BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Joachim Quantz

1697 - 1773

 

Herrn Johann Joachim Quantzens

Lebenslauf, von ihm selbst entworfen.

 

1754

 

Text:

Friedrich Wilhelm Marpurg,

Historisch-kritische Beyträge

zur Aufnahme der Musik, Band 1,

3. Stück, im Verlag Joh. Jacob Schutzens, 1754

Faksimile: Bayerische Staatsbibliothek

 

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Herrn Johann Joachim Quantzens

Lebenslauf, von ihm selbst entworfen.

 

Ich bin im Hanöverischen Gebiete, in dem zwischen Göttingen und Münden gelegenen Dorfe Oberscheden, am 30. Januar. des 1697. Jahres, Abends zwischen 6 und 7 Uhren gebohren, und hierauf Evangelisch-Lutherisch getauft und erzogen worden.

Mein Vater war Andreas Quantz, Hufschmidt im gedachten Dorfe. Meine Mutter hieß Anna Ilse Bürmannin. Sie starb im [198] Jahre 1702. und mein Vater verheirathete sich wieder. Doch im Jahre 1707, den Tag vor Ostern, starb er selbst, im 48. Jahre seines Alters.

Er hatte mich schon, von meinem neunten Jahre an, zum Schmiedehandwercke angehalten: auch noch auf seinem Sterbebette erklärte er, daß ich bey dieser Lebensart bleiben solte. Allein die ewige Vorsehung, welche alles besser einzurichten weis, als es die Sterblichen ansgedacht zu haben glauben, zeigte mir bald einen andern Weg zu meinem künftigen Glücke.

So bald mein Vater gestorben war; erboten sich zween seiner Brüder, deren einer ein Schneider, der andere aber Hof- und Stadtmusikus in Merseburg war, mich zu sich zu nehmen, und mich ihre Profession zu lehren: wobey sie mir die Wahl ließen, welche von beyden ich ergreifen wolte. Meines Vaters Schwester war an einen Prediger zu Lautereck in der Pfalz verheirathet.

Dieser wolte gleichfals für meine Erziehung sorgen, und mich studiren lassen. Allein weil ich schon von meinem achten Jahre an, meinen ältesten Bruder, der bisweilen bey den Freudenfesten der Bauern die Stelle eines Dorfmusikanten vertrat, bey diesen Gelegenheiten, mit der deutschen Baßgeige, doch ohne eine Note zu kennen, hatte begleiten müssen; so hatte diese Musik, so schlecht sie auch war, dennoch sich meiner [199] Neigungen dergestalt bemeistert, daß ich nichts anders als ein Musikus werden wolte.

Ich begab mich also im August des 1708. Jahres nach Merseburg, zu dem obgemeldeten Stadtmusikus Justus Quantz, in die Lehre. Allein nach drey Monaten starb auch dieser. Seinen Dienst erhielt sein nachheriger Tochtermann, Johann Adolf Fleischhack. Bey diesem nun, bin ich fünf und ein viertel Jahr als Lehrbursche, und zwey und ein viertel Jahr als Geselle in Condition gestanden. Er war, nach damaligen Zeiten betrachtet, eben kein schlechter Musikus; besonders auf der Violine. Er mochte aber lieber seiner Bequemlichkeit abwarten, als den Lehrlingen den gehörigen Unterricht in der Musik ertheilen. Die Gesellen waren größtentheils eben so gesinnet. Folglich war da keine andere Unterweisung zu holen, als die, welche ein Lehrling dem andern, so gut er konte, gab. Ich würde, bey diesen Umständen, gewiß in der Musik eben so weit zurück geblieben seyn, als meine Cameraden; wenn nicht die brennende Liebe zu dieser Wissenschaft, welche der Schöpfer, nebst einem guten Naturell, in mich geleget hatte, mich zu eigenem Fleiße angetrieben, und mir auch die beschwerlichsten Bemühungen, in Erlernung der Tonkunst, zum Vergnügen gemacht hätte. Das erste Instrument, welches ich erlernen mußte, war die Violine; zu welcher ich auch die größte Lust und Geschicklichkeit zu haben [200] schien. Hierauf folgte der Hoboe, und die Trompete. Mit diesen drey Instrumenten - habe ich mich in meinen Lehrjahren, am meisten beschäftiget. Mit den übrigen Instrumenten, als Zincke, Posaunen, Waldhorn, Flöte a bec, Fagott, deutsche Baßgeige, Violoncell, Viola da Gamba, und wer weis wie vielerley noch mehr, auf welchen allen ein rechter Kunstpfeifer muß spielen können, blieb ich auch nicht verschonet. Es ist wahr, daß man wegen der Menge so verschiedener Instrumente, welche man unter die Hände bekömmt, auf jedem insbesondere ein Stümper bleibt. Indessen bringt man sich dadurch diejenige Kenntniß ihrer Eigenschaften zuwege, welche den Componisten, besonders solchen, die sich mit Kirchenmusiken beschäftigen, nöthig, ja fast unentbehrlich ist.

Auf dem Claviere, dessen Ausübung zu meiner damaligen Lebensart nicht erfodert wurde, nahm ich, aus eigener Begierde, von dem Organisten Kiesewetter, meinem Verwandten, einigen Unterricht: wodurch ich den ersten Grund zur Kenntniß der Harmonie legte, und vielleicht die erste Lust zur Erlernung der Composition bekam.

Mein Lehrherr hatte nicht den Fehler seiner meisten Kunstgenossen, welche sich in das Steife und Ungeschmackte des Alterthums verlieben, und das was neu und gut ist, wenn sie es selbst auszuführen nicht im Stande sind, verwerfen [201] und verachten. Er wußte gute musikalische Stücke zu wählen, und bemühete sich, die besten Sachen, die damals ans Licht traten, anzuschaffen. Besonders erhielt er deren viel aus Leipzig, von den berühmten Männern, Telemann, Melchior Hofmann, Heinchen, und andern. Dieses schaffte mir damals einen Vortheil, woraus ich noch in spätern Jahren viel Nutzen gezogen habe.

Die Herzogliche Capelle in Merseburg war damals noch nicht sonderlich zahlreich. Wir mußten also bey Hof, sowol in der Kirche, als bey der Tafel, die Musik verstärken. Dieses diente mir zu einer nicht geringen Aufmunterung: zumal da sich öfters fremde Tonkünstler, von andern Höfen, daselbst hören ließen. Zur Composition fieng sich itzo eine große Lust bei mir zu regen an. Ich versuchete auch öfters einige Kleinigkeiten, als Bicinien für Trompeten, Märsche, Menuetten, und andere Tänze, zu setzen. Etwas größers aber, trauete ich mir, ohne Anweisung, welche ich damals nicht haben konnte, noch nicht zu unternehmen.

Die Violine blieb indessen immer mein Hauptinstrument. Was mir an der Anweisung abgieng, mußte mein eigener Fleiß ersetzen. Die Solos von Biber, Walter, Albicastro studierte ich fleißig, bis ich die von Corelli und Telemann bekam, welche mich noch zu größerm Fleiße anreizeten; so, daß ich es endlich soweit brachte, daß ich, als ich im Jahre 1713. im [202] December losgesprochen wurde, einige davon zur Probe spielen konte. Mein Lehrherr erließ mir - drey viertel Jahre an der Lehre, doch mit dem Bedinge, daß ich ihm noch ein Jahr für das halbe Gesellengeld dienen solte.

Dresden, oder Berlin waren die Oerter, wo ich mit der Zeit meinen Aufenthalt zu finden wünschete: weil ich da viel mehr Schönes von Musik hören, und viel mehr lernen zu können glaubte, als in Merseburg.

Eine im Junius des 1714. Jahres eingefallene drei monatliche Trauer, wegen Absterbens des Prinzen Friedrich, Bruders des regierenden Herzogs, gab mir bald Gelegenheit, Hand an die Ausführung meines Vorhabens anzulegen. Ich reisete von einer Stadt zur andern; bis nach Dresden, in der Hofnung, mich daselbst bekannt zu machen. Ich erreichte aber damals meinen Entzweck noch nicht; sondern mußte weiter gehen. Ich kam über Bischofswerde nach Radeberg, wo es eben an einem Gesellen fehlte. Theils um nicht in dem heißen Wetter zu reisen, theils weil ich mein Verlangen, mich in Dresden, wovon dieser Ort nur zwo Meilen entfernet ist, bekannt zu machen, noch nicht hatte fahren lassen, nahm ich, auf so lange, bis die Merseburgische Trauer geendiget seyn würde, bey dem dasigen Stadtmusikus Knoll, Condition an. Allein, ein für meinen Herrn sowohl, als für das gantze Städtchen sehr kläglicher Zufall, trennete uns bald [203] wieder wieder voneinander. Eines der erschrecklichsten Donnerwetter, die ich jemahls gehört habe, welches gleich am ersten Bußtage, der nach Johannis einfiel, Abends gegen 8 Uhr entstand, steckte durch zwey grausame Schläge, welche an drey verschiedenen Oertern zündeten, in wenigen Minuten das gantze Städtchen in Braud und verwandelte es in Zeit von 4 Stunden mit Kirche, Rathhaus, Schule, einem Priesterhause und noch 20 Häusern in der Vorstadt in einen Aschenhaufen. Das Feuer wütete so heftig, daß, wer sich nicht bey Zeiten zur Stadt hinaus begeben hatte, endlich, weil es an allen Ecken brannte, nicht mehr aus den Thoren kommen konnte, sondern seine Zuflucht auf dem im vollen Feuer stehenden Marckt nehmen mußte. Ich war einer von diesen. Die Kirche, welche gantz frey stund, wurde durch eine brennende Speckseite die sich im Fliegen an der Spitze des Thurmes anhing, in Brand gesteckt. Des folgenden Tages war weder Essen noch Trinken, auch nicht einmal Wasser zu bekommen. Zwanzig und etliche Brodte, und zwey Fässer Bier, die ein mitleidiger Förster vom Lande herein schickte, mußten diesen Tag alle Einwohner, kümmerlich genug, sättigen. Der Oberpfarrer des Orts, D. Richter, hatte an dem Tage da das Unglück geschahe, des Morgens seine scharfe Strafpredigt, in welcher er die Stadt mit Sodom und Gomorrha verglichen, mit diesen Worten beschlossen: „Ihr [204] werdet es erfahren: GOtt wird mit Donner und Blitz drein schlagen! Amen!“ und dadurch, wie auch durch den starcken Schlag, den er dabey im Eifer auf die Kantzel that, [hatte er] schon im voraus die Zuhörer, und mich unter denselben, mit Grausen erfüllet. Noch merckwürdiger schien dabey zu seyn, daß eben dieses Oberpfarrers Haus in diesem Brande unversehrt stehen blieb, ob es gleich eben sowohl als das andere Priesterhaus, und die Schule, welche mit abbrannten, der Gefahr der Flammen ausgesetzet war. Die einfältigsten unter den Bürgern hatten deswegen große Lust, ihm die Schuld dieses Brandes zu geben, und hätten den alten ehrlichen Mann beynahe für einen Wettermacher und Hexenmeister erkläret.

