B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Heinrich Jacobi
1743 -1819
     
   



E i n e   p o l i t i s c h e   R h a p s o d i e .

A u s   e i n e m   A k t e n s t o c k   e n t w e n d e t .

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Die «politische Rhapsodie» ließ Jacobi, während seines ersten Aufenthalts in München 1779, in den «Baierischen Beiträgen zur Litteratur» erscheinen. Es ist die Einleitung zu einem Bericht, den er als Hofkammerrat einige Jahre zuvor über die Gewerbsverhältnisse der Herzogtümer Jülich und Berg an das kurpfälzische Ministerium erstattet hatte.

Sowohl in den Anordnungen der Staatsmänner, als in den Schriften der Gelehrten findet man über das, was überhaupt den Wohlstand einer bürgerlichen Gesellschaft ausmacht, ihn gebiert und erhält, sehr viel schwankendes und widersprechendes. Fast überall sind die Wirkungen und Kennzeichen des Wohlstandes für desselben Fundamente, die eigentlichen Fundamente hingegen nur für Nebensäulen, Reihwände oder Baugerüste gehalten worden. Dem ohnerachtet scheint nichts einfacher, nichts augenscheinlicher zu seyn, als die Principien der physischen Glückseligkeit für einen Staat.
      Eine einzelne Familie nennen wir glücklich, wohlbestehend , wenn sie durch eine kluge Administration ihrer Güter, oder Anwendung von Industrie, sich ein gesichertes, jährlich sich erneuerndes Einkommen verschafft, welches hinreichend ist, ihre Glieder mit den Bedürfnissen und Bequemlichkeiten des Lebens zu versehen. Eben so ist es mit den größten politischen Gesellschaften.
      Ein Staat ist im Wohlstande, wenn in demselben die Mittel zur Unterhaltung und zu den Bequemlichkeiten des Lebens für seine gesammten Glieder, in der seiner Einrichtung gemäßen Stufenfolge sich immer erneuern und vermehren.
      Ein wildes Volk, welches von Jagd, Fischerei, oder den freiwilligen Früchten der Erde lebt, kann sich nur bis auf einen gewissen Grad vermehren; hernach müssen die Eltern sich entschließen, einige ihrer Kinder in der Wiege umzubringen, die Kinder, ihre gebrechlich gewordenen Alten zu ermorden, oder ein Theil dieses Volkes muß in andere Gegenden entfliehen: Vermehrung der Menschen kann also nicht ohne Vermehrung der Lebensmittel gedacht werden.
      Die Lebensrnittel können nicht anders vermehrt werden, als durch jene künstliche Bearbeitung der Erde, welche wir Agrikultur nennen.
      Die Agrikultur setzt die Festsetzung des Eigenthums voraus, ferner eine beschützende Macht, welche die Beibehaltung dieses Eigenthums versichert. Schon in ihrer ersten rohesten Gestalt erfordert die Agrikultur eine gewisse Anlage. Der halbgesittete Wilde, der den ersten Kartoffel pflanzte, mußte diesen Kartoffel besitzen, und dran geben, und daneben auch die Zeit und Mühe aufopfern, welche er zu Aufsuchung mehrerer hätte verwenden können; er vertauschte an die Erde ein gegenwärtiges Nahrungsmittel, nebst seiner Zeit und Mühe, gegen die zukünftige Erstattung eben dieses Nahrungsmittels in vervielfältigtem Maße. Würde dieser Mensch, ohne die Gewißheit zu ernten, wohl gepflanzt haben? - Das erste Bedürfniß der Gesellschaft ist demnach eine obere Gewalt, welche ein jedes Glied derfefben bei dem Eigenthum seiner Person und der Früchte seiner Bemühungen gegen innerliche und äußerliche Angriffe schütze; woraus dann zugleich die natürliche und nothwendige Pflicht für die Gesellschaft entspringt, ihren Oberherrn, nebst seinen Soldaten und Civilbedienten, ohne anderweitiges Entgeld, zu unterhalten.
