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B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A

 

 

 

 
Johann Heinrich Voss
Luise
 


 






 



L u i s e

E r s t e   I d y l l e
D a s   F e s t   i m   W a l d e


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Draußen in dunkeler Kühle der zwo breitblättrigen Linden,
Welche, die tägliche Stub' an der Mittagsseite beschattend,
Über das mosige Dach hinsäuselten, schmauste behaglich
Im Schlafrocke der Pfarrer am steinernen Tisch auf dem Sessel,
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Den vor dem Winterkamin sein alter künstlicher Hausknecht
Heimlich geschnizt, und mit Weiß und glänzendem Grüne bemalet.
Sorglos saß nun der Greis, von Geliebten umringt, und erfreute
Mit lehrreichem Gespräche sein Herz, und mancher Erzählung.
Küchlein in frohem Gedräng' und das Perlhuhn pickten der Jungfrau
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Brot aus der Hand; weil ferne der trozige Hahn mit den Weibern
Harrte des Wurfs, und die trippelnde Taub' und der kollernde Puter.
Nachbarlich dort im Schatten des blütendoldigen Flieders
Nagte des Festmahls Knochen Packan, und murrete seitwärts
Gegen die laurende Kaz', und schnappte sich sumsende Fliegen.
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Aber Mama, sanftlächelnd der wohlbekannten Erzählung,
Zupfte geheim Luisen, die neben ihr saß, an dem Ermel,
Neigt' ihr nahe das Haupt, und begann mit leisem Geflister:

«Gehen wir noch in den Wald, mein Töchterchen? Oder gefällt dirs,
Weil die Sonne so brennt, in der Geisblattlaub' an dem Bache
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Deine Geburt zu feiren? Du blickst ja so scheu und erröthest.»

Hold erstaunt antwortete drauf das rosige Mägdlein:
«Nicht in der Laube, Mama! Das Geisblatt duftet des Abends
Viel zu streng', und zumal mit der Lilien und der Reseda
Dufte vermischt; auch schwärmen die Mücken so wild an dem Bache.
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Lieblich scheint ja die Sonn', und am waldigen Ufer ist Kühlung.»

Und zu dem Pfarrer begann die alte verständige Hausfrau:
«Väterchen, danken wir Gott? Luise begehrt den Geburtstag
Lieber im Wald', als unten am Bach in der Laube zu feiern.
Lieblich scheint ja die Sonn', und am waldigen Ufer ist Kühlung.
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Jezo mein Rath. Herr Walter, der kleine Graf und Luise
Gehn voran, und wählen den Ort, und suchen uns Brennholz.
O der Besuch auf dem Schloß! Mit Amalia wäre der Gang doch
Lustiger! Aber wir beiden Gemächlichen fahren den Richtweg
Über den See; der Verwalter, das wissen wir, leihet uns gerne
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Seinen Kahn. Doch wünscht' ich, daß unser Papa noch ein wenig
Schlummerte. Mittagsschlaf ist die angenehmste Erquickung
Alter Leut' im Sommer, zumal in der Blüte der Bohnen.»

Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
«Hört er, mein Sohn, wie sie waltet, die Herrscherin? Aber ich muß schon
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Folgsam sein; denn es gilt den Geburtstag meiner Luise.
Kinder, wir beten zu Gott, dem unendlichen! Betet mit Ehrfurcht.»

Dieses gesagt, entblößte der redliche Vater die Scheitel,
Glänzend kahl, und umringt von schneeweiß prangendem Haare,
Senkte den Blick demüthig, und sprach, mit gefalteten Händen:

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«Lieber Gott, der du alles, was lebt, mit Freud' und Erquickung
Sättigest, höre den Dank, den deine Kinder dir stammeln.
Wir sind Staub. O beschirme, wenns frommt, in dem Leben der Prüfung
Uns vor Trübsal und Noth, wie vor üppigem Stolz und Leichtsinn;
Bis wir bewährt aus dem Staube zu deiner Herrlichkeit eingehn.
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Meine Kinder, ich wünsch' euch eine gesegnete Mahlzeit.»

Also der Greis; da nahten sie all', und küßten den Mund ihm
Dankend; es küßt' ihn umarmend die rosenwangige Tochter;
Dann an die Wang' ihm geschmiegt, liebkoste sie. Aber mit Inbrunst
Herzte der Greis sein freundliches Kind, auf dem Schooße sie wiegend.
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Beid' an der Hand nun fassend die Fremdlinge, sagte die Mutter:

«Seid ihr auch satt, ihr Lieben? Nur Baurenkost war es freilich,
Und kein gräflicher Schmaus; doch hoffen wir, Freunde des Hauses
Werden die That mit dem Willen entschuldigen. Trinken wir jezt noch
Kaffe hier? Vornehme genießen ihn gleich nach der Mahlzeit.»

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Ihr antwortete drauf der edle bescheidene Walter:
«Herzlich danken wir, liebe Mama, für die schöne Bewirtung.
Machen Sie Karl nicht roth. Gut sein ist besser denn vornehm.
Säße bei solchem Mahle der Ländlichkeit selbst auch der Kaiser,
Unter dem Schatten der Bäum', in so traulicher lieber Gesellschaft,
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Und er sehnte sich ekel zur Kost der französischen Köche
Und zum Gezier der Höflinge heim; so verdient' er zu hungern!
Wenn Mama es erlaubt, so gehen wir gleich nach dem Walde;
Und wann der Kahn anlandet, dann kochen wir alle geschäftig
Unter dem hangenden Grün weißstämmiger Birken den Kaffe.
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Karl verbittet den Kaffe sich ganz; er macht ihm nur Wallung.

