Georg Christoph Lichtenberg
1742 - 1799
Briefe aus England
Zweiter Brief
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London, den 10. Oktober 1775Ohne eine Antwort von Ihnen, mein wertester B. auf meinen letzten Brief, und den Leitfaden von Fragen abzuwarten, durch den ich den Weg zu Ihrer Befriedigung geschwinder finden könnte, schreibe ich Ihnen schon wieder. Ich habe itzt gerade Zeit und Mut darnach herumzusuchen, und beide mögten mir fehlen, wann Sie mir den Leitfaden zuwerfen. Lassen Sie also sehen, ob ich sie nicht ohne ihn finden kann. –
David Garrick (1716-1779), englischer Schauspieler
Ich habe zuweilen, wenn ich Herrn Garrick mit so vieler Kraft da stehen sah, wenn ich so reden darf, gedacht, ob nicht mancher Schauspieler, der nicht so gut von der Natur ausgebildet ist, als er, dieses durch Kunst einigermaßen ersetzen könnte. Ich mögte wohl wissen, ob man sich auf den Theatern ausstopft, um sich zu verschönern, meine ich, so wie man sich bemalt. – Tut man es, woran ich kaum zweifeln sollte, so ist wohl so viel gewiß, man versteht sich nicht überall darauf. Das Knochengebäude manches deutschen Schauspielers ist nicht so schlecht, als der Überzug der Muskeln und des Fettes, an denen Zeit und Krankheit, und in den parisischen Provinzen unsers Vaterlandes, auch noch Hunger und Kummer unaufhörlich nagen. Die erquickende Sicherheit und Festigkeit in der Bewegung, den Vorrat von Kraft, kann ja die Versammlung nicht fühlen, hören will sie sie nicht, also muß sie sie sehen; und die sehe man einmal in einem Paar spitzen Schultern, zylindrischen Schenkeln, oder leeren Ärmeln, oder lattenförmigen Beinen. Ich bin überzeugt, daß es oft eine Kleinigkeit in der Form des Arms ist, was einem Portebras ein lahmes Ansehen gibt. Eine Säule, deren Würfel nur um 1/6 höher wäre als breit, sieht einem geübten Auge gleich aus, als könnte sie das Gebäude nicht mehr tragen. Und was ist die Schönheit einer Säule gegen die vom menschlichen Körper, wovon das Auge der geborne und durch hundertfaches Interesse wachsam erhaltene Richter ist?Bei den Portebras fällt mir Mrs. Yates ein, die erste Schauspielerin im hohen Tragischen auf Garricks Schauplatz. Diese Frau ist nicht mehr jung, über das von der Art der hagern, und hat vermutlich nicht die besten Arme. Auch habe ich ihre Arme nie entblößt gesehen, ja nicht einmal im bloßen Handschuh. Jedesmal, auch in solchen Charaktern, wo sich ein schöner Arm schwerlich versteckt hätte, lief der völlige, aber nicht leer scheinende Ärmel, sich von der Schulter an allmählig verengend, bis an die Hand herab, an die er nah und enge anschloß. Die Einförmigkeit, die ein solcher Anzug dem Arm hätte geben können, zu vermeiden, hatte sie etlichemal eine von der Farbe des Kleides stark abstechende Frisur darum gewunden. Die angenehme konische Form des Ärmels, die jedem Zuschauer nicht bloß Freiheit ließ, sondern Anlaß gab, sich den schönsten Arm darunter zu denken, gab ihm auch sichtbare Stärke. Auch wußte sie den Arm so mächtig zu führen, daß man von dieser Frau allein ein Chironomie abstrahieren könnte. Die Schauspieler sollten hierin nicht nachlässig sein, und sich diesen Anschein von Geschicklichkeit nicht versagen, so lang die wirkliche fehlt; denn obgleich die Zuschauer sich nicht alle deutlich sagen können, wo der Fehler liegt, so fühlen sie doch, daß er irgendwo liegen muß, an dem geschwächten Eindruck, den die Handlung auf sie macht, desto