BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Charlotte von Stein

1742 - 1827

 

Dido, ein Trauerspiel

in fünf Aufzügen.

 

Zweiter Aufzug.

 

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Vierte Scene.

Königin und Albicerio kommen wieder hervor.

 

Königin.

Nur deinen Beifall habe ich noch zu meinem Vorhaben erwartet, um meinen Entschluß auszuführen.

 

Albicerio.

Laß mich noch erst die Götter darum fragen.

 

Königin.

Allmächtige da oben, seid meinem einsamen Gemüthe hold, und sendet gnädige Zeichen eurem Priester herab!

 

Albicerio.

Königin, mein Beifall ist uneigennütziger, als du glaubst, und der Götter dir günstige Zeichen mir ein trauriger Befehl.

 

Königin.

Mein dankbares Herz wird dich auch nie in der Ferne vergessen.

 

Elissa (die sich genähert hat).

Was sagt meine Königin?

 

Königin.

Liebe Elissa, mit dir Hand in Hand will ich der Welt entsagen. Willst du mir folgen?

 

Elissa.

Das ist mir ein Räthsel, aber folgen thue ich dir, und wär' es zu den Unterirdischen.

 

Albicerio.

Sie bindet Schwesterliebe, aber ach! ich bin auf ewig von ihr geschieden.

 

Königin.

Deine Trauer kränkt mich, du siehst ja, wie mir das Schicksal befiehlt.

 

Albicerio.

Gute Götter, wie leicht hättet ihr uns die Tugend machen können, hättet ihr immer unsre Empfindungen mit den höhern Befehlen in uns übereinstimmen lassen! Ich billige deinen Entschluß, aber, ach! vergib, Königin, meinem dir allzu anhänglichen Herzen.

 

Königin.

Ich verehre dich, heiliger Mann! Daß mir die Götter deine Liebe gaben, bürgt mir auch ihr Wohlwollen.

 

Albicerio.

Ich gehe zum Altar und bereite das Opfer, aber eine dunkle trübe Ahndung beklemmt mir das Herz. (Geht ab.)

 

Elissa.

Du legst also deine Krone nieder? – – Der einsame Abendstern schimmert auch schön.

 

Königin.

Wenigstens blickt er ruhig herab, und keine trübe Wolke zieht an ihm vorüber.

 

Elissa.

Meine Freundin, meine Königin! Warum willst du dich deinem Reich entziehen, das so glücklich von dir regiert wird?

 

Königin.

Eben zu seinem Glück ist es nothwendig; ich will es von einem Krieg retten, den mir Jarbas ankündigt, wenn ich ihm meine Hand versage. Diese Hand, mit der ich ein Gelübde that, sie nie einem zweiten Gemahl zu reichen – ein Herz hatte ich so nicht mehr zu geben.

 

Elissa.

Aber dein Volk wird dich nicht lassen.

 

Königin.

Albicerio wird ihnen sagen, daß ich mich eine Zeit lang den Göttern in einem unbekannten Ort widmen will. Du weißt, daß noch ein Bruder mit mir aus Tyrus floh; diesem übergebe ich das Reich. Schon habe ich ihm geschrieben.

(Ein Sklav tritt herein.)

 

Der Sklave.

Im Pallast erwarten dich deine Räthe. Man sagt, der König Jarbas sei verkleidet hier, und ein Staub, den man beim Untergang der Sonne in der Ferne gesehen, macht muthmaßen, es folge ihm ein Heer nach. (Ab.)

 

Königin.

Es wird nur seine gehabte Bedeckung sein.

 

Elissa.

O zerstörendes Geschlecht! Ohne euch wäre uns die Kriegeslust unbekannt. Warum gabst du, Natur, den Männern dieses Treiben, diese Thatensucht, um den ruhigen Gang nach einem bessern Ziel, wozu deine Ewigkeit dir genug Zeit lässet 1), widrig zu stören?

 

Königin.

Folge mir! (Beide ab.)

 

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1) ursprünglich stand hier «Ewigkeiten» und «lassen».