Aber es schalt der Vater, und rief die eifernden Worte:
«Ei mit der ungereimten Entschuldigung! War denn der Reisbrei
Angebrannt? und der Wein auf dem Reisbrei nüchtern und kahnig?
Waren nicht jung die Erbsen und frisch, und wie Zucker die Wurzeln?
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Und was fehlte dem Schinken, der Gänsebrust und dem Hering?
Was dem gebratenen Lamm, und dem kühlenden röthlichgesprengten
Kopfsalat? War der Essig nicht scharf, und balsamisch das Nußöl?
Nicht weinsauer die Kirsche Dernat, nicht süß die Morelle?
Nicht die Butter wie Kern, nicht zart die rothen Radieschen?
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Was? und das kräftige Brot, so locker und weiß! Es ist schändlich,
Wenn man Gottes Gaben aus Höflichkeit also verachtet!
Lieber Sohn, da nehm' er die Dirn' am Arm, und dann hurtig
Fort in den Wald! Komm her, mein Mütterchen, daß ich dich küsse!»

Ihm antwortete drauf die alte verständige Hausfrau:
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«Schilt nicht, lieber Papa! man sagt ja wohl so ein Wörtchen.
Schlummre nun kühl und ruhig im Kämmerlein. Jungfer Susanna
Hat mit Pfeffer und Milch die Fliegen getränkt, auch das Mäuschen
Heut in die Falle gelockt, und den Alkov fleißig gelüftet.»

Jene sprachs, und führte den lieben Gemahl in die Kammer,
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Legt' ihm die Kissen zurecht, und verschloß die dunkle Gardine;
Während die Magd des Mahles Geräth und die festlichen Gläser
Eintrug, samt dem Gedeck von schöngewebetem Drillich.

Rasch nun wandelte Hans mit dem Auftrag zu dem Verwalter,
Wegen des Kahns, den er neu zum Fischen gebaut, und zur Lustfahrt;
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Und willfährig entließ der Verwalter ihn. Aber die Jungfrau
Ging, von Karl begleitet, am Arm des bescheidenen Jünglings,
Fröhlich einher den Weg um die Wassermühl' in das Seethal.
Weiß war ihr Sommergewand mit rosenfarbenen Schleifen;
Seidener Flor umwallte verrätherisch Busen und Schultern,
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Vorn mit der knospenden Rose geschmückt;, ihr freundliches Antliz
Schirmte, gekränzt mit Tremsen, der feingeflochtene Strohut.
Unter ihm ringelte sanft in den Wind das bräunliche Haupthaar,
Glänzend im Licht, nachlässig vom rosigen Bande gefesselt.
Zart und rundlich und schlank, aus der Klappe des sämischen Handschuhs
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Blickend, kühlt' ihr die Rechte mit grünem Fächer das Antliz;
Aber die Linke ruht' in des Jünglinges Arm, und es spielten
Ihm in der Hand die warmen und niedlichen Finger des Mägdleins.
Wonne durchströmt' ihm das Herz, er athmete bang', und sprachlos
Drückt' er die kleine Hand, mit bebenden Fingern durchfaltend.

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Also wandelten beide durch Gras und blühende Kräuter,
Langsam; heisere Grillen umschwirrten sie; und wie erblödet
Sannen sie, flohn den begegnenden Blick, und redeten wenig.
Als sie nunmehr, oft seufzend, das schwülere Thal durchwandert,
Unten am Zaun, wo die Quell' aus dem Sandberg roth und morastig
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Zwischen binsigen Hügeln und Schafthalm träger hinabfloß,
Jezt an der leitenden Hand des Jünglinges hüpfte die Jungfrau
Furchtsam über die Steine, gelegt für die Schritte des Wandrers,
Trat auf den Steg, und hob das eine Füßchen mit Vorsicht
Über den hohen Zaun, enthüllt bis zur Blume des Zwickels,
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Ordnete scheu das Gewand, und schwang wie ein Reh sich hinüber.
Dann durch Haselgebüsch den ausgeregneten Pfad auf
Stiegen sie, welcher sich schräg' hinbog um den alternden Ahorn.
Dort nun begann tiefathmend das rosenwangige Mägdlein:

«Stehn wir ein wenig still? Mir klopfet das Herz! Wie erfrischend
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Über den See die Kühlung heraufweht! Und wie die Gegend
Ringsum lacht! Da hinab langstreifige, dunkel und hellgrün
Wallende Korngefilde, mit farbigen Blumen gesprenkelt!
O wie es wühlt, weitschauernd mit grünlichem Dampf durch den Rocken!
Dort das Dorf im Gebüsch, so stolz und freundlich gelagert
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Am herschlängelnden Bach, und der Thurm mit blinkendem Seiger!
Oben das weiße Schloß in Kastanien! Vorn auf der Wiese
Röthliche Küh'; und der blaue gebogene See mit der Waldung!
Dort die Schober des Heus, dort Mähende! Aber wir selbst hier,
Von Buchweizen umblüht, im Gesums' eintragender Bienen!
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Schaut doch umher, ihr Kinder, und freuet euch! Hören Sie, Bester:
Heute bringt uns Mama großmächtige spanische Erdbeern;
Wohl so süß, wie mir deucht, sind Felderdbeern und balsamisch.
Kommen Sie dort in den Busch; da stehen sie, röther wie Scharlach.»

Also Luis', ablenkend zum sonnigen Thal des Gebüsches,
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Rechts, wo die Hecke das Feld einfriedigte. Hurtig vor ihnen
Hüpfte der Knab', und verließ das grünliche Himmelspferdchen,
Das mit glänzenden Schwingen auf Farrenkraut sich gesezet.
Stehn blieb jezo Luis', und sprach mit vertraulichem Flistern,
Nah' an des Jünglinges Wange geneigt ihr blühendes Antliz:

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«Sehn Sie, er folgt dem Geruche der Erdbeern. Lieber, die Hand mir
Nicht so gedrückt! Er möchte den Herrn Hofmeister belauschen.»

