B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Ludwig Christoph Heinrich Hölty
1748 - 1776
     
   


G e d i c h t e   d e s   J a h r e s   1 7 7 2

Textgrundlage:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty
Sämtliche Werke.
Herausgegeben von Wilhelm Michel
Weimar 1914


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Leander und Ismene, oder die schöne Zauberin und der entführte Schäfer (1772)
An die Phantasie (1772)
Der Tod (1772)
An eine Tobakspfeife (1772)
Parodie (1772)
Der Bund (1772)
An Teuthard (1772)
An meine Freunde (1772)
Der Tod (1772)
An einen Blumengarten (1772)
Bey Michaelis Grabe (1772)
Laura (1772)
Laura (1772)
An Daphnens Kanarienvogel (1772)
An die Grille (1772)
An Damon (Bruchstück, 1772)
An ein Veilchen (1772)
An Gott (1772)
An Laura, bey ihrer Schwester Sterbebette (1772)
An Sangrich (1772)
Töffel und Käthe (1772)
Trauerlied (1772)
An eine Nachtigall, die vor meinem Kammerfenster sang (1772/76)
An ein Ideal (1772)
An den Mond (1772)


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        Leander und Ismene,
      oder die schöne Zauberin
      und der entführte Schäfer.
      In drey Balladen.

      Erste Ballade.


Seit Adam in den Apfel biß,
      Glich unter allen Schönen,
Hier unterm Mond, das ist gewiß,
      Kein Mutterkind Ismenen.
5 Bey meiner armen Seel'! es war
      Ein Mädchen zum Entzücken,
Mit runder Brust, mit blondem Haar,
      Und Adel in den Blicken.

Der ganze Wuchs war Ebenmaaß,
10       Das Aug voll Himmelsbläue,
Die Wang - ein Chor von Scherzen saß
      Darauf in bunter Reihe.
Der Mund, der tausend Lust verhieß,
      War sonder alle Mängel,
15 Und wenn sie sang, so klangs so süß,
      Als säng' ein heilger Engel.

Die holde Schöne, denkt einmal,
      That aber arge Thaten,
Und muß vielleicht, im Pfuhl der Quaal,
20       Jetzt kochen oder braten.
Behexte, wie das Dorf erzählt,
      Die Kühe des Magisters,
Darob sein Weibchen treflich schmählt,
      Das Federvieh des Küsters.

25 Sie knüpfte manchem Ehepaar
      Den Nestel, als ein Meister,
Und rief, wenns ihr gefällig war,
      Ein Rudel Höllengeister.
Ritt, trotz dem besten Postkurier,
30       Auf ihrem Besenstiele,
Und übergab den Winden ihr
      Geringelt Haar zum Spiele.

Sie tanzte stets, am ersten May,
      Mit Blumen in den Locken,
35 Den weißen Busen schleyerfrey,
      Im Reigen, auf dem Brocken.
Dann pflag der alte Satanas
      Den süßen Herrn zu spielen,
Und wenn sie stand, und wenn sie saß,
40       Nach ihrer Brust zu schielen.

Begierig küßt' er ihre Hand,
      Als wollt' ers Händgen eßen,
Und konnt', an des Kocytus Strand,
      Die Schöne nicht vergeßen.
45 Sandt' ihr so manches billet doux
      Durch seine Hoflakeien,
Schloß kaum die Augenwimpern zu
      Und träumte schon vom Freyen.

Allein Ismene lachte nur
50       Des grämlichen Pedanten,
Und suchte sich, bald auf der Flur,
      Bald in der Stadt Amanten.
Sie sah einmal am Wiesenbach,
      Wo manches Blümchen keimte,
55 Leandern, der im Schatten lag,
      Und süße Träume träumte.

Er träumte von der Adelheit,
      Mit der er sich versprochen,
Daneben von der Seeligkeit
60       Der ersten Flitterwochen.
Es sollte schon die Priesterhand
      Am Altar ihn beglücken;
Man hieng ein langes, rothes Band,
      Das Haar der Braut zu schmücken,

65 Schon an den bunten Flitterkranz;
      Man stimmte schon zum Reigen,
Zum Menuet und Wirbeltanz,
      Die Flöten und die Geigen.
Was meynt ihr wohl, die Unholdin
70       Trat vor den schönen Schäfer,
Zupft' ihn am Ohr und vorn am Kinn,
      Und rief: wach auf mein Schäfer!

Sie hatte seines Mädchens Bild
      Und Kleidung angenommen.
75 Leander ward mit Freud' erfüllt,
      Und stotterte Willkommen.
Er nannte sie mein lieber Schatz,
      Mein Engelchen, mein Kindchen,
Und gab ihr manchen Feuerschmatz
80       Aufs kleine, rothe Mündchen.

Sie giengen endlich, Hand in Hand,
      Der Kühlung zu genießen,
Zum Wald'. Ein schöner Wagen stand
      Schnell neben ihren Füßen.
85 Ein Kutscher, mit besetztem Rock
      Und grämlicher Geberde,
Saß majestätisch auf dem Bock,
      Und lenkte stolz die Pferde.

Der Wagen war von Elfenbein,
90       Besetzet mit Opalen,
Kein Galawagen ist so fein,
      Die Zaubrin konnt's bezahlen.
Sie stiegen in den Phaeton,
      Drauf raßelten die Schimmel
95 Straks über Stock und Stein davon,
      Mit donnerndem Getümmel.

Nun flogen sie gar himmelan,
      Ein Wunder anzuschauen;
Leandern, wie man denken kann,
100       Begonn darob zu grauen.
Wir wollen, wenn es euch beliebt,
      Die Leute fliegen laßen,
Und morgen, wenn Gott Leben giebt,
      Den Rest in Reimen faßen.


      Zwote Ballade.

Der Wagen fuhr auf gutes Glück,
      Bis daß der Himmel graute,
Und man, beym ersten Sonnenblick,
      Ein grünes Eiland schaute.
5 Es lag im Süderocean,
      Seit lieben langen Jahren,
Es hatt' es noch kein Magellan,
      Kein Dampfer befahren.

Sie traten in ein Paradies,
10       Wo Freud' und Wollust lauschte,
In jedem Frühlingslüftgen blies,
      In jeder Quelle rauschte.
Das war euch, traun, ein Luftgefild!
      Rings lachten bunte Flächen,
15 Rings zitterte das goldne Bild
      Der Sonn' in hundert Bächen.

Die Weste flüsterten vertraut,
      Und raubeten den Veilchen,
Wie der Geliebte seiner Braut,
20       Auf jeder Wiese, Mäulchen.
Es sahn, um jeden Silberquell,
      Die Blumen ihre Wangen
In Fluthen, welche spiegelhell
      Durch Auen floßen, hangen.

