B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Ludwig Christoph Heinrich Hölty
1748 - 1776
     
   


B r i e f e

A u s w a h l

Textgrundlage:
Ludwig Heinrich Christoph Hölty,
Gesammelte Werke und Briefe.
Herausgegeben von Walter Hettche.
Wallstein Verlag, Göttingen 1998


________________________________________________

An Christian Heinrich Schmid (Bruchstück, Juli 1772)
An Ernst Theodor Brückner (Herbst 1772)
An Ernst Theodor Brückner (ca. 1. März 1773)
An Johann Martin Miller (14. Oktober 1773)
An Christian Graf zu Stolberg (2. Dezember 1773)
An Johann Heinrich Voß? (13. Dezember 1773)
An Heinrich Christian Boie (3. Januar 1774)
An Charlotte von Einem (27. Januar 1775)
An Johann Martin Miller (2. Februar 1775)
An Charlotte von Einem (6. Februar 1775)
An Philipp Ernst Hölty (6. Februar 1775)
An Levin Carl Hölty (20. Februar 1775)
An Johann Martin Miller (6. März 1775)
An Charlotte von Einem (24. März 1775)
An Charlotte von Einem (3. April 1775)
An Charlotte von Einem (10. April 1775)
An Charlotte von Einem (14. April 1775)
An Levin Carl Hölty (20. April 1775)
An Charlotte von Einem (21. April 1775)
An Johann Heinrich Voß (27. April 1775)
An Anton Matthias Sprickmann (18. Juli1776)
An Johann Martin Miller (4. August 1776)
An Heinrich Christian Boie [August 1776]


________________________________________________


 


Hölty, nach Münden schreibend
(Zeichnung von Johann Heinrich Voß)

__________

Hölty an Christian Heinrich Schmid
[Bruchstück, Juli 1772]

... Julius 1772.

- - - Es ist doch, dacht' ich, beßer, am Arm eines Schäfermädchens durch bunte Wiesen zu irren, als auf dem Hypogryph Feeninseln zu besuchen. In der tragischen, schauervollen Romanze, dergleichen in den Reliques of ancient english poetry stehen, wage ich wohl noch einige Versuche. Die Gespenstergeschichten wären noch ein neues Feld, wo ein Romanzendichter Lorbeern erndten könnte. 

Hölty.      

__________

Hölty an Ernst Theodor Brückner
[Herbst 1772]

      Hochzuehrender Herr, Lieber Freund!

      Ohne lange Complimente sage ich Ihnen, daß ich Ihr Freund bin, und Ihre Gegenfreundschaft wünsche. Sie sind ein Dichter der Tugend, ein Mitglied unsers Bundes, ein ächter Deutscher, wie könnt' ich länger zögern, Sie meiner Liebe zu versichern! Wir wollen, als gute Freunde, auf der Bahn der Dichtkunst fortgehn, uns einander aufhelfen, wenn wir straucheln, uns zurechte weisen, wenn wir irren, uns aufmuntern, wenn wir stille stehn, bis wir endlich keck auftreten, und dem Publicum zeigen können, daß Apoll und Braga noch über die Deutschen walten, und sich an einem Klopstock, Rammler, Kleist, den Schöpfern der deutschen Sprache, nicht arm verschwendet haben. Noch viele Lorbeern sind im Reiche der Dichtkunst zu erringen, vielleicht sind uns einige derselben aufbewahrt, wir wollen wenigstens darnach streben. Wir wollen Tugend und Freude singen, unsre Muse soll eine Lehrerin, nicht eine bloße Tändlerin seyn. Die comische Muse ist nicht für den ernsten denkenden Deutschen, wollte der Himmel, daß wir gar keine comische Dichter hätten, sie entnerven die Sprache, und verfehlen die Absicht der Poesie, die kein Gelächter erregen, sondern das Herz erheben und beßern soll. Wenn sie dieses thut, so ist der Dichter verehrungswürdig, und ein Wohlthäter der Menschen.
      Es folgen einige Gedichte von mir, darüber ich mir Ihr Urtheil ausbitte. Braga walte über Sie, lieben Sie 

Ihren            
Hölty.      

__________

Hölty an Ernst Theodor Brückner
[ca. 1. März 1773]

      Liebster Freund!

