Daniel Stoppe
1697 - 1747
Briefe an Gottsched
Auswahl
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Brief an Gottsched vom 27. April 1737UB Leipzig, 0342 IV. Bl. 68
Hoch-Edelgebohrner, Hochgelehrter/Insonders HochzuEhrender Gönner!
Mein Anspruch auf Dero Gütigkeit wird hoffentlich, ohngeachtet meines drey-vierthel-jährigen Schweigens, von seinem Rechte nichts verlohren haben. Wenn ich diesen Glauben nicht hätte: so würde mich auch noch nicht unterstehen, durch dieses Schreiben Dero viele Verrichtungen zu unterbrechen. Mein gutes Vertrauen zu Ihnen ist unverbesserlich. Ich wollte wünschen, daß meine Poesie auch so beschaffen wäre; allein, so viel ich merke, werd ich mich hieran wohl zu Tode wünschen müssen; Dero fürtrefliche Gedichte haben mir vollends den letzten Stoß gegeben und wo ich im Himmel nicht besser Verse mache als auf der Welt: so wird in Ewigkeit kein halber Gottsched aus mir. Ich sehe wohl, wo der Hund begraben liegt; ich bin zu leichtsinnig. Meine Kinder sehen aus wie die Huren-Kinder, für deren Erziehung weder Vater noch Mutter die geringste Sorge getragen hat. So bald sie gebohren sind, schick ich sie fort; folglich weil sie keine Pflegung und Wartung genüssen, müssen sie manchmal verkrummen und verlahmen und sehen gegen andrer Leute Kindern aus, wie die Wechsel-Bälge oder wie die geistlichen Cantaten, die ich, wiewohl zu meiner Schande, in die Bücher-Sammlung der Gesellschaft übersende. 1)Meine Besserung, die ich in der Vorrede versprochen habe, 2) will ich nach Möglichkeit zu bewerkstellen suchen. An den hundert Fabeln, die ich schon vor dem Jahre fertig gehabt, werde ich insonderheit den billigen Fleis nicht spahren und mir Dero ehemalige Erinnerungen für die ich Ihnen allen Dank schuldig hin, zu Nutzen machen. Sie werden ohnedem binnen Jahr und Tag nicht zum Vorschein kommen. 3) Herr Gottfried 4), einer meiner hiesigen Gönner, läst sauber Kupfer dazu stechen. Ich wünschte nichts mehr als den völligen Entwurf der Gesellschaftlichen Rechtschreibung 5) vorher zu sehen. Die schuldigen 2. Fl. in den fiscum 6) werden Sie durch Ueberbringern dieses erhalten. Ueber beygelegtes Carmen bitte mir bey Gelegenheit Dero Gutachten aus welches bey mir so viel gelten wird als die Censur der versamleten Gesellschaft, die währende Messe, so viel ich weis, ohnedem nicht zusammen kommt. Uebrigens empfehle mich zu beharrlicher Wohlgewogenheit
Euer Hoch-Edelgebohren/ Meines HochzuehrendenGönners/ ergebenster Knecht/ Daniel Stoppe.
Hirschberg den 27. April 1737.
―――――――― 1) Gemeint ist Stoppes «Sonntagsarbeit, oder Geistliche Gedichte», erschienen 1737. 2) In dieser Vorrede schreibt an den Leser: «Ich bin freylich kein Neumeister [Erdmann Neumeister, 1671-1756, Kirchenliederdichter, Poetologe und Theologe]/ kein Schubart [Tobias Heinrich Schubart, Dichter geistlicher Lieder]/ kein Schmolke [Benjamin Schmolke 1672-1737, Dichter geistlicher Lieder]/ kein Neunherz [Johannes Neunherz, 1653-1737, Dichter geistlicher Lieder] und so ferner. Ich gebe mich auch dafür nicht aus. Die Sache wicderlegt sich selber. Mein Name weist es schon/ weil ich Stoppe heisse. Der geneigte Leser wird mit diesem Geständnisse zufrieden seyn/ da ich noch darzu verspreche besser zu werden. Mehr kann ich nicht thun. Lebe wohl!» 3) Stoppe bezieht sich auf seine Arbeit an «Neue Fabeln oder Moralische Gedichte, der deutschen Jugend zu einem erbaulichen Zeitvertreibe aufgesetzt», deren erster Band 1738 erschien. 4) Johann Martin Gottfried, wohlhabender Kaufmann in Hirschberg 5) Gemeint ist wohl Gottscheds Aufsatz «Kurzer Anhang. Von der Rechtschreibung überhaupt» aus dem Jahre 1731. 6) Stoppes Mitgliedsbeitrag für die «Deutsche Gesellschaft». |