<<< Einführung



B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A

 

 

 

 
Johann Heinrich Voss
1751 - 1826
 


 






 



O d e n ,
E l e g i e n ,
L i e d e r ,
E p i g r a m m e
1 7 6 9 - 1 7 8 1


________________________________


 
Das Mangeljahr
An Brückner
(1770)


Der du mit Assafs Tempelharf', o Sänger,
Die Herzen machtvoll sänftigst und erregst,
Gebeugte hebest, und den stolzen Dränger
      Durch Strafgesänge schlägst;

5
Des Sturms Verödung schaust du, welcher Schlossen
Und hohen Schnee gewirbelt auf das Land
Des jungen Frühlings, ausgetilgt die Sprossen,
      Und allen Keim verbrannt.

Und unser Volk, das mühsam ringt und strebet
10
Aus herben Nachwehn herber Kriegesnot,
Erliegt dem Mangel rettungslos, und bebet
      Vor grausem Hungertod.

O tröste du mit Balsam des Gesanges
Den armen Vater, und der Wittwe Leid,
15
Wenn ach! um Brot mit bleichem Mund' ein banges
      Gewühl von Kindern schreit.

Doch Donnertöne schütt' auf den Verhaßten,
Der vieler Dörfer Leben eingemaurt,
Und, nimmer satt, bei goldgefüllten Kasten,
20
      auf höhern Wucher laurt.

Zerschmettere der Speicher Schloß und Riegel,
Und zwäng' hervor des Labsals Überfluß:
Wie aus zerbliztem Fels dem starren Hügel
      Entströmt der Quell' Erguß.

 


An einen Pfeifenkopf
(Der Meerschaumkopf)

(1773)
Manuskriptfassung

      Nach Horazens Ode:
      O fons Blandusiae etc.


Du, aus Meerschaum gezeugt, bräunlicher Pfeifenkopf,
Würdig angefüllt mit Knaster Virginiens,
      Dir sey dieser Band heilig,
            Der mit purpurnen Wellen spielt,
5
Und bestimmt war, die Brust göttlicher Schönheiten,
Stolz zu zieren; umsonst! denn der geliebteste
      Schmuck der Schönen soll künftig
            An dem würdigern Röhre wehn.
Du verjägest den Gram, der von dem stürmenden
10
Himmel brauset, du schwächst gütig den Kummer, von
      Meinem Lycidas ferne,
            Hier zu leben, und tröstest mich.
Enkel zählen auch dich ewigen Pfeifen zu,
Denn ich singe dein Röhr, singe den Deckel von,
15
      Feinem Silber, durch welchen
            Der balsamische Rauch aufwallt.


An einen Pfeifenkopf
(Der Meerschaumkopf)

(1773)
Druckfassung

      O fons Blandusiae!
      Hor.


Du, aus Meerschaum gezeugt, bräunlicher Pfeifenkopf,
Mit der Pflanze gefüllt, welche Tabago nährt;
      Dieses Band sey dir heilig,
            Das mit purpurnen Wellen spielt;

5
Und gewebt war, den Schnee einer beseelten Brust,
Sanft zu röthen! Umsonst! Denn der geliebteste
      Schmuck der Schönen soll künftig
            An dem würdigern Rohre wehn.

Du vertreibest den Gram, der aus verdüsterten
10
Lüften brauset, du hauchst pythische Sprüche der
      Brust des forschenden Sehers,
            Und die Weisheit der Götter ein.

Deine Glorie stralt fernen Jahrhunderten;
Denn ich singe dein Rohr, und das Medusenhaupt,
15
      Das aus silbernem Rachen
            Die balsamische Lohe sprüht.

 
Die Einladung.
An Selma

(1773)

Blinkt dir Hesperus oft ahnendes Mitgefühl,
Wann mein trautes Klavier, oder des Quells Geräusch,
      Und des herbstlichen Busches
            Abendlispel, mir Selma tönt;

5
Sahst du Träume voll Glanz, welche du staunende
Nicht zu deuten vermagst: birg, o ich flehe dir,
      Birg dem einsamen Jüngling,
            Was dein sehnendes Herz dir hob!

Ach zu selig, im Duft fallender Blüten dort,
10
Dir zur Seite, des Mais in des verschönenden
      Kleist Gesange, den schöner
            Selma zauberte, mich zu freun!

