Reglement der Berliner Kunstakademie
1776
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Reglement
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REGLEMENTwelches aus den Statuten der Königl. Mahler=Bildhauer= und Architectur=Academie, nachwelchen die bey derselben studirende Jugendsich zu verhalten, gezogen.___________
Nachdem wahrgenommen worden, daß viele von der studirenden Jugend sich nicht nur sehr nachläßig und unordentlich verhalten, sondern auch bey der Academie sich unfleißig einfinden, ja öfters Monathe, viertel= und halbe Jahre lang aussenbleiben, und daher den gehörigen Unterricht dergestalt versäumen, daß sie im Zeichnen eher zurück als vorwärts kommen, welches Verfahren der Academie, als auf welche einiger Verdacht eines nicht genugsam angewandten Fleißes in der Unterweisung fallen könnte, zum merklichen Nachtheile gereichen dürfte; Als sollen nunmehro, solche Unordnung gänzlich abzustellen, nachfolgende Gesetze vestgesetzt seyn, wornach sich ein jeder der ferner Antheil an den Freyheiten der Academie haben will, aufs genaueste zu richten.
1.Die in den Claßen studirende Jugend, soll, wenn selbige sich zuvor bey der Academie gebührend gemeldet, und von derselben hierauf ordentlich angenommen, sich wöchentlich zweymahl, nehmlich Mittwochs und Sonnabends nach der vorgeschriebenen Zeit, entweder Vormittags um 9, oder Nachmittags um 2 Uhr, ganz genau, in den Claßen einfinden, und den ihnen von den Lehrern ertheilten Unterricht, mit gebührendem Fleiße abwarten, wiedrigenfalls, und da jemand die Unterweisung verabsäumte, oder sonst vierzehn Tage hindurch aussenbliebe, und innerhalb dieser Zeit, seinen Vorgesetzten, die Ursache hievon nicht anzeigte, soll er von dem Unterrichte gänzlich ausgeschlossen, und dagegen ein anderer an seiner Stelle angenommen werden.
2.Die Zeichnungen, nach welchen gezeichnet wird, soll niemand für sich selbst, nach eigenem Gefallen, erwählen, sondern ein jeder muß warten bis solche ihm von den Vorgesetzten, nach Maasgabe seiner Fähigkeiten, angewiesen werden. Was einem alsdenn vorgeleget worden, muß er mit gehörigem Fleiße nachzeichnen und öffentlich verfertigen, wie denn jedem besonders hiemit verbothen wird, keine heimlichen Zeichnungen auf Neben=Papier zu machen, imgleichen daß keiner dem andern helfen, oder ihn mit unnöthigem Zuschauen hinderlich seyn sollte.
3.Soll niemand dasjenige was ihm zum Nachzeichnen gegeben, unnöthiger Weise berühren noch besudeln, am allerwenigsten aber mit dem Zirkel abmeßen, damit hiedurch die Orginalia nicht geschändet werden, sondern es muß ein jeder sich eine gute Manier angewöhnen und durch bloßes Augenmaas zeichnen lernen. Auch soll niemand die in den Claßen befindlichen Sachen berühren, noch weniger aber von deren Stelle hinwegnehmen.
4.Ein jeder muß mit eigenem Geräthe zum Zeichnen hinreichend versehen seyn, und demnach weder Kreide, Papier, oder andere Dinge von seinen Mitzeichnern entlehnen. Auch soll jedweder mit seinem Reiszeuge sauber umgehen, den Rothstein bereits vor Eintritt in die Academie gespitzet und geschärfet haben, und mit demselben weder die Tische worauf gezeichnet wird, noch die Wände und Gipser beschmieren.
5.Bei dem Zeichnen soll ein jeder ganz still für sich, ohne einiges Schwatzen, Lachen, Gezänk, oder andere unziemliche Gebährden und Unordnungen, seine Arbeit abwarten, auch soll keiner den andern irren, noch weniger aber etwas von Spielzeug oder Naschwerk in die Claßen bringen, damit hiedurch nieman von seinem Fleiße abgewendet werde.
6.Niemand soll mit einigem Gewehre, Stocke, oder Degen, in den Claßen erscheinen, wer aber sonst einen Degen zu tragen befugt ist, soll selbigen so lange er darinnen ist, an den ihm angewiesenen Orte ablegen. Wer in die Claßen kommt, oder wieder weg gehet, soll solches bescheidentlich ohne einigen Lärmen oder unanständiges Laufen thun, wobey auch hauptsächlich zu verstehen ist, daß er bey dem Durchgange des unteren Gebäudes keinen Streit, Lärmen, Schlagen, oder andern Unfug errege, vorzüglich soll er sich alles Zankens mit den unten wohnenden Leuten enthalten, auch niemand der nicht zur Academie gehöret, mit hineinführen, und wenn er in der Claße auf dem ihm angewiesenen Orte sitzet, soll er selbigen, so lange die Stunde währet, unveränderlich behalten, niemahls auch, ohne Erlaubniß des Vorgesetzten, aus dem Zimmer oder nach Hause gehen.
7.Die mathematische Claße betreffend, so ist außer vorigen Punkten, annoch folgendes vestgesetzt:a) Daß ein jeder die nöthige Dinte, Papier, Federn und Reiszeug mit sich bringe;b) Daß während der Rede des Professoris, keiner ihn mit irgend einer Frage störe, sondern lediglich verziehe bis die Demonstration geendiget ist;c) Daß, ehe er kommt, keiner etwas auf seiner Tafel mahle, oder das schon darauf stehende im geringsten auslösche;d) Soll keiner zur Architektur noch zur Perspective angenommen werden, bevor er nicht ein Collegium Geometriæ angehöret;e) Bleibt einer oder anderer ein oder ein par mahl aus; so muß er keiner Wiederholung der vorhergehenden Lection gewährtig seyn, auch den Professorem damit nicht aufzuhalten suchen; was aber davon kann mitgetheilet werden, hat einer alsdenn bey den Mithörern zu suchen, als welchen frey gestellet wird, demjenigen, der deßen benöthiget ist, nach Belieben zu willfahren.
8.Die Lernende sollen letztlich ihren Vorgesetzten alle gebührliche Ehrerbietung erweisen, und selbst untereinander sich friedlich und sittsam begegnen; dafern aber einer über den andern sich zu beschweren Ursache hätte, soll er solches alsdenn seinen Vorgesetzten anzeigen, die sein Anbringen anhören und den beleidigten Theil, befindlicher maaßen, zu seinem Rechte verhelfen werden.Alle obige Gesetze werden einem jeglichen, bey seiner Annehmung bekannt gemacht, und hat ein jeder, falls er seines Rechtes nicht will verlustig gehen, sich hiernach genau zu achten.Berlin, den 4ten Julius, 1776.
Königl. Mahler= Bildhauer= und Architectur=Academie. |