      In den mehrsten Gegenden von Europa reicht eine mäßige Arbeit von 25 Familien hin, um, außer ihrer Obrigkeit, noch 75 andere Familien mit allen Bedürfnissen und verschiedenen Bequemlichkeiten des Lebens zu versehen; die 25 Familien aber würden nur für sich und die sie beschützende Gewalt arbeiten, ohne sich um das Daseyn der übrigen 75 zu bekümmern, wenn nicht eine Ursache vorhanden wäre, die sie zum Gegentheil bewegte. Diese Bewegursache bringt die Industrie hervor.
      Der Handwerker und Künstler giebt den rohen Materialien eine andre Form. Will nun der Eigenthümer der rohen Materialien sie in dieser veränderten Form besitzen, so muß er nicht nur die rohen Materialien zum Grundstoffe, sondern noch darüber den Unterhalt für denjenigen, der sie transmutirt, und den Unterhalt für seine Familie während der Zeit, die auf ihre Bearbeitung verwendet wird, hervorbringen: die Classe der Grund=Eigenthümer verwendet diesemnach mehr Unkosten, Arbeit und Zeit auf Hervorbringen einer größern Menge Produkte, um ihren Ueberfluß gegen die Arbeiten der industriösen Classe zu vertauschen.
      Eine freiwillige Vertauschung verschiedener Dinge gegen einander macht das Wesen des Commerzes, im allgemeinsten Verstande genommen, aus.
      Das erste Bedürfniß des Commerzes, sein unentbehrlich Nothwendiges, seine einzige Materie, ist das Ueberflüssige, denn niemand vertauscht, was er nicht entbehren will.
      Ueberfluß wird nicht eher erzeugt, bis eine Absicht oder Aussicht vorhanden ist, diesen Ueberfluß dem Bedürfnisse eines andern gegen Ersatz zu überlassen. Einzig und allein die Begierde zu einem vervielfältigten Genusse, und die Möglichkeit, die Mittel zu demselben gegen unsren Ueberfluß einzutauschen, treibt uns an, diesen Ueberfluß zu erarbeiten.
      Indem ein Ding gegen ein anderes umgetauscht wird, wird ihr beiderseitiger verhältnißmäßiger Werth in dem gegenwärtigen Falle festgesetzt. Eine Sache, wenn sie auch zu denjenigen gehört, deren Genuß dem Menschen am unentbehrlichsten ist, hat, an und für sich betrachtet, keinen bestimmbaren Werth; was davon zum unmittelbaren Gebrauch angewendet wird, ist ein Gut für denjenigen, der es gebraucht; aber ihre Anhäufung, ihr Ueberfluß darf nicht Reichthum genannt werden. Wollte man die bloße Menge, den bloßen Ueberfluß selbst der unentbehrlichsten Güter des Lebens Reichthum nennen, so müßte man vor allen Dingen Luft und Wasser mit diesem Prädikat belegen. Der Ueberfluß darf also nicht allgemein und gleich seyn; es muß ihm allemal ein Bedürfniß auf der andern Seite entsprechen, wenn nämlich jener Ueberfluß in Nothdurft verwandelt werden, und einen bestimmbaren feilen Werth (valorem venalem) erhalten soll. Dieses zu bewerkstelligen, nämlich den Ueberfluß in Nothdurft zu verwandeln, ist der eigentliche Gegenstand des Commerzes.
      Ein Mensch, welcher sich an den notwendigsten Bedürfnissen des Lebens begnügte, sie selbst hervorbrächte und allein verzehrte, könnte eben so wenig ein Glied derjenigen Gesellschaft, in deren Mitte er sich aufhielte, genannt werden, als der Ochse, der an seiner Hütte graset. Man muß ausgeben und erwerben, man muß in das allgemeine Commerz verwickelt seyn, um nicht in der bürgerlichen Gesellschaft noch weniger als ein Thier zu gelten: also ist das Commerz eben so gewiß das eigentliche wahre Band der Gesellschaft, als die Festsetzung des Eigenthums ihr erstes nothwendigstes Bedingniß war.
      Aus den bis hiehin auseinander gefolgerten Grundsätzen zusammen genommen, erhellet unwidersprechlich, daß die Wohlfahrt eines Staats in eben dem Maße zunimmt, wie sein Commerz anwächst.