      Ihre Idyllen hab' ich mit wahren Vergnügen gelesen. Sie haben eine glückliche Idee gehabt, die Scene aus Arcadien in eine Welt ungefallner Menschen zu versetzen. Kein Ausländer ist, so viel ich weiß, auf diesen Gedanken gefallen. Solche Idyllen müßen gewiß noch mehr intereßiren, als die arcadischen, so sehr den Christen intereßiren, als die arcadischen den Griechen. Das Unternehmen, solche Idyllen zu verfertigen, ist aber gewiß eine schwere Arbeit, die große Dichtertalente erfordert. Der Dichter muß sich ganz aus dieser Welt wegsetzen, muß unter Menschen, die mit Engeln Umgang pflegen, mit denen Gott redt, hinzaubern, in eine Welt, wo kein Todt die Liebenden trennt, wo sie verklärt in eine noch glücklichre Welt entrückt werden, wo alles Engelfreuden fühlt. O wie viele Situationen kan sich hier die Phantasey schaffen! Mischen Sie so wenig Bilder aus dieser Welt, als möglich, unter ihre Paradiesbilder, und setzen Sie ihre Schäfer, so viel als möglich, in solche Lagen, in welche nur Bewohner einer Unschuldwelt kommen können. So giengen, dünkt mich, Idyllen zwischen Engeln und Menschen recht gut an. Warum nicht? Die Engel könnten auch von dem Zustande der Verklärten Nachricht geben, die nahe Verklärung ankündigen, von der Größe des Schöpfers reden. Gott könnte erscheinen, wenn Sachen von Wichtigkeit eine solche Erscheinung forderten, und welche Schäferunterredungen könnte eine solche Erscheinung Gottes veranlaßen?
      Die Idylle, die beiden Kinder, ist ein Meisterstück, und hat gewiß den Vorzug vor allen. O könnten Sie uns mehr solcher Kinderidyllen geben! Sie haben die naive Kindersprache vollkommen in ihrer Gewalt. Nach diesem sind die Verklärung, die beiden Reisenden, das Lied von der Liebe die besten, und können durch wenig Veränderungen vollkommen gemacht werden.
      Die Einleitung, glaub ich, bedarf einer gänzlichen Umarbeitung. Sie ist zu lang, und hat zu viel neue Bilder. Das Gewitter hätte mehr Eindruck machen können, wenn Handlung in die Schilderungen eingewebt wäre, wenn Eloni und Icelia entweder selbst wären verklärt worden, oder ein ander treues Paar hätten verklärt werden sehn. Das Bild von dem herabhängenden Seraphsmantel ist hier vortreflich, ein Bild, das bloß auf ihre Unschuldwelt paßt.
      Wir sind diesen Winter, als Dichter betrachtet, sehr fleißig gewesen. Was meinen Sie, wir haben schon einen kleinen Folianten von 241 Seiten angefüllt, und müßen itzt den zweiten Band binden laßen. Nach altem Brauch, will ich ein Stück von mir abschreiben, doch zuvor meinem lieben Brückner, Lebewohl, sagen. 

Hölty.      

__________

Hölty an Johann Martin Miller
(14. Oktober 1773)

Mariensee den 14 Oktober 1773.

      Liebster Freund!

Gegen den 26 Oktober werd ich wieder in Göttingen seyn, und ich kan euch versichern, daß ich mich schon zu euch zurückwünsche, ohngeachtet es mir an Vergnügen nicht gefehlt hat. Tag für Tag bin ich bisher in Gesellschaft gewesen, und fast alle Abend zu Gaste geladen, und mit rothen und weißen Wein überschwemmet. Gestern Abend war ich bey dem Amtmann zu Gaste, und hatte die Ehre zwischen ein Paar rosenwangigten jungen Frauen zu sitzen. Der Heiligenschein, den Herren und Damen allhier, und in der ganzen Nachbarschaft zwey Meilen im Umkreis, um meinem Haupte sehn, ist wenigstens so groß als derjenige, womit St Paulus und Petrus in Bilderbibeln abgemahlt werden. Es sind schon zwey Musenalmanache hierher verschlagen, seit ich die Ehre habe ein Mitarbeiter dieses beliebten Instituts zu seyn, den einen hat die Frau Amtmannin, den andern ein Fräulein im Kloster gekauft. Jederman hält Kästnern für den Herausgeber.
      Melde mir, wenn du kannst mit der ersten Post, ob Glaß und Bertling noch englische Stunde zu halten gedenken, und sende mir den neuen Almanach, und die Gedichte, die während meiner Abwesenheit gemacht sind. Es würde mir lieb seyn, wenn ein jeder Bundesbruder ein oder zwey seiner Gedichte abschriebe, und mir zukommen ließe. Verschiedne derselben hab ich in Hannover und auch hier vorgesagt, und sie sind sehr bewundert worden. Vielleicht bekomm ich künftige Woche Laura zu sehn, ich weiß es aber noch nicht gewiß. Bald bin ich wieder bey dir, und unsern Brüdern. Arbeitet unterdeßen fleißig, und Braga überschatte euch. Von mir ist alle Kraft gewichen, zehnmal hab ich eine Idee gehabt, zehnmal die Flügel ausgebreitet, zehnmal ist die Idee entschlüpft, und die Flügel sind gesunken. Meine Kraft geht zu Grabe, sag ich mit dem Verfaßer des elegischen Doppeladlers, und dem Übersetzer des Rolf Krage. Lebt wohl, und betet für mich, daß ich neue Kraft bekomme. 