Aber dem Jünglinge wallte das Herz vor banger Entzückung,
Als ihr rosiger Mund mit ätherischem Odem die Wang' ihm
Warm anhaucht'; und er wandte sich sanft, und küßte das Mägdlein.
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Leise bebt' ihr die Lipp', und wandte sich; aber ihr Antliz
Lächelte, hold verschämt, wie ein Frühlingsmorgen erröthend.
Und sie entschlüpfte dem Arm, und brach ein unscheinbares Blümchen
Seitwärts, stand in Gedanken, und schaut' es an, wie bewundernd.

Plötzlich erscholl im Gebüsche die rufende Stimme des Knaben:
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«Kommt doch, und pflückt Erdbeern! Hier stehen sie, röther wie Scharlach!
Jubeln wollen wir alle vor Lust, wenn wir unseren Vorrath
Auch in die Kumm' ausschütten! Da wird der Vater sich wundern!
Felderdbeern, die pflanzte der liebe Gott; und um vieles
Schmecken sie köstlicher noch, in Milch mit Zucker bestreuet!»

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Jene kamen und sahn die geschwollenen Beeren, die ringsum
Feuerroth und gedrängt am Sonnenstral aus den Kräutern
Schimmerten; und ihr Gedüft durchathmete würzig die Gegend.
Freudig rief und erstaunt der edle bescheidene Walter:

«Wunderbar! es erhebet sich künstlicher Gärten der Reiche,
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Welche die Frucht ihm zinsen aus jeglichem Sonnenbezirke,
Fröhnend in Zwang; und dem Armen bereitete Gott in der Wildnis,
Ohne sein Thun, Fruchtgärten voll heilsamer Blumen und Kräuter:
Arbeitslos dann sammelt das Kind, und sammelt der Greis ein.
Aber es fehlt ein Geschirr für die saftige Reife der Beeren.
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Pflücken wir dort Huflattich, mein Karl, und die Blätter im Tuche
Tragen wir locker geknüpft? Noch dienlicher, wenn ich der Hasel
Sauber die Rind' abstreift', und mit ästigem Pflocke zusammen
Heftete. Oder ersinnt mein Karl noch ein anderes Mittel?»

Zürnend gab ihm darauf der feurige Knabe die Antwort:
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«Ist das Ernst, Herr Walter: den Busch, der die Zweige herabhängt,
Von Nußtrauben beschwert, im fröhlichsten Wuchse zu schinden?
Stehn denn am Sumpf nicht Binsen genug? Wie bald ist ein kleines
Körbchen gemacht, wenn einer den Grif nur tüchtig gelernt hat?»

Ernsthaft that, ihm erwiedernd, der edle bescheidene Walter:
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«Das hat Schick und Gestalt! O wie gut, wenn zween sich berathen!
Hurtig hinab, und das Körbchen beschleuniget! Hier an der Hasel
Ruhn wir indeß friedfertig, die voll großtraubiger Nüsse
Überwölbt ihr Gezweig'; auch pflücken wir nichts von den Erdbeern,
Außer ein paar zur Erfrischung für unsere liebe Gefährtin.»

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Kaum gesagt, da enteilte zum binsigen Sumpfe der Knabe;
Während sich jene vertraut in der Hasel umschattende Wölbung
Lagerten. Stolz nun kam er herauf mit dem Körbchen gewandelt.
Alle sie pflückten darein die saftigen Beeren auf Nußlaub,
In wetteifernder Hast, und oft mit den schöneren pralend,
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Naschten dabei, und boten Geschenk; denn sie hatten die Auswahl.
Hoch nun strozte der Korb, und hing am Arme des Knaben.

Als sie nun wieder den Pfad hinwandelten, hörten sie abwärts
Durch das Thal den Gesang des siebzigjährigen Webers,
Der, zum Weben zu schwach, bei Kirchenmusik und Gelagen
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Kräftig den Brummbaß strich, wie der Organist ihn gelehret.
Selbstgelehrt auch stellt' er der gnädigen Gräfin die Schloßuhr;
Auch bereitet' er künstlich aus Spillbaum allerlei Löffel,
Kellen, wacholderne Querl', und Vogelbauer, und Schaufeln,
Zündenden Schwamm, Waschklöpfel, und hölzerne Schuhe dem Marschland.
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Doch war der Sommer ihm mild', dann sammelt' er Beeren des Feldes
Für die benachbarte Stadt, auch Schlehn und Nüss' und Hambutten,
Flieder, Kamillen und Kreß, Maililien, Pilz' und Morcheln.
Aber zum Jünglinge sprach die rosenwangige Jungfrau:

«Lieber, da sucht auch der Alte sich Erdbeern. Wollen wir hingehn?»

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Eilender gingen sie beid', und fanden ihn, tragend den bunten,
Mächtigen Henkeltopf, halbvoll der erlesenen Erdbeern.
Grüßend nahte dem Greis der edle bescheidene Walter:

«Guten Tag! So fleißig? O sezt doch, Vater, die Müz' auf!
Scheltet Ihr auch? Wir haben uns selbst Erdbeeren in eurem
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Garten gepflückt; heut gilt's den Geburtstag unsrer Luise.
Nehmt dies wenige, Vater, und trinkt derJungfer Gesundheit.»

Also sprach der Jüngling, und wandte sich. Aber der Alte
Segnete beiden nach, und es bebte die Thrän' an den Wimpern.
Jenem drückt' im Gehen die rosenwangige Jungfrau
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Schweigend die Hand; und sobald sie des dichteren Thales Umschattung
Barg, begegnete willig ihr Mund dem Kusse des Jünglings.