      Hiebei ist aber vor allen Dingen nicht außer Acht zu lassen, daß der einseitige Gewinnst, welchen diejenige Classe von Bürgern, die man im eigentlichsten Verstande Kaufleute nennt, aus ihrem Gewerbe ziehet, durchaus von den Vortheilen unterschieden sey, welche das Commerz, nach dem allgemeinen und fruchtbaren Sinne, in welchem es in dem gegenwärtigen Aufsatze genommen worden, über den ganzen Staat ergießt. Was hierüber anzumerken ist, wird sich bei einer kurzen Betrachtung über die verschiedenen Modificationen des Commerzes von selbst darstellen.
      Die Erde ist bekanntermaßen die einzige Quelle aller Reichthümer. Der Landeigenthümer vermehrt die Güter, welche sie hervorbringt, entweder durch eigne Arbeit, oder in der Person seiner Pachter und Ackersleute. Der Handwerker und Künstler hingegen, weit entfernt die Produkte zu vermehren, hilft sie nur vernichten, indem er dieselben zum Theil durch die Veränderung, welche er mit ihnen vornimmt, zur Reproduktion untüchtig macht, und zum Theil an Lohn für seine Arbeit verzehrt; er kann also nicht anders als auf die vorhin beschriebene Weise im Dienst und Solde der Grundeigenthümer existiren, und sein einziges Verdienst um die Bereicherung des Staats ist, daß er die Grundeigenthümer zu einem stärkern Anbau reizt. Alle und jede Menschen also, welche nicht Grundeigenthümer sind, leben auf Unkosten der Grundeigenthümer. - Das Leben auf Unkosten der inländischen Grundeigenthümer, ist inländisches Commerz; das Leben auf Unkosten ausländischer Grundeigenthümer, ist ausländisches Commerz.
      Diesemnach ist es augenscheinlich, daß in einem fruchtbaren Lande sich alles auf die Agrikultur stützt, und das Interesse der produktiven Classe das wahre Interesse des Staats ist. Es wäre also sehr thöricht gehandelt, wenn man um Manufakturen in einem solchen Lande zu begünstigen, durch ein Verbot der Ausfuhr dieses oder jenes Produktes seinen Preis zu erniedrigen trachten wollte. Durch eine solche Anstalt gewinnt allein der fremde Staat, der einen solchen verarbeiteten Artikel kauft, und der Staat, worin er fabricirt wird, verliert. Colbert verbot die Ausfuhr der Landfrüchte aus Frankreich, damit die Manufakturisten desto wohlfeiler arbeiten könnten. Er berechnete den erhöhten Werth der ersten Materialien in einem gewürkten Seidenzeuge, und sah lauter Nutzen. Hätte er die Subsistenz der Arbeiter, welche sie in dieses Zeug gleichsam einwebten, mit in Betrachtung gezogen, und hernach die Summe überschlagen, die, bei einer freien Ausfuhr, aus diesen Produkten hätte können gewonnen werden, so würde sich ein ganz entgegengesetztes Resultat dargeboten haben. Es giebt einige Fälle, wo die Prohibition der Ausfuhr sehr scheinbare Gründe für sich hat, wenn nämlich die Heruntersetzung des Preises eines gewissen einheimischen Produkts von geringerem Ertrage die Erhöhung eines andern gleichfalls einheimischen Produkts von höherem Ertrage befördern soll: z. B. man verböte die Ausfuhr der Wolle, damit sie im Lande verarbeitet, und durch die Consumtion der Arbeiter der Werth der Lebensmittel ins Steigen gebracht würde. Allein fürs erste zeigt sich gemeiniglich bei einer genauen und ausführlichen Auseinandersetzung des besondern Falles eine klare Mißrechnung; und fürs andre wird der vorgehabte Zweck niemals erreicht; denn die Cultivirung des eingekerkerten Produkts wird alsbald vernachlässiget, weil niemand nur ein einziges Schaf anzieht, um seine Wolle auf die Wagschale des Projektmachers zu legen: nachher, so wie das Produkt an Menge abnimmt, so steigt es auch wieder im Preise; ja es ist öfters kurz nach dem Verbote der Ausfuhr theurer als zuvor. Da nun zugleich die Lebensmittel durch die eingeführte Colonie der Manufakturisten erhöhet worden, so kann die Fabrik nicht mehr bestehen; der ganze innerliche ökonomische Zustand geräth alsdann in Verwirrung, und die blühendste Provinz geht zu Grunde. Die Abwege, worauf die Staatsmänner über diesen Punkt gerathen, entspringen größtentheils aus dem irrigen Begriffe von der Population, indem sie die Population als die Quelle der Wohlfahrt eines Staats annehmen, da sie doch nur eine Folge, ein Symptom derselben ist. Ein Mensch, der dem Staat nicht nützt, schadet dem Staate, weil er die zu seiner Subsistenz erforderlichen Mittel, der Reproduktion entzieht, und sie schlechterdings vernichtiget.