Hölty.      

__________

Hölty an Christian Graf zu Stolberg
(2. Dezember 1773)

      An Christian
      Graf zu Stolberg.

Göttingen den 2ten December
1773

      Theuerster Freund!

      Wie ich schon Ihrem Herrn Bruder geschrieben habe, ist meine Reise Schuld daran, daß ich Oktober und November verstreichen laßen, ohne eine Zeile an Sie zu schreiben. Mehr als einmahl war ich willens, von Haus ab an Sie zu schreiben, aber es unterblieb, weil mir Ihre Addreße nicht bekannt war. Doch einen Schleyer darüber, was wir nicht gethan haben, und versprochen, nicht wieder in diesen Fehler zu fallen!
      Bis Ostern bleib ich hier, länger aber gewiß nicht. Wohin ich dann meinen Wanderstab wenden werde, weiß ich nicht, noch hab' ich wenig Außichten. Hier zu Lande kommt alles auf Gönner an, und diese hab ich nicht, man muß sich jedes Amt erschmeicheln und erkriechen, und in diesen Künsten bin ich leider unerfahren. Keiner, selbst keiner von den hiesigen Profeßoren, bietet einem jungen Menschen, der sich hervorthun möchte die Hand, viele suchen ihn sogar zu unterdrücken. Vielleicht kan ich in Situationen kommen, wo mir die Flügel so beschnitten werden, daß ich ewig um den Fuß des Parnaß werde herumschwirren müßen. Sollten Sie einmahl über kurz oder lang von einer Hofmeisterstelle hören, der ich gewachsen wäre, so bitte meiner zu gedenken.
      In meiner Heymath werd ich für hochgelahrt gehalten, weil man meinen Namen in den Zeitungen gelesen hat. Manche, die mich sonst für ein sehr kleines Licht hielten, nahmen jetzt den Hut tiefer ab, und erhohlten sich in Sachen der Gelahrtheit, wie der Grieche bey seinem Orakel, Raths. Einer fragte mich, wie viel Bücher ich wohl nachschlagen müßte, wenn ich ein Gedicht machen wollte. Ein junges Fräulein, von viel Reiz und Geschmack, die auch vortreflich mahlt, machte mir besonders viel Complimente wegen meiner Poesie, die mein Herz in eine angenehme Wärme setzten. Schon pflegte ihr angenehmes Bild mir bisweilen im Traum zu erscheinen, ich dachte aber nur an Laura, und dann verschwanden solche Bilder. Laura hab ich nicht gesehn, und werde sie auch wohl nicht wiedersehn, for, o thought that pierces with thousand daggers my soul! she is marry'd.
      Während meiner Abwesenheit ist Voß sehr fleißig gewesen. Seine Elegie auf die traurige Trennungsnacht gehört unter seine besten Stücke, und ich setze sie weit über seine im Almanach gedruckte Elegie. Jetzt geht der Bund so seinen Schneckengang fort, und scheint lange nicht mehr so viel Enthusiasmus zu haben, wie sonst. Hahn arbeitet gar nicht, es sind also nur drey, die jetzt auf der Laufbahn sind. Helfen Sie doch unsern Enthusiasmus, der schon unter der Asche glimmt, ein wenig anfachen. Treten Sie wieder auf die Laufbahn, die Sie schon so lange verlaßen haben, und rufen uns Aufmunterung zu. Daran fehlt es sehr. Boje scheint zu Zeiten niederschlagen zu wollen und giebt sich eine Aristarchusmiene. Es sind gute Stellen darin, ist das gewöhnliche Urtheil, das er fället, wenn Stücke von uns gebracht werden, es ist ein Almanachsstück, denn das hält er für den Maaßstab der Vortrefligkeit, läßt er sehr selten hören. Boje ist ein sehr guter Mann, der alle Liebe verdient, nur eine Aristarchusmine kleidet ihn nicht. Meine Stücke scheinen gar nicht nach seinem Geschmacke zu seyn. Er stempelt sie niemahls mit seinem Stempel, oder erklärt sie für Almanachsstücke, und hat gegen meine Freunde sehr gejammert, daß er meine Ballade aufgenommen. Doch ich muß mich darüber trösten, und will seinem Beyfall gern entsagen, wenn ich Ihren und Klopstocks Beyfall habe. Leben Sie wohl, und lieben mich 

