Christian Friedrich Daniel Schubart
1739 - 1791
Gedichte
1753-1776
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Schneiderlied (1753/56) Auf die Leiche eines Regenten (1767) Der Tod eines Armen (1767) Der Wolf und der Hund (1774) Der Hahn und der Adler (1774) An Stupor (1774) Der Wanderer und der Pegasus (1774) Der Patriot und der Weltbürger (1774) Mein Reichtum (1774) Der exemplarische Prediger (1774) Palinodie (1774) An Ihro Gnaden (1774) Märchen (1774) Der Frühlingsabend (1774/86) An den Haps (1775) An einen Kritikaster (1775) Der Leipziger Musenalmanach (1775) An die Schwaben (1775) Thraso (1775) Physiognomik der Totenschädel (1775) Froschkritik (1775) Freiheitslied eines Kolonisten (1775) Der gnädige Löwe (1775) Der Arme (1775) Schlittenlied (1776) Virtuosenglück (1776) An den Hutmacher Städele in Memmingen (1776)
Schneiderlied(1753/56)
Als einst ein Schneider wandern soll,Weint' er und schrie er sehr:«O Mutter, lebe ewig wohl,Mich siehst du nimmermehr!» | |
5 | Die Mutter weint' entsetzlich:«Das laß ich nicht geschehen,Du sollst mir nicht so plötzlichAus deiner Heimat gehen.»
«O Mutter, nein, ich muß von hier, |
10 | Ist das nicht jämmerlich!»«Mein Büble, ich weiß Rat dafür,Verstecken will ich dich.In meinem TaubenschlagVerberg ich dich, mein Kind, |
15 | Bis deine WandertagGesund verflossen sind.»
Mein guter Schneider merkt' sich diesUnd tut als ging er fort,Nahm traurig Abschied und verließ |
20 | Sich auf der Mutter Wort.Doch abends nach der GlockeStellt' er sich wieder einUnd kroch gleich einem BockeIn Taubenschlag hinein.
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25 | Hier ging er auf die WanderschaftIm Schlage auf und abUnd wartete, bis ihm zur KraftDie Mutter Nudeln gab.Am Tag war er auf Reisen, |
30 | Und ach! in finstrer NachtDa hatt' er mit den MäusenUnd Ratten manche Schlacht.
Einst hatte seine Schwester StreitNicht weit von seinem Haus, |
35 | Er hört, wie seine Schwester schreit,Und guckt zum Schlag hinaus.Mein Schneiderlein ergrimmte,Macht eine Faust und droht:«Wär ich nicht in der Fremde, |
40 | Ich schlüge dich zu Tod!»
Auf die Leiche eines Regenten(1767)
Seid ihr, Götter dieser Erde,Seid ihr menschengleich wie wir?O so zittert! – Der GefährteEurer Größe lieget hier. |
5 | Steigt von goldnen Stufen niederZu den Särgen eurer Brüder;Denkt beim Leichenpompe heutAuch an eure Sterblichkeit.
Habt ihr, wann der junge Waise |
10 | Vor euch klagte, auch gehört?Und den fetten Bauch vom SchweißeEiner Witwe nie genährt?Seid ihr willig, reiche SklavenSchwarzer Laster zu bestrafen? |
15 | Helfet ihr dem Tugendfreund,Wann er hülflos vor euch weint?
Frönt ihr selber nicht den Lüsten,Die ihr scharf an andern straft?Seid ihr Bürger, seid ihr Christen? |
20 | Seid ihr weis und tugendhaft?Sieht man nie von stolzen HöhenEuch verächtlich niedersehen?Kennt ihr eure Ritterpflicht?Oh! So kommt und zittert nicht.
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25 | Denn hier lieget ein Regente,Der Verlaßnen Gutes tatUnd die richterlichen HändeNie mit Blut gefärbet hat;Der auf Lastertaten blitzte |
30 | Und der Witwen Recht beschützte;Der dem Waisen und der NotWillig seine Hände bot.