gewisser, je weniger sie noch zur Zeit hierüber aus Büchern zu plaudern gelernt haben.Die unbeschreiblich gefällige Leichtigkeit, Stärke und Sicherheit in der Bewegung: (dieses sind noch immer die besten Wörter die ich dafür finden kann) wodurch sich Herr Garrick so sehr auszeichnet, mögten wohl nicht so leicht zu erhalten sein, ob ich gleich nicht leugnen will, daß die richtige Form seiner Glieder etwas dazu beiträgt. Ich fürchte, es ist vieljährige Zeit und schweißkostende Übung des Leibes, die sich endlich zu dieser Ungezwungenheit aufgeklärt hat, und die, durch beständige Beobachtung schöner, von Personen beiderlei Geschlechts bewunderter und beneideter Männer verherrlicht, itzt bei ihm aussieht, als hätt' er sie umsonst. So wie etwa die Leichtigkeit mit Kraft im Stil der Oligographen des Altertums nicht so wohl die Frucht eines Schlaraffenklimas, als vielmehr die Folge durch tiefes Studium erworbener deutlicher Begriffe, und der Geist aus ganzen Bänden von Exercitiis sein mag, die sie verbrannt haben.Hierzu kommt nunmehr bei diesem Manne das seelenstärkende Gefühl seiner Überlegenheit. Er hat nichts zu fürchten. Das ganze Publikum sieht aufwärts nach ihm, und die wenigen, die über ihn sein mögen, sind gewiß von der Klasse derer, die stille schweigen. Was Wunder, wenn diese Begeistrung zuweilen ein Licht um ihn verbreitet, das alle übrige Schauspieler verdunkelt? In allem was er tut, oder sagt, ist daher nicht die flüchtigste Spur eines ängstlichen Bestrebens zu gefallen, wodurch so mancher Schauspieler mißfällt. Weiter; wenn er den Hofmann macht, so tritt in ihm kein armer Teufel auf, sondern es ist der Mann von Welt selbst, den man sieht; der Mann, der diesen Abend an dem papiernen Hof in Drurylane und morgen vormittag an dem goldnen in St. James glänzt. Wie viel Hofleute, und was sage ich Hofleute? Wie viel Hamlete mögen denn überhaupt wohl in der Welt sein, die das sind, was der Mann zwischen seinen vier Wänden ist? Dieses waren wieder ein paar Pinselstriche an seinem Porträt als Garrick. Nun noch ein paar am Hamlet.In dem vortrefflichen Monolog: O that this too, too solid flesh would melt etc. bringt er, um mich astronomischer Kunstwörter zu bedienen, wieder eine Menge von den kleinen Gleichungen an, womit er die Handlung eines mittleren Menschen zur Wahrheit und Bestimmtheit des Individuums verbessert. Die Tränen des gerechtesten Schmerzes für einen tugendhaften Vater, um den eine leichtsinnige Mutter, nicht allein keine Trauer, sondern kein Leid mehr trägt, zu einer Zeit, da die Schmarotzer noch Schwarz tragen sollten, die unaufhaltsamsten unter allen Tränen, vielleicht, da sie bei einem solchen Kampf von Pflicht mit Pflicht die einzige Erleichterung sind, die sich ein rechtschaffenes Herz verschaffen kann, überwältigen Garricken völlig. Von den Worten: So excellent a King geht das letzte ganz verloren; man sieht es nur an der Bewegung des Mundes, der sich gleich darauf fest und zitternd schließt, um den allzu deutlichen Ausdruck des Schmerzes durch die Lippen, der sich ins Unmännliche ziehen könnte, zu hemmen. Diese Art Tränen fallen zu lassen, die mit der ganzen Last des innern Schmerzes auch zugleich die männliche Seele zeigt, die unter ihr leidet, teilt sich unaufhaltsam mit. Ist man aber erst einmal Shakespearn in der Reihe, so wird jedes Wort ein Schlag, wenn es Garrick spricht. Am Ende des Monologs mischt sich gerechter Unwille mit seinem Schmerz, und