25 Musik entströmte sonder Rast
      Den kühlen Rebenlauben,
Es herzten sich auf jedem Ast
      Des Hains, verliebte Tauben.
Es sprang, Potz Stern, da möcht' ich seyn!
30       Im Schatten grüner Hecken,
Der feurigste Burgunderwein
      In weite, goldne Becken.

Es ragt' ein prächtiger Palast,
      Erbauet aus Türkisen,
35 Mit Gold und Perlen eingefaßt,
      Auf angenehmen Wiesen.
Die Treppen waren aus Agat,
      Die weiten Flügelthüren,
Durch die man in den Palast trat,
40       Aus blitzenden Sapphiren.

Das Dach, und auch der Wetterhahn,
      Wie man leicht kan erachten,
Von feinem Gold aus Indostan,
      Besetzet mit Smaragden.
45 Ein wunderbares Feyenschloß,
      Bei dem wohl sonder Zweifel,
Der es gebaut, viel Schweis vergoß,
      Gott sey mit uns, der Teufel.

Ein großer tapezierter Saal
50       Gieng mitten durchs Gebäude,
Mit Schildereyen ohne Zahl -
      Die schönste Augenweide! -
Von Raphael und Titian.
      Hier eine nackte Lede,
55 Dort Vater Zeus mit ihr, als Schwan
      In einer Liebesfehde.

Der Großsultan, der Perser Schach,
      Im Zirkel ihrer Frauen,
Ein lustig Karnevalgelag,
60       Gar lieblich anzuschauen.
Der Muselmänner Himmelreich,
      Voll niedlicher Figuren,
Ein grüner Wald, im Wald' ein Teich,
      Voll Badeposituren.

65 Sie lebten hier, als Frau und Mann,
      Am grünen Meergestade,
Und tranken, wenn der Tag begann,
      Bald Thee, bald Schokolade.
Sie hielten im Gemäldesaal,
70       Von dem wir euch erzählten,
Das Frühstück und das Mittagsmahl,
      Dem keine Reize fehlten.

Die Speisen kamen auf den Wink
      Der Unholdin von selber,
75 Es flogen, wenn sie schellte, flink
      Gebratne Tauben, Kälber,
Kapaunen, Hasen auf den Tisch,
      Lampreten und Forellen,
Und ein poßierliches Gemisch
80       Von Austern und Sardellen.

Nicht minder kam, auf ihr Gebot,
      Viel Backwerk angeflogen,
Pasteten, Torten, Mandelbrodt,
      Daß sich die Tafeln bogen.
85 Das große, goldne Deckelglas,
      Gefüllet mit Tokaier,
Goß ihre Kehlen weidlich naß,
      Goß durch die Adern Feuer.

Sie spielten alle Nachmittag,
90       Nach eingenommnem Mahle,
In einer Sommerlaube Schach,
      Und aßen kalte Schaale:
Und giengen, wenn das Abendroth
      Durch ihre Laube blinkte,
95 Zum Palast, wo das Abendbrodt
      In goldnen Schüßeln winkte.

Sie irrten, wenn der Mondenschein
      Den Wald mit Silber deckte,
Vertraulich durch den Myrthenhain,
100       Wo mancher Vogel heckte,
Und setzten sich auf Immergrün,
      Bedeckt von Myrthenästen,
Durch die der schöne Vollmond schien,
      Umscherzt von lauen Westen.

105 Sie ruhten, Brust an Brust gedrückt,
      Und was sie weiter thaten,
Der schöne Vollmond hat's erblickt,
      Ich kan es nicht errathen.
Ein süßes, klatschendes Getön
110       Scholl aus den Myrthenbüschen,
Die Vögel sangen wunderschön
      Ein Minnelied dazwischen.

Der West, der im Gesträuche war,
      Goß einen Blüthenregen,
115 Voll Abendduft, bald um ihr Haar,
      Bald ihrer Brust entgegen.
Sie trippelten, mit trübem Blick,
      Und Graß und Staub in Haaren,
Nach ihrem Zauberschloß zurück,
120       Wo weichre Polster waren.

Sie lasen, wenn sie sich gesetzt,
      Zur Zeit des Schlafenlegens,
Rosts schöne Nacht, zu guter letzt,
      Anstatt des Abendsegens.
125 Und schlüpfeten, wenn dies vollbracht,
      Zum Ruhekabinette:
Wir wünschen ihnen gute Nacht,
      Und gehen auch zu Bette.


      Dritte Ballade.

So lebeten auf ihrer Burg,
      Wie wir erzählt, die beiden,
Den May, den Junius hindurch,
      In Herrlichkeit und Freuden:
5 Und schwammen hier in Ueppigkeit
      Bis über beide Ohren,
Doch endlich floh die Trunkenheit,
      Worinn er sich verloren.

Er hatte sich mit Zuckerbrodt
10       Den Magen überladen,
Ward bleich und hager, wie der Tod,
      Es schwanden seine Waden;
Sein Auge, wie Vergißmeinnicht,
      Erlosch und wurde dunkel,
15 Er trug im kupfrigen Gesicht
      Rubinen und Karfunkel.

Die Küße, Weine, das Konfekt,
      Die Zuckerbißen alle,
Wornach er sonst den Mund geleckt,
20       Verkehrten sich in Galle.
Der Vögel buhlrisches Koncert,
      Das er, in Lust verloren,
Mit solcher Wonne jüngst gehört,
      Mißklang itzt seinen Ohren.

25 Nun floh er, mehr als Tod und Grab,
      Den Palast und Ismenen,
Schlich am Gestade auf und ab,
      Und weinte große Thränen.
O liebe, liebe Adelheit!
30       So rief er sonder Ende,
Der ich mein treues Herz geweiht,
      Und rang die welken Hände:

Wie magst du, gute Seele! wohl
      Leanders Angedenken,
35 Mit lautem Schluchzen, einen Zoll
      Getreuer Zähren schenken!
O könnt' ich dir den Thränenguß,
      Dem Kerker hier entrißen,
Durch einen warmen treuen Kuß,
40       Von deiner Wange küßen!

O welch ein Unstern! wehe mir!
      Das Mastvieh war geschlachtet,
Der Pfarrer hatte sein Gebühr,
      Wornach er lang geschmachtet.
45 Wir waren schon, ich armer Mann!
      Vom Pfarrer aufgeboten,
Und dachten wahrlich nicht daran,
      Was uns für Wetter drohten.

Schon gieng, mit manchem bunten Band
50       Am Hut, der Hochzeitbitter
Im Dorf herum, der Musikant
      Probierte schon die Zitter.
Die Speisen, die wir angeschafft,
      Sind nun schon längst verdorben;
55 Mein Liebchen ist wohl, hingerafft
      Von Schwermuth, gar gestorben.