Unparteiisch, wie der SonneWarmer, segenschwangrer Strahl, |
35 | Der den Zedern strömet WonneUnd dem Veilchen in dem Tal,Strahlt' von seines Stuhles HöhenAllgemeines WohlergehenIn der Reichen Marmorhaus, |
40 | Wie in arme Hütten aus.
Noch in halbentnervten HändenTrug er den Regentenstab,Und das Schwert an schlaffen Lenden,Das Gerechtigkeit ihm gab. |
45 | Und, wie Helden, wann sie sterben,Sprach er, ohne zu entfärben:«Gott, hier ist die schwere Last,Die du mir vertrauet hast.»
Aufgelöst in Tränen schwanken |
50 | Arme hinter seiner Bahr;Stimmen der Verlaßnen dankenIhm, der ihre Stütze war.Goldne Zierde deines Standes,Vater unsers Vaterlandes, |
55 | Unser unerkauftes Ach!Fliege deiner Seele nach.
Große, hebt die AngesichterÜber jene Sternenbahn!Dorten trefft ihr euren Richter, |
60 | Wie der ärmste Bettler, an;Ihn, vor dessen UngewitternAuch der Zedern Wipfel zittern.Drum so übt noch in der ZeitTugend und Gerechtigkeit.
Der Tod eines Armen(1767)
Da liegt der Bettler auf dem Stroh,Mit abgezehrten LendenBald wird er, wie ein Engel froh,Sein armes Leben enden. |
5 | Komm, kühle Erde, stilles Grab,Bedecke seine Glieder;Er leget seinen BettelstabMit Freuden vor euch nieder.
Nicht Ehre, Häuser, Glück und Geld |
10 | Sind seiner Wünsche Ketten.Er eilet nackend aus der Welt,Als wie er sie betreten.Er stirbe mit Freuden, als ein Christ,Wenn Reiche zittern müssen; |
15 | Sein ungeraubter Reichtum istEin – freudiges Gewissen,
Im schlechten Sarge lieget er,Sein Haupt auf harten Spänen;Kein Leichenpomp starrt um ihn her |
20 | Und weint erkaufte Tränen.Unrühmlich wird er in dem SandIn kurzer Zeit verwesen.Die Welt, die ihn schon hier verkannt,Vergißt – daß er gewesen.
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25 | Nur Gott an seinem WeltgerichtWird ihn bei Namen nennen;Und seine stumme Tugend nicht,Als wie der Mensch, verkennen.Der, den die Fetten in dem Land |
30 | Verächtlich von sich stießen,Wird einstens an der rechten HandDen Stolz beschämen müssen.
Drum, Arme, trocknet das Gesicht:Gott wird euch schon erlösen. |
35 | Dann fragt euch euer Richter nicht:Ob ihr auch reich gewesen?Seufzt nur umsonst am Bettelstab,Erbarmen zu erwecken;Bald wird euch mitleidsvoll das Grab |
40 | Mit warmen Flügeln decken.
Ist es dein ewiger Entschluß,Herr, soll ich Mangel leiden;So bin ich fromm, wie Lazarus,Und wart auf deine Freuden. |
45 | Dann trägt dein Engel mich, wie ihn,Aus kummervollen Stunden;Und durch die Himmel sing ich hin:Ich habe überwunden.
Der Wolf und der Hund(1774)
Zum Hunde, der die ganze NachtAn seiner Kette zugebrachtUnd, wann der Tag zu grauen fing,Aufs Gay mit seinem Metzger ging, |
5 | Sprach einst ein Wolf:Herr Bruder, wie so mager,So schäbicht und so hager!Du armer Hund!Da sieh mich an, wie froh und wie gesund |
10 | Ich bin! – Ich rieche nach der Luft.Mein Wolfsbalg atmet frischen Duft,Ich fresse dir mit gleicher Lust, Herr Bruder,Bald frisches Fleisch, bald Luder,Denn leck ich klaren Quell und bin |
15 | Den ganzen Tag von frohem Sinn. –Du aber, ach! versetzte Melak, ach!Herr Bruder, nur gemach;Drum bist du Wolf, ich Hund – du frei,Ich aber in der Sklaverei.
