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- A n t h o l o g i e
a u f d a s J a h r 1 7 8 2
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- Roußeau.
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Monument von unsrer Zeiten Schande!
Ew'ge Schandschrift deiner Mutterlande!
Roußeaus Grab! gegrüßet seyst du mir.
Fried und Ruh den Trümmern deines Lebens!
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- Fried und Ruhe suchtest du vergebens,
Fried und Ruhe fandst du hier.
Kaum ein Grabmal ist ihm überblieben,
Den von Reich zu Reich der Neid getrieben,
Frommer Eifer umgestrudelt hat.
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- Ha! Um den einst Ströme Bluts zerfließen,
Wem's gebühr' ihn pralend Sohn zu grüßen,
Fand im Leben keine Vaterstadt.
Und wer sind sie die den Weisen richten?
Geisterschlaken, die zur Tiefe flüchten
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- Vor dem Silberblike des Genies;
Abgesplittert von dem Schöpfungswerke
Gegen Riesen Roußeau kind'sche Zwerge,
Denen nie Prometheus Feuer blies.
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- Brüken vom Instinkte zum Gedanken,
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- Angefliket an der Menschheit Schranken,
Wo schon gröbre Lüfte wehn.
In die Kluft der Wesen eingekeilet,
Wo der Affe aus dem Thierreich geilet,
Und die Menschheit anhebt abzustehn.
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- Neu und einzig – eine Irresonne
Standest du am Ufer der Garonne
Meteorisch für Franzosenhirn.
Schwelgerei und Hunger brüten Seuchen,
Tollheit raßt mavortisch in den Reichen
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- Wer ist schuld – das arme Irrgestirn,
Deine Parze – hat sie gar geträumet?
Hat in Fieberhize sie gereimet
Die dich an der Seine Strand gesäugt?
Ha! schon seh ich unsre Enkel staunen,
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- Wann beim Klang belebender Posaunen
Aus Franzosengräbern – Roußeau steigt!
- [35]
- Wann wird doch die alte Wunde narben?
Einst wars finster – und die Weisen starben,
Nun ists lichter, – und der Weise stirbt.
Sokrates gieng unter durch Sofisten,
Roußeau leidet – Roußeau fällt durch Christen,
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- Roußeau – der aus Christen Menschen wirbt.
Ha! mit Jubel die sich feurig gießen,
Sey Religion von mir gepriesen,
Himmelstochter sey geküßt!
Welten werden durch dich zu Geschwistern,
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- Und der Liebe sanfte Odem flistern
Um die Fluren die dein Flug begrüßt.
Aber wehe – Basiliskenpfeile
Deine Blike – Krokodilgeheule
Deiner Stimme sanfte Melodien
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- Menschen bluten unter deinem Zahne,
Wenn verderbengeifernde Imane
Zur Erennys dich verziehn.
- [36]
- Ja! im acht und zehnten Jubeljare,
Seit das Weib den Himmelsohn gebare,
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- (Kroniker, vergeßt es nie)
Hier erfanden schlauere Perille
Ein noch musikalischer Gebrülle,
Als dort aus dem ehrnen Ochsen schrie.
Mag es Roußeau! mag das Ungeheuer
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- Vorurtheil ein thürmendes Gemäuer
Gegen kühne Reformanten stehn,
Nacht und Dummheit boshaft sich versammeln,
Deinem Licht die Pfade zu verrammeln,
Himmelstürmend dir entgegen gehn.
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- Mag die hundertrachigte Hyäne
Eigennuz die gelben Zakenzähne
Hungerglühend in die Armuth haun,
Erzumpanzert gegen Waisenthräne,
Thurmumrammelt gegen Jammertöne,
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- Goldne Schlösser auf Ruinen baun.
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- Geh du Opfer dieses Trillingsdrachen,
Hüpfe freudig in den Todesnachen,
Großer Dulder! frank und frei.
Geh erzähl dort in der Geister Kraise,
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- Diesen Traum vom Krieg der Frösch' und Mäuse,
Dieses Lebens Jahrmarktsdudelei.
Nicht für diese Welt warst du – zu bider
Warst du ihr, zu hoch – vielleicht zu nieder –
Roußeau doch du warst ein Christ.
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- Mag der Wahnwiz diese Erde gängeln!
Geh du heim zu deinen Brüdern Engeln,
Denen du entlaufen bist.
M.
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