Als sie, das Linsenfeld und die bärtige Gerste durchwandernd,
Jezo dem Hügel am See sich näherten, welcher mit dunkeln
Tannen und hangendem Grün weißstämmiger Birken gekränzt war,
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Blickte zum buschigen Ufer Luis' hinhorchend, und sagte:

«Still! es tönte mir dumpf, wie ein Ruderschlag, von dem Ufer!»
Aber der fröhliche Karl, der voranlief, wandte sich rufend:

«Hurtig! da seh' ich den Kahn! Nun gleitet er hinter das Schilfrohr!»
Und mit geflügelten Schritten enteilten sie; kühlender Seewind
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Hauchte zurück das Gewand, das die trippelnden Füße des Mägdleins
Rauschend umwallt', und es weht' ihr geringeltes Haar von den Schultern.

Laut nun rief, und winkt' aus dem schwebenden Kahne, der Pfarrer:

«Ehrbar, Kinder, und sacht! Ihr lauft ja so rasch, wie die Hühnlein
Über den Hof, wenn die Magd an der Hausthür Futter umherstreut!
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Töchterchen, geh vorsichtig, und strauchle mir nicht an den Wurzeln!»

Athmend harrten sie nun, bis der rauschende Kahn an dem Ufer
Landete; und Willkommen erscholls, willkommen im Grünen!
Hinten hemmte der Knecht, an der Erl' im Wasser sich haltend.
Aber gestüzt von der Hand des Jünglinges traten die Eltern
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Über den wankenden Bord, auf den Sand voll Kiesel und Muscheln,
Wellig geformt von der Flut, und umhüpft mit gehügeltem Seeschaum.
Schmeichelnd küßte den Greis die blühende Tochter, und fragte:

«Väterchen kömmt ja so frühe vom Schlaf? Hat der häßliche Kater
Wieder gemaut? ein Hühnchen beim Eierlegen gekakelt?
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Oder Susanna zu laut mit dem Waffeleisen geklappert?»

Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
«Weder gemaut hat ein Kater, mein Kind, noch ein Hühnchen gekakelt,
Oder Susanna zu laut mit dem Waffeleisen geklappert.
Unser Gespräch, und die Freude, mein Töchterchen, deines Geburtstags
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Machte mein Herz unruhig. Wohlauf nun, Feuer gezündet!
Flink, und Kaffe gekochtl Die lieben Kinder sind durstig!»

Jener sprachs; da gebot die alte verständige Hausfrau:
«Hans, an den blühenden Genst das Gepäck, und Feuer gezündet;
Daß uns nicht anwehe der Rauch. Hier, denk' ich, am Vorland
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Lagern wir uns im Schatten der alten Familienbuche,
Die vorlängst uns bekennt mit schon auswachsenden Namen.
Hier ist sanft die Kühlung, und weich der Rasen wie Polster;
Und im Geräusche der Well' und des Schilfrohrs, labt uns die Aussicht
Über den See nach dem Dorf und den Krümmungen fruchtbarer Ufer.
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Sammelt nun Holz, ihr Kinder! Wer fischen will, scheue kein Wasser!»

Also die Frau; und den Hügel ereilten sie, welcher mit dunkeln
Tannen und hangendem Grün weißstämmiger Birken gekränzt war,
Fanden Kien und Reiser, und sammelten; dann zu dem Buchhain
Eilten sie, links im Thal, wo der Äst' ein unendlicher Abfall
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Unter Laub und Gesträuch rings moderte. Aber der Hausknecht
Fing die sprühenden Funken des Stals in schwammigen Zunder,
Faßt' ihn in trockenes Laub, und schwang mit Gewalt, bis dem dickern
Qualm aufleuchtendes Feuer entloderte; häufte geschickt dann
Reiser und Kien, daß die Flamme, des Harzes froh, durch den Holzstoß
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Knatterte, finsteren Rauch seitwärts aufdampfend zum Himmel.
Jezt wo der Wind in die Glut einsausete, stellt' er den Dreifuß,
Samt dem verschlossenen Kessel, gefüllt mit der Quelle des Gartens.
Wehend umleckt' ihn die Loh', und es braust' aussiedend der Kessel.
Aber das Mütterchen goß in die bräunliche Kanne den Kaffe
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Aus der papierenen Tute, gemengt mit klärendem Hirschhorn,
Strömte die Quelle darauf, und stellt' auf Kohlen die Kanne,
Hingekniet, bis steigend die farbige Blase geplazt war.
Schleunig anjezt rief jene, das Haupt um die Achsel gewendet:

«Seze die Tassen zurecht, mein Töchterchen; gleich ist der Kaffe
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Gar. Die Gesellschaft nimt mit unserem täglichen Steinzeug
Wohl im Grünen vorlieb, und ungetrichtertem Kaffe.
Vater verbot Umständ'; und dem Weibe geziemt der Gehorsam.»

Sprachs; und die Tochter enthüllt' aus dem Deckelkorbe die Tassen,
Auch die Flasche mit Rahm, und die blecherne Dose voll Zucker,
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Ordnend umher auf dem Rasen; und jezt, da sie alles durchwühlet,
Neigte das blühende Mädchen sich hold, und lächelte schalkhaft:

«Nehmen Sie mir's nicht übel, Mama hat die Löffel vergessen.»
Sprachs; da lachten sie all', auch lachte die gütige Mutter,
Welche die dampfende Kanne dahertrug. Aber der Jüngling
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Eilte zur nahen Birk', und schnitt von den hangenden Zweiglein
Schöngeglättete Stäb', und vertheilte sie rings der Gesellschaft.
Freundlich reichte Luise dem lieben Papa und dem Jüngling
Pfeifen dar, und Toback in der fleckigen Hülle des Seehunds.
Und sie lagerten sich im schattigen Gras': an des Vaters
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Rechte der Knab' und Mama, die den klaren Trank in die Tassen
Rühmend goß; und zur Linken die schöne Luis' und der Jüngling.
Zwar sie kostete selten des Kaffes; aber gefällig
Trank sie heut ein wenig und russischen Thee mit dem Kleinen.
Liebreich sprach der Vater, die rosige Wang' ihr streichelnd:

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«Kind, dir brennt ja die Wange wie Glut! Zwar ist es nicht übel
Anzusehn; doch nim mir, mein Töchterchen, wegen der Zugluft
Etwas mehr um den Hals. Man erkältet sich leicht in der Hize.»