Wie der Harfe Getön unter beseelteren
Melodieen der Braut, schwebte des Liedes Mai
15
      Schüchtern unter der Stimme
            Seiner blühenden Leserin.

O mit jenem Gesicht, wie du ins Herz hinab
Dir, Unschuldige, schaust, trit vor den Ewigen;
      Bald ist wahr die Erscheinung,
20
            Die mein Engel im Traum dir schuf.

Am rothblühenden Baum, wo du im Abendschein,
Zur Aurikel geneigt, horchest der Nachtigall,
      Steht dir plözlich der Bruder,
            Und ein Fremdling an seiner Hand.

25
Wenn doch, Trauteste, dir rasche Vergessenheit
Deiner leichteren Tracht, wenn das empörte Herz,
      Und dein stammelnder Gruß dir
            Dann weissagete, wer es sei!

 
Ahndung
(1773)
Fassung I


Freundlicher Mond, mit Volllicht überstralst du
Mein goldhelles Klavier, und winkest traulich,
Daß dir Glucks: Willkommen! ertön' in sanftem
      Saitengelispel.

5
Aber mir sagt mein Herz voll süßer Wehmut,,
Daß mit Thränen der Sehnsucht meine Selma
Jezt dich anblickt. Freundlicher Mond, ich kann dich
      Jezt nicht begrüßen!


Ahndung
(1773)
Fassung II


Freundlicher Mond, du gießest milden Schimmer
Auf mein goldnes Klavier, und winkest lächelnd,
Mit des seelenschmelzenden Gluck: Willkommen!
      Dich zu begrüßen.

5
Aber mir sagt der tiefe bange Seufzer,
Daß mit Thränen der Sehnsucht meine Selma
Jezt dich anblickt: Freundlicher Mond, ich kann dich
      Jezt nicht begrüßen!

 
Der Maiabend
(1775)
vertont von
Fanny Mendelssohn-Hensel (1805-1847),
op. 9 no. 5 (1827?)


Umweht von Maiduft, unter des Blütenbaums
Helldunkel sahn wir Abendgewölk verglühn,
      des vollen Monds Aufgang erwartend,
            und Filomelengesäng' im Thalbusch.

5
Lau war die Dämmrung, traulicher scherzten wir,
mit nachgeahmter Fröhlichkeit. Bald verstummt
      in holdem Tiefsinn, saß das Mägdlein,
            Stammelte: Wollen wir gehn? und ging nicht.

Die Hand in meiner zitterte. Bleib, o bleib!
10
Kaum athmend lallt' ichs. Wonne! da fügten wir,
      Nach manchem Freundschaftskuß, den Brautkuß,
            Nicht Filomela noch Mond bemerkend.

 
Lied eines Bleydeckers
der vom Thurm fält

(1775)

Erste Pause, als er noch oben war


Juchhey! Juchhey! da steh ich, Leute!
      Euch allen überm Kopf,
Vom Magistrat beordert, heute
      Zu festen diesen Knopf.

5
Die Dolen und die Krähen kucken
      Mir ehrerbietig zu,
Und hämische Gespenster spucken
      Um mich, und rufen Buhhh.

Ruft nur, Ihr sollt mich doch nicht stören;
10
      Ich fest' hier im Beruf.
Still da! ich will euch Mores lehren,
      Ihr mit dem Pferdehuf!

Juchhey, ich leere diese Flasche
      Aufs Wohl der ganzen Stadt!
15
Glück, hoch wie dieser Thurm, erhasche
      Sie und den Magistrat!

Juchhey, wie ists mirs so behaglich!
      Mir schwindelts recht im Kopf;
Doch in der That ists etwas waglich,
20
      Zu stehn auf diesem Knopf.

Zweyte Pause, als er fiel

Potztausend! Potztausend! mich dünkt gar, ich falle!
Es saußt mir in'n Ohren, wahrhaftig ich falle!
Ich armer Bleydecker! was that ich dir Sturm?
Du wirfst ja den armen Bleydecker vom Thurm!
25
O weh mir! O weh mir! wie bin ich erschrocken!
Was seh ich! Was seh ich! dort hängen die Klocken!
- Noch tiefer! - nun komme der Kobolt und helf -
Noch tiefer! - der Zeiger weißt eben halb Zwölf!
Nun Ziegel! Nun Fenster! Ich bin zu beklagen!
30
Was werden die Leut' auf dem Kirchhofe sagen!
Macht Platz! der Bleydecker der kommet mit Graus,
Und geht gesund und wohl zu Haus! -

 
[Lied von der Freyheit]
aus der Idylle
«Der Ährenkranz/Die Freigelassenen»
(1776)


Wir bringen mit Gesang und Tanz
Dir diesen blanken Ährenkranz,
      Wir Bräutigam und Braut!
Die Fiedel und Hoboe schallt!
5
Die Klocken gehn! Und Jung und Alt
      Springt hoch, und jauchzet laut!