Bey diesen Umständen war für mich der beste Rath weiter zu reisen. Ich gieng, auf Zureden des armen abgebrannten Stadtmusikus Knolls, nach Pirna zu dem Stadtmusikus Schalle, bei dem ein Geselle kranck worden war, auf die Zeit die ich noch übrig hatte, in Condition. Dieses war eigentlich, wie ich aus der Folge ersehen habe, der von der Vorsehung mir bestimmte Weg, nicht nur meinen Wunsch, in Dresden bekannt zu werden, zu erfüllen, sondern auch dadurch mein künftiges Glück zu befördern. Denn wenn der Stadtmusikus Heine in Dresden, wie öfters geschahe, mehr Hochzeiten mit Musik zu versehen hatte, als er mit seinen Leuten bestreiten konnte; [205] pflegte er von den benachbarten Städten die benöthigten Gesellen zu verschreiben: bey welchen Gelegenheiten denn mich die Reihe öfters traf. Hierdurch wurde ich mit ihm bekannt, und das war meine erste Bekanntschaft in Dresden.

In Pirna bekam ich zu dieser Zeit die Vivaldischen Violinenconcerte zum erstenmale zu sehen, Sie machten, als eine damals gantz neue Art von musikalischen Stücken, bey mir einen nicht geringen Eindruck. Ich unterließ nicht, mir davon einen ziemlichen Vorrath zu sammeln. Die prächtigen Ritornelle des Vivaldi, haben mir, in den künftigen Zeiten, zu einem guten Muster gedienet.

Im September dieses Jahres rufte mich mein gewesener Lehrherr in Merseburg, bei geendigter Trauer, wieder zurück. Ich begab mich wieder dahin, um die ihm versprochene Zeit von anderthalb Jahren noch auszuhalten.

Im Jahre 1715 wurde ich als erster Violinist nach Berenburg berufen, und mußte mich, auf dem Lustschloße Friedeburg, vor der Fürstlichen Herrschaft hören lassen. Die Bedingungen, die man mir wegen meines künftigen Gehalts machte, waren vorheilhafter, als ich zu der Zeit verlangen konnte. Weil ich aber meine Absicht, in der Musik etwas mehrers zu erlernen, an einem Orte nicht erreichen zu können glaubte , wo ich unter Schlechten der beste seyn solte; so lehnte ich dieses [206] Anerbieten von mir ab, um eine vortheilhaftere Gelegenheit abzuwarten.

Kurtz darauf solte ich an einen andern Fürstlichen Hof, als Hoboist in Dienste kommen: und endlich wollte mich auch der Herzog Moritz zu Merseburg, der große Kunstpfeifer-Patron, aus besondern Gnaden, als Trompeter lernen lassen. Dieses verbat ich; und jenes wartete ich nicht ab: denn der Stadtmusikus Heine in Dresden trug mir zu eben der Zeit seine Dienste an. Diese zog ich den andern sogleich mit Freuden vor; in der Hoffnung, meinem Endzwecke näher zu kommen: welches denn auch geschehen ist.

Im März des 1716 Jahres, begab ich mich also nach Dresden. Hier wurde ich bald gewahr, daß das bloße Treffen der Noten, so wie sie der Componist hingeschrieben hat, noch lange nicht der größte Vorzug eines Tonkünstlers sey.

Das königliche Orchester war zu der Zeit schon in besonderm Flor. Durch die, von dem damaligen Concertmeister Volümier eingeführte französische egale Art des Vortrags, unterschied es sich bereits von vielen andern Orchestern: so wie es nachgehends, unter der Anführung des folgenden Concertmeisters Herrn Pisendel, durch. Einführung eines vermischten Geschmacks, immer nach und nach zu solcher Feinigkeit der Ausführung gebracht worden; daß ich auf allen meinen künftigen. Reisen, kein bessers gehört habe. [207] Es prangete damals mit verschiedenen berühmten Instrumentalisten, als: Pisendeln und Verracini auf der Violine; Pantaleon Hebenstreiten auf dem Pantalon; Sylvius Leopold Weißen auf der Laute und Theorbe; Richtern auf dem Hoboe; Buffardin auf der Flöte traversiere; der guten Violoncellisten, Fagottisten, Waldhornisten, und Contraviolonisten, zu geschweigen.

Ich wurde, bey Anhörung dieser berühmten Leute, in große Verwunderung gesetzet; und mein Eifer, in der Musik weiter nachzuforschen, verdoppelte sich. Ich suchte mich in den Stand zu setzen, mit der Zeit auch ein leidliches Mitglied einer so hervorragenden Gesellschaft abgeben zu können. Denn ob ich gleich sonst sehr von der Kunstpfeifer-Lebensart eingenommen war; so machte doch das beschwerliche Tanzspielen, welches der feinern Ausführung so hinderlich ist, daß ich mich nach einer Auflösung davon sehnete. Indessen hielt ich doch noch zwey Jahre dabey aus.

Im Jahr 1717 verstarb die Frau Mutter des Königs Augustus des II. Die Trauer darüber verursachete ein dreymonatliches Stillschweigen der Musik. Während dieser Zeit that ich eine Reise, durch Nieder- und Oberschlesien, Mähren und Oesterreich nach Wien; und kehrete im October dieses Jahres, über Prag wieder nach Dresden zurück. [208]

Bey dem damals eingefallenen Jubelfeste, über die Kirchen-Reformation, traf sichs unter andern, daß ich in der Kirche etwas concertirendes auf der Trompete blasen mußte. Dieses hatte der damalige Capellmeister Schmidt mit angehöret. Er that mir darauf den Vorschlag, es, wenn ich Lust hätte, dahin zu bringen, daß mich der König, nach Trompeter Gebrauch, auslernen ließe; und daß ich darauf in königliche Dienste, als Hoftrompeter, aufgenommen werden solte. Es fehlete damals, wie an vielen andern Orten, an musikalischen Trompetern. Ich verbat aber diese seine gütige Vorsorge: weil mir wohl bekannt war, daß auf diesem Instrumente, der gute Geschmack, welcher mir damals hauptsächlich fehlete, nicht zu bilden ist.

Im März des 1718. Jahres, wurde die sogenannte Polnische Capelle, welche aus 12 Personen bestehen solte, aufgerichtet. Da nun schon 11 Mitglieder angenommen waren, und es noch an einem Hoboespieler mangelte, wurde ich dazu in Vorschlag gebracht; und nach abgelegter Probe vor dem Director derselben, Baron von Seyfertiz, in Dienste genommen. Das jährliche Gehalt war 150 Thaler, und frey Quartier in Polen. Mehr bekamen die andern auch nicht. Ich reisete im Sommer 1718 mit dieser Capelle nach Polen, und kam im folgenden Frühjahre wieder nach Dresden zurück. [209]

Hier fieng sich nun ein neuer Zeitpunct, so wohl in Ansehung meiner bisherigen Lebensart, als auch meines Hauptwercks, an. Die Violine, welche bisher mein vornehmstes Instrument gewesen war, solte ich nun mit dem Hoboe vertauschen. Auf beyden Instrumenten aber, wurde ich, durch meine Cameraden, welche länger in Diensten waren, gehindert, mich hervor zu thun; welches mir doch sehr am Herzen lag. Der Verdruß hierüber veranlassete mich, die Flöte traversiere, worauf ich mich bishero für mich selbst geübet hatte, mit Ernst zur Hand zu nehmen: weil ich hierauf, unter der Gesellschaft wo ich war, eben keinen sonderlichen Widerstand zu befürchten hatte: um so viel mehr, da der bisherige Flötenist Friese, dessen größte Neigung eben nicht auf die Musik gieng, mir den ersten Platz bey diesem Instrumente freywillig abtrat. Ich bediente mich, etwan vier Monate lang, der Unterweisung des berühmten Flötenspielers Buffardin; um die rechte Eigenschaften dieses Instruments kennen zu lernen. Wir spielten nichts als geschwinde Sachen: denn hierinn bestund die Stärcke meines Meisters.

Diese neue Beschäftigung zog auch nach sich, daß ich anfieng, mit mehrerm Eifer auf die Composition bedacht zu seyn. Damals hatte man noch nicht viel Stücke, die eigentlich für die Flöte gesetzet waren. Man behalf sich größtentheils [210] mit Hoboen- und Violinenstücken, welche, sich ein jeder selbst, so gut er konnte, brauchbar machte. Ich setzte unterschiedene Flöten-Sachen, und ließ dieselben von einem und andern verbessern; allein einer förmlichen Unterweisung, in den Grundsätzen der Composition, konnte ich damals noch nicht genießen. Der Capellmeister Schmidt versprach mir zwar, mich den Contrapunct zu lehren: allein er zögerte von einer Zeit zur andern; bis endlich gar nichts daraus wurde. Den Capellmeister Heinchen, getrauete ich mir nicht, darum anzusprechen: um den vorigen nicht dadurch zu beleidigen; zumahl, da sie eben nicht die besten Freunde waren. Indessen studierte ich, in Erwartung einer bequemern Gelegenheit, die Partituren gründlicher Meister fleißig durch, und suchte ihrer Setzart, in Trios und Concerten nachzuahmen, doch ohne auszuschreiben. Ich versuchte auch Fugen zu machen; weil ich an dieser Art von Musik immer ein groß Vergnügen fand: zumal da ich vormals in Wien, von dem künstlichen Kirchencomponisten Zelenka, der damals unter Fuxen studierte, einen ziemlichen Begriff von den Gesetzen des Contrapuncts in der Octave erlanget hatte.