Jenem küßte die Hand und erwiederte freundlich die Tochter:
«Zugluft heißt die Kühlung, die sanft durch Erlen des Ufers
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Athmet, und kaum ein Band mir bewegt? Wir gingen ja langsam,
Ruhten auch oft im Schatten. Ich bin nur so fröhlich, mein Vater!»

Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
«Ja, du geliebte Tochter, ich bin auch fröhlich! so fröhlich,
Als die singenden Vögel im Wald hier, oder das Eichhorn,
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Welches die luftigen Zweige durchhüpft, um die Jungen im Lager!
Achtzehn Jahr sind es heute, da schenkte mir Gott mein geliebtes,
Jezt mein einziges Kind, so verständig und fromm und gehorsam!
Wie doch die Zeiten entfliehn! Zehn kommende Jahre, wie weithin
Dehnt sich der Raum vor uns! und wie schwindet er, wenn wir zurücksehn!
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Gestern erst geschah es, so deucht es mir, als ich im Garten
Ging, und Blätter zerpflückt', und betete; bis nun mit Einmal
Fröhlich die Botschaft kam: Ein Töchterchen ist uns gebohren!
Manches beschied seitdem der Allmächtige, gutes und böses.
Auch das Böse war gut! denn Seine Gnad' ist unendlich!
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Weißt du, Frau, wie es einst nach langer Dürre geregnet,
Und ich, Luis' auf dem Arme, mit dir in der Frische des Gartens
Athmend ging; wie das Kind nach dem Regenbogen emporgrif,
Und mich küßte: Papa! da regnet es Blumen vom Himmel!
Streut die der liebe Gott, damit wir Kinder sie sammeln? -
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Ja, vollblühende Segen und himmlische streuet der Vater,
Welcher den Bogen der Huld ausspannete: Blumen und Früchte!
Daß wir mit Dank einsammeln und Fröhlichkeit! Denk' ich des Vaters,
O dann erhebt sich mein Herz, und schwillt von regerer Inbrunst
Gegen unsere Brüder, die rings die Erde bewohnen:
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Zwar verschieden an Kraft und Verstand; doch alle des Vaters
Liebe Kindlein, wie wir! von einerlei Brüsten genähret!
Und nicht lange, so geht in der Dämmerung eins nach dem andern
Müde zur Ruh, von dem Vater im kühlen Lager gesegnet,
Hört süßträumend der Winde Geräusch und des tropfenden Regens,
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Schläft, und erwachet gestärkt und verständiger. Kinder, wir freun uns
Alle vereint, wenn Gottes verklärterer Morgen uns aufweckt!
«Dann erfahren auch wir wahrhaft, daß Gott die Person nicht
Ansieht; sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht thut,
Der ist ihm angenehm!» - O Himmelswonne! wir freun uns,
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Alle, die Gutes gethan nach Kraft und redlicher Einsicht
Und die zu höherer Kraft vorleuchteten: freun uns mit Petrus,
Moses, Konfuz und Homer, dem Liebenden, und Zoroaster
Und, der für Wahrheit starb, mit Sokrates, auch mit dem edeln
Mendelssohn! Der hätte den Göttlichen nimmer gekreuzigt!»

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Ihm antwortete drauf der edle bescheidene Walter:
«Traurig nur, wenn ein Kind, das der bildenden Rede des Vaters
Kundiger schon aufmerkt, mit Verständnis oder mit Ahndung,
Sich das erwähltere dünkt, das einzige! wenn es die Brüder,
Die um Sokrates einst der Menschlichkeit Höhen erstrebet,
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Neidisch entehrt in der Gruft; und die jüngeren, welche noch lallen
Oder des Vaters Worte sich selbst ausdeuten, voll Hochmut
Schilt und martert und würgt! Man erzählte mir neulich ein Mährlein.
Einsmals kam ein Todter aus Mainz an die Pforte des Himmels,
Poltert' und rief: Macht auf! Da schaute der heilige Petrus
350
Aus der leise geöfneten Thür und fragte: Wer bist du?
Trozig erwiederte jener, den Ablaßzettel erhebend:
Ich? ein katholischer Christ, des allein heilbringenden Glaubens!
Seze dich dort auf die Bank! antwortete Petrus verschließend.
Hierauf kam ein Todter aus Zürch an die Pforte des Himmels,
355
Poltert' und rief: Macht auf! Wer bist du? fragte der Jünger.
Ich? ein kalvinischer Christ, des allein heilbringenden Glaubens!
Dort auf die Bank! rief Petrus. Da kam auch ein Todter aus Hamburg,
Poltert' und rief: Macht auf! Wer bist du? fragte der Jünger.
Ich? ein lutherischer Christ, des allein heilbringenden Glaubens!
360
Dort auf die Bank! rief Petrus. Nun saßen sie, schauten bewundernd
Sonnen und Mond' und Stern' in harmonischem Tanz, und vernahmen
Harfentön' und Gesäng', und athmeten Düfte des Himmels;
Und ihr Herz ward entzückt zum hellen Gesang: «Wir glauben

All an Einen Gott!» - Da mit Einmal sprangen die Flügel
365
Rauschend auf, daß umher von des Himmels Glanze der Aether
Leuchtete. Petrus erschien, und sprach mit freundlichem Lächeln:
Habt ihr euch nun besonnen, ihr thörichten Kinder? So kommt denn!»