Die Freyheit schenkt uns solchen Mut!
Die Dirn' ist frisch wie Milch und Blut,
      Gerad' und schlank wie Rohr!
10
Ihr Schnitter pralt mit ihrem Strauß,
Und sieht so braun und bräsig aus,
      Den Hut auf Einem Ohr!

Der du zur Freyheit uns erhobst,
Komm her, und schau! Dort glüht das Obst,
15
      Das seinen Baum beschwert!
Dort brüllen Rinder ohne Zahl!
Dort blöcken Schafe durch das Thal!
      Dort stampft im Klee das Pferd!

Und ob's der Sens' an Korn gebrach,
20
Da frag die vollen Scheuren nach,
      Bis an den Giebel voll!
Die Flegel klappern sonder Rast,
Der Städter holet Last auf Last;
      Sie sind und bleiben voll!

25
Und, zeug' uns! hungerharkten wir?
Fand nicht genung zu lesen hier
      Der Wais' und Wittwe Hand?
Die hungerharken, die das Joch
Des Frohnes drückt, und harken doch
30
      Meist Hedrich, Tresp' und Brand!

Im blauen Tremsenkranz juchheyn,
Zu Weidenflöten und Schalmeyn,
      Die Kinder, rund und roth;
Und schenken froh dem bleichen Mann,
35
Des Sklavendorfes Unterthan,
      Ihr kleines Vesperbrod!

Wir ackern tief, und dröschen aus,
Und bessern Feld und Wies' und Haus,
      Kein Schweiß ist uns zu theur!
40
Kein harter Vogt steht hinter uns!
Ein Wink vom lieben Herrn; wir thun's!
      Und liefen durch das Feur!

Des Sonntags auf der Kegelbahn
Setzt alles auf dein Wohlseyn an,
45
      Und schlürft den letzten Tropf:
Laßt leben unsern Vater hoch!
Zerbrochen ist des Frohnes Joch!
      Die Gläser übern Kopf!

Am Sommerabend singen wir,
50
Wir Bursch' und Jungfern, vor der Thür,
      Zur Fiedel und Schalmey:
Es lebe unser Vater hoch!
Er nahm von uns des Frohnes Joch!
      Juchheissa! wir sind frey!

55
Wir bringen mit Gesang und Tanz
Dir, Vater, diesen Ährenkranz,
      Wir Bräutigam und Braut!
Denk stets dabey an unsern Fleiß,
An unsre Lieb', und dessen Preis,
60
      Der segnend auf uns schaut!

Er hängt! er hängt! der blanke Kranz!
Beginnt, ihr Schnitter, Reihentanz,
      Und schreyt mit frischem Mut:
Es lebe unser Vater hoch!
65
Und seine Frau und Kinder hoch!
      Juchheissa! schwingt den Hut!

 
Frühlingslied
eines gnädigen Fräuleins

(1776)

Wie lange soll die Brunnenzeit
      Der gnädgen Tante dauren?
Man muß in dieser Einsamkeit
      Ja ganz und gar versauren!
Sie wird von Einfalt und Natur
      Mich noch zur Närrin schwatzen!
Was schiert mich Hain und Quell und Flur,
      Und andre solche Fratzen!

Des Abends hört man die Musik
      Der Frösch, und Heimchen schallen,
Und das abscheuliche Gequiek
      Der dummen Nachtigallen,
Von Mücken wird man dann gepurrt,
      Und wälzet sich im Bette;
Der Haushahn kräht; der Hofhund knurrt,
      Und bellt, und zerrt die Kette!

Und liegt man kaum im ersten Schlaf,
      Da geht es an ein Tuten!
Da brüllt der Ochs! da blöckt das Schaf!
      Da wiehern Hengst und Stuten!
Dann poltert Tante vor der Thür,
      Fängt heiser an zu krähen:
Auf, Fräulein, auf! Du mußt mit mir
      Der Sonnen Aufgang sehen!