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20 | Und die Moral? – o die ist jedermann bekanntIn Deutschland und in Engelland.
Der Hahn und der Adler(1774)
Eine Fabel ohne Moral
Ein Fürst war einem Hahnen hold –Warum nicht gar!-Was? einem Hahnen?Ja, ja, er liebt' ihn mehr als seine Untertanen. –Sein Kamm war Purpur, seine Federn Gold. |
5 | Dumm war er zwar, jedoch sein KikrikiGalt an dem Hofe vor Genie.Kein Höfling durfte sich erdreusten,Dem Hahnen was zu tun. Ihn speistenPrinzessinnen mit eigner Hand |
10 | Und schmückten seinen Hals mit einem goldnen Band.Der Hofmann ehrte ihn, der oft vor Neid erstickte,Wann sich die Dame: niederbückteUnd er die Perlenschnur am Marmorarm bepickte.An einem Morgen flog der Hahn |
15 | Hinab in Garten, schlug die FlügelUnd krähete von einem RasenhügelDen goldnen Morgen an.Ein Adler flog vorbei. Der stolze Haushahn schrieIn seiner schmettrenden Trompetenmelodie: |
20 | Wohin, Herr Bruder, schon so früh? –Quälst du dich noch mit Sonnenflug?Zu deinem Glück ist's schon genugAn einem Hahnenflügelschlage. –Komm und genieße goldne Tage! – |
25 | Die Könige bewundern dich,Dich speisen Fürstinnen mit hoher Hand wie michWas willst du dich mit Donnerkeulen plagen?Kann Zeus sie dann nicht selber tragen? –Schweig, sprach mit einem ernsten Blicke |
30 | Der Sonnenflieger zu dem Hahn,Ich fliege nach der Wolkenbahn;Du aber bleibst im Staub zurücke.Ein Schwätzer, leer wie du, ist's wert,Daß ihn der goldne Höfling ehrt. |
35 | Ihr Beifall und ein Band ziemt deinem Hahnenwitze;Ich aber fliege zu dem SitzeDes Donnerers und trage Blitze,Und der Olympus sieht mich lächlend an,Selbst Vater Zeus, der donnern kann, |
40 | Gibt mir zum Lohne väterliche Blicke;Dann eil ich stolz zum Felsennest zurücke.Und Teuts erhabnes BardenchorSingt aus dem Eichenhain zu meinem Fels empor.Vor trunkner Wollust schlummr ich hin |
45 | Und fühl's – daß ich ein Adler bin.
An Stupor(1774)
Herr Stupor spricht: Bei meiner Ehre!Kein Deutscher hat Genie!Sie hätten recht, Herr Stupor, wäreDas ganze Volk so dumm wie Sie!
Der Wanderer und der Pegasus(1774)
W.Du, Flügelpferd, wo trabst du herMit unbeschlagnen Hufen?P.Ein D e u t s c h e r hat mich übers MeerZu sich ins Haus gerufen.W. |
5 | Allein in London, Rom, AthenHast du viel besser ausgesehn;Dir muß der Haber fehlen.P.Mein deutscher Herr hat selbst kein Brot;Drum muß er in der Hungersnot |
10 | Mir oft den Haber stehlen.
Der Patriot und der Weltbürger(1774)
Wie lieb ich dich, mein Vaterland,Wo ich den ersten Odem zogUnd frische Lüfte atmete;Wie lieb ich dich! wie lieb ich dich! |
5 | So sprach ein deutscher Biedermann,Und Tränen flossen vom Gesicht.(Oft weint ich in der MitternachtAuch solche Tränen; Gott, du weißt's!)
