BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Daniel Stoppe

1697 - 1747

 

Zweyte Sammlung von Daniel Stoppes Siles.

Teutschen Gedichten

 

1729

 

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S. 179

XXV. Brief.

 

Geliebter Freund!

 

Ach! denck' einmahl, was Schwelgrio vor Possen machet,

So daß man über seine List bey nah sich aus dem Athem lachet.

Du weist, daß er in seinem foro Blutwenig oder nichts versteht,

Und mit den unstudirten Bauern in ziemlich gleichem Range geht.

Zwar wer, wie Grosmaul, alles kan, muß auch nothwendig lügen können;

Jedoch wird Niemand diesen Satz erdichtet und erlogen nennen,

Daß jeder so viel wissen müsse, als zu dem Zwecke nöthig ist,

Den[n] sein Professions-Charactre in den besondren Umfang schlüst.

Denn der, der alles wissen wird, wird künfftig erst gebohren werden.

Doch Schwelgrio war weiter nichts, als eine faule Last der Erden,

Der, spornet er auch seine Künste wie Hannß den lahmen Schimmel an,

Kaum einem deutschen Bettel-Hunde die Abzugsrede halten kan.

Er schmaust hier schon ins vierdte Jahr; denn wer wird das Studiren heißen,

Um Huren, wie gemeines Volck sich um die warmen Semmeln schmeissen,

Die Bücher auf den Trödel schicken, beständig in dem Luder seyn,

Die Fuchtel auf den Steinen wetzen, mit vollem Halse: Hunsfott! schreyn,

Fast Tag vor Tag zu Dorffe gehn, die grösten Gläser schrauben können,

Die Woche durch ein Pfund Toback mit leichter Müh zu Asche brennen,

Und wie die Studia mehr heissen, auf die sich Schwelgrio gelegt.

Weil nun das Geld durch solche Sviten die Schwindsucht zu bekommen pflegt,

Gerieth der feine Herr in Schuld und auch zugleich in Schimpff und Schande,

Denn eine wüste Lebens-Art erscholl in seinem Vaterlande,

Und machte die bedrängten Eltern so stutzig und so sehr verzagt,

Wie wenn der Nachtgeist ehedessen ein Holtz-Weib durch das Dorff gejagt.

Sein Vater war ein Bauersmann, der alles auf den Sohn gewendet,

Nichts als das Hauß war annoch sein, die Aecker waren längst verpfändet,

Kein Ochse brummte mehr im Stalle, so Pferd als Wagen war verthan,

Denn was er im Vermögen hatte, das wendete er willig dran,

In Hoffnung, daß sein lieber Sohn davor was redliches erlernte;

Hilff Himmel! Wie erschrack der Mann, als diese Hoffnung sich entfernte,

Indem er allenthalben hörte, sein Sohn hab' alles durchgebracht,

Verschwelgt verspielt, verhurt, versoffen und ausser dem noch Schuld gemacht.

Der arme Vater wäre fast darüber aus der Haut gefahren,

He! soita, dar verfluchte Karl (und schwur bey seinen grauen Haren)

Soal nich an Qvarck nu vommer kriega, ah mag mich ack ze Friede lohn,

Ich hoa ju oa dam bisa Menscha vurhie schun viel genung gethon.

Indessen hatte Schwelgrio vor seinen Schnabel schlechtes Futter,

Drum sann er hin und wieder her, den armen Vater samt der Mutter

Noch vollends um das Haus zu schwänzen. Er sprach bei sich: Mir mangelt Geld,

Und zwar darum, weil mich der Vater vor einen Ignoranten hält,

Das beste Mittel wird hier seyn, mich durch Betrug und Schelmereyen,

So viel mir immer möglich ist, von diesem Argwohn zu befreyen.

Er borgte hier und da Postillen, und schrieb sich eine Predigt ab,

Die er vor seine eigene Arbeit den Eltern nachzulesen gab,

Wodurch er sich bei denenselben in ein ganz andres Ansehn brachte,

Indem der Vater sonderlich hierüber große Augen machte.

Zudem kam noch ein schönes Briefgen, das war gelehrt hinausgeführt,

Indem der Sohn die deutschen Wörter mit Griechschen Kleidern ausstaffiert.

Das Schreiben selbst floß dergestalt:

 

Λίεβερ Φάτερ, λίεβε Μούττερ!

Σχίκτ δὲμ λίεβεν Σῶνε φούττερ.

Γέστερν λίες ἴχ μῖχ μὶτ ἔρεν

ἀόυφ δὲρ Κάντζελ τάπφερ ἕρεν.

Δίε βάουερν ἕρτεν φλεισσιγ δράουφ,

οὔνδ σπέρτεν Νᾶς οὔνδ Ὤρεν ἄουφ,

ἰνδὲμ ἴχ ἔς σω τροῖστλιχ μάχδε,

δάσζ ἄλλες ἴν δὲρ Κίρχε λάχδε.