Da giebts nicht Kaffee oder Thee,
      Noch Butterbrod mit Braten;
Ganz nüchtern, und im Negligee,
      Muß man den Thau durchwaten!
Zwo Stunden wenigstens muß ich
      Durch Dorn und Diesteln rennen,
Und von der Sonnenhitze mich
      Zur Mohrin lassen brennen!

Und läutet man Klock zwölf zu Tisch,
      So giebts nur Gras und Kräuter,
Nur saure Milch, ein Stückchen Fisch,
      Ein Eychen, und so weiter.
Der Grobian vom Sudelkoch
      Weiß nichts von Leckerbißchen!
Zum Nachtisch kommt aufs höchste noch -
      Ein Teller voll Radießchen.

Kein einzig Wörtchen hört man hier
      Von Triktrak, Dam und Karten:
Zum Zeitvertreibe schlendern wir
      Ein Weilchen in den Garten.
Hätt' ich nicht noch den Amadis,
      Mich zu desennüyiren;
Ich müßte schier vor Ärgerniß
      Und langer Weil krepiren!

Oft schleppen Ihre Gnaden gar
      Mich zu der Baurkanaille,
Zu Kerls mit unfrisirtem Haar,
      Und Menschen ohne Taille.
Besonders, wenn das Lumpenpack
      An Feyertagen kegelt;
Da stinkt es von Swicenttaback!
      Da wird was rechts geflegelt!

Und in der Kirche gar zu seyn,
      Das ist nun ganz abscheulich!
Der Pfaffe predigt so gemein!
      Das Volk thut da so heilig!
Was macht man da mit Stoff und Uhr,
      Mit Schmink' und Demantringen?
Hans Hagel glaubt, man sey da nur
      Zum Beten und zum Singen!

Vermaledeytes Einerley,
      Wirst du denn ewig dauren?
O laß mich, lieber böser May,
      Zurück zu jenen Mauren!
Ach seht doch, in der blauen Fern,
      Wie schön der Rauch sich hebet!
Du liebe Stadt voll junger Herrn!
      Ach wie das Herz mir bebet!

 
[De Stadlüd]
aus der Idylle
«De Winterawend»
(1777)


Wat is't doch voer en quadlich Ding,
      In Wall un Muhr to läwen.
Drum hebb' ik mi ok vix un flink
      Wol up dat Land begäwen.
As Landmann läw' ik gans gewiß,
Vergnögter, as de Kaiser is.

In Städern is nich Rist noch Rau;
      Denn da rumort de Velten:
Et spält dar alles Blindekou,
      Un noch dato up Stelten.
Ja wat man hört, man süht, man deit,
Is Mismod un Verdreetlichkeit.

De Manns dar sünd so karg un knapp,
      Sünd ohle Pütjenkiekers;
De Sloetels gar to'm Ätelschapp
      Versluten se, de Sliekers.
Un gegen Kind, Gesind' un Fru,
Da geit et jümmer ba! un bu!

De Wiewer Ard is: lat upstahn,
      Un denn dat Geld verkladdern,
Denn gliek na Disch ut nawern gahn,
      To lumpern und to sladdern.
Se straken ehr leew Mänken blot,
Un griepen sachtjen na dem Hod.

Da wipsen se un schrapen ut;
      De gladden Junggesellen,
Un weeten bi de Dammelbrud
      Sik so verleewt to stellen:
Se smären ehr up Fransch dat Muul;
Un snappt se to, so satter'n Uhl.

De Jumfern gahn so stram un stief,
      Un süften denn un hiemen;
Se snören sik dat lütje Lief,
      Dat se voer Angst beswiemen.
Woto doch deent de Oewermod?
Denn kort un dick let ok recht god.

Voerwahr, Maz Pump mit siener Tucht,
      Schall mi nich länger drillen!
Ne! buten in der frischen Lucht,
      Da hört man nix van Grillen:
Na Arbeid makt de Slap gesund,
Man it un drinkt un jucht sik rund.

Und ward mi mal de Kop to heet,
      So kann ikt Greten klagen,
De ehren Hans to hoegen weet,
      Un is nicht so vertagen!
Denn wenn ik smacke, buckt se bi,
Un lacht so leef, und trutelt mi.