einmal, da sein Arm heftig, wie mit einem Streich, herunter fällt, um einem Wort im Unwillen Nachdruck zu geben, bleibt dieses Wort, unerwartet für die Zuhörer, von Tränen aufgehalten aus, und kömmt erst nach einigen Augenblicken mit den Tränen zugleich nach. Ich und mein Nachbar, mit dem ich noch kein Wort gesprochen hatte, sahen uns hier einander an, und sagten etwas. Es war unwiderstehlich.Der berühmte Monolog: To be or not to be etc. macht natürlich den großen Eindruck auf den Zuhörer nicht, und kann ihn nicht machen. Er tut aber doch ungleich mehr, als man von einem Räsonnement über Selbstmord und Tod in einem Trauerspiel erwarten sollte, deswegen, weil ihn nicht allein ein großer Teil der Versammlung wie ein Vaterunser auswendig weiß, sondern auch, mögte ich sagen, jedermann wie ein Vaterunser sprechen hört, zwar freilich nicht mit den großen begleitenden Ideen unsers geheiligten Gebets, aber doch mit einem Gefühl von Feierlichkeit und Würde, wovon sich jemanden, der England nicht kennt, kein Begriff geben läßt. Shakespear ist auf dieser Insel nicht berühmt, sondern heilig; man hört seine Sittensprüche überall; ich selbst habe sie am 7. Februar, an einem wichtigen Tag, im Parlement gehört. So verwächst sein Namen mit den ehrwürdigsten Ideen; man singt aus ihm und von ihm, und daher lernt ihn ein großer Teil der englischen Jugend eher kennen als das ABC und den Pontius Pilatus.Hamlet, der, wie ich schon erinnert habe, in Trauer ist, erscheint hier, weil er schon angefangen hat, den Verrückten zu spielen, mit dickem, losem Haar, davon ein Teil über die eine Schulter hervorhängt; einer von den schwarzen Strümpfen ist herunter gefallen und läßt den weißen Unterstrumpf sehen, auch eine Schlinge des roten Kniebandes hängt über die Mitte der Wade herab. So tritt er langsam und in tiefer Betrachtung hinter den Szenen hervor; das Kinn unterstützt er mit der rechten Hand, und den Ellbogen des rechten Arms mit der linken, und sieht mit großer Würde seitwärts auf die Erde nieder. Hierauf, indem er den rechten Arm von dem Kinn wegbringt, aber, wo ich mich recht erinnere, ihn noch durch den linken unterstützt hält, spricht er die Worte To be or not to be etc. leise, aber wegen der großen Stille (und nicht aus einer besondern Gabe des Mannes, wie sogar in einigen Schriften steht) überall vernehmlich.Eine kleine Sprachanmerkung muß ich hier machen. In der vierten Zeile dieses Monologs schlagen doch einige vor, against assailing troubles anstatt against a sea of troubles zu lesen, weil man gegen ein Meer die Waffen nicht ergreifen könne. Herr Garrick sagt dem ungeachtet against a sea of troubles. Ich gebe Ihnen hier bloß Garricks Stimme; was er für Autoritäten für sich hat, untersuche ich nicht. Mir würde es hier schwer werden, und Sie können das auf der Göttingischen Bibliothek in einem Wink ausmachen.Eben so mit Anständigkeit verwirrt ist auch zuletzt, da die Vernunft von ihr gewichen ist, der Anzug der Ophelia. Sie ward von Mrs. Smith, einer jungen Frau, die sich für diese Rolle vortrefflich schickt, (ob sie gleich für viele andere, die sie spielt, nicht Leben genug hat) einer guten Sängerin, vorgestellt. Ihr langes flächsenes Haar hing zum Teil den Rücken herab und zum Teil über die Schulter hervor; in der Linken hielt sie einen Büschel unverworrnes Stroh und ihr ganzes Tun in ihrem Wahnsinn war sanft, so wie die Leidenschaft, die die Ursache davon war. Die Lieder, die sie