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- A n t h o l o g i e
a u f d a s J a h r 1 7 8 2
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- [148]
- Die Freundschaft.
(aus den Briefen Julius an Raphael; einem
noch ungedruckten Roman.)
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Freund! genügsam ist der Wesenlenker –
Schämen sich kleinmeisterische Denker,
Die so ängstlich nach Gesezen spähn –
Geisterreich und Körperweltgewühle
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- Wälzet Eines Rades Schwung zum Ziele,
Hier sah es mein Newton gehn.
Sfären lehrt es Sklaven eines Zaumes
Um das Herz des grosen Weltenraumes
Labyrinthenbahnen ziehn –
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- Geister in umarmenden Systemen
Nach der grosen Geistersonne strömen,
Wie zum Meere Bäche fliehn.
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- War's nicht diß allmächtige Getriebe,
Das zum ew'gen Jubelbund der Liebe
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- Unsre Herzen aneinander zwang?
Raphael, an deinem Arm – o Wonne!
Wag auch ich zur großen Geistersonne
Freudigmutig den Vollendungsgang.
Glüklich! glüklich! Dich hab ich gefunden,
- 20
- Hab aus Millionen Dich umwunden,
Und aus Millionen mein bist Du –
Laß das Chaos diese Welt umrütteln,
Durcheinander die Atomen schütteln;
Ewig fliehn sich unsre Herzen zu.
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- Muß ich nicht aus Deinen Flammenaugen
Meiner Wollust Wiederstralen saugen?
Nur in Dir bestaun ich mich –
Schöner malt sich mir die schöne Erde,
Heller spiegelt in des Freunds Gebärde
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- Reizender der Himmel sich.
- [150]
- Schwermut wirft die bange Thränenlasten,
Süßer von des Leidens Sturm zu rasten,
In der Liebe Busen ab; –
Sucht nicht selbst das folternde Entzüken
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- In des Freunds beredten Stralenbliken
Ungeduldig ein wollüstges Grab? –
Stünd im All der Schöpfung ich alleine,
Seelen träumt' ich in die Felsensteine,
Und umarmend küßt' ich sie –
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- Meine Klagen stöhnt' ich in die Lüfte,
Freute mich, antworteten die Klüfte,
Thor genug! der süßen Sympathie.
Tode Gruppen sind wir – wenn wir hassen,
Götter – wenn wir liebend uns umfassen!
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- Lechzen nach dem süsen Fesselzwang –
Aufwärts durch die tausendfache Stufen
Zalenloser Geister die nicht schufen,
Waltet göttlich dieser Drang.
- [151]
- Arm in Arme, höher stets und höher,
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- Vom Mogolen bis zum griechschen Seher,
Der sich an den lezten Seraf reyht,
Wallen wir, einmüth'gen Ringeltanzes,
Bis sich dort im Meer des ew'gen Glanzes
Sterbend untertauchen Maaß und Zeit. –
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- Freundlos war der grose Weltenmeister,
Fühlte Mangel – darum schuf er Geister,
Sel'ge Spiegel seiner Seligkeit! –
Fand das höchste Wesen schon kein Gleiches,
Aus dem Kelch des ganzen Seelenreiches
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- Schäumt ihm – die Unendlichkeit.
Y.
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