B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Anna Louisa Karschin
1722 -1791
     
   



N e u e   G e d i c h t e

B e y   J a c o b   F r i e d r i c h   H i n z
M i e t a u   u n d   L e i p z i g   1 7 7 2


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Alzindor und Lucinde
Eine Romanze

Alzindor und Luzinde
Genossen lange Zeit,
Beschützt von Cypris Kinde,
Das Glück der Zärtlichkeit:
5
Der Mutter bliebs verborgen,
Wie lieblich manche Nacht
Bis an den grauen Morgen
Die Tochter zugebracht.

Der Jüngling stieg behende
10
Zum Fenster ein und aus:
So klettert an die Wände
Und auf das Taubenhaus
Die blickbeflammte Katze
Des Nachts mit kühner List,
15
Wie er zu seinem Schatze
Hinaufgeklettert ist.

Was sie dort alles thaten,
Von Wonne ganz berauscht,
Das mögen die errathen,
20
Die nie der Mond belauscht
Bey schlaugestohlnen Küßen,
Die niemals nachgedacht,
Was ohne Vulkans Wissen
Mars bey der Venus macht.

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Doch großes Glück ist, leider!
Wie aller Welt bekannt,
Nicht ohne bittre Neider,
Nicht frey von Unbestand.
Alzindors Freund, voll Tücke,
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Gab insgeheim sich Müh,
Das er ihr Herz berücke;
Und ihn verschmähte sie.

Da sucht er sich zu rächen,
Nach Art der jungen Herrn,
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Die viel aus Prahlsucht sprechen
Von Schönen, die sie gern
Durch Schmeichelkunst betrogen. -
Hört, wie der Höllenbrand
Alzindors Ohr belogen
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Und leichten Glauben fand!

Von Bosheit angetrieben,
Spricht sein verwünschter Mund:
Lucind' hat mir geschrieben,
Daß ich den Liebesbund
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Mit ihr vollziehen solle,
Und daß sie schon darzu
Ein Mittel finden wolle,
Wie man es heimlich thu.

Alzindor wird durchdrungen
50
Von gräulich wilder Wuth. -
Wie nach Verlust des Jungen,
Die Löwinn Jägerblut
Im Walde brüllend fodert,
So fodert er voll Glut,
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Die schröcklich in ihm lodert,
Lucindens Busenblut.

O! Weh, o! Schreck, o! Jammer,
Mit bloßem Degen kömmt
Er schnell in ihre Kammer,
60
Und stürzet, ungehemmt
Von ihrer süßen Stimme,
Wie Sturmwind auf sie zu;
Und fragt mit Donnerstimme:
Sag' an: Wem schreibest du?

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Lucinde spricht gelassen:
An deinen Freund schrieb ich.
Ha! nun mußt du erblassen,
Ruft er; und mörderlich
Fährt ihr bey sanften Lächeln
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Der Degen stark und tief
Ins Herz; und ach! mit Röcheln
Lallt sie: Hier ist - der - Brief.

Sie sinkt, und läßt im Sinken
Ihr Auge, brechendmatt,
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Noch seine Blicke trinken.
Er liest das Unglücksblatt:
Dem Lügner war geschrieben:
Herr, plagt mich länger nicht!
Nur einen kann ich lieben,
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Und dieser seyd ihr nicht.

O Scheusal! - ruft er plötzlich:
Stirb nach, hier liegt dein Weib!
Drauf sticht er sich entsetzlich,
Wie Kato, durch den Leib;
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Fällt auf Lucindens Leiche,
Stirbt ächzend, und verflucht
Nunmehr in Plutos Reiche
Den Zorn der Eifersucht.

 
Recept wider böse Weiber.
Eine Romanze

Ein armer Ehegatte,
Der ohne seine Schuld
Die Höll' auf Erden hatte,
Ward endlich der Geduld
5
Nach langen Jahren müde,
Und schaffte schnell und klug
Sich vor dem Engel Friede,
Der ihn mit Fäusten schlug.

Sein Weib war bitterböse,
10
Die Tobsucht rief aus ihr,
Bey manchem Zankgetöse:
Ein Leides thu ich mir!
Ja ja, du Weiberhasser,
Du Teufel, der du bist,
15
Ich springe noch ins Wasser,
Wo es am tiefsten ist.

Sie sprachs zu tausendmalen,
Und sprang ins Wasser nie.
Auf neue Männerqualen
20
Dacht ihre Seele früh,
Sobald der Tag erwachte:
Ihr Dämon, schwarz und klein,
Blies ihr im Traum bey Nachte
Den Stoff zum Zanken ein.

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Einst fieng beym Abendtische
Ihr Zorn zu donnern an,
Und still, wie stumme Fische,
Blieb ihr geplagter Mann;
Ließ ihrer frechen Zunge
30
Den Zügel - gab ihr nach,
Bis sie vom Wassersprunge
Mit blauen Lefzen sprach.