      Die Prohibition ober Erschwerung der Einfuhr fremder Manufaktur=Artikel, in der Absicht, die inländischen Fabriken zu begünstigen, ist zwar nicht in eben dem Grade verderblich, als die Hemmung der freien Ausfuhr, aber sie richtet doch immer einigen und nicht selten beträchtlichen Schaden an. Sind die im Lande fabricirten Waaren bei gleicher Güte auch eben so wohlfeil, als die ausländischen, so bedürfen sie keiner gewaltthätigcn Begünstigung; und sind sie es nicht, so subsistiren die Fabrikanten auf Unkosten der übrigen Einwohner; eben so gut könnte man eine Kopfsteuer ausschlagen, oder einen Impost auf den eingehenden Manufaktur=Artikel legen, um einen Haufen Müssiggänger davon zu ernähren, denn mehr als Müssiggänger nützen solche Fabrikanten dem Staate nicht. Aber, sagt man, das Geld bleibt dann doch im Lande! O ja, was man an einheimische Bettler giebt, bleibt auch im Lande; aber was für einen Gewinn zieht der Staat davon? - Und die Furcht, das Geld aus dem Lande zu verlieren, was hat es doch eigentlich wohl damit zu bedeuten ? - Ist das Geld nicht so gut eine Waare als andre Waaren, und giebt es wohl jemand umsonst weg? - Man hat sich angewöhnt, das Geld als die Quintessenz aller Reichthümer anzusehen, weil es seines innern Werthes halber, als Metall, - seiner Incorruptibilität wegen - weil es nichts zu verwahren kostet - und noch um verschiedener andrer Bequemlichkeiten willen, zufolge einer durchgängigen Convention, zum Repräsentanten aller Bedürfnisse, zum Makler aller Gesuche, kurz zum allgemeinen Mittel des Tausches angenommen worden ist; im Grunde aber sind die geprägten Metalle doch nichts anders, als überall gültige Unterpfände oder Zeichen; deswegen definirt der Abbé Morellet ein Stück Geld, z. E. von dem Werthe eines Ochsen, einen Ochsen in abstracto (un boeuf abstrait). Wir sehen auch, daß in unzähligen Fällen Wechsel, Schuld=Scheine, Promessen, den vollkommenen Dienst des Geldes leisten. Wo verkäufliche Dinge vorhanden sind, da ist auch immer hinlänglich Geld vorhanden; ja, man kann darthun, daß je größer der Wohlstand eines Landes ist, es desto weniger Geld, nach Proportion seiner Größe und Population, bedarf. In einem solchen Lande entspricht jedem Ueberflusse ein Bedürfniß; alle seine Produkte und Arbeiten sind gefodert, gesucht, haben einen currenten Werth, gehen schnell von Hand zu Hand, werden genossen und erneuern sich in vervielfältigtem Maße; und diese regelmäßige und schleunige Circulation bringt allemal das Phänomen des Geld=Ueberflusses hervor. Denn, wenn alle Dinge eben so einen bestimmten Geld=Werth repräsentiren, wie das Geld ihren Werth repräsentirt, so muß von beiden gleich viel vorhanden zu seyn scheinen. Ein Beispiel kann hier die Stelle einer weitläufigern Entwicklung vertreten. Ich setze den Fall, ich hätte gestern Morgen bei einem Fruchthändler für 50 Rthlr. Haber einkaufen lassen; der Fruchthändler hätte mit diesen 50 Rthlr. sogleich Leinwand eingekauft; der Leinwandhändler hätte sie augenblicklich wieder verwendet; so daß sie, nachdem sie durch 24 Hände gegangen, den folgenden Morgen an einen Bauer gelangten, der sie mir für verfallne Pacht bezahlte: eben die 50 Rthlr., die gestern auf meinem Tische lagen, liegen also heute wieder darauf; während dieser Zeit haben sie 1200 Rthlr. repräsentirt, und in den folgenden 24 Stunden können sie eben diese Dienste wieder leisten. Wäre die Circulation dieser 50 Rthlr. langsamer von statten gegangen, so hätten sie entweder 24 mal wirklich da seyn müssen, oder 24 Menschen hätten über Geldmangel geklagt. Aus dergleichen Betrachtungen läßt sich folgern, daß in einer großen Stadt, wie Paris zum Exempel, in einem halben Jahre mehr Geld ausgegeben werden müsse, als in den vier Welttheilen zusammen genommen, auf einmal aufgebracht werden könnte; ferner, daß das Phänomen des Geldüberflusses, welches allemal ein Symptom der Prosperität ist, etwas ganz anders sey, als die vorhandene Menge von gemünztem Gold und Silber. In einem verdorbenen oder sinkenden Staat wird sich immer Geldmangel äußern, wenn auch unter einer großen Anzahl seiner Mitglieder Crösus Schätze vertheilt wären.