Also redeten jen' im vertraulichen Wechselgespräche,
Unter dem heiteren Blau des allumfassenden Himmels;
370
Gottes lebende Wind' umwehten sie. Aber der Alte
Senkte den Blick tiefsinnig, und saß in starrer Betäubung,
Wie wenn er predigen sollte, das Herz voll Worte des Himmels;
Ernst nun bewegt' er das Haupt; ihm drang die Thrän' aus den Wimpern.
Alle schwiegen zugleich, und sahn auf ihn mit Bewundrung.

375
Jezo begann der Vater, und sprach zu der rosigen Jungfrau:
«Singe den neuen Gesang, mein Töchterchen, welchen im Frühling
Unser Freund in Eutin hier dichtete. Heimlich entschlich er
Durch das Gehölz; ihr gingt mit der freundlichen Ernestine
Rufend umher, du selbst und Amalia, bis ihr ihn fandet.»

380
Jener sprachs; da begann mit steigender Röthe die Jungfrau
Sanft den Gesang; ihn verstärkte, mit Macht einstimmend, der Vater:

Blickt auf, wie hehr das lichte Blau
Hoch über uns sich wölbet!
Wie fern den grünen Glanz der Au
385
Die Butterblume gelbet!
Um uns im Sonnenscheine wehn
Der Buchen zarte Blätter;
Aus tausend Kehlen schallt, wie schön!
Vielstimmiges Geschmetter!

390
Ringsum an Bäumen und Gebüsch
Entschwellen junge Triebe!
Hier schattets kühl! Hier athmet frisch,
Und trinkt den Geist der Liebe!
Wir beben dir, der Liebe Geist,
395
In dieser Auferstehung,
Wie wenn du einst vom Tod' erneust
Zu seliger Erhöhung!

Aus allen Völkern rauschen dann
Verklärte Millionen,
400
Die brüderlich gesellt fortan
Den neuen Stern bewohnen!
Durch Farb' und Glauben nicht getrennt,
An Sinn und Thaten höher,
Sind Ihm, den selbst kein Jubel nennt,
405
Die Brudervölker näher!

Schon hier vereint in Lieb' und Recht
Sei aller Welt Gewimmel!
Wir sind ja Eines Staubs Geschlecht,
Bedeckt von Einem Himmel!
410
Wir spielen all' im Sonnenschein,
Vergnügt gemeiner Gabe;
Wir ruhn und steigen, groß und klein,
Gestärkt aus unserm Grabe!

Aus allen Völkern schall' empor
415
Gesang zum Ungenannten:
Wie jedes sich den Dienst erkohr,
Wie seinen Gottgesandten!
Gern hört der Vater Aller so
Sich vielfach angelallet,
420
Wie hier im jungen Laube froh
Der Waldgesang erschallet!

Also sangen sie beid'; und der Wald war Tempel der Gottheit;
Edeler fühlten sich all' und menschlicher. Aber die Jungfrau
Elite, vom Siz aufstehend, und mühte sich hustend am Feuer,
425
Daß sie des Vaters Pfeif' anzündete, welche dem Greise
Schon in der heftigen Red' erloschen war; reichte sie jezt ihm
Brennend, und spuckte viel, und macht' ein krauses Gesichtchen.
Lächelnd dankte Papa, und küßte das rosige Mägdlein;
Und sie lagerte sich. Da begann die verständige Hausfrau:

430
«Kinder, der Kaffe wird kalt; ihr prediget immer und ewig!
Habt ihr auch Rahm und Zucker genug? Rührt um mit den Löffeln!»

Als sie nunmehr im Grünen mit Kaffe und Thee sich gelabet,
Schenkte Mama auch dem Knechte, der pfeifend ging an dem Ufer.
Anfangs sträubt' er sich, etwas beschämt, und nahm es doch endlich.

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Jezo wandelten sie, von längeren Schatten begleitet,
Auf den duftenden Hügel: wo schlankere Birken zum Himmel
Säuselten, Tannensaat sich erhob mit gelblichem Jahrwuchs,
Und Wacholdergesträuch um die Hünengräber der Vorwelt
Wuchernd kroch, und stechender Hulst mit glänzenden Blättern.
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Einzeln rauschten umher auch Mastbäum' unter den Wolken,
Ostwärts alle gebeugt von des siebenundvierzigsten Jahres
Winterorkan. Sie umschauten die weithin lachende Landschaft,
Plauderten viel, und sangen empfundene Lieder von Stolberg,
Bürger und Hagedorn, von Claudius, Gleim und Jacobi;
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Sangen: «O wunderschön ist Gottes Erde!» mit Hölty,
Welcher den Tod anlacht', und beklagten dich, redlicher Jüngling!
Unter den wandelnden sprach die alte verständige Hausfrau:

«Kinderchen, merkt, wie die Sonne hinabsinkt, fast zu den Wipfeln
Jenes Walds, und vom Dorfe die Betglock' über den See summt!
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Thau weissagt das Gewölk, das duftige, welcher den Kräutern
Wachsthum bringt, doch leicht den gelagerten Menschen Erkältung!
Unser Papa ist alt, und das Jüngferchen kleidet sich immer
Luftig und kühl; das Ei will klüger ja sein, wie die Henne!
Kommt denn, und schmaust, ihr Lieben; die Feldluft reizet den Hunger.»