Hierbey hatte ich das Glück, mit dem, in der Musik tief einsehenden, großen Virtuosen auf der Violine, und nach Volümiers Absterben königlichen Concertmeister, Herrn Pisendel, in Bekanntschaft zu gerathen: welche Bekanntschaft [211] sich nach und nach in eine vertrauliche Freundschaft von beyden Seiten verwandelte, die zu meinem Vergnügen, bis in die itzige Zeit, unverbrüchlich fortdauert. Von diesem eben so großen Violinisten, als würdigen Concertmeister, und eben so braven Tonkünstler, als rechtschaffenen Manne, habe ich nicht nur das Adagio, welches er auf eine ausnehmend rührende Art spielte, vorzutragen erlernet; sondern ich habe auch in dem, was das Ausnehmen der Sätze, und die Aufführung der Musik überhaupt be- trifft, von ihm das meiste profitiret. Ich wurde von ihm aufgemuntert, ein mehrers in der Setzkunst zu wagen. Sein Geschmack war damals schon eine Vermischung des italienischen mit dem französischen: weil er beyde Länder, schon als ein Mann von reifer Beurtheilungskraft durchgereiset hatte. In seiner zarten Jugend hatte er in Anspach, unter dem vortrefflichen Sänger und Sangmeister Franc. Antonio Pistocchi, als Capellknabe gesungen; und also, den besten Grund zum guten Geschmacke zu legen, Gelegenheit gehabt. Vom Torelli aber hatte er eben daselbst die Violine erlernt. Sein Beyspiel hat so tief bey mir Wurzel gefasset, daß ich nachher beständig den vermischten Geschmack in der Musik dem National-Geschmacke vorgezogen habe. Der Aufmercksamkeit, die ich jederzeit auf gute Sänger gewendet, habe ich gleichfalls in dem, was den Geschmacke anbetrifft, nicht wenig zu danken. [212]

Im Jahre 1719. bei Gelegenheit des damaligen Churprinzlichen Beylagers, wurden verschiedene italienische Opern, ein Schäferspiel, zwo Serenaten, und ein französisch Divertissement aufgeführt. Die Acteurs dieses letztern, im Singen und Tanzen, bestanden aus lauter Damen und Cavalieren. Zu der Musik desselben gab sich der Capellmeister Schmidt als Verfasser an. Zu den italienischen Opern waren die berühmtesten Sänger und Sängerinnen, die man nur hatte bekommen können, aus Italien verschrieben worden. Die Musik der beyden Opern: gli odj delusi dal Sangue, und Teofane, und des Schäferspiels, war von dem ausdrücklich dazu verschriebenen Capellmeister Lotti, das übrige von Heinchen.

Dieses waren nun die ersten Opern, die ich in meinem Leben gehöret hatte. Sie setzten mich nicht nur in große Verwunderung; sondern sie machten mir auch Begriffe von dem damals unvermischten, aber dabey vernünftigen, italienischen Geschmacke, wovon sich die itzigen Wälschen, meines Erachtens, nach und nach zu sehr entfernet haben. Die merkwürdigsten Sänger, welche ich in diesen Opern zu hören bekam, waren: Francesco Bernardi, Senesino genannt, Matteo Berselli, die Santa Stella Lotti, Ehegenossin des obengenannten Capellmeisters Lotti, die Vittoria Tesi, die Durestanti, und die Frau Hesse, eine Deutsche, und Gemahlin des berühmten Violdagambisten [213] dieses Namens, itzigen Landgräflichen Darmstädtischen Kriegsraths.

Senesino hatte eine durchdringende, helle, egale, und angenehme tiefe Sopranstimme, (mezzo Soprano) eine reine Intonation, und schönen Trillo. In der Höhe überstieg er selten das zweygestrichene f. Seine Art zu singen war meisterhaft, und fein Vortrag vollständig. Das Adagio überhäufte er eben nicht zu viel mit willkührlichen Auszierungen: Dagegen brachte er die wesentlichen Manieren mit der größten Feinigkeit heraus. Das Allegro sang er mit vielen Feuer, und wußte er die laufenden Passagien, mit der Brust, in einer ziemlichen Geschwindigkeit, auf eine angenehme Art heraus zu stoßen. Seine Gestalt war für das Theater sehr vortheilhaft, und die Action natürlich. Die Rolle eines Helden kleidete ihn besser, als die von einem Liebhaber.

Berselli hatte eine angenehme, doch etwas dünne, hohe Sopranstimme, deren Umfang sich vom eingestrichenen c, bis ins dreygestrichene f, mit der größten Leichtigkeit erstreckte. Hierdurch setzte er die Zuhörer mehr in Verwunderung, als durch die Kunst des Singens. Im Adagio zeigte er wenig Affect, und im Allegro ließ er sich nicht viel in Passagien ein. Seine Gestalt war nicht widrig, die Action aber auch nicht feurig.

Die Lotti hatte eine völlige starcke Sopranstimme, gute Intonation, und guten Trillo. Die [214] hohen Töne machten ihr einige Mühe, Das Adagio war ihre Stärke. Das sogenannte Tempo rubato habe ich von ihr zum erstenmale gehöret. Sie machte auf der Schaubühne eine sehr gute Figur, und ihre Action war besonders in erhabenen Charakteren unverbesserlich.

Von der Tesi werde ich weiter unten etwas gedencken.

Nach dem Beylager componierte Heinchen noch eine Oper, welche nach der Zurückkunft des Königs aus Pohlen aufgeführet werden solte. Bey der Probe aber, die auf dem königlichen Schlosse, in Gegenwart des Musikdirectors Baron von Mortax gehalten wurde, machten die beyden Sänger, Senesino und Berselli einen ungeschliffenen Virtuosen-Streich. Sie zankten sich mit dem Capellmeister Heinchen über eine Arie, wo sie ihm, einem Manne von Gelehrsamkeit, der sieben Jahre sich in Wälschland aufgehalten hatte, Schuld gaben, daß er wider die Worte einen Fehler begangen hätte. Senesino, welcher seine Absichten schon nach England gerichtet haben mochte, zerriß die Rolle des Berselli, und warf sie dem Capellmeister vor die Füße. Dieses wurde nach Pohlen an den Kömig berichtet. Inzwischen hatte zwar der damalige Graf von Wackerbart, der sonst ein großer Gönner der Wälschen war, den Capellmeister und die Castraten zu des Capellmeisters völliger Genugthuung, in Gegenwart einiger der vornehmsten vom königlichen Orchester, als Lotti, [215] Schmidt, Pisendel, Weiß, u. s. w. wieder miteinander verglichen. Es kam aber ein königlicher Befehl zurück, daß alle wälschen Sänger abgedancket seyn solten. Hiermit hatten die Opern für diesmal ein Ende.

Ich gieng fast alle Jahre mit der Capelle, worunter ich mich befand, nach Pohlen, und wieder zurück. Im Jahre 1722. wurde unsere Besoldung auf 216 Thaler gesetzet. Diesesmal mußten wir in Pohlen zurück bleiben. Inzwischen hatten einige hohe Patronen von mir, absonderlich der Cron-Schwerdträger, Fürst Lubomirsky, und der Cron-Referendarius, Abt Roseroschewsky, den König, ohne mein Wissen gebeten, mich nach Italien zu schicken. Der König hatte darein gewilliget, und ich säumte nicht, mich auf die erste erhaltene Nachricht davon, sogleich nach Sachsen zu begeben. Allein bey meiner Ankunft in Dresden hörte ich, daß der Oberküchenmeister, und Director der Pohlnischen Capelle, Baron von Seyfertitz, der doch schon von der Zeit an, da er mich in königliche Dienste genommen hatte, mein größter Gönner war, und es auch bis an sein Ende geblieben ist, dem Könige vorgestellt hätte, daß es, vielleicht wegen meiner Jugend, noch zu zeitig wäre, mich nach Wälchland zu schicken: und daß hierauf auch die königliche Entschließung, wegen dieser Reise aufgeschoben wäre. Dieses konnte bey mir nun nicht anders als den größten Verdruß erwecken: weil ich glaubte, er hätte mich hierdurch [216] um mein zeitliches Glück gebracht. Er versicherte mich aber, daß, wenn es Zeit seyn würde, er selbst dafür mit allen Kräften sorgen wolte. Nach der Zeit habe ich einsehen lernen, daß er damals vollkommen Recht hatte.

Inzwischen reisete ich im Julius des 1723. Jahres, in Gesellschaft des berühmten Lautenisten Weiß, und des itzigen königlichen Preußischen Capellmeisters, Herrn Graun, nach Prag, um die große und prächtige Oper, welche bey der Krönung Kayser Carls des Sechsten, daselbst unter freyem Himmel, durch 100. Sänger und 200 Instrumentisten aufgeführt wurde, mitanzuhören. Sie hieß: Costanza e Fortezza. Die Composition war von dem Kayserl. Ober-Capellmeister, dem alten berühmten Fux. Sie war mehr kirchenmäßig als theatralisch eingerichtet; dabey aber sehr prächtig. Das Concertiren und Binden der Violinen gegen einander, welches in den Ritornellen vorkam, ob es gleich größtentheils aus Sätzen bestand, die auf dem Papiere öfters steif und trocken genug aussehen mochten, that dennoch hier, im Großen, und bey so zahlreicher Besetzung, eine sehr gute, ja viel bessere Wirkung, als ein galanterer, und mit vielen kleinen Figuren, und geschwinden Noten gezierter Gesang, in diesem Falle, gethan haben würde. Denn nicht zu gedenken, daß ein galanterer Gesang der Instrumente, welcher an einem kleinern Orte, und bei mäßiger Besetzung, sich allezeit besser ausnimmt, von so vielen [217] Personen, welche zumal nicht zusammen zu spielen gewohnt sind, unmöglich mit der gehörigen Gleichheit ausgeführet werden kann: so verhindert auch die Weitläufigkeit des Ortes, bey der Ausführung vieler kleiner, und aus geschwinden Noten bestehender Figuren, die Deutlichkeit derselben. Ich bin von dieser Wahrheit, bey vielen Gelegenheiten, auch in Dresden, überzeuget worden: wo die sonst ziemlich trockenen Ouvertüren des Lully, wenn sie vom gantzen Orchester aufgeführet wurden, allezeit bessere Wirkung thaten, als die viel gefälligern und galantern Ouvertüren, einiger anderer berühmter Componisten; welche im Gegentheil, in der Kammer, unstreitig, vor jenen einen ungleich größern Vorzug behielten.