Den guten Göttern mußte dies
      Nun wohl zu Herzen gehen,
Drum flog ein Schiff heran und ließ
60       Die Flagge stattlich wehen.
Der Schiffspatron nahm ihn an Bord,
      Und bracht' in wenig Stunden
Ihn wohlbehalten an den Ort,
      Wo ihn Ismene funden.

65 Madam stand unbeweglich da,
      Als, fern am Horizonte,
Sie die geschwollnen Seegel sah,
      Und es nicht wehren konnte.
Zerriß die Haare, weinte sich
70       Die Wangen bleich und hager,
Und wand die Hände jämmerlich
      Auf dem verwaisten Lager.

Sie ritt mit thränendem Gesicht,
      Auf ihrem Besenstiele,
75 Viel Länder durch, und fand ihn nicht,
      Und ritt sich manche Schwiele:
Und ward, wie männiglich bekannt,
      Nach vielen Abendtheuern,
Zuletzt elendiglich verbrannt,
80       In Würzburg oder Bayern.

 
      An die Phantasie.

      Rosenwangigte Phantasie,
Die du Bilder ins Herz deiner Vertrauten mahlst,
      Die Vergangenheit aus dem Schoos
Ihrer Mitternacht rufst, hinter den Schleyer blickst,
5       Der das Auge der Zukunft deckt,
Dich gen Himmel erhebst, unter Verklärten wallst,
      In die Harfen der Engel singst,
Und den blendenden Thron Gottes von ferne schaust;
      Beut mir immer den Schwanenarm!
10 Reiß mich flügelgeschwind, über die Wolkenbahn,
      In den goldenen Sternensaal!
Oder wandle mit mir, holde Begleiterin,
      In die Tage des Flügelkleids,
Die, im scherzenden Tanz, über mein Haupt entflohn,
15       In die Tage der ersten Glut! - -
Rollt mein Leben zurück? Zauberin Phantasie,
      Wohin zauberst du meinen Tritt? - - -
Gaukelnd hüpf' ich daher, hasche den Schmetterling,
      Der am Busen der Rose trinkt,
20 Baue Hütten mir auf, flügle den bunten Ball
      Durch die Bläue der Sommerluft! - -
Welche Göttergestalt! Unschuld, die Minnerin
      Dieser friedlichen Schäferflur,
Führt ein Mädchen am Arm. Heller und röther blühn
25       Alle Wangen des Blumenvolks,
Das den schmeichelnden Kuß ihres Gewandes fühlt.
      Itzt, itzt schlüpft sie dahin, und mir
Lacht ihr Seelenblick, mir! - - Seh ich die Laube dort,
      Wo mein Busen an Agathons
30 Busen fröhlicher schlug, wo wir den Abendstern
      Oft den Himmel besteigen sahn?
Reizend bist du mir stets, schattendes Rebendach,
      Wo dein Wonnegespräch, o Freund,
Dein geselliger Scherz, Flügel des Augenblicks
35       Mancher seeligen Stunde gab! - -
Flieh das blumichte Grab, flüchtige Führerin,
      Wo die göttliche Lilla schläft!
Flieh, sonst bricht mir das Herz! - Schwinge dich wolkenan,
      Und bewalle mit mir den Stern,
40 Wo, mit Morgengewölk röthlich umhüllt, ihr Geist
      An melodischen Quellen irrt,
Und den Strom des Gesangs, welcher den goldenen
      Engelharfen entrauschet, trinkt! - -
Wonne! Wonne! die Welt taumelt zurück! Ich bin
45       Am Gestade des lichten Sterns!
Lilla hüpfet heran, leitet mich an der Hand
      Unter Chöre der Seeligen.
Engel stehen umher, werfen mir Kronen zu,
      Winden Palmen mir um den Schlaf - -
50 Weil auf diesem Gestirn immer, o Phantasie!

 
      Der Tod.

Stärke mich durch deine Todeswunden,
Gottmensch, wenn die seligste der Stunden,
Welche Kronen auf der Wage hat,
Meinem Sterbebette naht!

5 Dann beschatte mich, o Ruh, mit linden,
Stillen Flügeln! Geister meiner Sünden,
Nahet euch dem Sterbelager nicht,
Wo mein schwimmend Auge bricht!

Du mein Engel, komm von Gottes Throne,
10 Bringe mir die helle Siegerkrone,
Wehe Himmelsluft, und Engelruh
Mir mit deiner Palme zu.

Leite mich, auf tausend Sonnenwegen,
Jenem Engelparadies entgegen,
15 Wo die Gute, welche mich gebar,
Schon so lange glücklich war;

Wo die jungen Geister meiner Brüder
Unter Blumen spielen, süße Lieder
In die Lauten singen, jung und schön,
20 Zwischen Engeln um mich stehn.

Wohnt' ich doch, von diesem Erdgewimmel
Schont entfernt, in eurem Freudenhimmel,
Theure Seelen! Kniet' ich, kniet' ich schon
An des Gottversöhners Thron!

 
      An eine Tobakspfeife.

Dir, braune Pfeife, die du dem zögernden
Decemberabend schnellere Flucht gebeutst,
      Vertraute meiner Einsamkeiten,
            Will ich ein Fidibusopfer bringen:

5 Dies ganze Bündel, das mir mein Agathon
Aus schalen Reimen, Bibliotheken und
      Roman drehte. Schwelgt, ihr Flammen,
            An den erträumeten Ewigkeiten!

Bestraft den Narren, welcher ins Waffenfeld,
10 Mit Gänsespulen stattlich bewaffnet, zog,
      Tumult aus ehrnem Rachen brüllte,
            Närrische Katzengefechte kämpfte;

Den leeren Reimer, welcher, mit goldnem Schnitt,
Im Schoos der schönen Tochter der Enkelinn
15       Zu ruhen träumte: seine Asche
            Sinke, voll gaukelnder Funken, nieder!

 
      Parodie.
      Aequam memento rebus in arduis
      Servare mentem.
            Hor.


Stets wohne Gleichmuth, wohne Zufriedenheit
In deiner Seele, wann dir der Recensent
      Ein Weihrauchkörnchen streuet, oder
            Spöttischen Tadel und Grobheit ausströmt.

5 Des ernsten Weisen, welcher bis an den Bart
In Büchern sitzet, Bogen auf Bogen schreibt,
      Des Tändlers, und des frohen Zechers,
            Harret die Klaue des Knochenmannes.

Drum laß ins Zimmer, wo dir der Ofen und
10 Der Lehnstuhl winken, blauer Wacholderduft
      Vom Rauchfaß strömt, und Frühlingsscenen,
            Vögel und Blumen die Wände schmücken,

Dir Knasterrollen, Pfeifen und Fidibus,
Zum Trunke bringen, den die Levante zeugt,
15       Bevor die Parce deinen Faden,
            Mitten im Fluge der Spindel, kürzet.

