BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Charlotte von Stein

1742 - 1827

 

Dido, ein Trauerspiel

in fünf Aufzügen.

 

Dritter Aufzug.

 

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Zweite Scene.

Die Vorigen. Ogon.

 

Ogon.

Ist's erlaubt, schöne Elissa? Aber ich bin wohl hier zuviel?

 

Elissa.

Sehr willkommen. Die Sonne ist am Himmel hinunter; die glänzenden Sterne gehen bei mir auf.

 

Aratus (zum Ogon, bei Seite).

Hilf mir! ich kann nicht zur Sache kommen.

 

Ogon.

Ihr seid wie die Kinder, wißt nichts anzugreifen.

 

Aratus.

Und du fällst vielleicht mit der Thür ins Haus, oder klopfst so leise an, daß man dich gar nicht versteht. Ich sah dich immer das Rechte verfehlen und meist deine Affekte falsch calculiren.

 

Elissa.

Was machen sich die Göttersöhne für Vorwürfe?

 

Ogon (zum Aratus).

Du bist auch grob wie ein Göttersohn. (Zur Elissa.) Höre mich einmal, Elissa, mit dem Vertrauen, daß du mir vormals gönntest, und willige ein 1), dich eine Weile unsrer Führung zu überlassen, und durch unsre Führung leite alsdann die Königin. Sie muß die Vermählte des Gätulischen Königs werden.

 

Elissa.

Sie muß? Hast du das Gelübde vergessen, das sie den Göttern that, als wir aus Tyrus flohn?

 

Ogon.

Gelübde thun wir uns selber, und können uns auch wieder selbst davon 2) entbinden.

 

Elissa.

Wer sich nicht treu bleibt, bleibt's auch den Göttern nicht.

 

Aratus (zum Ogon).

Du kannst mit den Frauens noch am besten zurecht kommen; ich überlasse dir hier die Ausführung und will unsre übrigen 3) Gesellen beim Albicerio wieder aufsuchen.

 

 

Ogon (der sich im Zimmer überall umsieht).

Du bist ein gleichförmiges Wesen. Jahrelang sah ich dies Zimmer nicht, und noch ist alles auf dem alten Fleck. Es ist doch wahr, die Frauen können eine langweilige Existenz ertragen.

 

Elissa.

Sag lieber eine ruhige, für die uns die Götter zum Ersatz 4) dessen, was sie den Männern vorausgaben, einen geschicktern Sinn schenkten.

 

Ogon.

Und das machst du wohl zur Tugend?

 

Elissa.

Nicht so wie du, der sich zur Tugend anmaßt, was ihm am gemüthlichsten ist.

 

Ogon.

Du betrügst dich.

 

Elissa.

Einmal betrog ich mich in dir, jetzt aber sehe ich allzugut, ohngeachtet des schönen Kammstrichs deiner Haare und deiner wohlgeformten Schuhe, dennoch die Bockshörnerchen, Hüfchen und dergleichen Attribute des Waldbewohners, und diesen ist kein Gelübde heilig.

 

Ogon.

Diese falschen Vorstellungen kommen von einem dir ungesunden Trank her, den ich dir immer verwies. Gönne dir nur von dem rechten geistigen Erdensaft, und du wirst dich bald mit dem schönen Bild, das du dir von mir machst, vertragen lernen.

 

Elissa (lachend).

Ich möchte meine Sicherheit nicht in deine Hände legen, da deine Moral von deiner Küche abhängt.

 

Ogon.

Dies gehört nicht zur Sache, die ich mit dir abhandeln wollte. Du weißt, daß ich dich einmal liebte. Es ist schwer, die Wahrheit zu sagen, ohne zu beleidigen; aber echte 5) menschliche Natur ist schlangenartig, eine alte Haut muß sich nach Jahren einmal wieder abwerfen: diese wäre nun bei mir herunter. Laß uns jetzt 6) in ein politisches Verhältniß zusammen treten! arbeite mit mir zum Besten der Königin!

 

Elissa.

Es ist vergeblich, daß du mich um deiner Nichtliebe willen zu etwas bringen willst, das ich nicht einmal um deiner Liebe willen gethan hätte. Nach der Ehre, in deinem politischen Verhältnisse zu stehen, strebe ich nicht, und ich verehre die Grundsätze der Königin. Lebe wohl!

 

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1) «ein» fügte die zweite Hand hinzu. 

2) «selbst davon» fügte die zweite Hand hinzu. 

3) Die Handschrift hat «übrige». Vgl. Scene 4, Anm. 1. 

4) Die zweite Hand änderte so das ursprüngliche «zur Entschädigung». 

5) So oder vielmehr «ächte» verbesserte Frau von Stein das ursprüngliche «die». 

6) So schrieb die zweite Hand statt «izt»