ἴχ βὶν εἴν ὁμιλέτσχερ Στὲρν,

δροὺμ ὅιρεν μῖχ δίε Λέουτε γέρν,

ἄλς εἴνεν ρέχδεν Ἔρεν-Μανν,

δὲρ ἄλλε Κίνστε φρέσσεν κάν.

Μεῖν! φρᾶγτ δὸχ νοὺρ δίε Βάουερ-Υούνγεν,

ὄβ μῖρ δίε πρέδιγτ νίχδ γελούνγεν.

Ἐρκενντ' δᾶσζ ἴχ κεῖν σχλίνγελ βίν,

οὔνδ σχμεῖσδ δὲν ἄλτεν Κούμμερ ἵν.

ἶρ ἅβτ ἔουχ ἅλτ βερίχδεν λάσσεν,

ἴχ στρίχε στὲτς δοῦρχ ἄλλε γάσσεν,

οὔνδ σπραίνγε ἄλς εἲν φρέχερ βὸκ

φὰσδ ἄλλεν ζίεγεν ἄουφ δὲν ρόκ,

ἴχ σχλίεφφε σέλτεν ἴν δὲμ βέττε,

δᾶσζ ἴχ δίε Μᾶγδ νῖχδ βεὶ μῖρ αἵττε,

ἴχ τισχτε αἴργερ ἄλς εἲν φῖε

φῶν ἕουτε ἆν βὶς μόργεν φρῖ,

ἴχ μίσδε μείνεν Στῖεφελ σάουφφεν,

οὔνδ σόλτ ἴχ ἄουχ δὲν Ρὸκ φερκάουφφεν.

Δὰσζ δὶς ἐρλῶγεν οὔνδ νίχδ υυᾶρ,

ἴσδ ἄους δὲρ πρέδιγτ ὀφφενβᾶρ.

Δᾶσζ ἴχ ἴν φρέμδερ Σπρᾶχε σχρείβε,

ζεὶγτ δᾶσζ ἴχ νίχδ εἲν Ὤξε βλείβε.

ἴχ βὶν κεὶν φάουλερ σχλένδριαν,

δὰ ἴχ σὸ φῖελ ἴμ Γρίεχσχεν κᾶν.

Ἔς φαῖλτ μὶρ Γέλδ οὔνδ νέουε σχοῦε,

δαροὺμ φερκάουφδ δὶ λέτζτε κοῦε,

ἴσδ κείνε δά, φερκάουφδ δὰς ἅους,

οὔνδ σχὶκτ μῖρ δὲνν δὰς Γὲλδ ἑράους,

σῶ λὰσζ ἴχ μῖχ ἲν ναίχσδεν τάγεν

μὶτ γρώσσερ Πράχτ ζοὺμ Μείστερ σχλάγεν.

Ἰνδέσσεν ἕλφτ μῖρ νῶχ εἰνμᾶλ,

ἄους δίεσεμ μείνεμ Ἔλενδς-Θᾶλ.

Ἅβτ ἶρ δᾶς Ἕμβδε ἀουσγεζῶγεν,

σὼ βλείβτ ἔουχ ἴν Γενάδεν γευυῶγεν

 

Ἔουερ στὲτς γετρέουερ Σῶν.

 

Dem armen Vater brach das Hertze,

Sein harter Sinn schmolz wie das Wachs an einer angebrannten Kerze,

Nachdem er so viel Böhmsche Dörffer in seines Sohnes Briefe fand;

Das Griechsche war ihm wie der Kuhe das neue Scheun-Thor unbekannt.

Die beygelegte Abschrifft wieß, was dieses alles heissen sollte,

Und was der Wundernswerthe Sohn von seinem Vater haben wollte.

Als der nun die Copie gelesen, so kam die Mutter auch herbey,

Und beide glaubten, daß ihr Söhngen ein grundgelehrter homo sey.

Nu! sprach der Vater, nu! ma sits: wie schiene kin de Loite lüga?

He! roth mer enner noch amohl, me Suhn söll mischt mi vommerkriega!

Mei Siele! War mern wird verachta, dam soals nu vulnd raicht garstig gihn.

O koana Kriecksche Briefe schreba, se musa au wul woas verstihn.

Und kurtz, die Sachen lieffen so, wie sichs der Schwelgrio gedachte:

Der Vater wurde so verblendt, daß er das Hauß zu Gelde machte.

Der Nachbar zahlte hundert Thaler. Als diese der Herr Sohn bekam,

So gieng es wieder an ein Schmausen, bis daß das Geld sein Ende nahm.

Und eben dieses hat ihn auch zu der Verzweifelung bewogen,

Daß er sich heimlich fortgemacht und, wie man sagt, in Krieg gezogen.

Hiedurch fällt zwar der Eltern Hoffen in einen gantz contrairen Thon;

Ich aber bleibe unverändert

Dein

reingestimmter

Violon.