Dann wird die theure Bibliotheck verkauft,
Die zentnerschweren Bücher in Folio,
      Die Dichter, die mit goldnen Titeln,
20             Goldenen Blumen, und Schnitten prangen.

Des Todes Sichel mähet dein Leben ab,
Du magst mit Klopstocks Schwunge der Ewigkeit
      Entgegen fliegen, oder braunem
            Pfeffer und Würze zur Hülle dienen.

25 O Freund, der Preßen Ewigkeit ist ein Traum,
Das Schicksal stürzet, früh oder spät, das Lied
      Des schalen Reimers, und des Dichters
            In der Vergeßenheit Nacht hinunter.

 
      Der Bund.

Dem Kußgelispel ähnlich, wenn Freunde sich
Umarmen, rausche, Harfe! Du Lindenbaum,
      Geuß dein Geflüster in die Saiten
            Hainings! Er glühet im Wonnetaumel.

5 Mein Gottschalk nennt mich Bruder! Der Name tönt
Mir süßre Lispel, als mir das Lüftchen tönt,
      Das durch die jungen Mayen säuselt,
            Wo sich mein Mädchen des Lenzen freuet.

Weg, Liederharfe! - - Teuthard und Minnehold,
10 Das Herz im Auge, taumeln mir an die Brust,
      Und unsre deutschen Liederseelen
            Strömen in Gluthen. Was weilst du, Raimund,

Im Mondglanzschatten! - Reiß dich, o Bardenhold,
Aus Raimunds Armen! Flügle dich, schnelles Flugs,
15       An meinen Busen! - Ah, du strömest
            Mir in die bebenden, offnen Arme!

Verlaßt mich, Freunde, daß mir die trunkne Brust
Im kühlern Taumel brenne! - - Mein Bardenhold
      Entheb mein Spiel dem Eichensprößling,
20             Daß ich mein Herz in die Saiten singe!

Noch Einen Rundkuß, Freunde, bevor mein Schwur
Den Bund versiegelt, welchen die Tugend knüpft;
      Noch Einen Handschlag vor den Augen
            Gottes, der unsichtbar um uns wandelt!

25 Durch alle Sterne hallt er! Eloa blickt
Aus seiner Wolke nieder, und segnet uns;
      Die Geister unsrer Väter schweben
            Lichthell und lispelnd um unsre Saiten.

Seyd Zeugen, Engel! - - Haining beschwört den Bund! -
30 Der Mond blinkt heller, goldner und goldner malt
      Sich jede Wolke, die melodisch
            In das Gewirbel der Harfe murmelt.

Seyd Zeugen, Geister! - - Haining beschwört den Bund! -
Mein Spiel verstumme flugs, mein Gedächtniß sey
35       Ein Brandmahl, und mein Name Schande:
            Falls ich die Freunde nicht ewig liebe!

Kein blaues Auge weine die Blumen naß,
Die meinen Todtenhügel beduften; falls
      Ich Lieder töne, welche Deutschland
40             Schänden und Laster und Wollust hauchen!

Der Enkel stampfte zornig auf meine Gruft,
Wann meine Lieder Gift in das weiche Herz
      Des Mädchens träufeln, und verfluche
            Meine zerstäubende kalte Asche! - -

45 Die Geister flüstern lauter - - die Linde haucht
Mir tiefre Schauer - Schleuß mich in deinen Arm,
      O Gottschalk, daß die Seelenschauer
            Sich in Entzückung der Freude wandeln!

 
      An Teuthard.

Trotz jedem Ausland, stürmet Begeisterung
      In deutschen Seelen. Barden, ihr zeuget es,
Die ihr von Sarons Palmen, und von
      Heimischen Eichen euch Kränze wandet.

5 Mit schnellern Flügen, als der Hesperier
      Und Britte flogt ihr, Barden des Vaterlands,
Auf Bragas Gipfel. Noch war Dämmrung,
      Dämmrung zerflog, und die Mittagssonne

Stand hoch am Himmel. - - Muse Teutoniens,
10       Du bietest deiner Schwester, der Brittinn Trotz,
Und überfleugst sie bald; du lächelst,
      Muse, der gaukelnden Afterschwester,

Des bunten Mädchens, das an der Seine Strand
      Ein Liedgen klimpert. Schande dem Sohne Teuts,
15 Der's durstig trinket, weil es Wollust
      Durch die entloderten Adern strömet!

Kein deutscher Jüngling wähle das Mädchen sich,
      Das deutsche Lieder haßet, und Buhlersang
Des Galliers in ihrer Laute
20       Tändelnde Silberaccorde tönet!

Schwing deine Geißel, Sänger der Tugend, schwing
      Die Feuergeißel, welche die Braga gab,
Den Natternschwarm, der unsre deutsche
      Redligkeit, Keuschheit und Treue tödtet,

25 Zurückzustäupen. Ich will, o Freund, indeß,
      Wenn deine Geißel brauset, der tollen Brut,
Am Busen eines deutschen Mädchens,
      Unter den Blumen des Frühlings, lachen.

 
      An meine Freunde.

      Schande ladet der Mann auf sich,
Auf sein sklavisches Volk, welcher den Meucheldolch
      In den Busen der Unschuld senkt,
Und in Engelgewand hüllet den Otternleib
5       Seiner Göttin der Buhlerey.
Edle schwören ihm Haß! Streuet ein Schmeichelsklav
      Kron' auf Kronen in seinen Schoos,
O er jauchze nur nicht! Prahler dein Lorbeer welkt,
      Eh dein Leben verflogen ist,
10 Welkt, und schändet dein Haupt! Grünt er Aeonenlang,
      Keiner neidete solchen Kranz,
Welcher träufelt von Tod! Reue der Seelenwurm
      Reißt vom Schlummer sich jählings auf,
Und zerwühlet sein Herz! Töchter des Schöpferhauchs,
15       Mädchenseelen, durch ihn verführt,
Wimmern gegen ihn hin, wimmern und starren Fluch,
      Kommt sein eiserner Todestag.
Jedes Buhlergelust, das er entzündete,
      Wird zum Teufel, und geißelt ihn
20 Auf dem Lager der Rast, bis er den Geist verhaucht.
      Sünder, stürzeten Ströme Bluts
Deine Wangen herab, stürzeten, bis des Tods
      Eisenklauigte Würgerfaust
Dräuend über dir schwebt, Sünder, sie weinten nicht
25       Deiner Frevel den kleinsten aus!
Freunde beuget das Knie, danket zu Gott hinauf,
      Daß kein Tropfen des Seelengifts
Rann aus euren Gesang, danket zu Gott hinauf!