Die vielen Chöre in der Prager Oper, dieneten, nach französischer Art, zugleich zu Balletten. Die Scenen waren alle durchscheinend erleuchtet.

Wegen Menge der Ausführer gab der kayserliche Capellmeister Caldara den Tact. Der alte Fux selbst aber, welchen, weil er mit dem Pedagra beschweret war, der Kayser in einer Sänfte von Wien nach Prag hatte tragen lassen, hatte das Vergnügen, diese so ungewöhnlich prächtige Aufführung einer Arbeit, ohnweit des Kaysers, sitzend anzuhören.

Unter den Haupt- oder concertierenden Sängern und Sängerinnen, war kein einziger mittelmäßig, sie waren alle gut. Die Sängerinnen waren die beyden Schwestern Ambreville, [218] Italienerinnen, deren eine nachher an den Violoncellisten Peroni, die andere an den Sänger Borosini verheyrathet worden. Die Sänger, waren, der berühmte Gaetano Orsini; Domenico; Giov: Carestini; Pietro Gassati, ein großer Acteur; Borosini ein lebhafter Tenorist, und auch geschickter Acteur; und Braun, ein Deutscher, und angenehmer Baritonist, welcher besonders das Adagio so rührend ausführete, als man irgend von einem braven Contraltisten hätte erwarten können.

Gaetano Orsini, einer der größten Sänger, die jemals gewesen, hatte eine schöne, egale, und rührende Contraltstimme, von einem nicht geringen Umfange ; eine reine Intonation, schönen Trillo, und ungemein reizenden Vortrag. In Allegro articulierte er die Passagien, besonders die Triolen, mit der Brust, sehr schön; und im Adagio wußte er, auf eine meisterhafte Art, das Schmeichelnde und Rührende so anzuwenden, daß er sich dadurch der Herzen der Zuhörer, im höchsten Grade bemeisterte. Seine Action war leidlich; und seine Figur hatte nichts widriges. Er ist lange Zeit in Kayserlichen Diensten gestanden, und erst vor wenigen Jahren, in einem hohen Alter, wobey er seine schöne Stimme noch immer, so viel als möglich, erhalten hatte, gestorben.

Domenico hatte eine der schönsten Sopranstimmen, die ich jemals gehöret habe. Sie war völlig, durchdringend, und rein intoniret: Im [219] übrigen aber sang und agirte er eben nicht mit sonderlicher Lebhaftigkeit.

Carestini wird weiter unten vorkommen.

Alle diese Sänger stunden in wirklichen kayserlichen Diensten. Von dem wienerischen Orchester aber waren nur etliche zwanzig Personen mitgebracht worden. Die übrigen Instrumentisten wurden in Prag zusammen gesuchet, und bestunden aus Studenten, aus den Mitgliedern einiger gräflichen Capellen, und aus fremden Musicis. Der Anführer des Orchesters war der kayserliche Concertmeister Piani. Der berühmte Francesco Conti,  1) ein erfindungsreicher [220] und feuriger, obgleich manchmal etwas bizarrer Componist, für die Kirche sowohl als für das ernsthafte und komische Theater, dabei einer der größten Theorbisten, die jemals gewesen sind, spielte die erste Theorbe. Die Chöre waren mit Schülern und Kirchensängern aus der Stadt besetzt. Weil nun wegen Menge der anwesenden Menschen, vielen, auch so gar Personen von vornehmen Stande, der Eingang in die Oper versperret war; so ließen meine beyden Gefährten, und ich, uns auch mit zum Orchester anwerben. Weiß spielte die Theorbe, Graun den Violoncell, und ich den Hoboe, als Ripienisten. Wir hatten hierdurch zugleich Gelegenheit, die Oper, wegen der vielen nöthigen Proben, desto öfter zu hören.

Bey diesem Aufenthalte in Prag, hörte ich auch den Grafen von Hartig, einen großen Meister auf dem Claviere, die Frau von Mestel, [221] eine der geschicktesten Lautenspielerinnen, und den, damals bey dem Grafen von Kinsky in Diensten stehenden, berühmten welschen Violinisten, Tartini. Dieser letztere war in der That einer der größten Violinspieler. Er brachte einen schönen Ton aus dem Instrumente. Finger und Bogen hatte er in gleicher Gewalt. Die größten Schwierigkeiten führete er, ohne sonderliche Mühe, sehr rein aus. Die Triller, sogar die Doppeltriller, schlug er mit allen Fingern gleich gut. Er mischte, sowohl in geschwinden als langsamen Stücken, viele Doppelgriffe mit unter; und spielete gern in der äußersten Höhe. Allein sein Vortrag war nicht rührend, und sein Geschmack nicht edel, vielmehr der guten Singart gantz entgegen. Locatelli und Piantanita hatten viel ähnliches mit diesem weltberühmten Violinisten.

Nach geendigter Oper reiseten wir wieder nach Dresden zurück. Zu dieser Zeit verlangte mich der Bischof von Würzburg, ein Graf von Schönborn, auf Fürsprache eines meiner Freunde, zu hören. Ich reisete im Oktober dieses Jahres nach Würzburg, und hatte die Ehre, vor dem Bischof, in Beyseyn seines Vatersbruders, des damaligen Churfürsten von Mainz, mich auf der Flöte hören zu lassen. Die, unter vortheilhaften Bedingungen, mir angetragenen Dienste dieses gnädigen Fürsten aber, fand ich rathsam zu verbitten. Die bischöfliche Capelle bestand damals, nebst verschiedenen Sängern [222] und Sängerinnen, aus etlichen dreyßig Personen , worunter geschickte Leute waren. Capellmeister war Chelleri, und Concertmeister war Vogler, ein nicht unbekannter Violinist.

Zu Ende dieses Jahres mußte ich wieder nach Polen reisen.

Im Jahre 1724. wurde der General Graf von Lagnasco, ein Piemonteser von Geburth, eine Gräfin von Waldstein, eine Kennerin der Musik, und eine Patronin von mir war, als gevollmächtigter Minister von Pohlen an den römischen Hof abgeschickt. Diese Gelegenheit dauchte mir endlich die rechte zu seyn, um meinen Endzweck, Italien zu sehen, zu erreichen. Der Fürst Lubomirsky machte nicht nur, daß mich der Graf von Lagnasco nehmen wolte; sondern er brachte mir auch, durch seinen Schwiegervater, den Oberkammerherrn Grafen von Vitzthum, die Erlaubniß dazu, von dem Könige zuwege. Wie groß war nicht mein Vergnügen! Ich machte mich gleich reisefertig, und gieng nach Dresden, um den Grafen von Lagnasco daselbst zu erwarten, Am 23 May dieses Jahres reiseten wir von Dresden ab; und kamen über Augsburg, Inspruck, Mantua, Modena, Bologna, Loreto, Ancona, u. s. w. am 11. Julius in Rom an. Ich that also diese Reise nicht nur ohne meine Unkosten, sondern ich hatte auch über dieses, Zeit meines Aufenthalts in Rom, bey dem Grafen von Lagnasco freye Tafel und Quartier. [223]

Ich war gleich begierig Musiken zu hören; welches ich auch wegen der Menge der Kirchen und Klöster, deren ich, so viel als möglich war, - besuchte, leicht erlangen konte. Das neueste, was mir zu Ohren kam, war, der mir noch ganz unbekannte sogenannte Lombardische Geschmack, welchen kurz vorher Vivaldi durch eine seiner Opern in Rom eingeführet, und die Einwohner dergestalt dadurch eingenommen hatte, daß sie fast nichts hören mochten, was diesem Geschmacke nicht ähnlich war. Indessen kostete es mir doch Anfangs Mühe, daran Gefallen zu finden, und mich daran zu gewöhnen; bis ich endlich auch für rathsam hielt, die Mode mitzumachen. Ausser diesem schien mir der Geschmack fast noch eben derselbe zu seyn, den ich vor wenigen Jahren, nemlich im Jahre 1719 zu Dresden, und 1723 zu Prag, in guten italienischen Opern, welche von guten italienischen Sängern aufgeführet wurden, bemerket hatte.

Das viele Herumlaufen, aus einer Kirche in die andere, durch welches ich, weil es eben die größte Hitze war, mein Geblüt sehr in Wallung gebracht hatte; und eine unvorsichtige Erkältung, die ich dagegen eines Tages zum Mittel zu gebrauchen gesuchet hatte, machten, daß ich nicht lange nach meiner Ankunft in Rom, in ein heftiges Fieber verfiel.

Nachdem ich davon wieder hergestellet war, untergab ich mich der Unterweisung des berühmten Francesco Gasparini, eines zwey und siebenzigjährigen, [224] leutseeligen und ehrlichen Mannes, welcher nicht nur ein gelehrter Contrapunctist, sondern auch zugleich ein angenehmer und klarer Operncomponist seiner Zeiten war. Er unterrichtete mich in den Grundsätzen des Contrapuncts. Weil ich aber schon etwas vom Satze verstund, und es im übrigen an Fleiße nicht fehlen ließ; so brachte ich es in Zeit von 6 Monaten dahin, daß mein Meister nicht für nöthig hielt, mir ferner Lection zu geben, es wäre denn, daß ich mich noch auf die Singcomposition legen wolte: wozu ich aber aus verschiedenen Ursachen nicht Lust hatte. Indessen erbot er sich, alles, was ich noch bei meinem Aufenthalt in Rom componieren würde, ohne Entgeld zu verbessern. Ein seltenes Beyspiel von einem Italiener!

