B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Schiller
1759 - 1805
     
   


A n t h o l o g i e
a u f   d a s   J a h r   1 7 8 2


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[88]
      Der hypochondrische Pluto.
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      Romanze.

      Erstes Buch.

Der grobe Schulz im Tartarus,
      Marks Pluto zubenamset,
Der mit Abschied und Morgengruß,
Monarchisch in dem Erebus,
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      Die Züchtlinge durchwamset,
Verlor zum Fluchen seine Brust,
Und fast zum Peitschen den Gelust.

Sein Vita sedentaria
      Auf seinem eh'rnem Sessel
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Erhizte seine Postera,
Und hin und her und dort und da
      Stach's ihn wie Salz und Nessel,
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Das heiße Wetter obendrein
Kocht sein Geblüt zu Sulzen ein.

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Zwar ward ihm mancher Sauerbronn
      Vom Flegeton geschöpfet,
Und durch Skarifikazion,
Blutigel, Venäsekzion
      Viel Blut ihm abgezäpfet.
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Auch manch Klystier ward applizirt
Auch offner Leib effektuirt.

Sein Leibarzt, ein studirter Herr
      Mit knotigter Perüke,
Argumentirte ohn Beschwer
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Aus Hippokrat und Zelsus her
      Wo's Ihro Gnaden spüke:
„Gestrenger Schulz im Tartarus
Sind Hämorrhoidarius!“

„„Und Er ist mir ein dummer Tropf
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      Samt seiner Pillenwaare!
Ein Mann wie ich – wo steht sein Kopf?
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Ein junger Mann noch, Sauertopf!
      Im Frühling meiner Jahre!
Komm er mir mit Latwergen nicht.
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Der Kolben fliegt ihm ins Gesicht.““

Wol oder übel – wollt' ers nicht
      Mit Ihr Gestreng verderben,
(Weh dem der Fürstengunst zerbricht !
Husch! fleischen ihm ins Angesicht
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      Die Splitter und die Scherben)
Er schweigt wohlweislich – weil er muß,
Das lernte sich – beim Zerberus.

„Apolln den himmlischen Barbier
      Soll man herunter holen!“
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Flugs tummelt schon sein flinkes Thier
Vorbei am Mond ein Luftkourier
      Vorüber an den Polen;
Punkt vier Uhr flog mit ihm der Rapp,
Schlag fünf Uhr stieg er droben ab.

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So eben hatt' Apoll – wie froh !
      Gar ein Sonnet gedichtet?
O pfuy doch! Nein! bei Mamsell Jo
(Zum mindsten schwazt die Muse so)
      Hebammendienst verrichtet.
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Ein Knäblein, wie in Wachs geprägt,
Ward Vatern Zevs fürs Hauß gelegt.

Der Gott durchlas den Höllenbrief
      Und stuzte drob nicht wenig,
Der Weg ist weit, die Hölle tief,
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Und ihre Felsen steil und schief – – –
      Doch zalt mich ja ein König!
Frisch nimmt er Pelz und Nebelkapp, –
Und durch die Lüfte strampft der Rapp.

Die Loken à la mode gerollt,
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      Geglättet die Manschetten,
Im Gallakleid von Spiegelgold
(Ein Schmuk den ihm Aurora zollt)
      Mit kostbarn Uhrenketten
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Die Zähen auswärts, chapeau bas
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So stand er vor dem König da.

      Zweites Buch.

Der alte Murrkopf, wie bekannt,
      Bewillkommt ihn mit Flüchen:
„Ey pak er sich ins Pommerland!
Wie stinkt er doch nach Eau d'Lavande?
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      Eh möcht ich Schwefel riechen.
Puh! schier' er sich doch himmelan,
Er stekt mir ja die Hölle an.“

Betroffen wich, wie angeblizt,
      Der Pillengott zurüke. – –
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„Sind Seine Hoheit stets wie izt?
Im Cerebello, merk ich, sizt
      Das Uebel – welche Blike!
Wie rollen sie! wie flammt ihr Feu'r!
Der Fall ist schlimm! der Rath ist theur!

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Ein Reis'chen nach Elisium
      Wird die Infarktus schmelzen,
[93]
Und freier in dem Zirkel um
Durch Bauch und Kapitolium
      Die zähen Säfte wälzen.
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Drum dächt' ich unmaßgeblich so:
Sie reisten – doch! incognito! –“

„Ja schöner Herr! ich glaubs ihm gern!
      Und wär nur hier zu Lande,
Wie bei euch balsamirten Herrn,
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Euch niedlichen Olympiern
      Faullenzen keine Schande.
Und brauchte nur – ich folgte gleich!
Kein Oberhaupt das Höllenreich.

Ha! wär die Kaz zum Loch hinaus,
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      Die Mäuse möcht' ich sehen!
Sie liefen mir von Hof und Haus
Und jagten meinen Mufti 'naus!
      Würd drauf und drunter gehen!
Poz alle Donner! geh er mir!
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Gewizigt bin ich für und für.