 
      Der Tod.

Wann, Friedensbothe, der du das Paradies
Dem müden Erdenpilger entschließest, Tod,
      Wann führst du mich mit deinem goldnen
            Stabe gen Himmel, zu meiner Heymath?

5 O Waßerblase, Leben, zerfleug nur bald!
Du gabest wenig lächelnde Stunden mir,
      Und viele Thränen, Quaalenmutter
            Warest du mir, seit der Kindheit Knospe

Zur Blume wurde. Pflücke sie weg, o Tod,
10 Die dunkle Blume! Sinke, du Staubgebein,
      Zur Erde, deiner Mutter, sinke
            Zu den verschwisterten Erdgewürmen.

Dem Geiste winden Engel den Palmenkranz
Der Ueberwinder. Rufet, o Freunde, mich
15       Nicht wieder auf das Meer, wo Trümmer,
            Thürmende Trümmer das Ufer decken.

Wir sehn uns, Theure, wieder, umarmen uns,
Wie Engel sich umarmen, in Licht gehüllt,
      Am Throne Gottes, Ewigkeiten
20             Lieben wir uns, wie sich Engel lieben.

 
      An einen Blumengarten.

Sehnsuchtsthränen rinnen dir oft, die süßen
Sehnsuchtsthränen später Erinnrung, werthe
Scene meiner goldenen Knabenfreuden,
            Liebster der Gärten!

5 Deiner Beete blitzende Wechselfarben,
Wo sich Buttervögel im Thau besahen,
Und auf Silberrosen das Bild des schönen
            Frühroths sich mahlte;

Deine Schattenlauben, und Blüthenwipfel,
10 Wo die Vögel zwitscherten, wo die Bienen
Ihr Entzücken summeten, stehn mir immer,
            Immer vor Augen.

Wie die silberschwingigten Stunden tanzten,
Wann ich Veilchenkränze für meine Schwester
15 Wand, und deine Blumen mit buntgeschnitzten
            Stäben vermählte!

Immer, immer schau ich die werthen Plätze,
Wo du mit mir wandeltest, theurer Vater!
Wo dein Mund, dein redlicher Mund, der Tugend
20             Schöne mich lehrte.

Und die Blumenwasen, wo meine Laura
Durch die tausendfarbichten Kräuterblümchen
Hüpfte, sanftbeglänzet vom Abendgolde,
            Zephyrlich hüpfte.

25 Welch ein Wonnelächeln ihr um die Wangen
Floß! Noch in den Auen des Paradieses
Will ich deiner, blühender Garten, deiner,
            Mädchen, gedenken.

 
      Bey Michaelis Grabe,
      im October 1772.


Sey mir heilig, o Flur, wo Michaelis schläft,
Von den Edeln beklagt, wo sein gebeugter Gleim
      Thränen, Thränen des Herzens,
            Auf den steigenden Hügel goß.

5 Oede trauert umher, manches verwelkende
Blatt umwirbelt dich, Grab, flüstert dem Wandelnden
      Süße Schwermuth entgegen,
            Ein Verkünder der Sterbligkeit.

Wecke, kehrest du Lenz, wecke die Nachtigall
10 Hier zu Klagegesang, streue manch farbigtes
      Blümchen unter die Neßeln,
            Die hier Schauer dem Narren wehn.

Und du, seliger Geist, reiße dich lächelnd aus
Jähns Umarmungen los, schwinge, du Seraph, dich
15       Erdhernieder, wo schluchzend
            Gleim die Laute der Trauer schlägt;

Oder schluchzend, an Schmidts Busen gesenket, spricht:
Ach, den redlichen Freund, warum entrief der Tod,
      In der Blume der Jugend,
20             Ihn, das Muster der Biederkeit?

Warum schweiget das Spiel, welches dem Laster bald
Rache donnerte, bald leiseren Lautes scholl,
      Unter den Blüthen des Mayen,
            Von der Süße der Liebe scholl?

25 Lispl' ihm Trost in die Brust, Heiterkeit in den Blick,
Du Bewohner des Lichts, wandle dann strahlender,
      Engelthränen im Auge,
            Durch die Chöre der Seligen.

Sey mir heilig, o Grab! Enkel und Enkelin
30 Bist du heilig, wie mir, Barden der Afterwelt
      Weihn dir Lieder der Klage,
            Wenn dein Moos schon begonnen ist.

 
      Laura.

Kein Blick der Hoffnung heitert die Seele mir,
Kein Blick der Freude! Nimmer, ach, nimmer wird
      Dein Auge, Laura, meinem Auge
            Wieder begegnen, und Liebe sprechen.

5 Dein ehrner Fußtritt hallte mir oft, o Tod,
In meiner Kindheit werdenden Dämmerung,
      Und manche Mutterthräne rann mir
            Auf die verblühende Knabenwange.

Wer hemmte deinen Bogen? O Seraphim,
10 Was flogt ihr mit der Krone zurück, und mit
      Den Siegespalmen, die ihr eurer
            Scheidenden Schwester entgegenhieltet?

O Kronengeber, welcher den Sterblichen
Die Ketten abreißt, komm, und entfeßle mich,
15       O Wonnetod! Dann schweb ich Lauren,
            Lauren entgegen, und bin ihr Engel!

 
      Laura.

Bald wird des Grabes Ruhe mich decken, bald
Umschweb ich Lauren, Ahnungen sagens mir,
      Die Sterbeglocke schalt mirs, nächtlich
            Hör ich ihr Schallen, und Engel rufen:

5 Du sollst getröstet werden, du Weinender,
Um Lauren schweben, bis sie das Paradies
      Mit dir bewohnet. - Todesstunde,
            Flügle die Schritte, du Menschenfreundin,

Du Bothin Gottes! Wonne mir, Wonne mir,
10 Ich ströme, kommst du, kniend, wo Laura kniet,
      Anbetung über sie, und Andacht,
            Wann sie vom Kelche des Bundes trinket.

Und süßre Schauer, Schauer der Seraphim
Am Throne Gottes, tönet sie Preißgesang,
15       Vom Mayenfrühroth angelächelt,
            Aus dem begeisterten vollen Herzen.

Ich folg', im Mondenschimmer, der Denkerin
Durch deine Kühlung, duftende Frühlingsnacht,
      Und decke, wann ihr Auge sinket,
20             Sie mit verbreitetem Flügel; wehe

Den Morgenschlummer, wehe den frommen Traum
Von ihrer Stirn, und führe die Wachende
      Zum Garten, sich der Mayenblüthen,
            Sich des Gezwitschers umher, zu freuen.

25 Sie dankt mir, o Gedanke voll Seeligkeit!
Dereinst die hohen Christengefühle, dankt
      Mir einst am Throne des Erlösers
            Jede vergoßene Christenthräne.