vortrefflich sang, hatten etwas so Klagendes, Sanftes und Melancholisches, daß ich sie noch lange nachher in der Nacht, wenn ich allein war, zu hören glaubte. Überhaupt ist diese ganze Szene bis zum Schmerz rührend, und läßt eine Wunde in der Seele zurück, die Shakespear so ganz fortschmerzen läßt, daß man wünschen mögte, man hätte die arme, unglückliche Ophelia nicht gesehen. Wäre doch Voltaire hier gewesen und hätte Mrs. Smith über den Shakespear kommentieren hören! Ich traue es fast dem ungewöhnlichen Mann zu, daß er bereut haben würde, was er wider diese Szenen gesagt hat. Das weiß ich, hätte ich je so was geschrieben, mit voltairischen Witz und Einfluß auf die Schwachen versteht sich, und hätte nachher gesehen, was ich gesehen habe, fürwahr, ich hätte Shakespears Geist in den Zeitungen um Vergebung gebeten. Aber Einen Sieg hat doch Voltaire in Drurylane erhalten: die Todengräberszene bleibt weg. In Coventgarden behält man sie noch bei. Das hätte Garrick nicht tun müssen. Ein so altes, herrliches Stück mit aller seiner charakteristischen, rohen Stärke aufgeführt, hätte doch, in dieser süßen Zeit, wo auch hier die Sprache der Natur konventionell schönem Gewäsch zu weichen anfängt, den Fall zuweilen wieder einmal gebrochen, wenn es ihn auch nicht hätte aufhalten können.Einige der schönsten Szenen muß ich übergehen, unter andern die, wo er die Schauspieler unterrichtet, und dann die, in welcher er seiner Mutter die Vergleichung zwischen seinem Onkel und seinem Vater ins Herz donnert, und der Geist darüber erscheint; ein Schlag auf den andern, ehe man sich noch erholt hat. – Es führt ins Unendliche. Ich beschließ also hier das Trauerspiel und gebe Ihnen nur noch eine kurze Farce.Sir John Brute ist nicht bloß ein liederlicher Hund, sondern Garrick macht auch einen alten Gecken aus ihm. Das letztere ist gleich im Anzug sichtbar. Auf eine Perücke, die noch so ziemlich zu seinen Jahren paßt, hat er ein kleines bordiertes Modehütchen, so leichtfertig hingeworfen, daß es schlechterdings nichts von der Stirne bedeckt, was nicht schon von der Perücke bedeckt wäre. In seiner Hand hält er einen von den eichenen Hakenstöcken, mit denen sich die jungen Poltrons im Park des Morgens (so heißt hier die Zeit von 10 Uhr bis 3) das Ansehen von verteufelten Kerlen geben. Es ist eigentlich ein Prügel, an dem nur dünne Spuren von Kunst und Kultur zu sehen sind, gerade so wie gemeiniglich auch an dem menschlichen Bengel, der ihn trägt. Diesen Stock braucht Sir John, seine Worte mit Gepolter zu unterstützen, zumal wenn nur Frauenzimmer gegenwärtig sind, oder auch einmal in der Hitze hinzuschlagen wo niemand steht, der es übel auslegen könnte. –Auf allen Schauplätzen gibt es fast immer irgend einen oder den andern Schauspieler, der den Betrunkenen mehr als erträglich macht. Die Ursache ist leicht zu finden. Es fehlt nirgends an Gelegenheit zur Beobachtung, und, was wohl der Hauptgrund sein mag, dergleichen Rollen haben ihrer Natur nach, weder enge, noch sehr scharf abgeschnittene Grenzen. Dem ungeachtet spielt Herr Garrick den betrunkenen Sir John so, daß ich gewiß den außerordentlichen Mann in ihm erkannt haben würde, auch wenn ich nie etwas von ihm gehört, und ihn selbst in diesem Stück nur in Einer Szene gesehen hätte. Vom Anfange sitzt die Perücke noch gerade, und man sieht das Gesicht voll und rund. Nun kommt er äußerst betrunken nach Haus, da sieht es aus wie der Mond ein paar Tage