Ihn hört ein Weltmann, kalt wie Schnee, |
10 | Nahm Schnupftobak und lächelte;Was Vaterland? – Haha, ha, ha!Mir ist, weil ich weit klüger bin,Die ganze Welt mein Vaterland.Wo für mich Brot und Ehre ist, |
15 | Da ist mein Vaterland! –Der D e u t s c h e sprach biedermännisch, keck und kalt:So schlägst du mit geballter FaustDie eigne Mutter, die dich tränkte,Ins Angesicht? – Undankbarer,Hat jene Dirne dich gesäugt, |
20 | Der du die geilen Lippen küssest? –Fleuch hin zur Krippe, draus du frißt,Und nenne sie dein Vaterland! –
Mein Reichtum(1774)
Elysium ist völlig mein,Cytherens halber Lorbeerhain,Am Styx hab ich ZypressenwälderUnd in Arkadien Hain, Silberbach und Felder. |
5 | Die Berge Pindus und Parnaß,Den Helikon nicht zu vergessen,Sind mein per nefas und per fas,Oh, das Empirium hab ich schon längst besessen.Mit prächtigen Regalien |
10 | Gehört mir ganz Thessalien,Und im Olymp sind zwanzig Hufen meine,Mit Haus und Hof und Scheune.Nur leider bin ich itze reche sehr um Geld betreten,Und alles steht mir zum Verkauf; |
15 | Oh, liebes Deutschland, sei gebetenUnd leih mir tausend Taler drauf.
Der exemplarische Prediger(1774)
Pathetisch predigt Stax: Ihr Leute, stehlet nicht,Laßt jedem, was er hat, wie es die Schrift befohlen.Doch was er geistreich sagt, das tut er selber nicht;Die ganze Predigt war gestohlen.
Palinodie(1774)
Wie? Staxens Predigt wär gestohlen?Verleumdung ist's! Ich sag es frei!Er ließ, ich selber stund dabei,Für bares Geld sie aus dem Laden holen.
An Ihro Gnaden(1774)
Es kennen Ihro GnadenRedouten, Maskeraden,Die Prüden und KokettenAn ihren Toiletten. |
5 | Sie sprechen mit der BaseFranzösisch durch die Nase,Sie können Deutschland schimpfenVornehm mit Nasenrümpfen;Den Bürger stolz verachten, |
10 | Und die nach Weisheit trachten,Bestraft ihr kühner Tadel – –Mein Seel! Sie sind von Adel!
Märchen(1774)
Es starb 'nmal ein Bäuerlein,Sein Engel – hell wie Sonnenschein,Mit einem güldnen Stabe wiesDies Bäuerlein ins Paradies.
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5 | Es ging an den bestimmten OrtAuf einer Morgenröte fort;Kam an das Tor von DiamantUnd klopfte sittsam mit der Hand:
St. Peter hütete die Tür |
10 | Und schrie: «Nun, wer ist wieder hier?»«Ich bin ein armer Bauersmann,Der auf der Erde nichts getanAls seine Felder angebaut,Mit einem Weibe sich getraut, |
15 | Die mir zum Stecken und zum Stab'n Dutzend derbe Buben gab.
In meinem Leben gab ich gernDie Steuren meinem gnäd'gen Herrn;Ich glaubte, was der Pfarrer sprach, |
20 | Kam treulich seinen Lehren nach;Und zahlt ihn redlich, wie mich deucht,Für seine Predigt, Bet und Beicht.Ich starb. Er salbte mich mit Öl;Ein Engelein wies meine Seel |
25 | Zu dir ins Paradies herauf:O heil'ger Peter mach mir auf!»
Nun öffnete die Pforte sich,St. Peter sprach: «Ich lobe dich,Du guter Mann verdienst gewiß |
30 | Ein Plätzchen in dem Paradies. –Du sollt's auch haben: Aber heut,Mein Bäuerlein, fehlt mir die Zeit.Wir feiren heut ein großes Fest,Das mich an dich nicht denken läßt. |
35 | Geh dort in jene Laube hin,Gewölbt von himmlischem Schasmin,Und warte, bis ich komme, da,Beim Nektar und Ambrosia!» –
Das Bäuerlein sprach: «Habe Dank!» |
40 | Setzt' sich auf eine VeilchenbankUnd wartete, bis Peter rief:– Erhabne Stille herrschte tief.Doch plötzlich sprang das goldne Tor,Der ganze Himmel war Ein C h o r |
45 | Es schwammen süße SymphonienDurch den entzückten Himmel hin;Der Schatten eines Priesters schwebtHerauf, vom Lobesang erbebtDer Himmel: «Leuchte wie ein Stern, |
50 | Komm, du Gesegneter des Herrn!»
