BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Schiller

1759 - 1805

 

Der versöhnte Menschenfeind

 

1790

 

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[126]

Siebente Scene.

 

Eine abgelegene Gegend des Parks,

rings um eingeschlossen, von anziehendem etwas

schwermüthigem Karakter.

 

Hutten. (tritt auf, mit sich selbst redend) Daß ihr dieses Nahmens so werth wäret, als es mir heilig ist! – Mensch! Herrliche, hohe Erscheinung! Schönster von allen Gedanken des Schöpfers! Wie reich, vollendet giengst du aus seinen Händen! Welche Wohllaute schliefen in deiner Brust, ehe deine Leidenschaft das goldene Spiel zerstörte!

Alles um dich und über dir sucht und findet daß schöne Maaß der Vollendung – Du allein stehst unreif und mißgestaltet in dem untadelichen Plan. Von keinem Auge ausgespäht, von keinem Verstande bewundert, ringt in der schweigenden Muschel die Perle, ringt der Krystall in den Tiefen der Berge nach der schönsten Gestalt. Wohin nur dein Auge blickt, der einstimmige Fleiß aller Wesen, das Geheimniß der Kräfte zur Verkündigung zu bringen. Dankbar tragen alle Kinder der Natur der zufriedenen Mutter die gereiften Früchte entgegen, und wo sie gesäet hat, findet sie eine Aernte – Du allein, ihr liebster, ihr beschenktester Sohn, bleibst aus – nur was sie  dir  gab, findet sie nicht wieder, erkennt sie in seiner entstellten Schönheit nicht mehr. [127]

Sey vollkommen. Zahllose Harmonien schlummern in dir, auf dein Geheiß zu erwachen – Rufe sie heraus durch deine Vortreflichkeit. Fehlte je der schöne Lichtstrahl in deinem Auge, wenn die Freude dein Herz durchglühte, oder die Anmuth auf deinen Wangen, wenn die Milde durch deinen Busen floß? Kannst du es dulden, daß das Gemeine, das Vergängliche in dir das Edle, das Unsterbliche beschäme?

Dich zu beglücken ist der Kranz, um den alle Wesen buhlen, wornach alle Schönheit ringt – deine wilde Begierde strebt diesem gütigen Willen entgegen, gewaltsam verkehrst du die wohlthätigen Zwecke der Natur – Fülle des  Lebens  hat die Freundliche um dich her gebreitet und  Tod  nöthigst du ihr ab. Dein Haß schärfte das friedliche Eisen zum Schwerdte, mit Verbrechen und Flüchen belastet deine Habsucht das schuldlose Gold, an deiner unmässigen Lippe wird das Leben des Weinstocks zum Gifte. Unwillig dient das Vollkommene deinen Lastern, aber deine Laster stecken es nicht an. Rein bewahrt sich das mißbrauchte Werkzeug in deinen unreinen Dienste. Seine Bestimmung kannst du ihm rauben, aber nie den Gehorsam, womit es ihr dienet. Sey menschlich oder sey Barbar – mit gleich kunstreichem Schlage wird das folgsame Herz deinen Haß und deine Sanftmuth begleiten.

Lehre mich  deine  Genügsamkeit, deinen ruhigen Gleichmuth Natur – Treu wie du habe ich an der Schönheit gehangen, von  dir  laß mich lernen die verfehlte [128] Lust des Beglückens verschmerzen. Aber damit ich den zarten Willen bewahre, damit ich den freudigen Muth nicht verliere – laß mich deine glückliche Blindheit mit dir theilen. Verbirg mir in deinem stillen Frieden die Welt, die mein Wirken empfängt. Würde der Mond seine strahlende Scheibe füllen, wenn er den Mörder sähe, dessen Pfad sie beleuchten soll? Zu dir flüchte ich dieses liebende Herz – Tritt zwischen meine Menschlichkeit und den Menschen. – Hier wo mir seine rauhe Hand nicht begegnet, wo die feindselige Wahrheit meinen entzückenden Traum nicht verscheucht, abgeschieden von dem Geschlechte, laß mich die heilige Pflicht meines Daseyns in die Hand meiner großen Mutter, an die ewige Schönheit entrichten (sich umschauend) Ruhige Pflanzenwelt, in deiner kunstreichen Stille vernehme ich das Wandeln der Gottheit, deine verdienstlose Trefflichkeit trägt meinen forschenden Geist hinauf zu dem höchsten Verstande, aus deinem ruhigen Spiegel strahlt mir sein göttliches Bild. Der Mensch wühlt mir Wolken in den silberklaren Strom – wo der Mensch wandelt, verschwindet nur der Schöpfer. (er will aufstehen. Angelika steht vor ihm.)