vor dem letzten Viertel; fast die Hälfte ist von der Perücke bedeckt; der Teil, den man noch sieht, ist zwar etwas blutig und glänzt von Schweiß, ist aber dafür äußerst freundlich, so daß er den Verlust des andern wieder ersetzt. Die Weste ist von oben bis unten offen, die Strümpfe voller Falten, und die beiden Strumpfbänder hängen herab, und zwar – sehr mystisch – zweierlei Strumpfbänder; es ist nur ein Wunder, daß er nicht gar Schuhe von beiderlei Geschlecht erwischt hat. In diesem betrübten Zustand kommt er zur Frau in die Stube, und auf ihr ängstliches Befragen, was ihm fehle (und sie hat Ursache so zu fragen) antwortet er mit gesammelten Kräften: Frau, gesund wie ein Fisch im Wasser, und doch regt er sich nicht vom Türpfosten weg, an dem er fest sitzt, als wenn er sich den Rücken reiben wollte. Dann wird er grob und tut auf einmal wieder so weinklug und so freundlich, daß die ganze Versammlung in einen Aufruhr von Beifall ausbricht. In der Szene, wo er einschläft, hat er mich in Erstaunen gesetzt. Die Art, wie er bei geschlossenen Augen, schwimmendem Kopf, und blaß mit der Frau zankt, und, mit «r» und «l» in einen Mittellaut zusammengeschmolzen, bald schimpft und bald eine Sittenlehre zu lallen scheint, wovon er das scheußlichste Widerspiel ist; wie er die Lippen bewegt, daß man nicht weiß, ob er kaut, oder schmeckt, oder spricht, das alles war so weit über meine Erwartung, als irgend etwas, was ich von diesem Manne gesehen habe. Sie sollten ihn nur das Wort «praerogative» aussprechen hören; er kommt ohne zwei drei Versuche niemals auf die dritte Silbe. Vanbrugh hat dieses herrlich gebraucht. Es ist das rechte Losungswort zu Schlägen in den politischen Biergesellschaften von England, wo man sich um den Begriff nichts bekümmert, und kann sehr gefährlich werden, wenn die Mitglieder so weit sind, daß sie es nicht mehr aussprechen können. So schön aber auch dieses Stück gespielt wird, denn Lady Brute wird von Miß Young und Lady Fancyful von der berühmten Mrs. Abington vorgestellt: so wäre es, dünkt mich, doch besser, es nie auf das Theater zu bringen. Man hat zwar die schändliche Szene, wo sich Sir John Brute in einen Geistlichen verkleidet, und so mit der Scharwache balgt, dahin abgeändert, daß er diese großen Taten nun im Reifrock, Saloppe und Kopfzeug verrichtet, wogegen man nichts mehr einzuwenden hat, allein dem ungeachtet sind hier und da noch abscheuliche Sachen, beleidigend für Ohren und Augen.Ich habe schon neulich gesagt, daß Garrick die Gabe, alles zu individualisieren in einem so sehr hohen Grad besitzt; daß dieses nicht wenig zu seiner Überlegenheit beiträgt, und doch sollte ich denken, müßte sich das mit etwas Aufmerksamkeit, nicht auf Schauspieler, sondern auf Menschen in Gesellschaft, zum Teil wenigstens, leicht erhalten lassen. Wenn nur die Schauspieler erst wüßten, worauf sie acht haben sollten. Der Theatermensch kann, trotz seiner Aussteuer vom Dichter, noch immer frieren, wenn ihn der Schauspieler nicht warm anzieht, zumal, wenn der erstere nur französische Zeuge gibt. Garrick greift, wenn es nötig ist, mit der linken Hand lieber in die rechte Tasche, ehe er eine Prise Schnupftabak wechselt, die er zwischen den Fingern der rechten hat. Er kann, in einen unerfahrnen unbeholfenen Menschen verkleidet, sein erstes spanisches Rohr so tragen, daß man glaubt, er trüge es für seinen Herrn zum Silberschmied, oder feil, oder hätte ein Barometer darin. Eine