 
      An Daphnens Kanarienvogel.

Liebes Vögelein, ach, wie ruhig schläfst du,
Dein gesunkenes Köpflein unterm Fittig;
Träumst Gesänge des Tages, pickst aus Daphnens
Schönen Händen ein Stücklein Zucker, oder
5 Was für herrliche Träume dich umgaukeln.
Neidenswerther, ach, zehnmal neidenswerther
Ist, o Vogel, dein Schicksal, als das meine!
Nie umflattert des Schlummers Rosenfittig
Diese weinenden Augen. Daphne klopfet
10 Mir in jeglichem heißem, lautem Herzschlag;
Und die Wage der Götter wog uns Trennung.
O was frommet mir solch ein Trauerleben!
O verwandelten mich die guten Götter
In dieß Vögelein! O wie wollt ich Daphnens
15 Busen zwitschernd entgegenflattern, mich auf
Ihren Armen ein Weilchen wiegen, und auf
Ihrer Schulter ein Minneliedchen flöten!
In die Saiten des Flügels wollt ich girren,
Wann ihr fliegender kleiner Finger spielte,
20 Bis ihr Mündlein mit einem Kuß mir dankte!
Dann, dann würd ich mit keinem Sultan tauschen,
Wann auch hundert der schönsten Landesjungfraun
Um die Ehre des seidnen Schnupftuchs buhlten!
Traun, dann würden die Götter samt und sonders
25 Mich, im hohen Olymp, ein wenig neiden!

 
      An die Grille.

Warum zirptest du mich, o böse Grille,
Aus dem süßesten Traume? - Laura saß mir,
Ueberschattet von Rosen, gegenüber,
Wand aus weißen und rothen Blumen Kränze,
5 Sang, wie Engel im Paradiese singen,
Ach, und lächelte, daß mein trunknes Herz mir
Vor Entzückung beinah zerfloßen wäre. -
Warum zirptest du mich, o böse Grille,
Aus dem süßesten Traume? Flieh mein Lager,
10 Kleine Zirperin, wecke, wecke Lauren
Aus dem Schlummer. Vielleicht gedenkt sie meiner,
Beym Erwachen, und seufzet, "armer Jüngling,
Warum waltet ein Unstern über unsrer
Liebe? Könnt' ich die Deine werden, könnt' ich
15 An dies klopfende Mädchenherz dich drücken,
Traun, du würdest mich zärtlich, zärtlich lieben,
Bis zum Grabe mich lieben", ach, und weinet
Auf ihr Küßen das schönste Thränchen, welches
Je ein Mädchen geweint hat. - Bleib, o Grille,
20 Keine Zähre soll Laurens Auge trüben,
Ich will Klagen in deine Klagen wimmern,
Will mein trauriges Herz mir leichter weinen.

 
      [An Damon].

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Auf die Erde zu kommen, Mädchenbildung
Anzunehmen, und unsre Heimathsfluren
In ein blühendes Eden umzuzaubern.
Lebt' ich tausend und tausend Jahr, ich würde
5 Nie was Schöners erblicken. Ihre Wange
Gleicht der Blüthe des Pfirsich, rothen Rosen
Gleicht ihr Mündlein. Aus ihrem blauen Auge
Bickt die Milde des Herzens. Sähst du ihres
Mundes liebliches Lächeln, traun, du würdest
10 In den Himmel zu blicken glauben. Aber,
Ach, du wirst sie wohl nimmer sehen, bis du
Sie dereinstens im Paradiese Gottes,
Unter Engeln itzt wandeln, itzt an meinem
Arme lichthell und lächelnd hüpfen siehest.
15 Weine, Damon, mit mir! Sie war einst meiner
Blüthenjahre Gespielin, war mir lieber,
Als mein Leben. Ein Mißverhängniß bannte
Sie in ferne Gefilde. Nimmer, nimmer
Wird dies Auge sie schauen. Veilchen will ich
20 Auf die Spuren des süßen Liebchens streuen,
Naßgeweinte Veilchen, will mich ihres
Seelenlächelns erinnern, und dann sterben.

 
      An ein Veilchen.
      (nach dem Zappi)


Birg, o Veilchen, in deinem blauen Kelche,
Birg die Thränen der Wehmuth, bis mein Liebchen
Diese Quelle besucht. Entpflückt die Schöne
Dich dem Rasen, die Brust mit dir zu schmücken,
5 O dann schmiege dich an ihr Herz, und sag ihr,
Daß die Tropfen, in deinem blauen Kelche,
Aus der Seele des treusten Jünglings floßen,
Der sein Leben verweinet, und den Tod wünscht.

 
      An Gott.

Du Gott der Langmuth, gehe nicht ins Gericht
Mit deinem Knechte! Niedergestürzt in Staub,
      Bekenn ich, mit zerknirschtem Herzen,
            Meine begangenen Jugendfehle,

5 Und flehe Gnade! Taumelnd vom süßen Wahn
Der Erdenfreude, schwankt ich von Tand zu Tand,
      Und liebte dich, und meinen Heiland
            Nicht mit der vorigen Feuerinbrunst.

Ein buntes Blümchen, das der Verwelkung wuchs,
10 War meine Gottheit! Zürne des Jünglings nicht,
      Der Opferschalen deines Altars
            Einer verwelkenden Blume weihte!

Ach, heißres Feuers, liebt ich ein sterblich Weib
Als meinen Mittler, der mich entsündigte,
15       Vergaß des Himmels und der Hölle,
            Träumte mir irdische Seligkeiten.

Im Beichtstuhl selber, donnere nicht so laut
Du innrer Richter! wann mir die Segenshand
      Des Priesters auf der Scheitel ruhte,
20             Brannte das Mädchen mir tief im Marke.

An deinem Tische, Bluter auf Golgatha,
War Laura meiner Seele Gefühl und Wunsch,
      Und Sehnsuchtsthränen, ihr geweinet,
            Träufelten über den Kelch des Bundes.

25 Du Gott der Langmuth, gehe nicht ins Gericht
Mit deinem Knechte! Dir ist des Sünders Tod
      Nicht Wohlgefallen! Nie verschloß sich
            Reuigen Thränen dein Herz, o Vater!

 
      An Laura, bey ihrer Schwester Sterbebette.

Wanke näher an das Sterbebette,
Wo Lucindens Hülle starrt,
Wo ihr Geist von seiner Sclavenkette
Loßgekettet ward.

5 Helle deinen Thränenblick! Am Throne,
Wo der Gottversöhner thront,
Ist Lucinde mit der Siegeskrone,
Wohl ihr! schon belohnt.

Denke dieser bleichen Todesmine,
10 Dieses Lagers, wo du weinst,
Wann du wieder auf der Narrenbühne
Deiner Stadt erscheinst.