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Sprachs und führt' in das Thal; nicht ungern folgten die andern.
Als sie den blumigen Rasen des weitumschattenden Buchbaums
Jezo erreicht, da eilten Mama und die freundliche Tochter
Schnell zu dem Kahn am Ufer und brachten im zierlichen Tischkorb
Feines Gedeck, Eßlöffel und englische Messer und Gabeln;
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Brachten das Zuckergeschirr von violigem Glase, mit Silber
Zierlich gefaßt, wie ein Korb, ein Geschenk der gnädigen Gräfin;
Brachten die reinlichen Teller von Steingut, spanische Erdbeern
Auf eiförmiger Schüssel, und fette Milch in gestülpter
Porzellanener Kumme, geformt wie ein purpurner Kohlkopf,
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Welche mit wärmendem Punsch und Bischof füllte der Vater,
Wann ein Freund ihn besucht' in den sausenden Tagen des Winters;
Brachten mit Eppich umlegt die Bachkrebs', ähnlich den Hummern,
Auch zween kalte gebratne Kapaun', umhüllt vor den Fliegen;
Brachten dann hochgehäuft vielrautige bräunliche Waffeln,
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Auch die duftende Frucht der grüngestreiften Melone,
Gelbe gezeichnete Butter in bläulicher Dos', auf dem Deckel
Lag ein käuendes Rind zum Handgrif; lieblichen Schafkäs'
Und holländischen Käs', und einen gewaltigen Rettig
Für Papa; auch Kirschen und roth' und weiße Johannsbeern.
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Aber die Jungfrau neigte sich hold, und sprach zur Gesellschaft:

«Frisch heran, ihr Kinder, und lagert euch unter dem Baume,
Froh, wie der Schnitter im Feld' und die Binderin! Seid auch so gütig,
Unser ländliches Mahl zu entschuldigen. Schilt nicht, du alter
Lieber Papa! denn heut am Geburtstag' hab' ich Erlaubnis,
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Recht unartig zu sein; und du trinkst doch meine Gesundheit!
Mutter, du böse Mutter, du hast den Wein ja vergessen!»

Ihr antwortete drauf die alte verständige Hausfrau:
«Mädchen, du bist mutwillig! Ein Glück, daß der Dirne Geburtstag
Einmal im Jahre nur kömmt; sonst wüchsen die Bäum' in den Himmel!
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Siehe, der ehrliche Hans hat Milch und Wein uns bedachtsam
Abgekühlt im Schilfe des Sees; da bringt er den Korb schon.»

Also Mama; und es nahte der redliche Hans mit dem Weinkorb,
Ehrbar, zuckte den Hut, und redete zu der Gesellschaft:

«Heute fürwahr ein prächtigerTag! Gott segne dieMahlzeit!»
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Eilig den Korb ausleerend, erwiederte jenem der Pfarrer:

«Hans, du bringst ja die Meng' Herzstärkungen! Schaue dein Antheil,
Blank wie Gold an der Sonne! Doch trink auch der Tochter Gesundheit!»

Aber der Kleine sprang zu dem Maibusch, wo er die Erdbeern
Heimlich versteckt, und stellte den duftenden Korb auf den Teppich,
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Von dem bedeckenden Laub' ihn entledigend. Vater und Mutter
Freuten und wunderten sich, und lächelten seiner Erzählung,
Lobten den Korb, und priesen die saftige Röthe der Erdbeern.
Also schmauseten jen', in behaglicher Ruhe vereinigt,
Auf dem blumigen Rasen des weitumschattenden Buchbaums.
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Tiefer sank nun die Sonn', und ergoß vielfarbige Schimmer
Durch das hangende Laub, oft nöthigend, weiter zu rücken.
Kaum noch wankte das Rohr, und der See ward glatt wie ein Spiegel.
Rastlos tönte der Heimen Geschwirr, und Vögelein sangen;
Fernher rief der Kibiz, der Kukuk nahe; vom Kornfeld
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Lockte die streifende Wachtel, die Ringeltaub' in dem Ulmbaum
Gurrt', und es krächzte der Rak mit himmelblauem Gefieder.

Feierlich öfnete jezt mit dem Pfropfenzieher der Vater
Eine Flasch', und vertheilte zum Nachtisch goldenen Steinwein,
Den ihm die gnädige Grähn zur Stärkung seiner Gesundheit
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Sendete, als sie im Lenz heimkehrt' in ihr grünendes Landgut
Aus der Stadt; doch lang unentsiegelt stand er im Keller,
Aufgespart für der lieben und einzigen Tochter Geburtstag.
Hiermit füllte die Gläser der Greis, und sprach zur Gesellschaft:

«Angeklingt! denn es gilt die Gesundheit unsrer Luise!»
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Sprachs; und es klangen die Gläser mit hellem Gekling' an einander.
Nur des Jünglinges Glas verstimmte den Klang mit taubem
Puf; da schüttelte zürnend der Vater das Haupt und bedräut' ihn:

«Tausendmal hab' ich ihn, Sohn, an die Erzuntugend erinnert!
Klappt nicht immer sein Glas wie ein spaltiger Topf, und des neuern
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Dichterschwarms ungeschlifner Hexameter, welcher daherplumpt
Ohne Takt und Musik, zum Ärgerniß? Kann er nicht anders,
Oder gefällt es ihm nicht? Ein jegliches Ding hat doch Regeln!
Kein Vernünftiger faßt an den oberen Kelch, wenn er anklingt;
Nein, an den Fuß! Dann klingts, wie Harmonikaklang in den Glückwunsch!»

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Lächelnd erwiederte drauf der edle bescheidene Walter:
«Nicht so gezürnt, mein Vater! Das rosenwangige Mägdlein
Blickte mit schelmischem Auge mich an; da vergaß ich die Regel.»

Sprachs; da droht' ihm Luise mit aufgehobenem Finger,
Feuerroth; und sie lachten des hold erröthenden Mägdleins.
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Aber sie that nachlässig, und schnellt' auf den Knaben den Kirschkern.