      Ich wiederhole nunmehr die Frage, von der ich ausging, was bedeuten die Worte: man muß verhüten, daß das Geld nicht aus dem Lande gehe, man muß suchen, das Geld im Lande zu halten? und glaube ihren Sinn, in so fern sie nämlich einen wahren Sinn haben, folgender Gestalt entwickeln zu können. Es ist erwiesen, daß jeder von den Menschen durch willkürliche Arbeit hervorgebrachte Ueberfluß, und die Ausbreitung der Gesellschaft nach Maßgabe dieses Ueberflusses, sich nothwendig auf eine Vervielfältigung der Bedürfnisse in dieser Gesellschaft stützen müsse, und daß das Vermögen, die Mittel zu Befriedigung aller dieser Bedürfnisse hervorzubringen, und ihre ununterbrochene wechselseitige Erneuerung, die Dauer und Stärke der politischen Gesellschaft ausmache. Wenn nun jemand sich einen Ueberfluß an einer Sache erwirbt, in der Absicht, dagegen ein anderes Mittel zu Befriedigung eines gewissen Bedürfnisses einzutauschen, so muß, wenn der Zweck erfolgen soll, auf der andern Seite sich ebenfalls jemand befinden, der die begehrte Sache aus ähnlichen Absichten in einem gewissen Ueberflusse bewirkt hat: woraus dann ferner folgt, daß, wenn beide Personen Bürger Eines Staates sind, ihre gegenseitigen Bedürfnisse alsdann im Staate selbst einen zwiefachen Ueberfluß wechselseitig erzeugen. In diesem Falle werden also zwei Quellen des Reichthums im Staate eröffnet, da im entgegengesetzten Falle nur eine flösse, welches allerdings ein Vortheil ist. Daß aber durch eine gewaltsame Begünstigung inländischer Fabriken keine zweite Quelle des Reichthums im Staat sich eröffne, ist leicht zu erweisen. Man frage kurz: giebt das Land die rohen Materialien zu Fabricirung der Waare selbst her, oder muß es sie von außen ziehen? - Hat es sie in sich, so muß der Vortheil, den es durch den Verkauf im rohen gezogen hätte, abgerechnet werden, weil diesen ohnehin schon das Land genoß; hat es sie nicht in sich selbst, so muß wiederum der Vortheil an den rohen Materialien abgerechnet werben, weil diesen, der einheimischen Fabricirung ungeachtet, der Ausländer genießt: in beiden Fällen müßte also der ganze Vortheil allein aus dem Arbeitslohn entspringen, und in allen nur ersinnlichen Modificationen kann es in der That zuletzt auf nichts mehr hinauslaufen. Daß die Verzehrung dieses Arbeitslohns nicht reiner Nutzen für das Land sey, versteht sich von selbst, denn, wenn die Bauern und Handwerker ihre Waaren diesen Manufakturisten nur 5 pr. Cent. unter dem gewöhnlichen Preis verkaufen sollten, so würden sie eine solche Consumtion verwünschen. Folglich ist der überschießende Gewinnst an dem verzehrt werdenden Taglohn der einzige Vortheil für das Land. Wenn man nun den geringen Ersatz, welcher einem Theil der Bürger durch die Consumtion dieser Art Manufakturisten zuwächst, gegen den vollen Schaden der übrigen hält, welche die einheimische Waare theurer eintauschen müssen, als mit der auswärtigen geschehen könnte, so ist das klare Resultat, Schaden und - Ungerechtigkeit.