Ich hatte zu gleicher Zeit das Vergnügen, eine neue Ausarbeitung meines Meisters aufführen zu hören. Es war eine Serenata, welche der Cardinal Polignac, bey Gelegenheit der Vermählung des itzigen Königs von Franckreich, in seinem Palaste aufführen ließ. Diese Musik war so lebhaft und gefällig, daß man das hohe Alter ihres Verfassers gar nicht darinn bemerken konte. Damals setzte er auch gewisse Madrigale, welche nicht nur künstlich gearbeitet waren, sondern auch dabei sehr gut ins Gehör fielen. Er ist der Urheber eines Buches: Musico pratico al Cembalo genannt, und unter andern auch einer vierstimmigen, aus lauter Canons bestehenden, und von den Contrapunctisten [225] sehr hoch geschätzeten Messe. Man sagt übrigens noch von ihm, daß er der Erfinder des mit Instrumenten begleiteten Recitativs sey. Auf den venetianischen Theatern allein sind 25 Opern von seiner Arbeit aufgeführet worden.

Nachdem ich mich mit der gekünstelten Augenmusik ziemlich ermüdet hatte; wendete ich mich wieder zur Ohrenmusik, und setzete von neuem, Solo, Trio, und Concerte. Ungeachtet ich nun, durch die Schularbeit einen Vortheil im Satze überhaupt erlanget hatte, welcher mir bey Verfertigung eines Trio und Quatuor sehr gut zu statten kam; so mußte ich doch, um der guten Ausnahme willen, in Solos und Concerten, vieles wieder davon ablegen, um nicht in das Steife und Trockene, welches gemeiniglich mit den künstlichsten Contrapuncten verbunden ist, zu verfallen. Ich nahm mir vor, mein beständiges Augenmerk dahin zu richten, daß ich immer die Notenkunst mit der Natur verbinden, Melodie und Harmonie in einem beständigen Gleichgewichte erhalten, die gute Erfindung und Wahl der Gedanken aber, als das Wesentlichste der Musik ansehen möchte.

Außer dem Gasparini waren noch zween gute Kirchencomponisten in Rom, nemlich Pittoni, päbstlicher Capellmeister, und Bencini. Die Composition des erstern war zwar künstlich, [226] aber bizarr und frech. Des letztern seine hingegen war nicht so künstlich, wohl aber natürlich und gefällig.

Zweene päbstliche Kirchenfänger, nehmlich Pasqualino, ein mit einer schönen Stimme prangender Contraltist, und Chechino ein Sopran, schienen mir vor andern der Aufmerksamkeit würdig. Von Sängerinnen hörete ich hier nichts sonderliches, außer der sogenannten la Cieca, einer blindgebohrnen Tochter einer Hebamme, welche nicht nur eine schöne Contraltstimme hatte, sondern auch mit so guten Geschmacke sang, daß sie viele Virtuosen ihres Geschlechtes übertraf. Unter der Instrumentalmusik waren nur zween, die sich besonders hervor thaten, Montanari ein geschickter Violinist, und Anführer der Musiken, und Giovannini ein starker Violoncellist. Beyde componireten; aber nicht in der größten Stärcke. Mimo Scarlatti, der Sohn des alten neapolitanischen Alessandro Scarlatti, ein galanter Clavierspieler nach damaliger Zeit, welcher in Portugiesischen Diensten stand, nach der Zeit aber in Spanische getreten ist, wo er noch steht, befand sich damals auch in Rom.

Im Jahre 1725. wurden, weil es ein Jubeljahr war, in Rom keine Opern aufgeführt. Ich reiste deswegen am 13. Januar von Rom ab nach Neapolis; wo ich gleich eine Oper zu hören bekam, welche Sarri, fast im Geschmacke des Vinci in Musik gebracht hatte. Der, seinen [227] berühmten Vollkommenheiten damals sich immer mehr nähernde Farinello; die, nachher in England berühmter gewordene Strada, und die Tesi brillirten in dieser Oper: Die übrigen Sänger und Sängerinnen waren mittelmäßig. Die Tesi war von der Natur mit einer männlich starcken Contraltstimme begabet. Im Jahr 1719 zu Dresden sang sie mehrentheils solche Arien, als man für Bassisten zu setzen pfleget. Itzo aber hatte sie, über das Prächtige und Ernsthafte auch eine angenehme Schmeicheley im Singen angenommen. Der Umfang ihrer Stimme war ausserordentlich weitläuftig. Hoch oder tief zu singen, machte ihr beydes keine Mühe. Viele Passagien waren eben nicht ihr Werk. Durch die Action aber die Zuschauer einzunehmen, schien sie gebohren zu sein; absonderlich in Mannsrollen: als welche sie, zu ihrem Vortheile, fast an natürlichsten ausführete.

Der erste Kirchencomponist in Neapolis war der Obercapellmeister und Ritter Alessandro Scarlatti; bei welchem damals eben der itzige Obercapellmeister der Sächsischen Musik, Herr Hasse, den Contrapunct studierte. Die übrigen waren: Mancini, Leo, und Feo. Das Orchester war ziemlich gut. Von hervorragenden Instrumentisten war weiter nichts sonderliches da, als der unvergleichliche Violoncellist Francischello, welcher nachher in kaiserliche Dienße getreten ist. [228]

Herr Hasse nöthigte mich bey ihm zu wohnen: Wir wurden guten Freunde. Er hatte bis dahin noch keine öffentliche Musik in Wälschland aufgeführet. Ein vornehmer neapolitanischer Bankier aber, ließ von ihm eine Serenate für zwo Personen in Musik bringen, welches er auch Zeit meiner Anwesenheit bewerkstelligte. Farinello und die Tesi sungen darinn. Durch diese Serenate erwarb sich Herr Hasse so vielen Beyfall, daß ihm gleich darauf die Musik, der im May dieses Jahres, auf dem königlichen Theater vorzustellenden Oper, zu verfertigen anvertrauet wurde. Und diese Oper hat ihm den Weg zu seinem künftigen Glücke gebahnet.

Ich ersuchte den Herrn Hasse, mich mit seinem Meister, dem alten Scarlatti, bekannt zu machen; wozu er auch gleich bereit war. Allein er bekam zur Antwort: „Mein Sohn, (so pflegete ihn Scarlatti zu nennen) ihr wisset, daß ich die blasenden Instrumentisten nicht leiden kann: denn sie blasen alle falsch.“ Dem ungeachtet ließ Herr Hasse nicht ab, dem Alten so lange anzuliegen, bis er endlich die Erlaubniß bekam, mich hinzuführen. Scarlatti ließ sich vor mir auf dem Clavicymbal hören: welches er auf eine gelehrte Art zu spielen wußte; ob er gleich nicht so viel Fertigkeit der Ausführung besaß, als sein Sohn. Hierauf accompagnirte er mir ein Solo. Ich hatte das Glück, seine Gunst zu gewinnen, so gar, daß er ein Paar Flöten-Solos für mich componirte. Er [229] machte mich in verschiedenen vornehmen Häusern bekannt: und endlich wollte er mich gar, mit einem ansehnlichen Gehalte, in Portugiesische Dienste bringen: welches letztere ich aber auszuschlagen für gut fand. Dieses ist der Scarlatti, dessen Heinchen an verschiedenen Orten seines Generalbasses in der Composition gedenkt. Er war nicht nur einer der größten Contrapunctisten seiner Zeit, sondern auch einer der fruchtbaresten Componisten, die man jemals gehabt hat. Er hat nicht nur eine große Menge Opern verfertiget; sondern man sagte auch von ihm, daß er, ohne die Vesperpsalmen und andere Kirchensachen zu rechnen, allein die Messe zweyhundertmal in Musik gebracht habe. Ja, ein gewisser neapolitanischer Cavalier rühmete sich, daß er 4000 Stück, meistens Solocantaten von seiner Arbeit besäße; zu deren einer großen Anzahl Scarlatti auch die Worte selbst gemacht hatte. Ob ich nun gleich für die genaue Richtigkeit dieser Anzahl nicht stehen kann: so weis ich doch so viel gewiß, daß die Menge seiner gesetzten Stücke sehr groß ist. In Deutschland möchte er aber wohl an Telemannen einen starken Nebenbuhler, in diesem Stücke, gefunden haben: als welcher, wenn man alles zusammen rechnet, unstreitig noch weit mehr gmacht hat.

Dem Fürsten von Lichtenstein, welcher sich, nebst einer Gemahlin, zu dieser Zeit in Neapolis [230] aufhielt, zu Ehren, wurden von den größten des Landes, einige Concerte angestellet: zu welchen, nebst Hassen, dem Farinello, der Tesi, und dem Francischello, auch ich die Ehre hatte gezogen zu werden; und bei dieser Gelegenheit die persönliche Bekanntschaft und Freundschaft des Farinello erhielt.

Am 23sten März dieses Jahres verließ ich Neapolis, und kehrete nach Rom zurück, um das berühmte Miserere vom Allegri am Charfreytage in der Päbstlichen Capelle mit anzuhören. Hier wurden mir von dem itzigen Bischofe von Dornick, damaligen Grafen von Salm, welchen ich zu der Zeit auf der Flöte unterrichtete, in dessen Gesellschaft ich auch den Vesuv bestiegen hatte, abermals Dienste angetragen: ich verbat dieselben aber ebenfalls.

Ich blieb noch in Rom bis auf den 21. October. Alsdenn beurlaubete ich mich von dem Grafen von Lagnasco; ich fieng nun an auf meine eigene Unkosten zu reisen, und gieng nach Florenz. Hier hörete ich verschiedene Opern, die aber alle von Arien verschiedener Meister zusammen geflicket waren, welche Art von Einrichtung die Welschen eine Pastete, (un pasticcio) zu nennen pflegen. Die besten unter den Sängern waren die beyden Tenoristen Pinacci, und Annibali Pio Sabris. Der erstere war ein feuriger, der andere ein angenehmer und brillanter Sänger. Die größte Stärke des erstern bestand in der Action. Tanfani [231] war ein schmackhafter Violinist; Bencini ein guter Clavierspieler; Palafuti, der ehedem den Ritter Perfetti, in Rom, bey seiner feyerlichen Krönung zum Dichter, accompagniret hatte, ein guter Theorbist; und Ludwig Erdmann ein Deutscher, ein nicht schlechter Hoboist, und dabey, gegen seine Landsleute, sehr freundschaftlicher Mann.

