BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Bettine von Arnim

1785 - 1859

 

Die Töplitz-Fragmente

 

Dritte Fassung

 

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In Töpplitz

 

Es war in der Abenddämmerung im heissen Augustmonat, er saß am offnen Fenster, ich stand vor ihm, und hielt ihn umhalst den Blick scharf wie ein Pfeil ihm ins Aug gedrückt blieb drin haften. Vielleicht weil er's nicht länger ertragen mochte fragt er ob mir nicht heiß sei, und ob ich nicht wolle daß mich die Kühlung anwehe; ich nickte, so sagt er: «mach doch den Busen frei daß ihm die Abendluft zu Gut kommt.» – Da ich nichts dagegen sagte obschon ich roth ward so öffnet er meine Kleidung; und sah mich an und sagte: «das Abendroth hat sich auf deine Wangen eingebrennt.» – und küßte mich auf die Brust; und senckt die Stirne drauf. – Kein Wunder, sagt ich, meine Sonne sinckt mir ja im eigenen Busen unter. – Er sah mich lang an und waren beide still. – Er fragt: «Hat dir noch nie jemand den Busen berührt?» – Nein, sagt ich, mir selbst ists so fremd daß du mich anrührst. – Da drückte er viele viele und heftige Küsse mir auf den Hals; mir bangte er solle mich los lassen und war doch so gewaltig schön, ich mußte lächeln in der Angst daß mirs galt, diese zuckenden Lippen dies heimliche Athem suchen wie der Blitz wars erschütterte mich, meine Haare die sich natürlich locken hingen herunter. Er wollte Ruhe wieder, ich sah in seinem Gesicht wie er sich faßte, er sammelte mein zerstreutes Haar in der Hand, und war immer wieder still, als wolle er sprechen und hatte nicht Athem

Dann sagt er so leise erst: «Du bist wie das Gewitter, die Haare regnen die Lippen wetterleuchten und die Augen donnern.» – Und du wie Zeus winckst mit den Brauen und der Olymp erzittert. – «Wenn du künftig abends dich entkleidest und die Sterne leuchten dir in den Busen wie jezt, willst du da meiner Küsse gedenken?» – Ja! – «und willst denken daß ohne Zahl wie die Sterne ich tausendfach das Siegel meiner Liebe dir in den Busen drücken möcht?» – Ja! – Und dencken daß es Unvergessliches ist, unsterbliches, was ich in dir erlebe, willst du das glauben?» – Ja! – sagt ich, ich wills glauben. – Er – ja wie wars doch? – –

Er seüfzte – so tief – und lehnt den Kopf an mich, und verzeih mirs, sagte er, daß ich so ganz stark nicht bin! – und sah zu mir hinauf und drückte mir den Busen fest. – ich reichte über ihm weg nach dem Weinlaub am Fenster, ich riß eine Weinranke ab und schlug ihn auf die Hände: Wenn künftig die Reben Laub gewinnen und du stehst bei sinkender Nacht bei Sternhellem Himmel am Fenster, einsam, willst du da meiner gedenken? – fragt ich – er sagte auch: Ja!