 
Der Sklave
(1777)

Das heischere Geschrey nach Freyheit . . .
macht auf alle Menschen, die ihren Kohl in
Frieden bauen, und wenig auf die Regierung
acht geben, worunter sie ihn bauen,
einen höchst widrigen Effekt.
            Wieland


Bey meinem lieben Topf voll Reiß
Verschmaus' ich, Sklav des großen Deys,
      Der Freyheit Last und Kummer.
Von Ketten lieblich eingeklirrt,
Schlaf, ich, bis früh die Peitsche schwirrt,
      Der Arbeit süssen Schlummer.

Zwar schnaubt mein Dey: Du Christenhund!
Und geisselt mir den Rücken wund,
      Und sieht aus wie der Teufel:
Doch jeder hat so seinen Tick,
Und ich verwette mein Genick,
      Gut meynt ers ohne Zweifel.

Wenn ihr nur seinen Tick nicht reizt,
Und ihm so vor der Nase kreuzt,
      Malthesische Verschwörer!
Der Christen Freyheit rächet ihr?
Bey Machmuds Bart! das fühlen wir!
      Ihr seyd nur Friedensstörer!

Quecksilber hat der Narr im Kopf,
Der nicht mit Lust bey deinem Topf,
      Korsarenvater, bleibet!
Du bist ja Herr, und wir sind Knecht!
Das wollte Gott und Völkerrecht!
      Ein Meuter, wer sich streubet!

Das Vaterland? Was Vaterland!
Der Topf, der Topf ist Vaterland!
      Das übrige sind Frazen!
Da sollt' ich mich dem wilden Meer
Und Sturm vertraun, und hinterher
      Um Brod die Ohren krazen!

Bey meinem lieben Topf voll Reiß
Genieß ich, Sklav des großen Deys,
      Hans Ohnesorgens Freuden!
Und wenn ich einst bey Laune bin,
So geh, ich zu dem Mufti hin,
      Und lasse mich beschneiden!

 
Schwergereimte Ode
(1777)

Statt der Vorrede
An Voß


Was stehst du, Spötter, da, und pausbackst
Schwerreimende Lehroden her?
Gieb Acht, daß man dich nicht hinausbaxt,
Für dein satyrisches Geplärr.

Nur selten liebt den losen Jokus
Apolls erhabner Tubaist,
Noch minder hält von Hokuspokus
Des ernsten Wodans Urhornist.

Verlaß den stachelvollen Jambos,
Womit du's Dichterchor bestreitst,
Und leg was bessers auf den Ambos,
Das keines Barden Galle reizt!

Denn mehr als je herrscht jezt das Faustrecht,
Mit Sense, Mistfork, Axt und Spieß,
Auf dem Parnaß; besonders braust recht
Die Knotenkeule der Genies.

Auf! weihe dich dem Dienst der Cypris,
Und preise mit galantem Ton,
Was seit der Schöpfung  d e r  und  d i e  pries,
Das Tändelspiel mit ihrem Sohn.

Und male deines Liedes Hirtin
Mit bloßer Brust und hochgeschürzt,
Und fein von Welt, wodurch Frau Wirtin
Oft ungewürzte Suppen würzt;

Schön, wie die Leserin von Tischbein:
Doch merk! ein Möpschen statt des Buchs!
Ihr Haar ein Mehltalgthurm! mit Fischbein
Umpanzert ihr Insektenwuchs!

Sing, wie ihr Hirn von Punsch und Wiz dampft,
Wie sie im Rausch des Horngetöns,
Den Taumeltanz bachantisch mit stampft:
Und dann noch endlich dieß und jens.

Von solchem Singsang, fein und sinnreich,
Druck in den Almanach was rechts!
Er macht ihn zehnmal mehr gewinnreich,
Als all dein Ächzen und Geächz.

Von Nova Zembla bis Gibraltar,
Von Jura bis nach Astrakan,
Singt man daraus an Venus Altar,
Und subskribirt nach Klopstocks Plan.

Ihn kauft Murx, Hasenfuß und Grüzkopf,
Strohjunker, Schranz' und Bürgerochs,
Sogar der Seelenkäufer Spizkopf;
Kurz, Kezer, Jud' und Orthodox.

Ihn kleidet der verlaffte Fähndrich
Für seine Dam' in Gold und Mohr,
Und packert, wie ein geiler Entrich,
Ihr deine süßen Zoten vor.

Sanft hinterm Fächer grinzt das Fräulein,
Erröthet - nicht, und schnüffelt schnipsch:
«Herr Voß traktirt uns zwar wie Säulein,
Doch wie ers thut, die Art ist hübsch.»