Im Jahre 1726 am 8. Januar gieng ich von Florenz nach Livorno, um eine Oper zu hören; und von da nach Bologna, wo eine komische Oper aufgeführet wurde.

Am 4ten Februar hörete ich eine Oper zu Ferrara, und gieng darauf über Padua nach Venedig. Hier wurden, währendem Carneval, auf dem Theater, welches vom heiligen Johann Chrysostomus den Namen führet, zwo Opern aufgeführet. Die eine Siface vom Porpora; die andere Siroe vom Vinci. Beyde Verfasser waren zugegen: die letztere aber fand mehr Beyfall als die erstere. Der Cavalier Nicolino ein Contralt, die Romanina eine tiefe Sopranistin, und der berühmte Tenorist, Gio: Paita, machten den Schimmer des Schauspiels. Nicolino, mit dem rechten Namen Grimaldi, und die Romanina, (deren rechter Name Marianna Benti Bulgarelli hieß,) waren beyde mittelmäßig im Singen, aber vortreffliche Acteurs. Paita hatte eine nicht gar starke, doch angenehme Tenorstimme, welche zwar von Natur nicht so [232] schön und egal gewesen sein würde, wenn er nicht selbst, durch die Kunst, die Bruststimme mit der Kopfstimme zu vereinigen gewußt hätte. Seine Art zu singen war im Adagio meisterhaft, sein Vortrag rührend, und die Auszierungen vernünftig. Das Allegro sang er eben nicht mit dem größten Feuer, doch aber auch nicht matt. Mit vielen Passagien gab er sich nicht ab. Seine Action war ziemlich gut. Das Orchester dieser Opern war nicht schlecht, und wurde von einem guten Violinisten Laurenti, einem Bologneser angeführet

Vivaldi hatte die Opern des Theaters S. Angelo in Musik gebracht, und war selbst Anführer seines Orchesters. Die Acteurs waren sehr mittelmäßig.

Von Instrumentisten fand ich, außer dem Vivaldi und Madonis, Violinisten, und dem Hoboisten San Martino aus Mailand, eben nicht viel besonders in Venedig.

Von Componisten hielten sich noch Lotti, Benedetto, Marcello, und Albinoni, alle drey bekannt genug, daselbst auf.

Die besten Kirchenmusiken hörete man in den Hospitälern, alla Pieta, agli Incurabili, und ai Mendicanti von lauter Mädchen aufführen. Die alla Pieta hatten damals den Vorzug. Die Apollonia eine starke Sängerinn, und eine andere, welche die Violine sehr gut spielte, befanden sich darin. Außer diesen [233] war noch die Angeletta, die in dem Hospitale erzogen, nunmehr aber an einen Bankier verheirathet war, in Venedig. Sie hatte eine schöne Stimme, und war sowohl im Singen als auf dem Claviere ziemlich stark. Sie war diejenige, welche den Capellmeister Heinchen, am ersten bey dem damaligen Churprinzen von Sachsen, itzigem Könige von Pohlen, bekannt genacht hatte.

In Venedig erhielt ich, durch den Grafen von Lagnasco, aus Rom, die königliche Erlaubniß, nach Frankreich zu gehen: wozu mir auch die benöthigten Kosten versprochen wurden; welche ich aber niemals bekommen habe.

Am 11. Mai reisete ich über Modena nach Reggio und Parma. An beyden Orten wurden Opern aufgeführet. Die in Parma hieß: i Fratelli riconosciuti. Die Musik war von dem damals sehr hervorragenden Gio: Maria Capelli, einem Geistlichen, und zugleich feurigen und erfindungsvollen Componisten. Die besten Sänger waren der mehrmals schon angeführte Farinello; (mit seinem eigenen Namen Carlo Broschi;) Giovanni Carestini, und Paita.

Farinello hatte eine durchdringende, völlige, dicke, helle und egale Sopranstimme, deren Umfang sich damals vom ungestrichenen a bis ins dreygestrichene d erstreckte: wenige Jahre hernach aber sich in der Tiefe noch mit einigen Tönen, doch ohne Verlust der hohen vermehret [234] hat: dergestalt, daß in vielen Opern eine Arie, meistens ein Adagio, in dem Umfange des Contraalts, und die übrigen im Umfange des Soprans für ihn geschrieben worden. Seine Intonation war rein, sein Trillo schön, seine Brust, im Aushalten des Athems, außerordentlich stark, und seine Kehle sehr geläufig, so dass er die weit entlegensten Intervalle geschwind und mit der größten Leichtigkeit und Gewißheit, heraus brachte. Durchbrochene Passagien machten ihm, sowie alle andern Läufe, gar keine Mühe. In den willkürlichen Auszierungen des Adagios war er sehr fruchtbar. Das Feuer der Jugend, sein grosses Talent, der allgemeine Beyfall und die fertige Kehle machten, daß er dann und wann zu verschwenderisch damit umgieng. Seine Gestalt war für das Theater vortheilhaft: die Action aber gieng ihm nicht sehr von Herzen. Das Glück, welches er nachher, nachdem er auch England und Frankreich besuchet hatte, in Spanien gemacht hat, so daß er bis zu der Würde eines Ritters vom Orden von Calatrava und eines Directors der Königlichen Musik gestiegen, ist so bekannt, daß es nicht nöthig ist, es hier weitläufig anzuführen.

Carestini hatte damals eine starke und völlige Sopranstimme, welche sich in den folgenden Zeiten, nach und nach, in einen der schönsten, stärksten, und tiefsten Contralte verwandelt hat. Damals erstreckte sich ihr Umfang ohngefähr vom ungestrichenen b bis ins dreygestrichene [235] c, aufs höchste. Er hatte eine große Fertigkeit in den Passagien, die er, der guten Schule des Bernacchi gemäß, so wie Farinello, mit der Brust stieß. Er unternahm in willkührlichen Veränderungen sehr vieles, meistentheils mit gutem Erfolg, doch auch bisweilen bis zur Ausschweifung. Seine Action war sehr gut, und so wie sein Singen, feurig. Nach der Zeit hat er im Adagio noch sehr zugenommen.

Bey dieser Gelegenheit hörete ich auch, den itzo in Königlichen Sardinischen Diensten stehenden sehr geschickten Hoboisten Pisuzzi.

Von Parma gieng ich nach Mailand. Hier hörete ich eine Serenate, worinn abermals Farinello, und Antonio Pasi sungen. Pasi hatte eine gefällige Sopranstimme, deren Umfang sich aber nicht bis in die äußerste Höhe erstreckte. Seine Art das Adagio zu singen war meisterhaft, und sein Vortrag bündig. Die hohen Töne machten ihm einige Mühe, und sprachen nicht allemal gleich an: wodurch die Reinigkeit der Intonation dann und wann etwas mangelhaft wurde. Zum Allegro fehlete ihm die Leichtigkeit der Kehle.

Das Mayländische Orchester hatte vor andern viel vorzügliches: Besonders in Ansehung der Violinisten, worunter verschiedene geschickte Leute waren. Tedeschini, ein Schweizer, war der brave Anführer davon. Es fehlete aber auch hier, so wie in ganz Italien an Bässen, [236] und, den guten Hoboisten. San Martino ausgenommen, auch an Blasinstrumenten; ohne welche doch ein Orchester nicht vollkommen seyn kann. Die beyden Kirchencomponisten San Martino, des Hoboisten Bruder, und Fiorini waren nicht übel. Unter den Nonnen traf man verschiedene mit schönen Stimmen begabte Sängerinnen an, welchen es an der guten Art zu singen nicht fehlete. Wie ich denn überhaupt, in Italien, vom weiblichen Geschlechte, schönere Stimmen, und bessere Sängerinnen in den Klöstern, als auf den Theatern gefunden habe.

Am 30 May gieng ich von Mailand nach Turin. Das dasige Königliche Orchester, welches der berühmte und angenehme Violinist, Somis anführte, war zwar mit guten Leuten besetzet, übertraf aber das mailändische nicht. Fiore war der Capellmeister Le Clair, welcher nunmehr in Frankreich für einen der ersten Violinisten paßiret, befand sich damals in Turin, wo er vom Somis Lection nahm. Von Sängern war nichts gutes da, die einzige Mademoiselle Somis ausgenommen; welche eine schöne Sopranstimme, und sehr gute Art zu singen hatte. Sie hat sich nachhero mit dem berühmten Mahler Carlo Vanlo verheirathet, und ist mit ihm nach Frankreich gegangen; wo sie sich itzo noch befindet.

Turin, und mit demselben zugleich Wälschland, verließ ich am 23 Junius 1726. und reisete [237] über den Berg Senis, durch Genev und Lyon nach Paris, wo ich am 15. August anlangete. Hier wurde ich, in Ansehung des musikalischen Geschmacks, von dem einen äußersten Ende ins andere, aus der Mannigfaltigkeit in die Einförmigkeit, versetzet. Ungeachtet mir der französische Geschmack eben nicht unbekannt war, und ich ihre Art zu spielen sehr wohl leiden konnte: so gefielen mir doch, in ihren Opern, weder die aufgewärmten, und abgenutzten Gedanken ihrer Componisten, und der geringe Unterschied zwischen Recitativ und Arien; noch das übertriebene und affectirte Geheul ihrer Sänger und besonders ihrer Sängerinnen. Die Antier, die Pelißier, und die Le Maure sungen damals auf dem Theater. An schönen Stimmen fehlete es den französischen Sängerinnen eben nicht; wenn sie dieselben nur recht zu brauchen gewußt hätten. Auch die Stimmen der Mannspersonen so wie sie die Natur gegeben hatte, waren nicht schlecht. Ausser verschiedenen Opern von Lully, wurde eine neue, Pyrame et Thisbe genannt, aufgeführet. Die gesellschaftlichen Componisten derselben waren Francoeur und Rebel. Der erstere war mit dem General Bonneval in Wien gewesen; hatte auch die Prager Oper 1723 mit angehöret. An den von ihm gesetzten Arien konnte man wahrnehmen, daß ihr Verfasser ausserhalb der Gränzen Frankreichs gewesen war. Die ganze Oper überhaupt machte weniger lange Weile, als die andern. [238]

Die Action, wozu die französische Nation besonders aufgelegt ist, die Auszierungen der Schaubühne, und die Tänze, waren eigentlich das, worinn der größte Glanz ihrer Opern bestand. Das Orchester war damals schlecht, und spielte, mehr nach dem Gehör und Gedächtniß, welches der mit einem großen Stocke vorgeschlagene Tact, in Ordnung halten mußte, als nach den Noten. Indessen fehlete es, ausser dem Orchester, nicht an guten Instrumentisten. Fortcroix und Roland Marais waren gute Violadagambisten. Der erste hatte viel Fertigkeit, der andere aber viel Nettigkeit und Annehmlichkeit in der Ausführung. Guignon und Battiste waren brave Violinisten. Der erste spielte im wälschen, der andere im französischen Geschmacke. Blavet, Lucas, die beyden Brüder Braun, Naudot, und einige andere, spielten die Flöte traversiere: Blavet aber hatte unter diesen allen den Vorzug. Seine Gefälligkeit und gute Lebensart machte, daß wir bald Freunde mit einander wurden; und ich muß viele, von ihm, in verschiedener Art, genossene Höflichkeiten rühmen. An guten Organisten, Clavierspielern, und Violoncellisten war gleichfalls kein Mangel.