Mit Abraham und Isaak saßDer Selige zu Tisch und aßDas erstemal Ambrosia;Und Amen und Hallelujah! |
55 | Sang laut der Seraphimen ChorUm des entzückten Priesters Ohr.Und erst am Himmelsabend kamSt. Peter vor das Tor und nahmMit sich den armen Bauersmann |
60 | Und wies ihm auch sein Plätzchen an.
Der Bauer faßte wieder MutUnd sprach: «Herr Peter, sei so gutUnd sag mir, warum war denn heutIm Himmel solche große Freud?»
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65 | «Sahst du's dann nicht», sagt' Peter drauf,«Ein frommer Priester schwebt' herauf?Drum hat ob seiner SeligkeitDer Himmel solche große Freud!»
«So müssen», fiel der Bauer ein, |
70 | «Im Himmel lauter Feste sein,Weil's ja viel tausend Priester gibtUnd jeder seinen Herrgott liebt?»
St. Peter lachte laut dazuUnd sprach: «Du liebe Einfalt du!! |
75 | Ich, der ich bald zweitausend JahrTürhüter in dem Himmel war,Hab vor den Pfaffen gute Ruh –Doch solche Baurenkerls wie du,Die kommen oft so häufig an, |
80 | Daß ich sie nimmer zählen kann.»
Dies Märchen hat Hans Sachs erdachtUnd es in Knittelvers gebracht:Doch, ärgert dich's, mein frommer Christ,So denk, daß es ein Märchen ist!!
Der Frühlingsabend(1774/86)
Kühlender Abend, steige vom Hügel,Lieblich verguldet vom sonnigen Strahl,Taue von deinem purpurnen FlügelTropfen aufs durstige Blümlein im Tal. |
5 | Gluckt, Nachtigallen, zärtliche Lieder,Reget, ihr Weste, euer Gefieder;Schüttelt vom BaumSeidenen Flaum!Walle, o Duft! vom Blütenzweig nieder.
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10 | Hier auf der Erde blumigem SchoßeRuh ich! es ruhet mein Mädchen bei mir.Meine Geliebte: Kennst du die große,Kennst du die fühlende Freundin von dir?Lieblicher Abend, lächle der Trauten! |
15 | Lächle der Schlanken, Himmlischgebauten!Schöner war nichtFlorens Gesicht,Als sie des Morgens Tropfen betauten.
Hesperus äugelt hoch in der Ferne; |
20 | Ziehst du schon, Mond, am Sternenfeld auf?Sieh doch, Geliebte, sieh doch die Sterne!Sieh doch zur freundlichen Luna hinauf!Doch seh ich nicht im Auge der MildenTränen der Liebe schimmernd sich bilden! |
25 | Sind sie es nicht,Die dein GesichtWie eines Engels Antlitz vergülden?
Lieblicher Abend, Erweicher der Herzen,Dank dir, des Frühlings liebkosender Sohn, |
30 | Daß du geendigt zärtliche Schmerzen;Sieh doch, die Holde umarmet mich schon!Schmelzende Wonne flimmt in den Blicken –Ach, ich empfinde Himmelsentzücken.Liebe, nur du |
35 | Wiegst uns in Ruh;Kannst, wie ein Gott, allein uns beglücken.
An den Haps(1775)
Sprichst stets von deiner Redlichkeit,Treu, gut Gewissen, Frömmigkeit.Pfui, Haps, mußt das nicht tun!Laß doch die T o t e n ruhn.
An einen Kritikaster(1775)
Über Goethes Text:Schlagt den Hund tot, er ist ein Rezensent
Wer nichts als deinen Geifer kennt,Der echt Verdienst zu stürzen brennt,Ruft: der verfluchte Rezensent!Schlagt tot den Hund! schlagt tot! |
5 | Wer aber deine Ohnmacht kennt,Wer weiß, du schimpfst ums liebe Brot,Sagt: mit dem Schlingel hat's nicht Not!Laßt ihn nur leben, er ist tot!