Da warf der Mann sein Messer
Tief in den Tisch, und rieß
35
Das Weib an ein Gewässer.
Hier, sprach er: Thue dieß
Was du zu thun beschlossen.
Hier springe mir hinab, -
Hin sah sie, furchtbegossen,
40
Ins grause Wassergrab.

Sie hieng an seinen Armen
Und fühlte Todesquaal;
Er aber, ohn Erbarmen,
Er tauchte siebenmal
45
Sie unter mit dem Kopfe,
Bis sie die Luft verlor:
Und hub sie drauf beym Zopfe
Stark aus der Fluth empor.

Das Mittel half geschwinde;
50
Sie seufzte leichenblaß:
Ach! Männchen, sey gelinde,
Ach! liebes Männchen, laß
Mich diesesmal nur leben,
Und ende meine Pein,
55
Ich will mich gern bestreben,
Recht lämmerfromm zu seyn.

Der Mann ließ sich bedingen,
Das Weib ward zahm gemacht,
Und an kein Wasserspringen
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Ward künftig mehr gedacht.
Sie lebten, sanft wie Tauben,
Von keinem Zank gequält,
Und alle Welt wirds glauben
Weil es ein Weib erzählt.

 
Das Versprechen eines Mannes
an seine kranke Frau

Der Jungfer Fethackin erzählt im Stahlschen Hause.

Mepsantus gieng zu seinem Weibe,
Die mit geschwollnem kranken Leibe
Schon manche Nacht und manchen Tag
Auf einem bangen Bette lag;
5
Sie seufzte: Schatz, bey meinem bittern Leiden
Will mir der Arzt die Schenkel noch zerschneiden;
Die Waden sind schon wundenvoll
Vom spanschen Fliegenbisse,
Und ach, der böse Doctor sagt,
10
Daß ich den Schnitt noch überstehen müsse.
Bin ich nicht schon genug geplagt?
Was aber thut man nicht sein Leben zu erhalten?
Hier nahm der freundliche Mepsant
Die kranke Gattinn bey der Hand,
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Und bat sie, lasse dir die Schenkel nicht zerspalten!
Die Aerzte martern nur den schwachen Körperbau,
Der wie der Tag hat abgenommen.
Stirb lieber, stirb geschwind, o meine gute Frau,
Ich schwöre dir bald nachzukommen.
20
Er sprachs, und seine Kranke litt
Kein Wasserzapfen, keinen Schnitt;
Sie quälte sich noch sieben Wochen,
Und starb, und endete die Noth.
Doch, Freundinn, kurz darauf erschien der blasse Tod
25
Dem Mann im Traum, und sprach:
Mepsant, du hast versprochen,
Der lieben Frau bald nachzugehn;
Hast du den Tag schon auserlesen?
Ich werde keinen Spaß verstehn.
30
Tod, rief Mepsant, es ist ja nicht mein Ernst gewesen,
Ich wollte nur das Doctorlohn,
Das viele Geld ersparen.
Ich bin ein muntrer Mann von zwey und vierzig Jahren,
Und wünsche mir nichts weniger, als schon
35
Dem Weibe nachzufahren.

 
Ueber die Emilie Galotti
An Sr. Durchl. den Feldherrn Ferdinand
Herzog zu Braunschweig und Lüneburg
Im April 1772.