Die Kirchenmusiken der Franzosen gefielen mir besser als ihre Opern.

Das Concert spirituel und das Concert italien waren nicht zu verachten: doch wurde das erstere mehr besuchet als das letztere. Die Ursach davon war ohne Zweifel, ein Vorurtheil, [239] wider die Musik der Ausländer, woran die französische Nation sehr krank liegt: und welches sie, so lange sie noch dabey bleibt, verhindern wird, ihren Geschmack in der Musik zu verbessern.

In Paris ließ ich zum erstenmale, der Flöte traversiere die zweite Klappe zusetzen. Die Ursache findet man, in meinem Versuche einer Anweisung die Flöte zu spielen, erkläret.

Im Anfange des 1727 Jahres erhielt ich von Dresden Befehl, meine Rückreise zu beschleunigen. Ich trauete mir also nicht, um eine neue Erlaubniß, nach England zu gehen, Ansuchung zu thun. Indessen war die Begierde auch dieses Land zu sehen, bei mir so groß, daß ich es wagte, ohne weitere Anfrage bey Hofe, eine Reise dahin zu unternehmen. Am 10. März reisete ich von Paris ab; und kam, über Calais, am 20ten desselben Monats glücklich in London an. Le Riche, der gewesene Kammerhoboist in Dresden, mein guter Freund seit langen Jahren, hatte mir einen offenen Brief, an einen Correspondenten, einen Kaufmann in Londen zugeschicket; vermöge dessen ich daselbst so viel Geld heben konte, als mir nöthig war.

Die italiänischen Opern waren damals in London, im größten Flor. Admetus, von Händels Composition war die neueste, und hatte eine prächtige Musik. Die Faustina, die Cuzzoni und Senesino, alle drey Virtuosen vom [240] ersten Range, waren die Hauptacteurs darinn, die übrigen waren mittelmäßig.

Die Cuzzoni hatte eine sehr angenehme und helle Sopranstimme, eine reine Intonationn und schönen Trillo. Der Umfang ihrer Stimme erstreckte sich vom eingestrichenen c bis ins dreygestrichene c. Ihre Art zu singen war unschuldig und rührend. Ihre Auszierungen schienen wegen ihres netten, angenehmen und leichten Vortrags nicht künstlich zu seyn: indessen nahm sie durch die Zärtlichkeit desselben doch alle Zuhörer ein. Im Allegro, hatte sie bey den Passagien, eben nicht die größte Fertigkeit; doch sang sie solche sehr rund, nett, und gefällig. In der Action war sie etwas kaltsinnig; und ihre Figur war für das Theater nicht allzuvortheilhaft.

Die Faustina hatte eine zwar nicht allzuhelle, doch aber durchdringende Mezzosopranstimme, deren Umfang sich damals vom ungestrichenen b nicht viel über das zwey gestrichene g erstreckte, nach der Zeit aber, sich noch mit ein paar Tönen in der Tiefe vermehret hat. Ihre Art zu singen war ausdrückend und brillant (un cantar granito). Sie hatte eine geläufige Zunge, Worte geschwind hintereinander und doch deutlich auszusprechen , eine sehr geschickte Kehle und einen schönen und fertigen Trillo, welche sie, mit der grössten Leichtigkeit, wie und wo sie wollte, anbringen konnte.

Die Passagien [241] mochten laufend oder springend gesetzt seyn, oder aus vielen geschwinden Noten auf einem Tone nacheinander bestehen, so wusste sie solche, in der möglichsten Geschwindigkeit, so geschickt heraus zu stossen , als sie immer auf einem Instrumente vorgetragen werden können. Sie ist unstreitig die erste, welche die gedachten, aus vielen Noten auf einem Tone bestehenden Passagien, im Singen, und zwar mit dem besten Erfolge, angebracht hat. Das Adagio sang sie mit vielem Affect und Ausdruck, nur mußte keine allzutraurige Leidenschaft, die nur durch schleifende Noten oder ein beständiges Tragen der Stimme ausgedrücket werden kann, darinnen herrschen. Sie hatte ein gutes Gedächtniß in den willkührlichen Veränderungen und eine scharfe Beurtheilungskraft, den Worten, welche sie mit der größten Deutlichkeit vortrug, ihren gehörigen Nachdruck zu geben. In der Action war sie besonders stark; und weil sie der Vorstellungskunst, oder, mit Herrn Mattheson zu reden, der Hypokritik, in einem hohen Grade mächtig war, und nach Gefallen, was für Minen sie nur wolte, annehmen konte, kleideten sie so wohl die ernsthaften, als verliebten und zärtlichen Rollen gleich gut: Mit einem Worte, sie ist zum Singen und zur Action gebohren.

Das Orchester bestand gröstentheils aus Deutschen, aus einigen Italienern, und ein paar Engelländern. Castrucci, ein italienischer Violinist, war der Anführer. Alle zusammen [242] machten, unter Händels Direction, eine überaus gute Wirkung.

Die zweyte Oper welche ich in London hörete, war vom Bononcini; sie fand aber nicht so großen Beyfall als die erste. Händels Grundstimme überwog Bononcinis Oberstimme. In dieser Oper äußerten sich zwo Partheyen, eine für die Faustina, die andere für die Cuzzoni. Diese Partheyen waren so wider einander aufgebracht, daß die eine pfiff, wenn die andere in die Hände klatschete, und umgekehrt: bis endlich deswegen die Opern, auf eine Zeit eingestellet werden musten.

Der Pater Attilio ein Opercomponist, befand sich zu der Zeit auch in Londen; ingleichen der alte Castrat Tosi, welcher ein nützliches Buch von der Singkunst geschrieben hat.

Von Instrumentisten, Solo zu spielen, waren nur wenige da. Z.E. Händel, wie bekannt, auf dem Claviere und der Orgel; Geminiani ein großer Meister auf der Violine; Debur ein Engländer, und Scholar des Geminiani, ein sehr gefälliger Violinist. Die beyden Brüder Castrucci waren leidliche Solospieler. Mauro d'Alaia welcher in Gesellschaft der Faustina nach England gekommen war, war ein guter Violonist, und braver Anführer.

Sein Spielen war sehr brillant und deutlich: in außerordentliche Schwierigkeiten aber ließ er sich nicht ein. Die Flötenisten waren Wiedemann ein Deutscher, und Festin ein Engländer. [243]

Ich hatte das Glück die Bekanntschaft vieler vornehmer Familien zu erhalten. Man suchte mich zu bereden, gar in England zu bleiben. Händel selbst rieth dazu, und ich war nicht abgeneigt, seinem Rathe zu folgen. Mylady Pembrok, eine Kennerin der Musik, wollte, um mir noch mehrere Lust dazu zu machen, ein Benefit 2) für mich anstellen, und ein gewisser Baron von Botmar, erbot sich desselben Besorgung zu zu übernehmen. Dieses war nun freilich eine große Versuchung für mich. Ich glaubte aber hingegen auch, die ersten Früchte meiner Reise, dem Könige meinem Herrn schuldig zu seyn; und [244] verbat es also. Doch behielt ich mir vor, dieser Gewogenheit genießen zu dürfen, wenn ich etwan ein andermal wieder nach England kommen solte: wie ich, wenn es die Beschaffenheit der Umstände so an die Hand geben würde, wirklich willens war.

Ich reisete am 1. Junius des 1727. Jahres aus England ab. In Holland besahe ich die vornehmsten Städte als: Amsterdam, Haag, Leiden, Rotterdam, u. s. w., weil in keiner damals etwas gutes von Musik zu hören war, nur im Vorbeygehen; ünd gieng darauf über Hannover und Braunschweig, nach Dresden zurück; wo ich am 23. Julius wieder ankam.

Nun stellete ich über alles, was ich auf der Reise gutes oder schlimmes von Musik gehöret hatte, Betrachtungen an. Ich fand, daß ich zwar einen ziemlichen Vorrath von Ideen gesammlet hatte; daß es aber nöthig sey, sie nach und nach erst in Ordnung zu bringen. Ich hatte zwar, an einem jeden Orte, wo ich mich aufgehalten, etwas, dem daselbst herrschenden Geschmacke nachahmendes gesetzet: ich überlegte aber auch die Vorzüge die ein Urbild vor einem bloßen Nachahmer voraus hat. Ich fing also an, meine vornehmsten Bemühungen dahin zu richten, daß ich mir einen eigenthümlichen Geschmack bilden möchte, um, wo möglich, selbst ein Urbild in der Musik abgeben zu können. Allein, hierzu zu gelangen, wurde Nachsinnen, Erfahrung, und Zeit, erfodert. Was ich also, vor [245] dem in einer Stunde verfertigen konte, dazu nahm ich mir nunmehr die Zeit von einem Tage; mehr als zu sehr versichert, daß die ersten Einfälle zwar manchmal gerathen; aber auch, wenn sie gleich nicht immer die schlimsten, doch gewiß nicht allezeit die besten sind: daß vielmehr eine feine Empfindung und reife Beurtheilungskraft dazu gehöre, sie zu läutern, und in gehörtge Verbindung mit einander zu bringen: damit ein Stück nicht nur flüchtig hin, und kurze Zeit, sondern womöglich immer gefallen könne. Zu diesem guten Vorhaben nun, kam mir der beständige Umgang mit meinem theuresten Freunde, dem Herrn Concertmeister Pisendel, und seine eben so richtige als durchdringende Beurtheilungskraft, ungemein wohl zu statten. Die schöne Kirchenmusik, die vortreflichen Opern, welche ich in Dresden hören konte, brachten mir immer neues Vergnügen, und setzeten mich immer in neues Feuer.