Der Leipziger Musenalmanach(1775)
Herr Schmid in Gießen bestachDie Diener der trefflichsten Dichter.Bringt mir, o Freunde – so sprachEr zu Leuten von diesem Gelichter – |
5 | Was eure Herren insgesamtZum Gebrauch an heimliche Orte verdammt.Die Schurken ließen sich verführenUnd brachten die Menge von solchen Papieren.Daraus entstand dann nach und nach |
10 | Der Leipziger Musenalmanach.
An die Schwaben(1775)
Ihr lieben Schwaben insgesamt,Wenn noch ein Fünklein in euch flammtVon Ahnenglut, so höret mich;Dann biderb, frei und deutsch bin ich. |
5 | Unüberwindlich groß und stark,In ihrer Knochen Löwenmark,War eurer großen Väter Art;Jetzt seid ihr zärtlich, winzig, zart,Tragt statt der Waffe Degelein |
10 | Mit Bändern dran, gar hübsch und fein,Und sprecht mit eurem lieben SohnFranzosensprach im Nasenton.Ihr lauft verbuhlt um eure Weiber,Wie Maulwurf, Sperling oder Täuber. |
15 | Wer Komplimente schneiden kann,Wer schmeichlen, kriechen, heuchlen kann,Der ist bei euch ein braver Mann.Ihr haschet nur nach Rauch und DunstUnd nicht nach Wissenschaft und Kunst; |
20 | Drum gilt bei euch der Gauch und TropfMehr als der Weise und der Kopf.Der Jüngling sitzt beim Wein so kalt,Als wär er achtzig Jahre altUnd säße auf der Alpen Höh |
25 | Mit bloßem A . . . im ew'gen Schnee.Ist's Wunder, wenn man euch entehrt,Als wenn ihr Yahoo wärt?Schnipst euch der Sachs und Brenne dochVerächtlich unters Nasenloch. |
30 | O denkt einmal im Ernste nach,Was einst Bohemus von uns sprach:D e r S c h w a b e w i r d e r s t s p ä t g e s c h e i t.Ach denkt daran, 's ist hohe Zeit.Seid klug, schon vor den vierzig Jahren, |
35 | Wie's eure braven Väter waren.Wie schön, wenn einst der Enkel spricht:Die Narrenkappe paßt mir nicht.
Thraso(1775)
Der Untertanen Last erschweren,Um seines Fürsten Schatz zu mehren;An keinen Jammer sich zu kehrenUnd Städt und Länder zu verheeren: |
5 | Dies ist die hohe Wissenschaft,Die Thraso Ehr und Reichtum schafft.Er hat des Tigers Grausamkeit,Des Wolfes Raubbegierd, die ListDes Fuchses, eines Hundes Neid, |
10 | Nicht seine Treu und Tapferkeit,Und keines Menschen Herz – er istEin trefflicher Kameralist.
Physiognomik der Totenschädel(1775)
Der große Schädel, nur halb kahl,Mit breiter Stirn und hart wie Stahl,Und diese Knochen, fest wie Stein:Wem mögen sie gewesen sein? – |
5 | Dumpf sprach der Genius, der um das Beinhaus schwebt,Es war ein D e u t s c h e r, der Natur-gemäß gelebt.Und dieses Schädelein hier,So weiß und dünn wie Postpapier,Und diese Gebeinlein darbei, |
10 | Wie Marzipan weiß und weich wie Brei,Wer war dann dies?E i n G e c k a u s P a r i s.