- und willst du denken meiner Wehr gegen dich kühner Mann, und daß ich keine Macht hab dir zu widerstehen mit so feurigem Blick und mächtigen Liebesreden und Schönheit so groß die ich noch nie geahnt hab, daß sie das Antlitz durchleuchten könne, und willst dieser Schläge dich erinnern für dein unritterlich Betragen, dem unbewaffneten Knappen solche Schmach anzuthun? – er lachte laut auf, er ließ mich los und rief: «so bändigend deine Unschuld! solche Gelassenheit in solcher Leidenschaft! Süsses, süsses Weib!» – Nun muß ich sagen dir dem ichs erzehle wie er diese Worte ausrief das machte mich Taumlen vor Wonne und Wehthum, und meine Seufzer wurden Laute ich umklammerte ihn fest. – er war bewegt glaub ich wie wenn er Thränen verhalte und sagte: «Komm ich will dir den Busen wieder zudecken, er liebkoste aber wieder und fragte: «Warum meinst du daß dies Strafe verdient? – soll man nicht das Schöne umfassen, und ists nicht meine Lebensaufgabe, bin ich nicht darum der Dichter?» – ich war wieder ruhig, ich war wieder gelassen, ich war wieder Listig, ich lächelt ihn an und besann mich auf die Antwort. – «Nun was hast du für Schelmerei im Sinn?» – Umfaßt denn Gott die Welt, oder die Welt Gott? – «Ei freilich, Gott umfaßt die Welt, und ich bin der seelige Gott den es durchdringt, daß seine Welt ihn emfinde wenn er sie umfaßt.» – So ists denn nicht wie du meinst, und trägst und umfassest die Sünde der Welt die sich vergißt und dich strafen will und läugnen daß du der Gott bist der sich zu ihr herabläßt. – Ach ich war heimlich sehr bewegt bei dem Scherzen, und mußte mich zusammen nehmen daß ich meine Worte hinwarf mit klopfendem Herzen. Du der es lesen wird könntest wohl denken ich sei kokett gewesen? Nein ich war voll heiliger Scheu in diesen Scherzreden die wie Funken all aus göttlichem Leben zwischen uns Beiden aufflögen. Ich hab mir dies Gespräch wohl tausendmal wieder vorgebetet jeden Abend vor dem Einschlafen, und erlebte in Gedancken dann noch manches was mehr mir Leben war wie alles Wirkliche; – aber es war noch nicht alles. – Jezt streckte er die Arme wieder nach mir und sagte: Komm! – und zog mich aufs Knie und drückte meinen Kopf ans Herz, und spielt mit meinem Ohr und mit der Stirne lehnte er an meiner Stirn, und so lange Zeit, wo ihm die Schweißtropfen nieder rannen; ich küßte sie auf, und dann bekam ich wahrhaftigen Durst danach, der Schweiß perlte über seinem herrlichen Mund so herb geschlossen, und nezte ihm die Wimpern mit meinen Lippen. – Er seufzte tief, mich störte es nicht, alle Schweißtropfen sammelt ich, und biß ihm ganz leise in die Lippen, er drückte mich an seine Wange und meine Thränen liefen ihm übers Antlitz. – er sagte wieder: «Weib! Weib! wüßtest du wie süß du bist? dann erst könntest dus begreifen wie streng die Fesseln sind die deine Unschuld mir anlegt, daß ichs nicht vermag sie zu zerreissen.» –

O wie oft hab ich die Worte: Weib! Weib! wenn du wüßtest wie süß du bist, für mich hingesagt, laut träumend bei Tag und bei Nacht. Wie hat der Eindruck dieser Stunde mich heimlich gefesselt und lauschte allem abgewendet nur auf den innern Widerhall dieser Worte und alles störte mich, alles schien mir Eingriff in den Nymbus den die Liebe von mir ausströmte und scheute das Zusammensein mit andern, gekochte Speisen waren mir zuwider, ich mochte nur Früchte essen, der rothe Wein im Glas in den vertiefte ich den Blick wie damals in sein Auge, als lausche da der Kuß von ihm ja so wars – als lausche eine heimliche Macht voll Feuer, ja im rothen Blut der Traube da badeten sich die Sinne die wurden Geist und schwärmten mit dem Gott im Wein und nippte nur Perlenweis und sah tief ins feurige Roth, und das Tröstete mich daß ich nicht bei ihm war. Ich spielte mit einem Reh das im Nachbarsgarten frei umherlief, ich brach eine Blanke weg damit es seinen Kopf durchstecke; in der Nacht im Mondschein ging ich in den Garten, in den Winkel wo es hinkam, es rief nach mir wenn ich nicht gleich kam und ihm die jungen Knospen brachte. Da hatte ich so meine eigenthümliche Religion; ich betete zu Ihm die ich nicht getraute laut zu sprechen, und sagte innerlich zu Ihm: «Hör doch in die Ferne die Stimme vom Reh, hör doch wie es beweglich bittet um die jungen Knospen, wie die Sehnsucht danach ihm das Herz sprengen möcht; – es ist meine Stimme, die von Menschen nicht als menschlich erkannt eine Zuflucht in deinem Busen sucht, du hast mir die ersten Knospen auf die Lippen gelegt ich gebe drum auch dem Reh die Knospen zu deiner Erinnerung und zwar die schönsten, lauter Blüthenknospen. – so einfältig war ich daß ich überzeugt war er emfinde es, und denke zu dieser Stunde an mich, ja er fühle sich dadurch gezwungen mich zu küssen, und so einfältig bin ich noch, und die Emfindung die Erinnerung zerreißt mich von allen Seiten ich möcht in Thränen wie eine Wolke mich in diesen auflösen. Verschweige was ich dir hier in einsamer Nacht vertrau, ich habs noch niemals irgendeinem gesagt, und