Hölty.      

__________

Hölty an [Johann Heinrich Voß?]
(13. Dezember 1773)

      Eben komme ich aus der Versammlung unserer Freunde. Ich danke dem Himmel, daß er uns zusammengeführt hat, und werde ihm danken, so lange Odem in mir ist. Heilige Freundschaft, wie sehr hast du mich beseligt! Ich kannte keinen, konnte keinem mein Herz ausschütten; du führtest mir edle Seelen zu, die mir so viele süsse Stunden gemacht haben, und mir auch künftig alle Bitterkeiten des Lebens versüssen werden... Laura ist in der Stadt geboren und erzogen. Sie ist die schönste Person, die ich gesehn habe; ich habe mir kein Ideal liebenswürdiger bilden können; hat eine majestätische Länge, und den vortrefflichsten Wuchs, ein ovalrundes Gesicht, blonde Haare, grosse blaue Augen, ein blühendes Kolorit, und Grazie und Anmut in allen ihren Mienen und Stellungen. Nie habe ich ein Frauenzimmer mit mehr Anstand tanzen sehn; und das Herz hat mir vor Wonne gezittert, wenn ich sie ein deutsches oder welsches (sie versteht Italienisch und Französisch) Lied singen hörte. Sie fand ein grosses Vergnügen an Kleists und Gessners Schriften; ob sie Klopstock liest, weiß ich nicht. Als ich sie kennen lernte, war sie bei ihrer Schwester, die in meinem Geburtsorte verheiratet war, und im December 1768 starb. Es war ein schöner Maiabend, die Nachtigallen begannen zu schlagen, und die Abenddämmerung anzubrechen. Sie ging durch einen Gang blühender Apfelbäume, und war in die Farbe der Unschuld gekleidet. Rothe Bänder spielten an ihrem schönen Busen, und oft zitterte ein Abendsonnenblick durch die Blüten, und röthete ihr weisses Gewand und ihren schönen Busen. Was Wunder, daß so viele Reize einen tiefen Eindruck auf mich machten, den keine Entfernung auslöschen konnte. Einen Bogen würde ich anfüllen müssen, wenn ich alle verliebten Fantasien und Thorheiten erzählen wollte, worauf ich verfiel. Nach einem Jahre kehrte sie wieder in die Stadt zurück. Man kann in einem Jahre manchen Göttertraum haben, manches Liebesgedicht machen. An beiden fehlte es nicht. ... Zweimal habe ich sie nach ihrer Verheiratung gesehn ... Als ich meine Eltern im vorigen Herbste besuchte, hörte ich, daß sie krank sei, und daß man ihr kein langes Leben zutrauete ... Es ist Sünde, sie ferner zu lieben. Meine Liebe ist auch so ziemlich verloschen; nur eine süsse Erinnerung, und ein süsses Herzklopfen, wenn mir ihr Bild vor Augen kommt, sind davon übrig. Doch habe ich noch oft noch den brennendsten Wunsch, sie einmal wiederzusehn. Ob sie Gegenliebe für mich gehabt hat? Ich habe ihr niemals meine Liebe merken lassen, noch merken lassen können. Wie konnte ein Jüngling, der noch auf keiner Universität gewesen war, um dessen Kinn noch zweideutige Wolle hing, Liebeserklärungen thun, und auf Gegenliebe Rechnung machen? Genug von Herzensangelegenheiten. Ich schäme mich fürwahr, diesen Brief geschrieben zu haben; doch es sei, litterae non erubescunt. 

Hölty.      

__________

Hölty an Heinrich Christian Boie
(3. Januar 1774)

Göttingen den 3 Jenner 1774.