Hans indeß, dem die Mutter ein kleineres Tuch an den Maibusch
Hingedeckt, und es reichlich mit Trank und Speise belastet,
Schenkte sein Glas voll Weines, und trat vergnügt zur Gesellschaft,
Langsam, nicht in das Gras den edelen Trank zu verschütten.
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Als er genaht, da neigt' er das Haupt und redete also:

«Nun mit Verlaub! ich trinke des Jüngferchens werthe Gesundheit!»
Rückwärts gebeugt dann trank er, und lächelte.
Als er den lezten Tropfen geschlürft, da schwenkt' er sein Glas und redete wieder:

«Segne der liebe Gott das Jüngferchen! Hab ich so manchmal
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Doch als lallendes Kind auf meinem Arm sie geschaukelt,
Daß sie im Spiegel ihr Bild anlächelte! Schmuck war sie immer,
Und wie ein Engel so fromm! Ihr Bräutigam preise sich glücklich!»

Schalkhaft sagte darauf die rosenwangige Jungfrau:
«Hänselchen, willst du mich frein? Ich hab' in der Kiste so manchen
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Blanken Thaler gespart: mein Patengeschenk, und mein Weihnacht!
Auch versteh' ich die Nadel zur Noth, und die Knütte versteh' ich,
Brot zu backen, zu braun, und ein Leibgericht zu bereiten!»

Aber es redete drein die alte verständige Hausfrau:
«Traue du nicht der Spötterin, Hans! Zwar stattlich von Gliedern
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Ist sie dir, aber zu faul, und die seidenen Händchen zu vornehm.
Geh nur, und rüste den Kahn zu der Abfahrt. Denn wo mir recht ist,
Feuchtet der Rasen bereits. Wohl sagt' ich es! Laßt uns denn aufstehn;
Oder wir haben zum Lohn vom Geburtstag' Husten und Schnupfen.
Schmaust die Kirschen im Kahn, ihr Kinderchen, und die Johannsbeern.»

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Also sprach sie, und trieb; und sie folgeten alle gehorsam,
Trugen des Mahles Geräth in den räumigen Kahn des Verwalters,
Traten dann selber hinein, und der Knecht stieß ab von dem Ufer.
Fernher glimmten wie Gold die Fenster der Kirch' und des Schlosses,
Welche die Sonn' absinkend beleuchtete; rings an den Ufern
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Hingen Gebüsch' und Saaten, von röthlichem Scheine beduftet,
Umgekehrt in der Flut, und zitterten über zerstreutem
Glanzgewölk, und die Heerd'. und die singende Magd bei der Milchkuh.
Langsam ruderte Hans am Gestad' hin; jezt um ein Röhricht,
Und braunkolbiges Ried; Seelilien jezo durchgleitend,
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Gelb von Blumen und weiß, breitblätterig; jezo den Vorgrund,
Wo hell Muschel und Kies aufschimmerten. Häufig ermahnt' er,
Wann Luis' im wankenden Kahn an den Jüngling sich anschloß.
Aber es freute sich Karl der schreienden Wasservögel
Über dem Holm, und des Hechts, der beglänzt vom Abend emporsprang;
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Auch wie des Ruders gebrochenes Bild in der sanften Umwallung
Schlängelte; laut dann ruft' er dem Wiederhall' in des Hügels
Ödem Gemäur, liebkost' ihm und schalt, und lachte der Antwort.
Heiter und still war allen das Herz, wie die spiegelnde Welle;
Während der Vater vergnügt sein ruhiges Abendpfeifchen
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Raucht' und ein Wort einsprach, von Gelehrsamkeit und von der Zeitung.
Oft noch zuckte Luis', an den Jüngling gelehnt, und drückt' ihm
Ängstlich die Hand. Da begann die alte verständige Hausfrau:

«Wie das närrische Mädchen sich anstellt! Ist denn der Kahn nicht
Groß und breit? Sei ruhig, mein Töchterchen, oder ich wiege.
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Sonst so keck und verwegen, wenns gilt, in die Bäume zu klettern,
Über die Graben zu springen, und hoch in der Luft sich zu schaukeln,
Oder auch gleiten zu gehn mit Amalia, welche dir gleich ist,
Auf dem gefrorenen Bach und der Gleitbahn, recht wie die Kinder!
Schlag' ein Tuch um den Hals, dies seidene, das ich dir mitnahm.
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Kühl ists doch auf dem Wasser, und Vorsicht reuete niemand.»

Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:
«Sei nicht bange, mein Kind, und verhülle dich. Besser ist besser,
Wenn auch das junge Blut noch freudiger hüpft in den Adern.
Gott sei Dank für den herlichen Tag und den herlichen Abend,
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Der uns morgende Heitre verkündiget! Eben so heiter
Meld' uns den ewigen Morgen der Abend unseres Lebens!»

Matt schon glüht' im Westen die Glut; ein Stern nach dem andern
Trat aus dem Glanz, mit Silber die dunkele Bläue durchfunkelnd.
Als der rauschende Kahn an der krüppligen Eiche des Ufers
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Landete. Lieblicher Duft umhauchte sie; aber sie eilten
Durch die geschorene Wies' und wellige Schwade des Heues;
Und es erhob Luis' den Saum des weißen Gewandes,
Zeigend den Unterrock und schimmernde Strümpf' in der Dämmrung.
So im Geröchel des Sumpfs und dem einsamen Surren des Käfers,
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Längs dem grenzenden Walle, mit Dorn umwachsen und Haseln,
Gingen sie, wo noch zirpte die Grill', und im Kraute der bläulich
Flimmernde Glühwurm lag. Nun stiegen sie über das Gatter,
Kamen ins Dorf, und grüßten die stille Schaar vor den Häusern,
Und des Verwalters Knecht, der die klingende Sens' auf dem Amboß
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Hämmernd schärft', um morgen die grasige Wiese zu mähen.
Abendlich pickte die Uhr, und schnob die Eul' in dem Kirchturm;
Und sie empfing an der Pforte der Hund mit freundlichem Wedeln.
 
 
 
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