Ihres Kampfes denk', und ihres Röchelns,
Erdgedanken zu zerstreun,
15 Ihres Glaubens, ihres letzten Lächelns,
Gottes dich zu freun.

 
      An Sangrich.

Noch wohnet Unschuld, die von der Marn' entfloh,
In deutschen Mädchen. Tugend und Sanftmuth blickt
      Aus ihren großen blauen Augen,
            Wo sich der Engel, die Seele, spiegelt.

5 Nicht Purpurrosen, welche die Schminke schafft,
Entknospen auf den Wangen der Mädchen sich;
      Die mögen auf den Wangen Deiner
            Töchter, Lutetien, sich entfalten!

Die süße Röthe schüchterner Sittsamkeit
10 Umströmt ihr Antlitz, wenn sich der Jüngling naht,
      Den ihre Seelen lieben, und dann
            Blicke den Blicken entgegenschmachten.

Ein freudenseelig Lächeln entschwebet oft
Den Grübchen ihrer Wangen und blitzet flugs
15       Ein Eden in die Brust - - O Wonne!
            Wonne dem Sänger der deutschen Mädchen!

Sie lieben deutsche Lieder, beseelen oft
Klavier und Laute, gießen den Silberstrom
      Des Zaubersangs darinn - - O Wonne!
20             Wonne dem Sänger der deutschen Mädchen!

Sey, Freund, ihr Sänger! Mutter Natur verlieh
Dir zart Gefühl und zaubernden Harfengriff;
      Es wandeln sich ob Deinen Liedern
            Stürme des Busens ins Westgesäusel.

25 Besing die Wonnen, welche die Liebe giebt,
Der Tugend Schwester, wenn sich der Geist besäuft,
      Durch tausend Irren schwankt, dem offnen
            Himmel der Himmel entgegentaumelt.

Lobpreis' auch Unschuld, Unschuld, den Genius
30 Der deutschen Mädchen; Sänger, Dein süßes Lied
      Soll einst das Mädchen wirbeln, das mich
            Künftig, so flüstert mein Engel, liebet;

In Blüthenlauben wirbeln, wenn Dämmerung
Beströmt mit Röthe winket - - Wir kosen dann
35       Den Abendstern ins Meer hinunter,
            Kosen von Dir und unsrer Freundschaft.

 
      Töffel und Käthe,
      eine Ballade.


Zween fromme Wunderthäter,
      Vom Ost bis West bekannt,
Durchwanderten, mit Ablaß
      Bepackt, das Schwabenland.
5 Verbannten manchen Kobold
      Und manchen bösen Alp,
Und heilten manchen Junker
      Und manches kranke Kalb.

Sie kamen, als die Sonne
10       Zum Ocean entwich,
Und flötend Hirt und Schäfer
      Durch Abendschatten schlich,
In ein umbüschtes Dörfchen,
      Ersahn des Amtmanns Haus,
15 Und baten, tiefgebücket,
      Sich eine Mahlzeit aus.

Der Amtmann sprach: ihr Herren,
      Kehrt in den Gasthof ein,
Ich habe keinen Braten,
20       Und keinen Tropfen Wein;
Und warf darauf die Hausthür
      Vor ihrer Nase zu,
Und brummt' heraus zum Fenster:
      Fort, angenehme Ruh!

25 Der Pfarrer und der Küster
      Schalt sie nicht minder fort.
Sie stolperten durchs Dörfchen,
      Und fanden keinen Port.
Doch endlich guckte Töffel
30       Zum Stubenfenster aus,
Und lud die Wunderthäter
      Durch einen Wink ins Haus,

Empfieng, mit bloßen Haupte,
      Die Herren an der Thür,
35 Und murmelte: mein Kätchen,
      Hohl eine Kanne Bier,
Daneben Brodt und Butter,
      Und Schweizerkäs' und Wurst. -
Sie stillten ihren Hunger,
40       Und löschten ihren Durst;

Erzählten, nach der Mahlzeit,
      Am hellen Tannenfeur,
Dem lieben Wirth und Wirthin,
      Viel hundert Ebentheur:
45 Daß sie den Teufel einstens
      Beym Hexentanz ertappt,
Der sich in einen Schaafbock,
      Mit langem Schwanz verkappt;

Die Hexen und den Teufel,
50       Der fürchterlich geblöckt,
Durch ein allmächtig Ave
      Zur Hölle fortgeschreckt;
Die scheuslichsten Gespenster
      In einen Sack geschnürt,
55 Und, bald in öde Schlößer,
      In Wälder bald, geführt.

Sie schwatzten, bis der Morgen
      Durchs Hüttenfenster schien.
Herr Bruder, sprach der eine
60       Zum andern: laßt uns ziehn.
Was ziehn? Nein, dieses Dörfchen
      Soll, eh wir weiter gehn,
Das schwör ich dir, Herr Bruder,
      Ein Strafexempel sehn.

65 Schnell rollten Wetterwolken,
      Von Blitz und Donner schwer,
Herauf; die Fluthen stürzten
      Schnell auf das Dorf daher;
Des Blitzes Feuerflügel
70       Schoß durch die Luft dahin;
Der Amtmann schwamm im Waßer
      Nebst seiner Amtmannin.

Nicht minder schwamm der Pfarrer,
      Erbärmlich anzuschaun,
75 Im Schlafrock und Pantoffeln.
      Das Schrecken und das Graun
Saß auf den Waßerwogen.
      Es flatterte, voll Schaums,
Manch knotigte Perücke
80       Im Wipfel eines Baums.

Kontuschen, Strümpfe, Mieder,
      Und Hauben sonder Zahl,
Des Pfarrers Priestermantel,
      Und Kragen allzumal,
85 Durchtaumelten die Fluthen,
      Nebst einem halben Schock
Zerrißner blauer Hosen,
      Und manchem Unterrock.

Des Küsters Festperücke
90       Hieng, jämmerlich durchnäßt,
Am Wetterhahn des Thurmes,
      Wie man berichtet, fest.
Kein Eselein, kein Oechslein,
      Kein Mensch entkam der Fluth;
95 Der fette Braten schmeckte
      Dem, Gott sey bei uns, gut.

Die Mönche sagten: Töffel,
      Du bist dem Tod entflohn;
Die andern Bösewichter
100       Empfiengen ihren Lohn.
Dein kleines, schwarzes Hüttchen,
      Du guter Biedermann,
Soll eine Kirche werden,
      Mit einem Thurm daran.

105 Urplötzlich stand die Kirche,
      Mit ihrem Thurme, da.
Er machte große Augen,
      Wie er die Kirche sah.
Der Keßel ward zur Glocke,
110       Und hieng itzt umgekehrt,
Der Sorgestuhl zur Kanzel,
      Und zum Altar der Heerd.

