Friedrich Schiller
1759 - 1805
Der versöhnte Menschenfeind
1790
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Fünfte Scene.
Ein Saal.
von Hutten, aus einem Kabinet.Abel sein Haushofmeister, folgt ihmmit einem Rechnungsbuch.
Abel. (ließt) Herrschaftlicher Vorschuß an die Gemeine nach der großen Waßersnoth vom Jahr 1784. Zweytausend, neunhundert Gülden –Hutten. (hat sich niedergesetzt und durchsieht einige Papiere, die auf dem Tisch liegen) Der Acker hat sich erhohlt, der Mensch soll nicht länger leiden, als seine Felder. Streich' er aus, diesen Posten. Ich will nicht mehr daran erinnert seyn.Abel. (durchstreicht mit Kopfschütteln die Rechnung) Ich muß mir's gefallen lassen – blieben also noch zu berechnen die Interessen von sechsthalb Jahren –v. Hutten. Interessen! – Mensch?Abel. Hilft nichts, Ihr Gnaden. Ordnung muß seyn in den Rechnungen eines Verwalters. (will weiter lesen) [116]v. Hutten. Den Rest ein andermal. Jetzt ruf er den Jäger, ich will meine Doggen füttern.Abel. Der Pachter vom Holzhof hätte Lust zu dem Polaken, mit dem Euer Gnaden neulich verunglückten. Man soll ihm die Mähre hingeben, meynt der Reitknecht, ehe ein zweytes Unheil geschehe.von Hutten. Soll das edle Thier darum vor dem Pfluge altern, weil es in zehen Jahren einmal falsch gegen mich war? So hab ich es mit keinem gehalten, der mir mit Undank lohnte. Ich werde es nie mehr reiten.Abel. (nimmt das Rechnungsbuch und will gehen)von Hutten. Es fehlten ja neulich wichtige Empfangscheine in der Kasse, sagt er mir, und der Rentmeister sey ausgeblieben?Abel. Ja, das war vorigen Donnerstag.von Hutten. (steht auf) Das freut mich, freut mich – daß er doch endlich noch zum Schelm geworden ist, dieser Rentmeister. Er hat mir eilf Jahre ohne Tadel gedient – Setz er das nieder, Abel. Erzähl er mir mehr davon. [117]Abel. Schade um den Mann, Ihr Gnaden! Er hatte einen unglücklichen Sturz mit dem Pferde gethan, und ist heute morgen mit einem gebrochenen Arm hereingebracht worden. Die Quittungen fanden sich unter andern Papieren.von Hutten. (mit Heftigkeit) Und er war also kein Betrüger! – Mensch, warum hast du mir Lügen berichtet?Abel. Gnädiger Herr, man muß immer das schlimmste von seinem Nächsten denken.von Hutten. (nach einem düstern Stillschweigen) Er soll aber ein Betrüger seyn, und die Quittungen soll man ihm zahlen.Abel. Das war mein Gedanke auch, Ihr Gnaden. Steckbriefe waren einmal ausgefertigt, und das Nachsetzen hat mir gewaltiges Geld gekostet. Es ist verdrießlich, daß dieß alles nun so weg geworfen ist.von Hutten. (sieht ihn lange verwundernd an) Theurer Mann! Ein wahres Kleinod bist du mir – wir dürfen nie von einander. [118]Abel. Das wollte Gott nicht – und wenn mir gewisse Leute auch noch so große Versprechungenvon Hutten. Gewisse Leute! Was?Abel. Ja Ihr Gnaden. Ich weiß auch nicht, warum ich länger damit hinter dem Berge halte. Der alte Graf –von Hutten. Regt der sich auch wieder? Nun?Abel. Zweyhundert Pistolen ließ er mir bieten und doppelten Gehalt auf Zeitlebens, wenn ich ihm seine Enkelin Fräulein Angelika, ausliefern wollte.von Hutten. (steht schnell auf und macht einen Gang durch das Zimmer. Nachdem er sich wieder gesetzt hat, zum Verwalter) Und dieses Gebot hat er ausgeschlagen?Abel. Bey meiner armen Seele, ja! Das hab ich.von Hutten. Zweyhundert Pistolen Mensch, und doppelten Gehalt auf Zeitlebens! – wo denkt er hin? hat er das wohl erwogen?Abel. Reiflich erwogen, Ihr Gnaden, und rundweg ausgeschlagen. Schelmerey gedeyht nicht, bey Euer Gnaden will ich leben und sterben. [119]von Hutten. (kalt und fremd) Wir taugen nicht für einander. – (Man hört von ferne eine muntere ländliche Musik mit vielen Menschenstimmen untermischt. Sie kommt dem Schlosse immer näher) Ich höre da Töne, die mir zuwider sind. Folg er mir in ein andres Zimmer.Abel. (ist auf den Altan getreten, und kommt eine Weile darauf wieder) Das ganze Städtchen, Ihr Gnaden, kommt angezogen im Sonntagsschmuck, und mit klingendem Spiel, und hält unten vor dem Schloß. Der Gnädige Herr, rufen sie, möchten doch auf den Altan treten, und sich ihren getreuen Unterthanen zeigen.Hutten. Was wollen sie von mir? Was haben sie anzubringen?Abel. Euer Gnaden vergessen –Hutten. Was?Abel. Sie kommen dießmal nicht so leicht los, wie im vorigen Jahre –Hutten. (steht schnell auf) Weg! Weg! Ich will nichts weiter hören. [120]Abel. Das hab ich schon gesagt, Ihr Gnaden – aber sie kämen aus der Kirche hieß es, und Gott im Himmel habe sie gehört.Hutten. Er hört auch das Bellen des Hundes und den falschen Schwur in der Kehle des Heuchlers, und muß wissen, warum er beides gewollt hat – (indem das Volk hereinbringt) O Himmel? Wer hat mir das gethan? (er will in ein Kabinet entweichen, viele halten ihn zurück, und fassen den Saum seines Kleides.) |