Froschkritik(1775)
Sang in 'nem Busch 'ne Nachtigall –So wunderlieblich war ihr SchallAls wie der 'rausgezogne TonAus Meister Liedels Bariton. |
5 | Es war 'n Sumpf nicht weit davon,Drin lag 'ne ganze LegionVon Fröschen; und die hörten allDen Wundersang der Nachtigall.Da war ein hochstudierter Frosch |
10 | Mit runzlichter Stirn und breiter Gosch *),Hatte die edle Musikam,Den Kontrapunkt, die AlgebramIn manchem Sumpf und Weiher studiertUnd orgelte, wie sich's gebührt. |
15 | Doch weil er war gar kalter Natur;E m p f a n d er nichts und k ü n s t e l t e nur.Der hörte auch die NachtigallUnd sprach: Ihr Brüder, hört 'nmal,Wie singt das Tier so abgeschmackt, |
20 | Macht falsche Quinten, hält keinen Takt,Weiche nicht in künstlicher ModulationAus einem Ton in andern Ton;In ihrem eklen di – di – di –Und dukdukdukdukduk – steckt ihre ganze Melodie. |
25 | Magister Frosch – lacht drob so laut,Daß ihm beinah zerplatzt die Haut,Und sprach: Kameraden, wißt ihr was? –Eine Fuge klingt doch baß,Wollen's singen im Sopran, Alt und Tenor,Ich orgle euch das Thema vor.Nun ging's an ein scheußlich Gequack |
30 | Im wahren antiken Geschmack.Mit Bund und Motu contrario;Der Frosch hielt Tasto solo;Unaufgelöst in der Fuge ganzFolgt Dissonanz auf Dissonanz. |
35 | Nach mancher halsbrechenden ModulationKam endlich doch der letzte Ton.Die Fledermaus und der UhuHörten dem Froschkonzerte zu.Waren drob gar lustig und froh |
40 | Und schrien laut: Bravissimo!Ein Jüngling voll Empfindsamkeit,Gelockt von sanfter Abendzeit,Kam aus dem nahen Rosental,Hörte das Lied der Nachtigall |
45 | Und weint' und sah zum Himmel 'nauf –Und als die Frösche fugierten drauf;Da warf er Steine in den TeichUnd schrie: Der Henker hole euch!Hm, sprach der Kritikus unterm Gewässer: |
50 | Der Kerl versteht's nicht besser! –
*) Mit Gunst, ihr auswärtigen Sprachwaradeins, wenn 'n ehrlicher Schwab auch seine Provinzialismen an Mann zu bringen sucht.
Freiheitslied eines Kolonisten(1775)
Hinaus! Hinaus ins EhrenfeldMit blinkendem Gewehr!Kolumbus, deine ganze WeltTritt mutig daher!
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5 | Die Göttin Freiheit mit der Fahn –(Der Sklave sah sie nie)
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10 | Und teilt mit uns Gefahr.Uns leuchtet, wie ein Pharusturm,Sein silbernes Haar!
Du gier'ger Brite, sprichst uns Hohn? –Da nimm nur unser Gold! |
15 | Es kämpft kein Bürger von BostonUm sklavischen Sold!
Da seht Europens Sklaven an,In Ketten rasseln sie! –Sie braucht ein Treiber, ein Tyrann |
20 | Für würgbares Vieh.
Ihr reicht den feigen Nacken, ihr,Dem Tritt der Herrschsucht dar? –Schwimmt her! – hier wohnt die Freiheit, hier!Hier flammt ihr Altar!
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25 | Doch winkt uns Vater Putnam nicht?Auf, Brüder, ins Gewehr! –Wer nicht für unsre Freiheit ficht;Den stürzet ins Meer!
Herbei, Kolumbier, herbei! |
30 | Im Antlitz sonnenrot!Hör, Brite, unser FeldgeschreiIst's S i e g oder T o d.
Der gnädige Löwe(1775)
Der Tiere schrecklichsten DespotenKam unter Knochenhügeln hingewürgter TotenEin Trieb zur Großmut plötzlich an.Komm, sprach der gnädige Tyrann |
5 | Zu allen Tieren, die in ScharenVor seiner Majestät voll Angst versammlet waren;Komm her, beglückter Untertan,Nimm dieses Beispiel hier von meiner Gnade an!Sehe, diese Knochen schenk ich euch! – |
10 | Dir, rief der Tiere sklavisch Reich,Ist kein Monarch an Gnade gleich! –Und nur ein Fuchs, der nie den RänkenDer Schüler Machiavells geglaubt,Brummt in den Bart: Hm, was man uns geraubt |
15 | Und bis aufs Bein verzehrt, ist leichtlich zu verschenken.