      In einem fruchtbaren Lande, worin sich alles auf Agrikultur stützt, und von der Classe der einheimischen Grundeigenthümer alle übrige Classen der Bürger leben müssen, - in einem solchen Lande sind diejenigen, welche ausschließungsweise Handelsleute genennt werden, eigentlich nichts anders, als Fuhrmänner oder Fuhrwerks-Entrepreneurs. Der Kaufmann holt die Mittel zur Erhaltung und Verschönerung des Lebens an den Orten ihrer Erzeugung, um sie nach den Orten ihrer Consumtion hinzubringen; er kauft bloß in der Absicht, um wieder zu verkaufen, und dadurch unterscheidet er sich von allen übrigen Classen der im Commerz stehenden Glieder der Gesellschaft. Sein Gewerbe ist ein öffentlicher Dienst, welchen er dem Publiko leistet, und es ist billig, daß das Publikum ihn dafür besolde; nichts destoweniger gehört seine Existenz zu den Unkosten des Landes, und fällt den reproduktiven Quellen seines Reichthums zur Last. Diese Art Unkosten möglichst zu vermindern, kann nicht anders als Gewinn für den Staat seyn.
      In einem Staate, worin die Einwohner hauptsächlich auf Unkosten auswärtiger Grundeigenthümer leben, spielt der Kaufmann eine ansehnlichere Rolle; denn dort stellt er den abwesenden Grundeigenthümer vor, dessen Schätze er distribuirt; er zieht gewissermaßen das Land, welches in einer Entfernung von einigen hundert Meilen vielleicht, zum Lohn für seine Industrie befruchtet wird, auf den Boden, worauf er lebt; er ladet halbe Provinzen aus seinen Schiffen, oder läßt sie durch die Hände seiner Arbeiter herbeizaubern: - aber bei all dem ist dieser Handelsmann, so viel Talente, Fleiß, Geschicklichkeit und Vermögen sein Gewerbe auch erfordern mag, so verdient er sich auch dadurch um den Staat, und vorzüglich um die Menschheit macht, der wesentlichen Grundbeschaffenheit seines Dienstes nach, dennoch nichts anders, als entweder ein Fuhrwerks=Entrepreneur, oder ein Aufseher über Tagelöhner; und sobald man aufhört ihm Fracht zu geben und zu bestellen, oder anfängt seiner Fabrik eine schicklichere vorzuziehen, so verschwinden, gleich bunten Seifenblasen, jene glänzenden Reichthümer. Keine Lage ist so vortheilhaft, keine Anordnungen können so weise seyn, daß sie gegen dergleichen Widerwärtigkeiten immer schützten. Die Manufakturen gehen gemeiniglich an dem Orte ihrer Stiftung zuletzt durch ihre eigene Prosperität zu Grunde, und fliehen aus den bereicherten Ländern in ärmere, wo die Abwesenheit von Population und Luxus die Mittel zur Erhaltung des Lebens in niedrigern Preisen darbietet. In unseren aufgeklärten Zeiten, wo die Geheimnisse aller Künste offenbar sind, und überall die Industrie aufgeweckt und aufgeschreckt wird, - müssen, der wesentlichen Natur der Dinge zufolge, die Manufakturisten nebst ihren Aufsehern wohlfeil und äußerst mäßig leben können; es sey denn, daß die Administration, wie in Frankreich geschehen ist, die Ackersleute zu Sklaven der Handwerker mache. Was aber eine solche Staats=Oeconomie für Wirkungen hervorbringe, liegt am Tage.
      In allen nur möglichen Rücksichten ist demnach dasjenige Commerz, welches mit inländischen Produkten getrieben wird, und eigne Agrikultur in immer größern Flor bringt, das vortheilhafteste, dauerhafteste und beste. Es ist auch das einzige, dessen Zügel ganz in den Händen der Administration sind; alle übrige Arten des Commerzes hängen von tausend äußerlichen Zufällen ab, welche niemand vorhersieht, und denen, wenn man sie auch vorhersehen könnte, selten zu begegnen ist.