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- A n d i e F r e u d e .
Der Text folgt dem Erstdruck
in der Zeitschrift Thalia, 1786,
1. Band, 2. Heft, S. 1-5
(Projekt Zeitschriften der Aufklärung
Universitätsbibliothek Bielefeld)
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- [1]
T h a l i a .
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Zweytes Heft
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I.
An die Freude.
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Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elisium,
Wir betreten feuertrunken
Himmlische, dein Heiligthum.
- 5
- Deine Zauber binden wieder,
was der Mode Schwerd getheilt;
Bettler werden Fürstenbrüder,
wo dein sanfter Flügel weilt.
C h o r .
Seid umschlungen, Millionen!
- 10
- Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
muß ein lieber Vater wohnen.
- [2]
- Wem der große Wurf gelungen,
eines Freundes Freund zu seyn;
- 15
- wer ein holdes Weib errungen,
mische seinen Jubel ein!
Ja – wer auch nur eine Seele
sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer's nie gekonnt, der stehle
- 20
- weinend sich aus diesem Bund!
C h o r .
Was den großen Ring bewohnet,
huldige der Simpathie!
Zu den Sternen leitet sie,
Wo der Unbekannte tronet.
- 25
- Freude trinken alle Wesen
an den Brüsten der Natur,
Alle Guten, alle Bösen
folgen ihrer Rosenspur.
Küße gab sie uns und Reben,
- 30
- einen Freund, geprüft im Tod.
Wollust ward dem Wurm gegeben,
und der Cherub steht vor Gott.
C h o r .
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahndest du den Schöpfer, Welt?
- 35
- Such' ihn überm Sternenzelt,
über Sternen muß er wohnen.
- [3]
- Freude heißt die starke Feder
in der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
- 40
- in der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
die des Sehers Rohr nicht kennt!
C h o r .
- 45
- Froh, wie seine Sonnen fliegen,
durch des Himmels prächtgen Plan,
Laufet Brüder eure Bahn,
freudig wie ein Held zum siegen.
Aus der Wahrheit Feuerspiegel
- 50
- lächelt sie den Forscher an.
Zu der Tugend steilem Hügel
leitet sie des Dulders Bahn.
Auf des Glaubens Sonnenberge
sieht man ihre Fahnen wehn,
- 55
- Durch den Riß gesprengter Särge
sie im Chor der Engel stehn.
C h o r .
Duldet mutig, Millionen!
Duldet für die beßre Welt!
Droben überm Sternenzelt
- 60
- wird ein großer Gott belohnen.
- [4]
- Göttern kann man nicht vergelten,
schön ists ihnen gleich zu seyn.
Gram und Armut soll sich melden
mit den Frohen sich erfreun.
- 65
- Groll und Rache sei vergessen,
unserm Todfeind sei verziehn.
Keine Thräne soll ihn pressen,
keine Reue nage ihn.
C h o r .
Unser Schuldbuch sei vernichtet!
- 70
- ausgesöhnt die ganze Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
richtet Gott wie wir gerichtet.
Freude sprudelt in Pokalen,
in der Traube goldnem Blut
- 75
- trinken Sanftmut Kannibalen,
Die Verzweiflung Heldenmut – –
Brüder fliegt von euren Sitzen,
wenn der volle Römer kraißt,
Laßt den Schaum zum Himmel sprützen:
- 80
- Dieses Glas dem guten Geist.
C h o r .
Den der Sterne Wirbel loben,
Den des Seraphs Hymne preist,
Dieses Glas dem guten Geist,
überm Sternenzelt dort oben!
- [5]
- Festen Mut in schwerem Leiden,
Hülfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königstronen –
- 90
- Brüder, gält' es Gut und Blut –
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut!
C h o r .
Schließt den heilgen Zirkel dichter,
schwört bei diesem goldnen Wein:
- 95
- Dem Gelübde treu zu sein,
schwört es bei dem Sternenrichter!
Rettung von Tirannenketten,
Großmut auch dem Bösewicht,
Hoffnung auf den Sterbebetten,
- 100
- Gnade auf dem Hochgericht!
Auch die Toden sollen leben!
Brüder trinkt und stimmet ein,
Allen Sündern soll vergeben,
Und die Hölle nicht mehr seyn.
C h o r .
- 105
- Eine heitre Abschiedsstunde!
süßen Schlaf im Leichentuch!
Brüder – einen sanften Spruch
aus des Todtenrichters Munde!
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