Der Herold der Journalenfama
Posaunt das Werklein deines Geists;
Selbst des Katheders Dalai-Lama,
Deß Koth die Purschen fressen, preists.

Hast du von diesen Leuten Kundschaft?
Am Pindus stand, lorberumgrünt,
Vordem ein Stall für Phöbus Hundschaft,
Die ihm als Hirten einst gedient.

Klang vom Gebirg der Musen Paian,
Gleich Händels oder Bachs Musik;
So ging im Stall ein Zeterschrey an
Von grimmigbellender Kritik.

Wenn unter Marsyas Anführung
Ein Faunenchor dann aufpfiff; hu!
Wie laut heult' ihm' voll tiefer Rührung,
Die Küppel ihren Beyfall zu!

Oft brannte schon der Zorn Apollo's;
Er nahm die bleygefüllte Knut',
Und schlug aufs Rabenaas für toll los:
Der ganze Hundsstall schwamm in Blut.

Doch alles schien ihm zu gelind', und
Verwandelt ward das Rabenaas.
Professormäßig stellt' ein Windhund
Sich auf die Hinterbein,' und las:

«Sehr wehrtgeschäzte Herrn! das wichtigst'
Und erste Prolegomenon
Ist nun wohl die baldmöglichstrichtigst-
e . . . hauf! . . . P r ä n u m e r a t i o n.»

Dann thut er wie Apolls Prophet dick,
Paukt auf sein Pult, und zeiget, bauz!
«Des Dichters Leitstern sey Ästhetik!»
Und bespaßvogelts und besauts.

Ein alter hagrer Mops voll Griesgram
Bleibt noch von Kopf und Pfot' ein Mops,
Bleibt noch den Werken des Genies gram;
Und wird Ausrufer Schimpfs und Lobs.

Schimpf bellt er beym Gesang des Orpheus;
Wer sein bierschenkenhaft Geleyr,
Fix, wie der Musikant im Dorf, weiß,
Dem lobheult Mops wie all der Geyr:

Die Gänsespul' in seiner Hundspfot'
Krizkrazt im Huy er sein Journal.
Daher kriegt' er den Namen, Hundsfott;
Jezt braucht man noch das Beywort, kahl.

 
Mein Barbier
(Epigramm 1777)

Mein Herr Barbier hat eigne Gaben:
Er thut so gravitätischlangsam schaben,
Daß, während er zur Linken ist,
Der Bart zur Rechten wieder sprießt.

 
[Swier]
aus der Idylle «De Geldhapers» (1778)

        Jaapt nich so sehr,
        Mien leew Kompeer,
    Un snückert um de Deerens;
        Se laten all
5
        So nett un drall
    Afsunderlich van fehrens.
Deels seen so fram un ehrbar ut,
Deels sünd so flink as ene Brud,
    Mit ögeln un mit straken
10
    De Keerls verleewt to maken.

        En Deerensding
        Hüppt um den Ring
    Un deit so leef un aarig;
        Man as se friet,
15
        Du leewe Tied!
    Wo ward se kettelhaarig!
Den eersten Morgen heet et: Fix!
Nim du de Schört, gif mi de Büx!
    Sunst jag ik ut den Plümen
20
    Di up den Hönerwiemen!

        Doot Dag un Nacht
        Ut aller Macht,
    Wat se befehlt un käkelt;
        Doch warter wat,
25
        Bald dit bald dat,
    Begnägelt un bemäkelt.
Da murrt un gnurrt dat Murmeldeert;
Se rümpt de Näs un dreit den Steert;
    Ja vaken kriegt ji Knüffel
30
    Mit ehrem spizen Tüffel.

        Drum gäwt Gehör,
        Mien leew Kompeer:
    Bliewt hübsch alleen im Neste.
        Wol oft bedrügt
35
        En rod Gesicht,
    Brun Haar un witte Böste.
Eerst sünd se aller Framheit vull;
De Brudnacht makt se splitterdull,
    Den armen Mann to brüden:
40
    Dat mag de Kukuk lieden.

 
Verschiedener Stolz
(Epigramm 1778)

Still, ohne Pracht; doch sicher, daß mans merke:
So schreiten Prinz und Dogg' einher in ihrer Stärke.
In Seid' und Schellen prunkt und bellt und flucht mit Zeter
Der Junker und sein Köter.
 
 
 
<<< Einführung