Daniel Stoppe
1697 - 1747
Neue Fabeln oder Moralische Gedichte,der deutschen Jugend zu einemerbaulichen Zeitvertreibe aufgesetzt.
Theil I1. Buch
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Die XIII. Fabel.Die Fenster und der Ofen.
Zwey Fenster, die der Frost vollkommen damascirt,Geriethen einst auf die Gedanken,Als wären die gefrornen RankenEin Werk, das ihre Kunst so artig ausgeführt.Sie bildeten sich auch mehr als zu viel drauf ein,Und glaubten für gewiß, das Laubwerk an den ScheibenWürd ewig dauerhaftig seyn,Und immerfort so schön und flammend bleiben.Der Ofen, ihr geschworner Feind,Dem bey drey Tagen schon das Feuer ausgegangen,Fror selbst, und wußte nicht, was weiter anzufangen.Hört! fragten sie zum Spott. Wie gehts euch? guter Freund!Die Köchinn hat euch wohl vergessen.Ihr habt gewiß nicht viel zu fressen,Man siehts euch an; ihr seyd nicht mehr so roth,Ihr seht erbärmlich aus, viel bleicher, als der Tod;Man möchte fast vor euch erschrecken.Ein Fuder Büchenholz würd euch vortrefflich schmecken.Wir wünschen euch als gute NachbarsleuteZum wenigsten davon sechs ziemlich-große Scheite.Ja! sprachen sie. So gehts. Der Vielfraß zehrt drauflos.Er läßt sich wohl seyn, bey dem Feuer,Und fragt den Tod danach, das Holz sey noch so theuer.Der Herr vom Hause muß für einen harten StoßZum wenigsten sechs Thaler geben.Der liederliche Kerl; wie lange hat er dran?In einem Monat ist das ganze Holz verthan.Wenn nicht die Kacheln glühn, so weis er nicht zu leben.Ich glaube ganz gewiß, der Kerl bäckt arme Ritter;Das Fasten schmeckt ihm trefflich bitter,Er wird uns auf der Welt vielleicht so bald nicht mehrMit seiner Glut beschwerlich scheinen,Noch uns hinführo wie zeither,Gewaltsam nötigen, daß wir des Mittags weinen.Sie plauderten noch weiter fort.Der Ofen sagte nicht ein WortZu ihrem ärgerlichen Prahlen.Er dachte: Wartet nur! der Hausherr ist verreist,So bald er wiederkommt, will ich euch schon bezahlen,Weil euer prächtiger Staat doch in der That nichts heißt.Er hörte drauf die Köchinn kommen.Hört! rief er, habt ihrs auch vernommen?Ihr schönen Kinder! ihr! nehmt eurer Kleider wahr!Wo nicht; so steht ihr in Gefahr,Daß der Damast, den euch der Frost gegeben,Trotz allem eurem Widerstreben!Vor meines Athems Kraft nicht mehr zu bleiben weis.Der Ofen ward geheizt, die Kacheln wurden heiß;Die Scheiben fiengen an die Hitze kaum zu fühlen:So nahm das Laubwerk gute Nacht;Die Blumen flossen auf die Diehlen.Die Fenster weinten nun, so sehr sie vor gelacht.
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Wir müssen unsern Feind niemals geringe schätzen,Noch uns aus Uebermuth an seiner Noth ergötzen.Wie leicht wendet sich das Blatt,Daß er Gelegenheit den Schimpf zu rächen hat! |