Bis hieher war ich Hoboist und Flötenist in der Pohlnischen Capelle gewesen, und meine jährliche Besoldung hatte aus 216 Thalern bestanden. Man hatte aber, währender meiner Reisen, meinen Platz einem andern angewiesen, und ich solte in die Sächsische Capelle versetzt werden. Dieses geschahe auch im Monath März des 1728sten Jahres, nach Absterben eines Violinisten, dessen Besoldung von 250 Thalern ich bekam, doch aber auch die aus der [246] Pohlnischen Capelle dabey behielt. Von dieser Zeit an verließ ich den Hoboe gänzlich, weil sein Ansatz, dem auf der Flöte gänzlich zuwider ist; und blieb bey der Flötetraversiere allein.

Im May dieses Jahres reisete ich mit dem Oberküchenmeister, Baron von Seyfertitz in der Folge des höchstseligen Königs von Pohlen nach Berlin; wo ich auf Verlangen Ihrer Majestät der Königin von Preussen, mit Erlaubniß des Königs von Pohlen, einige Monate verbleiben mußte. Pisendel, Weiß und Buffardin mußten gleichfalls auf Befehl dahin kommen.

Nachdem ich einigemal die Gnade gehabt hatte, vor der Königin Majestät mich hören zu iassen, wurden mir , von Höchstderselben, Dienste, und eine Besoldung von 800 Thalern des Jahrs angeboten. Ich war bereit sie anzunehmen: Der König, mein Herr aber wolte nicht darein willigen. Indessen erhielt ich doch eine allgemeine Erlaubniß, so oft nach Berlin zugehen, als ich verlangt werden würde.

In eben diesem 1728sten Jahre, entschlossen sich, der damalige Kronprinz von Preussen, Seine itzt regierende Königliche Majestät, die Flötetraversiere zu erlernen, und ich hatte die Gnade Höchstdieselben darauf zu unterrichten. Ich mußte deswegen alle Jahre zweymal nach Berlin, Ruppin oder Reinsberg kommen. [247]

Nachdem im Jahre 1733, der König von Pohlen gestorben war, wolten Seine itztregierende Majestät von Pohlen mich wieder nicht aus Dero Diensten lassen. Sie setzeten vielmehr meine Besoldung auf 800 Thaler; bekräftigten auch die oben gemeldete Erlaubniß, die ich gehabt hatte, nach Berlin zu reisen, von neuem. Die Gnade, der ich genoß auch Seine Durchlaucht, den Markgrafen von Bayreuth auf der Flöte zu unterrichten, womit in Berlin der Anfang war gemachet worden, verursachte, daß ich auch bisweilen nach Bayreuth beruffen wurde.

Im Jahre 1734 machete ich sechs Solo, für die Flötetraversiere, von meiner Arbeit, durch den Stichel bekannt. Zu der Ausgabe anderer Sonaten, die, unter meinem Namen, schon lange vorher in Holland herausgekommen, bekenne ich mich nicht.

Am 26ten Junius 1737, verheirathete ich mich mit der verwitweten Frau Anna Rosina Carolina Schindlerin, einer gebohrnen Hölzelin, deren seliger Herr Vater, in Bayerischen Diensten, Hauptmann auf der Festung Braunau gewesen war.

Wegen Mangels guter Flöten fieng ich im Jahre 1739 an, selbst welche zu bohren, und abzustimmen: wovon ich in der Folge keinen Schaden gehabt habe.

Im November des 1741 Jahres wurde ich zum letztenmale von Seiner Majestät von [248] Preussen nach Berlin berufen, und von Höchstdenenselben mir mit so vortheilhaften Bedingungen, Dienste angeboten, daß ich sie anzunehmen mich nicht länger weigern konte. Zweytausend Thaler jährliche Besoldung auf Lebenszeit; außerdem eine besondere Bezahlung meiner Composition; hundert Dukaten für jede Flöte, die ich liefern würde; die Freyheit nicht in Orchester, sondern nur in der Königlichen Kammermusik zu spielen, und von Niemands als des Königs Befehl abzuhangen, verdienten wohl einen Dienst aufzugeben, wo ich solche Vortheile niemahls zu hoffen hatte. Des Königs von Polen Majestät waren zu gnädig, als daß Sie mir einen schriftlich gesuchten Abschied länger hätten versagen sollen: um sovielmehr, da ich Höchstdenenselben weder als ein Landskind, noch sonst, wegen einiger mir, außer meiner damaligen Besoldung, vorgeschossenen Reisekosten verbunden war.

Ich verließ also Dresden im December des 1741 Jahres, da ich denn die Königlichen Preussischen Dienste antrat.

Im Jahr 1752. ließ ich meinen Versuch einer Anweisung die Flöte­traversiere zu spielen im Drucke ausgehen. Um eben diese Zeit erfand ich, bei einer gewissen Gelegenheit, den Aus- und Einschiebekopf an der Flöte, vermittelt dessen man dieselbe, ohne Wechselung der Mittelstücke, und ohne der reinen [249] Stimmung Eintrag zu thun, um einen halben Ton tiefer oder höher machen kann.

 

Adolph Menzel: Flötenkonzert in Sanssouci. Rechts an der Wand lehnend Johann Joachim Quantz

 

Die hiesige Königliche Musik überhaupt; der dabey regierende vernünftig-vermischte und reizende Geschmack in der theatralischen Composition; die verschiedenen braven italienischen Virtuosen im Singen, welche wir hier, theils gehabt haben, theils noch besitzen; das gute Orchester, welches schon vom Jahre 1731 bis 1740 in Ruppin und Reinsberg in einer Verfassung gestanden, die jeden Componisten und Concertisten reizen, und ihm vollkommene Gnüge leisten können, welches überdieß vom Anfange der itzigen Regierung an, zu einem der ansehnlichsten in Europa vermehrt worden ist, und die verschiedenen hervorragenden Virtuosen, die sich in demselben befinden; alles dieses, sage ich, hat sich schon selbst so bekannt und berühmt gemacht, daß es ein Ueberfluß sein würde, jeden nach seinen Verdiensten hier insbesondere zu beschreiben.

 

Dieses ist mein Lebenslauf; und auf diese Art hat die göttliche Vorsehung mich geführt, und mein Verlangen, das ich seit vielen Jahren, in Zeiten, da noch nicht der geringste Schein dazu war, immer gehabt habe, entweder in Dresden oder in Berlin mein Glück zu machen, an beyden Orten erfüllet. Ich danke es derselben [250] und der Gnade des Königs, daß ich mich hier noch tin erwünschten Wohlseyn befinde.

 

Johann Joachim Quantz.

in Potsdam

im August 1754.

 

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1) Ich bediene mich dieser Gelegenheit, diesen braven Mann gegen die sogenannte glaubwürdige Nachricht aus Regensburg vom 10ten October 1730. mit welcher Herr Legationsrath Mattheson hintergangen worden, und die S. 40. des vollkommenen Capellmeisters eingeschaltet ist, zu retten, Es war nicht dieser Conti, sondern sein Sohn, der den Geistlichen geschlagen hatte, und deswegen die dort beschriebene Kirchenbuße thun mußte. Die übrigen Umstände sind wahr. Weil dieser Sohn damals unter den sogenannten kayserlichen Hofscholaren war, und sich auf die Composition legte; so hat es leicht geschehen können, daß man ihn mit dem Vater verwechselt hat. Ausser glaubwürdigern Zeugen, die damals in Wien gegenwärtig gewesen sind, und beyde gekennet haben, ist auch dieses ein sicherer Beweis, daß es der Vater nicht so gewesen seyn könne, weil er im Carneval des 1732. Jahres, die auf dem kayserlichen Theater aufgeführte Oper Issipile in Musik gebracht: welches man mit dem in Wien gedruckten Buche dieser Oper allezeit beweisen kann. Dem Sohne ist die Landesverweisung erlassen worden. Er ist nach der Gefangenschaft wieder nach Wien gegangen; kömmt aber dem Vater in musikalischen Verdiensten im geringsten nicht bey. Man nennt ihn insgemein Contini. Dem Herrn Mattheson wird diese Rettung eines Mannes, für den er sonst überall eine besondere Hochachtung bezeuget, hier, so wie ich hoffe, nicht zuwider seyn. 

2) Ein Benefit in England ist, im musikalischen Verstande, ein öffentliches Concert, welches gemeiniglich auf Veranstaltung einer Person von vornehmen Stande, in einem eigentlich dazu bestimmten Hause, einem Virtuosen, der sich darin hören läßt, zum besten angestellet wird. Der Veranstalter läßt, für baare Bezahlung, Billette, zur Erlaubniß des Eintritts austheilen, und seine, und des Musikus der sich hören lassen soll, Freunde, bemühen sich um die Wette, deren so viel als möglich unterzubringen. Alles was einkömt, ist für den, dem zu Gefallen es angestellet wird, dagegen er aber auch die Kosten trägt. Bisweilen werden die Einkünfte von einer Vorstellung der Oper dem Componisten, oder einem beliebten Sänger gelassen: nachdem es durch einen öffentlichen Anschlag vorher bekannt gemachet worden: und dieses wird auch Benefit genennet. Die Faustina und Farinello insonderheit, haben bey der gleichen Gelegenheiten, die Großmuth der Engländer reichlich erfahren.