O Ferdinand, bey dessen Namen
Der Britte schwört, der Deutsche sich verbeugt,
Der Gallier die Schrecken noch bezeugt,
Die über ihn im Treffen kamen,
5
Als um dich her die Donner Jupiters gekracht -
Du bists, dem nie die schwere lange Weile
Verdrüßliche Minuten macht.
Du hast vielleicht mit Schnitzung neuer Pfeile,
Mit Schärfung deines Schwerdts den Wintertag verbracht;
10
Und einen Theil der trüben Nacht
Beym Schauplatz dich erhohlt, wo neulich, tief im Schleyer
Die Braut Emilie verhüllt,
Als wie vor einem Ungeheuer,
Von Furcht und Schrecken ganz erfüllt,
15
An ihrer Mutter Busen stürzte,
Und, strenger Sittsamkeit getreu,
Den strengren Vater bat, daß er ihr Leben kürzte.
Mit einer frommen Tyranney
Wußt er den schönsten Busen zu durchstechen.
20
Dein Beyfall und dein Urtheilsprechen
War Ehre für den Mann, der uns die Heldinn schuf,
Und Ehre für das Weib, von der sie ward gespielet.
Groß ist des Dramadichters Ruf,
Und groß die feine Kunst, die nur ein Kenner fühlet.
25
Auch ich empfand die mütterliche Wuth
Der Klaudia letzthin drey Tage nacheinander:
Der Thetis Auge war in keiner stärkren Glut,
Als einst Achilles am Skamander
In einer schrecklichen Gefahr
30
Verfolgt von Wellen, und fast umgeschleudert war,
Und sie, mein Sohn! mein Sohn! geschrieen.
Auch konnte Klytämnestra nicht
Durch jeden Zug im zornentbrannten Angesicht
Mehr sagen, um ihr Kind dem Kalchas zu entziehen,
35
Als unsre feinste Spielerinn:
Ihr Blick, ihr Ton, ihr Armausbreiten
Riß mich und alle Seelen hin;
Und ich versetzte mich in jene graue Zeiten
Des Sophokles und Aeschylus,
40
Und rief den Seelen zu, die dazumal gelebet:
Seht eure Dichter, eure Spieler aufgelebet,
Und weint noch einen Thränenguß,
Und fühlt noch einmal, daß ihr lebet.
Ich sprachs, und weinte noch aus voller Augenquell,
45
Als Klaudia den Marinell
Nicht mehr mit ihrem Donner bebend machte.
O dieser Marinell wie fein, wie wundersam,
Er Aug und Ohr zur Staunung brachte,
So bald er auf den Schauplatz kam;
50
Mit welcher Wahrheit und mit welcher Kunst er spielte,
Darzu ist jeder Ausdruck viel zu klein,
Dieß könnte Leßing nur allein
So nacherzählen, so beschreiben, wie ichs fühlte:
Denn bis zum Abscheu ward die List
55
Des schlauen Hofmanns vorgestellet,
Der nur aus Eigennutz ein Freund des Fürsten ist,
Und seine schwache Tugend fället,
Indem er Streich auf Streich ihr anzubringen weiß,
Und wenn er sie aus seiner Brust getrieben,
60
Mit unermüdet bösem Fleiß
Die Laster schminkt, damit sein Herr sie möchte lieben,
Und ihnen süße Namen giebt.
Ich wandte mich von diesem Lüstlingsknechte
Zur Gräfinn, welche bis zum Unsinn heiß verliebt
65
Das ganze männliche Geschlechte
Verwünschte, und mit Gift und Stahl
Gerüstet kam, den Prinzen noch einmal
Zu sehn, und ihn und sich zu morden.
Hohn, Rachsucht, Liebesneid, und Liebesraserey
70
Sprach wechselsweise, sprach aus ihrem Blick und Munde,
Ich glaubte, daß Medea gegenwärtig sey,
Als nun Orsina in dem neuen Freundschaftbunde
Dem alten Graf der Rache Werkzeug lieh,
Medea lächelte, wie sie,
75
So bitter, und mit solchen Trieben,
Und doch muß ich die arme Gräfinn lieben,
Die so verlassen, so verachtet sich befand.
Ich zürnte, daß der Graf den Zorn in sich versteckte,
Dem Prinzen ohne Widerstand
80
Sein Kind zu lassen schien, und ihm nicht kühn entdeckte:
Prinz, ich weiß alles, weiß daß dieser Marinell
Die Mörder Apians gerüstet;
Ich weiß, daß dich nach diesem reinen Quell,
Nach meiner Tochter hier, gelüstet.
85
Ich fluche dir mein Ach und Weh,
Und ehe sie den fremden Händen
Wird anvertraut, soll sie, gleich der Virginie,
Von meiner Hand durchbohrt, ihr junges Leben enden.
Der Prinz war weich, war kein vorsetzlicher Tyrann,
90
Die Schaam, die bittre Reue hätten
Ihn schnell ergriffen, und der alte böse Mann
Der konnte leicht das süße Mädchen retten.
Der furchtbegoßne Fürst gestand
Sein schwaches Herz und seines Dieners Tücke,
95
Ward wider ihn von Grimm entbrannt,
Und hieß, mit einem Fluch im Blicke,
Ihn ewig aus den Augen gehn;
Und gab den Göttern dieser Erde,
Die lange Zeit nach ihm entstehn,
100
Zur Lehre, daß ein Fürst leicht zum Tyrannen werde,
Wenn ihn ein Busenfreund regiert,
Der sieben Teufel in dem Herzen
Und einen Schmeichler in den Honigmunde führt.
Ich sprachs umsonst, und sah mit Schmerzen
105
Der schöngebrochnen Rose Fall,
Und seufzte laut, und überall
Ward nachgeseufzt, denn alle Seelen fanden
Den Marinell verwünschungswerth.
Da gieng ich fort, und dachte Ferdinanden
110
Der gern mein Lied im sanften Tone hört,
Nur keine Schmeichler, keine Marinelle,
Die ganz ohnfehlbar als ein Kind
Unmittelbar ein Geistchen aus der Hölle
Erhielten, und durch ihn verteufelt sind.
115
Nein, dacht ich, nein, die Gwelfen alle schützen
Ihr großes Herze vor dem Gift
Der Schmeicheley, und insgesammt besitzen
Sie der Minerva Schild auf den kein Wurfpfeil trift -
Auf den sie sich mit ihrer Tugend stützen.