BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Josua Harrsch alias Kocherthal

1669 - 1719

 

Bericht von der berühmten

Landschaft Carolina

 

1706/09

 

Das neunte Capitel

 

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[26]

Das neunte Capitel.

Von der Uberfahrt von

Engelland biß nach Carolina.

 

1.

ES ist zu wissen / daß zu Friedens-Zeiten fast alle Monat Schiffe gen Carolina oder gen Virginia abgehen/ zu Krieges-Zeiten aber können sie nicht so offt dahin kommen / und geschicht also gemeiniglich nur im Frühling und im Herbst.

 

2.

Die bequemste Zeit zu der Uberfahrt ist der Frühling / und pflegen die Schiffe gemeiniglich im Aprilen abzufahren / doch ein Jahr früher oder späther als das andere.

 

3.

Wann beständig guter Wind ist / und die Fahr glücklich gehet / so kan sie in 6 Wochen / auch [27] wol in 5 vollendet werden / ja einigemal ist man gar in 4 Wochen damit zu End kommen / wo aber widriger Wind sich ereignet / so kan sie wol ein halb Jahr währen.

 

4.

Die Fracht ist zu Friedens-Zeiten gewesen von jedem erwachsenen Menschen 5 biß 6 Pfund Sterling / war ohngefehr 40 biß 50 fl. / anjetzo aber fordern die Schiffer wegen der Convoy und wegen anderer Unkosten von jedem erwachsenen Menschen 7 biß 8 Pfund Sterling / thut ohngefehr 60 biß 70 fl. nach unserm Geld / was die halbe halbgewachsene und Kinder betrifft / so tractiret man hierüber mit dem Schiffer nach der Grösse und Alter der Kinder.

 

5.

Es muß aber der Schiffer vor dieses Geld nicht nur die Person überführen / sondern ihr auch / wo sie etwas mitzuführen hat / einen ziemlichen Pack oder Küsten von ohngefehr 1. biß 2. Centner mitnehmen / und dabey die nothdürfftige Kost verschaffen / die Reise währe so lang als sie wolle.

 

6.

Will jemand sich selbst verkösten / so kan er wol vor die Helffte besagten Gelds mitgenommen werden / es ist aber sehr mißlich / weil man nicht weiß / wie lang die Reise währet / und man alsdann unterwegs auch vor Geld schwerlich etwas von dem Schiffer zu kauff bekommnen kan.

 

7.

Wenn arme Leute seyn / die die Fracht nicht bezahlen können / so finden sich je zuweilen einige von der Herrschafft / die die Fracht vor solche Leute entrichten / dargegen aber müssen diese ihnen hernach eine Zeitlang in Carolina vor Knedte oder [28] Mägde dienen: Zu Friedens-Zeiten haben solche Leute zwey biß drey Jahr zu dienen pflegen / weilen aber nun die Fracht theurer / wird solcher Dienst nohtwendig länger währen müssen / doch wenn solcher Leute viel auff einmahl sich einfinden / könte es geschehen / daß so dann die Herrschafft um so viel leidentlicher mit ihnen tractirte. NB. Wenn man aber auff solche Weise überzufahren willens / so wird wol gethan seyn / wenn man vorhero in Engelland schreibt / weilen nicht allezeit solche Persornen vorhanden / die die Fracht bezahlen / und sich hernach solches abverdienen lassen.

 

8.

Nachdem aber die Fracht selbsten zu bezahlen sehr theuer / und solche abzuverdienen sehr beschwehrlich / als hat der Author auff alle Weise sich angelegen seyn lassen / ob dißfals andere Mittel aufzufindenn seyn möchten; worauff endlich der Vorschlag geschehen / daß die Königin mit einer Supplication müste ersucht werden / ob selbige die Schiffe zur Uberfahrt hergeben wolte / da dann vielleicht geschehen könte/ daß man auch mit Königl. Schiffen von Holland abgeholet würde / und also auch diesen Uberfahrts-Kosten erspahren könte / doch müssen auff solchen Fall eine gute Anzahl Leute miteinander kommen / weilen widrigenfals der Mühe nicht werth seyn würde / die Königin zu bemühen / vielweniger so viel Kosten anzuwenden / als bey diesen Zeiten zu den Schiffen und Convoy erfodert wird.

 

9.

Weilen auch bey diesen Zeiten an dem Königl. Hoff so wol wegen des schwehren Kriegs / als [29] auch wegen der immerfort wahrenden vielen Collecten-Gelder die Außgaben unbeschreiblich groß / als hat man hierinnen mehrere Vorschläge gethan/ wie die Sache anzugreiffen / damit die Königin der anderwertigen schwehren Unkosten ungeachtet / die Schiffe zur Uberfahrt hergeben möchte; Es seyn aber diese Vorschläge zu weitläufftig hier zu beschreiben; doch hoffet man / daß vermittelst derselben die Bemühung nicht umsonst seyn werde wiewol man niemand hierinnen etwas gewisses versprechen kan / sondern erwarten muß / was die Göttliche Schickung hierinnen verfügen werde.

 

10.

Es ist im übrigen die Uberfahrt nicht ohne Gefahr / so wol wann sich ein Sturm auf der See ereignen / als auch / wenn die Convoy mit den See-Räubern in Streit gerahten solte; jedoch hat man gar selten und offt in etlichen Jahren nicht erfahren / daß eines von denen dahingehenden und NB. mit Convoy zur Gnüge versehenen Schiffen / verunglücket wäre.