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Was wars nicht schon für ein Tumult
      Der Thürme eingeschmissen!
Und wars denn damals meine Schuld,
Daß meine Filosofen Pult
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      Und Ketten losgerissen?
Wie? rissen erst Poeten los?
Hilf Himmel! welch ein Ohrenstoß!

Bei langem Tage schwazt sich viel!
      Mag wohl auf euren Bänken
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Euch träg genug beim Lombrespiel
Und Dudeldum und Federkiel
      Die Zeit vorüber hinken.
Der Müssiggang beißt wie ein Floh
Auf Sammetpolstern – wie auf Stroh.

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Da weis vor ewger Langeweil
      Mein Bruder nichts zu treiben,
Und zündelt mit dem Donnerkeil,
Und schießt, ich hör's ja am Geheul,
Mit Wettern nach der Scheiben;
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Daß Rheas arme Schulter schwankt,
Und mir für meine Hölle bangt.

Großvater Cölus sollt' ich seyn!
      Ich wollt mir Ruhe schaffen.
Ihr müßtet mir in Leiber 'nein,
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Und in den Windeln ay ay schreyn,
      Und durch fünf Fenster gaffen!
Vorerst noch über meinen Strom,
Und dann erst nach Elisium! –

Nun denk ich sezt er sich zu Pferd,
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      Hoff's, er wird mich begreifen;
Auch ists vielleicht der Mühe werth,
Er sagt was er izt angehört
      Dem Zevs beim Barteinsaifen.
Er mache was er wolle draus!
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Das jükt mich nicht in meinem Haus.

Und damit kehrt der Herr zurük!
      Sein Servus! Gott befohlen!
Man kann ihm – Halt 'n Augenblik! –
Für seine Müh ein hübsches Stük
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      Rothgüldenerz herholen.
Mag droben doch was rares seyn,
Wir Tartarer hofiren drein.“ –

      Drittes Buch.

Somit beurlaubt sich der Gott
      Mit kurzen Reverenzen.
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Als plözlich durch die Höllenrott
Hindurch sich riß ein Flügelbot.
       (Er kam von Tellus Gränzen)
Monarch! Ein Arzt! ein Wundermann.
Kommt hinterdrein – ich ritt voran.

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Plaz für den fremden Praktikus!
      Er kommt mit Peitsch' und Sporen.
Nikt freundlich jedem seinen Gruß,
Als wär' er hier im Tartarus
      Erzogen und gebohren;
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Freimüthig ohne Furcht und Grauß,
Wie Britten in dem Unterhaus.

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„Gott grüß die Herren allesamt!
      So trift man hier zu Lande,
Wohin, wer von Prometheus stammt,
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Jedweden das Geschik verdammt,
      Noch trefliche Bekannte!
Wer weis't mich nach Elysen hin?
Möcht gern die Brunnen springen sehn.“

„„Gemach! – der Fürwiz wird den Herrn
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      Doch nicht so hastig treiben,
Er muß mir izt beim Siebenstern!
Er muß mir ungern oder gern
      Noch ein Rezept verschreiben.
Die Höll' ist mein – Pluto mein Nam!
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Heraus 'n mal mit seinem Kram!““

Mit einem scharfen Blike mißt
      Der Arzt den schwarzen Kaiser.
Zwar riecht er nicht am gnädgen Mist,
Beäugelt nicht was er gepißt,
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       (Auch würd' er deß nicht weiser.)
Durchdringend wie elektrisch Feu'r
Erspäht sein Blik – das Ungeheu'r.

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„Monarch! Ich schenke dir die Beicht
      Der schlimmen Siebensachen.
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So desperat der Rath dich däucht,
So ist doch auch der Fall nicht leicht –
      Und Kinder fürchten Drachen.
Ein Teufel frißt den andern! – kurz!
Ein Weibchen - oder – Niesewurz!

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Sie tändle oder keife nun,
       (Ich weiß von keinem Dritten)
So jagt sie doch den Alp davon
Der dich auf deinem Eisenthron
      Erbärmlich zugeritten.
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Jagt frei und flink bergab zum Fuß
Berg auf zum Kopf die Spiritus.“
      _____

Vivat der Doktor hochgelehrt,
      Der diesen Spruch thät fällen!
Ein ewig Denkmal ist er werth
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Darauf in Marmor, hoch zu Pferd,
      Von Phidias zu stellen.
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Ein Monument, das nie verdirbt,
Wenn Hippokrat und Boerhaave stirbt.

Kek nahen izt die Todte sich
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      Zum höllischen Monarchen –
Der Frau Plutonin in die Küch
Ein Lapperdan – macht gute Sprüch,
      Und fromme Aristarchen.
Hieroben frommte der Gebrauch!
210
Juchhe! izt gilt er drunten auch!

P.