      Glücklicher Boje!

      Wenn einer beneidenswerth ist, so sind Sie es, da Sie täglich Klopstock, die Fr[au] v[on] W[inthem], und alle Herrlichkeiten dieser Welt sehn. So lang möcht ich noch leben, bis mir diese Wonne zu Theil würde,

      Dann stürz, o Glücke,
      Mich, wenn du willst, ins Grab.

      Sie werden uns verpflichten, wenn Sie uns nicht bloß die Weyhrauchkörner zuzählen, die uns Klopstock und andre gestreuet haben, sondern uns auch seinen Tadel bekannt machen.
      Ich habe verschiedne Gedichte, während Ihrer Abwesenheit gemacht, sie sind aber noch nicht reif genung, um Klopstock vorgelegt zu werden, und überdies mag ich ihm meine Sachen nicht aufdringen. Wenn Sie mir Bürge seyn könnten, daß ein schöner Mund sie loben würde, so würde mich dieses vielleicht aus meinem Phlegma rütteln, und mich antreiben, sie auszufeilen, ja noch neue dazu zu machen.
      Von Hardenberg habe ich noch keine Nachricht, ich glaube, es wird nichts aus der ganzen Sache. Denken Sie an mich, wenn Ihnen eine Stelle, wo Sie mich anbringen können, in den Weg kommen sollte. Alle Lust und alles Talent zur Poesie würde bey mir erstickt werden, wenn ich noch länger in Göttingen bleiben müßte. Übersetzen will ich gern für Bode, sobald ich nur Muße habe, und ein gutes Buch finde, das eine Übersetzung verdient. Dem Spanischen widme ich täglich die Abendstunden von 8 bis 11. Es soll auch schon gehn. Leben Sie wohl. 

Hölty.      

__________

Hölty an Charlotte von Einem
(27. Januar [1775])

Göttingen den 27 Jenner
Abends um 11 Uhr

      Liebe Freundin!

      Ich war eben im Begriff, Ihnen wegen Ihres langen Stillschweigens eine Strafpredigt zu halten, und Ihnen das Gewißen ein wenig umzurühren. Alle Posttage war ich mir einen Brief vermuthen, und ich bekam keinen; ich ging ein paarmal in Sturm und Regen nach Hause, wenn ich eben in Gesellschaft war, in der Hofnung einen Brief von Ihnen zu finden, und ich fand keinen. Doch konnt' ich wohl denken, daß Sie nothwendige Abhaltungen hätten, und ich bedaure von ganzen Herzen, daß die Krankheit Ihres lieben Vaters die Ursache war, die Sie verhinderte. Er ist doch jezt wieder hergestellt?
      Die Oden und Briefe hab' ich richtig zurückempfangen. Die sind mir dadurch noch werther geworden, daß sie Ihnen angenehme Stunden gemacht haben. Sie haben ja wohl Ihrem Vater Abends manchmal ein Stück daraus vorgelesen? Ich bin oft in Gedanken in Ihrem Zimmer gewesen, und habe Sie vorlesen hören. Glauben Sie es nicht? Wir Dichter nehmen Flügel der Phantasey, und fliegen in alle Winkel der Schöpfung, und sehen und hören was wir wollen. Da saßen Sie und lasen, da saß Ihr Vater und horchte. Sie hielten das rothe Odenbuch, wie eine Fahne in der Hand, und ließens bisweilen auf den Schoos sinken, und dachten über einen großen Gedanken nach.
      Es bleibt dabey, daß wir vor unsrer Abreise noch einmal zu Ihnen kommen, wenn Sie unser Antliz sehen wollen. Wir reisen gleich nach Ostern weg, und denken in der Osterwoche unsern Besuch abzustatten, das Paßa bey Ihnen zu feyern, und das Osterlamm zu eßen. Wir wollen Ihnen die Zeit bestimmen, wenn noch ein Paar Monathe vorbeygallopiert sind, aber müßen Sie uns frey heraus sagen, ob Sie auch Abhaltungen haben. Gegen die Zeit wer[den] die Hecken schon wieder grün, und wir können einen kleinen Spaziergang thun, und wer weiß, ob nicht schon eine Nachtigall schlägt. Wollen das Beste hoffen. Die lieben Nachtigallen! Singen sie gut in Ihrem Thale? In unserm Neste bekommt [man] kaum ein Paar alle Frühlinge zu hören. Wollen auch hoffen, daß sie in Wandsbeck nicht karg sind mit ihrer Musik. Sie werden doch die Kehlen ein wenig rauspern, und sie stimmen, wie der Organist die Orgelpfeifen, wenn sie erfahren, daß zween Kunstverständige ankommen.
      Da bekommen Sie eine neue Idylle. Ich muß sie mir aber zurück bitten, weil ich keine andre Abschrift davon habe; oder behalten Sie meine Handschrift, und schicken mir Ihre Copey zurück. Ich habe schon den Plan zu einem Paar neuen Idyllen, und zu einer Schnitterballade im Kopfe, die ich Ihnen schicken will, sobald sie auf dem Papier stehn. Das Landleben ist mir so werth, daß ich am liebsten Ideen daraus hernehme. Sie sind ja auch auf dem Lande gewesen. Wenn Sie noch etwas vom Aberglauben des Landvolks, oder von ihren Lustbarkeiten wißen, so theilen Sie mirs mit, ich kanns brauchen.
      Noch eine Bitte, und denn will ich schließen. Übersenden Sie mir, wenn Sie an mich schreiben, und mir meine Idylle zurückschicken, Millers eigne Handschrift von seinem Thalgedichte. Warum das, werden [Sie fragen]. Ich habe wegen einer Stelle deßelben [mit] Voß gewettet, und nun brauch ich zur Entscheidung dieser Wette Millers Handschrift. Sie sollen das Gedicht mit der ersten Post zurückbekommen, und Nachricht haben, worin die Wette bestand. Die Mädchen sollen ja neugierig seyn, hab ich irgendwo munkeln hören. Sie werden mir daher, wenn Ihnen auch ein Bischen von dieser Eigenschaft der Töchter Evens zum Loose fiel, desto geschwinder dieß Gedicht schicken, um zu erfahren, worin die Wette bestand. Das Wörtlein, Bardenhöle, haben Sie hineingesezt, nicht wahr? Felsenhöle stand vorher. Sollen wir nicht in dieser Höle das Osterlamm eßen, wenn wir kommen? Sie scheint ein ganz hübsch Gemach zu seyn.
      Ich freue mich recht darauf, Sie lieb [... Ecke abgerissen] Leute bald wieder zu sehn; aber der Gedank[e, daß] dieses der lezte Besuch ist, verbittert mir die Freude. Doch wir wollen uns nicht mit der Zukunft quälen. Leben Sie wohl, liebes Mädchen, recht wohl. 