Voll trunkener Entzückung,
      Sprang er auf einem Bein,
115 Und rief: daß dich der Teufel,
      Hier möcht' ich Pfarrer seyn!
Die Mönche lachten Beifall.
      Ein geistlicher Ornat,
Ein kahler Rock und Mantel
120       Lag schon für ihn parat.

So kam per fas et nefas
      Der gute Mann zu Brodt.
Er malte seinen Bauern
      Die Hölle ziemlich roth.
125 Sein Element war Ruhe,
      Sein Petum, optimum,
Der Armstuhl und die Zeitung
      War ihm Elysium,

Saß, mit verschränkten Beinen,
130       Verhüllt in Petumduft,
Und bließ manch blaues Wölkchen
      Zufrieden in die Luft.
Sein Kätchen war ein Muster
      Von einer braven Frau;
135 Kein Auge war im Dörfchen
      So heiter und so blau!

Kein Ehestand vergnügter,
      Seit Adam Evgen nahm.
Er laß in der Postille,
140       Sie saß am Näherahm.
Dann zogen ihre Wangen
      Des Gatten frommen Blick
Vom heiligen Gepolter
      Des Bußsermons zurück.

145 Dann regneten die Mäulchen
      Auf ihren rothen Mund;
Ein hübsches festes Siegel
      Für ihren Ehebund!
So rollten Jahr auf Jahre,
150       Voll süßer Freud', herum.
Die beiden Gatten lebten
      Beynah ein Seculum,

Betraten endlich beide,
      Steinalt und lebenssatt,
155 An einem Mayenmorgen,
      Den düstern Todespfad.
Vor ihrem Tode giengen
      Viel Ahndungen vorher:
Ihr Sterbelichtgen hüpfte
160       Den Kirchenweg daher.

Der Spuk des Todtengräbers
      Grub, was nachher geschah,
Um Mitternacht, zwo Grüfte,
      Wie Heinz der Küster sah.
165 Das Heimchen zirpte kläglich,
      Das lange nicht gezirpt.
Gelt, sagten alle Bauern:
      Gelt, unser Pfarrer stirbt.

Sie starben beide richtig.
170       Ihr grauer Leichenstein
Kann, wenn ihr es nicht glaubet,
      Davon ein Zeuge seyn.
Holunderbüsche ragen,
      Um ihre Gruft, empor,
175 Und flüstern manchen Schauer
      Der Dörferinn ins Ohr.

 
      Trauerlied.

Du blaues Aug, du Quelle meiner Freuden,
      Wann lachst du mir,
Wann find ich, wann, nach tausend Seelenleiden,
      Die Ruh in dir?

5 Wirst du mir nicht die Wonne wiedergeben,
      Die mir entfloh,
So werd ich nie, in diesem Pilgerleben,
      Des Daseyns froh.

So werd ich bald, ach! bald verwelken müßen,
10       Ein Blüthenblatt,
Das Boreas, dem Rosenstock' entrißen,
      Verwehet hat.

O lächle mir, worin das Bild des Himmels
      So hell sich zeigt,
15 Bevor mein Geist, satt dieses Erdgewimmels,
      Zu Gott entfleugt.

 
      An eine Nachtigall,
      die vor meinem Kammerfenster sang.


Gieß nicht so laut die liebglühnden Lieder,
      Zu meiner Quaal,
Vom Blüthenast des Apfelbaums hernieder,
      O Nachtigall!

5 Sie tönen mir, o liebe Philomele,
      Das Bildniß wach,
Das lange schon, in meiner trüben Seele,
      Im Schlummer lag.

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Die Unholdinn verbannet Rast und Schlummer
10       Durch ihren Stab,
Und stürzet uns, nach jahrelangem Kummer,
      Wohl gar ins Grab.

Sie trinkt voll Gier von unserm Herzensblute,
      Und schwelgt sich satt;
15 Giebt Dornen dem, der sonst auf Rosen ruhte,
      Zur Lagerstatt.

Und machet ihm die Welt zum offnen Grabe,
      Das seiner harrt.
Unglücklich, wer von ihrem Zauberstabe
20       Getroffen ward!

Fleuch tiefer in die grünen Finsterniße,
      O Sängerin,
Und spend im Nest der treuen Gattin Küße,
      Fleuch hin, fleuch hin!

 
      An ein Ideal.

Du süßes Bild, das mir mit Feurentzücken
      Die Seele füllt,
Wann werd ich dich an meinen Busen drücken,
      Du süßes Bild?

5 Wenn mich am Bach, beym Wehn der Pappelweide,
      Der Schlaf umwallt,
Erscheinst du mir, im weißen Abendkleide,
      Du Traumgestalt.

Und flatterst oft, in früher Morgenstunde,
10       Durch mein Gemach,
Und küßest mich, mit deinem rothen Munde,
      Vom Schlummer wach.

Lang glaub ich noch den Herzenskuß zu fühlen,
      Der mich entzückt,
15 Und mit dem Strauß an deiner Brust zu spielen,
      Der mir genickt.

So gaukelt mir, in tausend Phantaseyen,
      Der Tag dahin.
Bald seh ich dich, im Schatten grüner Mayen,
20       Als Schäferin.

Und flugs darauf, im kleinen Blumengarten,
      Wie Eva schön,
Des Rosenbaums, des Nelkenstrauchs zu warten,
      Am Beete gehn.

25 Erblick ich dich, die ich vom Himmel bitte,
      Erblick ich dich,
So komm, so komm in meine Halmenhütte,
      Und tröste mich.

Ich will ein Dach von Rebenlaube wölben,
30       Dich zu erfreun,
Und deinen Weg mit rothen und mit gelben
      Jesmin bestreun.

Ins Paradies, an deiner Brust, mich träumen,
      Mein süßes Kind,
35 Und froher seyn, als unter Lebensbäumen
      Die Engel sind.

 
      An den Mond.

Geuß, lieber Mond, geuß deine Silberflimmer
      Durch dieses Buchengrün,
Wo Phantaseyn und Traumgestalten immer
      Vor mir vorüberfliehn.

5 Enthülle dich, daß ich die Stäte finde,
      Wo oft mein Mädchen saß,
Und oft, im Wehn des Buchbaums und der Linde,
      Der goldnen Stadt vergaß.

Enthülle dich, daß ich des Strauchs mich freue,
10       Der Kühlung ihr gerauscht,
Und einen Kranz auf jeden Anger streue,
      Wo sie den Bach belauscht.

Dann, lieber Mond, dann nimm den Schleier wieder,
      Und traur um deinen Freund,
15 Und weine durch den Wolkenflor hernieder,
      Wie dein Verlaßner weint.