, Ruh sicher gegeißeltes Herz!Küsse den Schlüssel o Not!, wein vor verschloßener TürUnter der Wange dir ruhet des Himmels Schlüsselbein drückend.Drinnen pochet ein Herz, sprudelt ein glühender Quell,Drinnen sind Freude und Lust und Unschuld und jauchzende KinderWerfen die Blumen sich zu, die nie der Tod hat geküßtWohl dann ihr treuen Augen, umirrende Bettler des LichtesSucht einen Trunk meiner Not, sucht einen Strahl einen KlangStumm ist es rings und Nacht und Durst und Hunger und LiebeRingen nach kühlendem Tau schmachtend die Hände hinaus,Und an des schweigenden Himmels süß seltsam verschleiertem AntlitzSinnet ein Doppel Gestirn, Rätsel sehnsüchtiger Nacht,Weinend weidet mein Blick am Paradies dem VerschloßnenWenn der Stern sich verhüllt, grüßt (?) er ein schlummerndes Kind,Und des unschuldigen Mund stumm sagende BlumeSchweiget, doch blühet und glüht keusch das Geheimnis auf ihmLippe der Wahrheit, du lügst nicht, du sprichst: Ich werde geliebetHeiß geliebet, o Lust! – lieb ich gleich eigentlich nicht.Wohlich flötet die Lippe lieblich sehnsüchtig, so flehetEinsam ein Vogel im Schilf, wiegt ihn die Liebe im TraumBlümchen, ihr Kleinen, seid lieblich, flüstert sie, tippt mit dem FingerRote und blaue gar lieb, kommet ihr Blumen zu mirAch und das drollichte Kind dort, wie hüpft es so lustig, unschuldigDrehet den Rücken mir zu, läßt nicht sein Angesicht sehnBraun ist sein Röckchen, es hat versteckt in die Taschen die Händchen,Und ich flüstre, dies Kind bist ja du Heimliche selbst,Fange mirs, mir wills entlaufen, sieh hier im Herzen verstecktHalt ich dem Engel allein eine Klein-Kinder-Anstalt.Lieben kann ich, nicht wahr? und spielen und harren geduldigUnd auch wohl singen ein Lied, horche du heimliches Kind
Schweigend sang ich dies Lied, fort hüpfte das Kind nach dem Takte,Abgewendet sein Haupt, weh mir! vielleicht auch das Herz!Stumm wird mein Lieb, und verbirgt sich mir an dem schreienden HerzenWeh mir! ich kenne dich wohl – Traum ist dein Name, du Glück!Und die glühende Schwermut wiege weinend dich Traum in den ArmenHoffnungslos spannet die Nacht, öd wie ein Meer sich mir aus.
Und doch umfasset mein Arm, o Traum, deine lieblichste Garbe,Und die süßeste Hand, schließt mir den flehenden Mund,Aber nun schreiet die Not, hör mich, so etwa hier lebetUnter der Woge ein Herz, unter den Hügeln ein Schatz,Wunderwesen der Tiefe, Sirenen, des Meeres Sibyllen,Nahet barmherzig und nehmt mir von der Stirne den TraumUnd schon wallet die Woge, es stürmet, ich fasse die GarbeBanger ans liebende Herz, gönne kein Körnchen dem SturmUnd es hüpfen empor zwei Schwestern, Gespielen des LebensDort wo die Weissagung wohnt, eint sie und trennt sie der FischZwillinge sind sie geboren als Flamme und Woge sich küßtenHoben den doppelten Kelch beide der Liebe emporKindisch und weise und heilig, und töricht mutwillige JungfraunWiegt sie die glühende Flut, zweie vereintDoppelsirenen vereinet wieget euch beide ein Leib.Eine von beiden heget ein Herz nur, die andreSeufzet und lebt nach dem Schlag, der in dem Schwesterchen zuckt,Grüß euch das Licht, ihr Sibyllen weissagende Kinder des Herzens,Euch bei dem Gotte beschwör ich, der Brüste der Jungfrau gesogenLöset das Rätsel mir auf, nehmet mein Leben zum Sold, –Und nun zog michs, ich durfte ruhen inmitten der Kinder,Dort wo die Weissagung wohnt, sah ich mich selber im BildHörte sprechen die beiden sibyllische Worte, sie sangen dem ZweifelDer zwischen Liebe und Not, hungernd die Garbe umarmt,In Lieb? – In Lust? – im Tod? – verschmachtet? trunken? –Ob Odem von der süßen Lippe fließt?Was ists, das der gefallne Becher gießt?Hat Gift, hat Wein, hat Tränen sie getrunken?Kein Öl, die Lampe, oder keinen Funken?Ob ihr ein Gott? ein Krampf? den Mund verschließt?Ob rings nur Dorn? ob keine Rose sprießt,Ist an ein Herz das andre hier gesunken,Sag? diese Arme wollen Flügel werdenNein Falten sind es – Leichentuches FaltenUms süße Haupt strahlt Glorie – zerraufte Haare!Sink nieder, Nacht! nein! Blitz strahl zu der ErdeDeck zu, erleucht des Zweifels PeingestaltenVerhüll, enthüll das Rosenbett, die Bahre.
Also ernst sang die Rechte, die Linke aber des HerzensSüße Gespielin zugleich sang einen milderen TonIn heißer Lieb ist Witz und Geist ertrunken,Einfältige Wahrheit von den Lippen fließtSeit Linde Hand die schreinde Wunde schließtEin Kinderherz ans andre ist gesunken –Die Wunderlampe strahlt von HimmelsfunkenSeit dieses Herz von Segen überfließtEin Rosenlicht rings von den Dornen sprießt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . trunkenDaß diese Arme reine Flügel werdenWill sie die Flut verirrten rein entfaltenUnd einst zur Glorie . . . . . . . . . . . . . HaarenDann sinkt der Himmel sehnend ab zur ErdenUnd durch ihr liebend treues Gottes WaltenMacht sie zum Rosenbette diese Bahre
Entstanden 1834
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Der erste Abschnitt von Hölderlins Elegie «Brot und Wein» war unter dem Titel «Die Nacht» in Seckendorfs Musenalmanach für das Jahr 1807 erschienen. Im folgenden Höldelins Text, so wie Brentano ihn kannte:
Rings um ruhet die Stadt. Still wird die erleuchtete Gasse,Und mit Fackeln geschmückt rauschen die Wagen hinweg.Satt gehn heim, von Freuden des Tags zu ruhen, die Menschen,Und den Gewinn und Verlust wäget ein sinniges HauptWolzufrieden zu Haus; leer steht von Trauben und Blumen,Und von Werken der Hand ruht der geschäftige Markt.Aber das Saitenspiel tönt fern aus Gärten; vielleicht, daßDort ein Liebendes spielt, oder ein einsamer MannFerner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und die BrunnenImmerquillend und frisch rauschen an duftendem Beet.Still in dämmriger Luft ertönen geläutete Glocken,Und der Stunden gedenk rufet ein Wächter die Zahl.Jezt auch kommet ein Wehn und regt die Gipfel des Hains auf,Sieh! und das Ebenbild unserer Erde, der MondKommet geheim nun auch, die schwärmerische, die Nacht kommt,Voll mit Sternen, und wohl wenig bekümmert um unsGlänzt die Erstaunende dort, die Fremdlingin unter den MenschenÜber Gebirganhöhen traurig und prächtig herauf. |