Hölty.      

__________

Hölty an Johann Martin Miller
(2. Februar 1775)

Göttingen den 2ten Febr.
1775.

      Liebster Miller!

      Wir zerbrachen uns schon die Köpfe darüber, was dein langes Stillschweigen bedeutete, das wir sonst von dir nicht gewohnt waren. Desto lieber waren uns deine Briefe.
Ich werde dir nächsten Posttag, da ich Manuscript abschicke, weitläuftiger schreiben, und auch einige Gedichte beylegen. Es sind abermals 2 Traumbilder darunter. So ganz müßig bin ich doch auch nicht gewesen, und es krabbelt mir noch ein ganzer Bienenschwarm im Kopfe, der auf beßre Zeiten laurt, als ich leider hier habe, und haben kann. Ich würde dir meine Stücke schon geschickt haben, wenn ich mich nicht vor dem verdammten Ausfeilen und Abschreiben gefürchtet hätte. Eine Schnitteridylle wurde schon im November ans Tagslicht gebracht. Aber da liegt sie noch, und hat noch so manchen Höcker, der weggefeilt werden muß, daß mir davon grauet, sie nur in die Hand zu nehmen.
      Wir sind nicht in Münden gewesen, haben folglich auch nicht streicheln können. Das Mädchen ist artig, hat viel Verstand, und andre gute Eigenschaften, aber ich liebe sie nicht, und werde sie nie lieben. Dieß wird dir dein Genius auch sagen, wenn er kein Lügengeist ist.
Versöhne Cramern, wenn er böse auf mich ist, daß ich ihm nicht geschrieben habe. Weiß Gott, es ist nicht aus Kälte und Mangel an Freundschaft geschehn. Ich will einen langen Brief an ihn schreiben, wenn ich meine Manuscripte an Weygand schicke. Zur Vergütung will ich eine Ode an sein schönes Mädchen machen, und sie ihm widmen.
      Das muß ein himmlisches Mädchen in Oschaz seyn! Ich wollte meinen ganzen Dichterruhm darum geben, wenn ich sie nur einmal zu sehen kriegen könnte. Ich las deine Beschreibung gestern Abend im Bette, und diese Nacht erschien mir das Mädchen im Traume, und streuete Blumen über mich aus. Ich glaube, ich nehme die Stelle in Leipzig an, bloß um das Mädchen zu sehn. Schreib mir in deinem künftigen Briefe noch mehr von ihr, ob sie groß oder klein ist, blaue oder schwarze Augen hat, wie alt sie ist! Du mußt noch einmal nach Oschaz. So was wird dir nicht alle Tage geboten. Was bedienet Cramers Onkel? Wie kommt er zu dem Mädchen?
      Heyne hat aus eigner Bewegung an Weiße geschrieben, ich hab' ihm kein Wort davon gesagt. Ich ginge freylich tausendmal lieber nach Hamburg, aber wie kann ich jährlich 150 bis 200 Thaler mit Schriftstellerey verdienen? So viel braucht jeder in Wandsbeck, wie Claudius schreibt. In Hamburg fänd ich so viel gute Gesellschaft, wie soll ich die in Leipzig finden? Ich haße die Burschengesellschaften, wie den Teufel. Nur ein halb Jahr wünscht ich in Hamburg zu leben. Leipzig kann keine Reize für mich haben, wenn du, Weygand und Gramer nicht mehr da sind. Das schöne Mädchen in Oschaz stralt einen Schimmer auf Leipzig, und das ist das einzige, was mich anlocken könnte.
      Voß wird dir geschrieben haben, daß wir hier so lange warten wollen, bis du ankommst. Grüß Cramern und Weygand. Lebe wohl und schreibe bald. 