Gleichungstafel, die solche Züge enthielte, wäre kein geringes Geschenk für die Schauspieler, und, unter uns, für unsere dramatischen Dichter und Romanenschreiber. Alle (man darf wohl so allgemein sprechen, wo nur zwei oder drei ausgenommen werden können, deren Wert bekannt genug ist) schreiben, als fehlte es ihnen an Stoff zur Beobachtung oder an Geist dazu, und die meisten, als fehlte es ihnen an beiden. Wenn ein Jurist aufgeführt wird, so kann man sicher darauf rechnen, daß leges und nur der Justinian vorkommen; der Advokat erscheint allemal mit seinen weitläuftigen Zeilen und langen Prozessen; der Fähndrich flucht, oder spricht von Prügeln, und ihre Menschenfreunde haben, wo sie gehen und stehen, eine Träne in den Augen und einen harten Gulden in der Hand. Das ist nun alles ganz gut, und mag für die Primaner genug sein, und für 9 unter 10 von den καλὸς κἀγαθός, die ihre Meinungen über Bücher gedruckt sagen. Aber ist das Shakespears Kunst? Fürwahr so wenig als Kreuzmachen Christentum. Ich sollte denken, der Advokat, der Gastwirt, der Kaufmann, der Krämer, der Barbier, der Ladendiener, der Konsul im Städtchen, alle hätten ihre eigne Staatsklugheit, ihre eignen Grundsätze des guten Geschmacks, ihre eigne Physiognomik, ja ihre eigne Astronomie. Wer sich das Vergnügen machen will darauf zu achten, wird es bald finden. Am deutlichsten zeigen sie sich, wenn diese Leute in Gegenwart ihrer Untergebenen sich mit einem Mann vom Fach das Ansehen einer Kollegialschaft geben wollen. Ich zeigte einmal einer Gesellschaft, die wenig oder nichts von Astronomie wußte, den zunehmenden Mond durch ein Fernrohr, das stark vergrößerte. Verschiedene darunter fragten, ob nicht Tropfen auf dem Glase hingen? Die Flecken im Monde haben in den Vierteln wirklich einige Ähnlichkeit mit Regentropfen an einer Fensterscheibe, in denen sich etwa die gegenüberstehenden Häuser dunkel und der Himmel hell darstellt. Dieses war alles gut, es waren Frauenzimmer, die keinen Anspruch auf Gelehrsamkeit machten, und ihrer Empfindung getreu fragten. Allein auf einmal wendete sich ein Mann gegen mich, und drückte die Unwissenden sanft zurück: sagen Sie mir einmal, fragte er, sind diese Tropfen nicht eigentlich was man influxum lunae physicum nennt? Wiederum, in einer sehr gemischten Gesellschaft in einem Gasthofe fragte mich ein anderer: Nicht wahr, Herr . . . . Die Polhöhe ist, wenn man des Abends hinausgeht und sieht in die Höhe? dabei sah er wirklich unter einem Winkel in die Höhe, der vermuten ließ, daß ihm einmal jemand den Polarstern gezeigt haben mußte. Ein Muster von einer konfusen Idee konfus ausgedruckt. Können Sie wohl raten, wer diese Leute waren? Lavaters Engel, der aus einem gegebenen Zahn den Mann restituiert, dem er zugehörte, müßte dieses augenblicklich wissen. Ihnen will ich es sagen, wenn Sie das Rätsel allenfalls jemanden aufgeben wollen. Der letztere war ein eingebildeter, reicher Krämer, der sich bei einigen der gegenwärtigen ein Ansehen von Gelehrsamkeit geben wollte, wenn es auch mit einigem Verlust bei den übrigen verbunden sein sollte, und der erstere ein nicht mehr ganz nüchterner katholischer Kanonikus. Für heute mag das genug sein. Künftig sage ich Ihnen etwas über Garricks Bildnisse, etwas von Weston vielleicht und den Frauenzimmern, vermutlich auch von Gabrielli, die Sie aus Brydones Reise kennen werden. Sie ist hier und wird ehestens als Dido erscheinen.Leben Sie wohl!G.C.L. |