Der Arme(1775)
Gott, wie lange muß ich darben! –Ewig glücklich sind nun die,Die vor mir im Frieden starben,Denn kein Elend drücket sie.
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5 | Hülfe, willst du lange säumen? –Halb verschmachtet steh ich hier.Goldne Früchte an den Bäumen,Reicher Herbst, was helft ihr mir? –
Bauren sammeln in der Scheune |
10 | Korn und Weizen auf wie Sand;Aber wenn ich Armer weine,So verschließen sie die Hand.
Reiche rasseln mit dem Wagen;Fett vom Haber ist ihr Pferd; – |
15 | Rasselt nur, daß ihr die Klagen –Eines armen Manns nicht hört.
Knabe, den mir Gott gegeben,Der sein Elend noch nicht fühlt,Seh ich dich im Herbstwind beben, |
20 | Der mit deinen Lumpen spielt;
Oh, dann krümm ich mich am Stabe,Höre dein Geschrei nach Brot,Seufz im stillen: armer Knabe,Wärst du tot! ach, wärst du tot! –
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25 | Menschen, ist dann kein Erbarmen,Kein Erbarmen unter euch?Sind die Dürftigen, die Armen,Euch an Fleisch und Blut nicht gleich?
O so werft, wie euren Hunden, |
30 | Mir nur einen Bissen zu; –Doch wer Armut nie empfunden,Weiß es nicht, wie weh sie tu.
Gott, so muß ich ewig darben? –O wie glücklich sind nun die, |
35 | Die vor mir im Frieden starben:Denn kein Elend drücket sie.
Schlittenlied(1776)
Schon wiehert der SchimmelSein mutig Geschrei;Er stampft; denn es glittenGeflügelte Schlitten |
5 | Am Stalle vorbei.
Was wichsest du KutscherDen Schnurrbart? – Spann an!Und schirre den Schimmel;Denn schön ist der Himmel |
10 | Und prächtig die Bahn.
Hopp! heisa! Wie fliegt schonDer Schlitten dahin!In sausender Eile,Wie zischende Pfeile, |
15 | So fliegt er dahin.
Schon hängt an der MähneEin silberner Duft;Der Himmel ist heiter,Die Seele wird weiter |
20 | Und schwimmt in der Luft.
Harmonische GlockenErtönen wie schön!Welch himmlische Klänge,Wie Vogelgesänge, |
25 | Wie Flötengetön!
Es schüttelt der SchimmelDer Schellen Musik;Kling ling ling, wir lassenGeglättete Straßen |
30 | Im Fluge zurück.
Dort zittert im FrosteEin weibischer Tor,Ein menschliches Häschen,Der 's weidliche Näschen |
35 | Beinahe verlor.
Doch laßt es dort zittern,Das Männchen von Brei!Es klatsche die Peitsche,Wir rollen als Deutsche |
40 | Im Fluge vorbei.
Schon sprudelt die FlascheVom rheinischen Most;Trinkt, fröhliche Brüder,Wein, Mädchen und Lieder |
45 | Verjagen den Frost.
Virtuosenglück(1776)
Schlecht ist der Virtuosen GlückIn unsrer Tage Lauf,'s tät not, sie nähmen einen StrickUnd hängen all sich auf.
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5 | Pfeift einer auch wie le Brun pfeift,Geigt einer Lolli nach,Greift's Klavichord, wie Eckardt greift,Und komponiert wie Bach;
So hört man lieber Schellenklang, |
10 | Gebell und KatzenschreiUnd Gänsgigag und EselsangAls Sphärenmelodei.
Das Ohr der meisten Menschen istWie Eselsohr – gar groß!Darum bedenk's, mein frommer Christ, |
15 | Und werd kein Virtuos.
An den Hutmacher Städele in Memmingen(1776)
Hanns Marx von hochgebornem BlutBestellt bei dir 'n neuen Hut,Recht fein gestutzt, klein, flüchtig, süß,Nach Geckenmode in Paris; |
5 | O Städele, sei doch so gut,Mach ihm den Kopf gleich mit dem Hut. |