Hölty.      

__________

Hölty an Charlotte von Einem
(6. Februar 1775)

Göttingen den 6 Febr.
1775

      Liebe Freundin!

      Da bekommen Sie Millers Gedicht zurück! Sie loses Mädchen! Ich habe die Wette verloren, und muß eine Flasche Rheinwein kaufen. Voß behaubtete, Miller hätte das Gedicht nicht so gemacht, ich behauptete, Miller hätt es gemacht, die Bardenhöle ausgenommen, und so wetteten wir, und so verlor ich.
      Miller hat mir vor ein Paar Tagen geschrieben, und auch gemeldet, daß er ein Gedicht nach Münden geschickt habe, er hat mir aber keine Abschrift beygelegt, sondern er schreibt, ich könnts lesen, wenn ich selbst nach Münden käme. Das muß denn wohl erfüllt werden. Sie lesen mirs wohl vor, wenn ich eine Pfeife Toback zu rauchen verspreche.
      Freund Cramer hat sich in seines Onkels in Oschaz Dienstmädchen verliebt. Ich bringe den Brief mit, worin mir Miller diese Geschichte meldet. Er hat immer gesungen, ich weiß ein Mädchen das ist schön, wenn das Mädchen im Zimmer war, und entsezlich dabey geschnaubt.
      Tristram Schandy sollen Sie haben; ich laße ihn eben binden. Er wird Ihnen viel Vergnügen machen. Wielands Lob hat uns recht stolz gemacht. Der Mann sagt, daß wir einen erträglichen Vers machen. Wer wollte nicht stolz darauf werden!
      Nach alter hergebrachter Weise bekommen Sie wieder ein Gedicht von mir; ich muß mir aber das Manuscript wieder ausbitten. Sie müßen mir noch recht viel vom Landleben, und von den Gebräuchen des Landvolks schreiben, und mündlich erzählen; ich denke noch recht viel ländliche Gedichte zu machen, und dazu müßen Sie mir Ideen liefern. Die Erndte ist mir nach dem Frühlinge die liebste Zeit. Das Herz hüpfte mir oft, wenn Erndter und Erndterinnen im Mondschein vom Felde zurückkehrten, und Lieder sangen. Ich werde noch viel Schnitterlieder, und Schnitteridyllen machen, und eine Menge Maygesänge, wenn die Nachtigall wieder im Blüthenbusche schlägt. Ein Mayenspaziergang an Ihrer Hand im grünen Thale wird mich gewiß begeistern. Leben Sie wohl, liebes Mädchen, grüßen Sie Ihren Vater, und vergeßen Ihres Freundes nicht. 

Hölty.       
Eilig                                                                               

__________

Hölty an Philipp Ernst Hölty
(6. Februar 1775)

Göttingen den 6 Februar 1775.

      Mein lieber Vater!

      Ich habe nie daran gedacht, Zeitungsschreiber des Wandsbecker Bothen zu werden; und nie daran denken können, weil die Stelle besetzt ist. Claudius, von dem im göttinger Almanach einige Stücke stehn, schreibt diese Zeitung. Der Himmel weiß, woher dieses Gerücht entstanden ist. Die Leute müßen immer was zu schwazen haben.
      Wollte Gott, daß Sie von Ihrer Unpäßlichkeit jetzt völlig hergestellt wären! Ich habe Levin gebeten, mir doch oft Nachricht von Ihrem Befinden zu geben. Es ist eine sehr ungesunde Zeit, und ich selbst habe einen sehr heftigen Anfall von einer Brustbeschwerde bekommen, und es liegt mir an der rechten Seite, wie ein harter Klumpen, auf der Brust.
      Warum ich mich um keine Repetentenstelle beworben? Die vielen Vorbereitungen haben mich abgeschreckt. Man muß eine lange theologische Abhandlung machen, sich examiniren laßen, eine Probevorlesung halten, und dann ist, bei der Menge der Competenten, mehr Wahrscheinlichkeit, daß man ausfällt, als daß man die Stelle bekommt. Die Wahl fällt gemeiniglich auf den Informator eines Profeßors Theologiae.
      Vom Syrischen und Arabischen hab ich mir einige Kenntniß erworben, so viel man in einem halben Jahre erlangen kann. Vom Syrischen versteh ich mehr, als vorn Arabischen, weil das letzte so schwer ist. Doch will ich mich bald einmal daran machen, mit Hülfe einer englischen Übersetzung, den Koran zu lesen, um mich etwas fester darin zu sezen.
      Vorigen October bin ich 3 Wochen in Leipzig gewesen, und habe alle dortigen Gelehrten, Ernesti, Morus, Dathe besucht. Ernesti hat in jedem collegio gegen 200 Zuhörer, Dathe aber, der Profeßor der morgenländischen Sprachen, fast gar keinen. Ich begleitete meinen Freund Miller dahin, der noch ein Jahr daselbst studiren will, und logirte bey dem Buchhändler Weygand, einem Schwager des Doktor Miller. Es war eben Meße, und die Stadt wimmelte von Menschen. Die Reise geht durch Eisleben, und ich besuchte daselbst das Haus, wo unser großer Luther geboren ist, das man jezt in eine Armenschule verwandelt hat. Die Reise kostete mir weiter nichts als das Postgeld, und das ist im Sächsischen sehr wohlfeil.
      Es werden jetzt in Leipzig bey dem Buchhändler Weygand von mir ein Paar Uebersezungen aus dem Englischen gedruckt, die ich Ihnen zuschicken werde, sobald ich sie von Leipzig bekomme. Die eine ist ein Auszug aus einer Wochenschrift; die andre philosophische und moralische Gespräche. Vielleicht werd' ich auch bald verschiedne kleine prosaische Aufsäze herausgeben, die ich nach und nach gemacht habe, und die meistentheils die alte griechische Geschichte und die griechischen Dichter betreffen.
      Ich bin Willens, mich solange in Hamburg aufzuhalten bis sich eine gute Stelle für mich findet, und unterdeßen von Schriftstellerey zu leben. Ich bin gewiß, daß Heyne sich bemühen wird, mir eine Stelle zu verschaffen, sobald er kann; und ich weiß, daß er noch neulich deswegen nach Leipzig an Ernesti und Weiße geschrieben hat. Ich kann Ihnen den Brief schicken, worin mir dieses von Leipzig gemeldet wurde. Ich glaube nicht, daß ich Talente für die Kanzel habe, wodurch ich mein Glück machen könnte. Ich bekomme so oft Brustbeschwerden, habe schon einigemal Blut ausgeworfen, und kann eine starke Anstrengung der Stimme gar nicht vertragen. Fast immer habe ich kurzen Odem, ob ich gleich sonst, Husten und häufiges Kopfweh ausgenommen, ziemlich gesund bin. Urtheilen Sie selbst, ob ich, unter diesen Umständen, mein Glück auf der Kanzel machen werde.
      Ich werde Sie, wo ich mich auch aufhalte, alle Jahr besuchen. So sehnlich ich etwas wünschen kann, wünsch ich Ihnen völlige Gesundheit, und Ruhe der Seele. Ich würde mich glücklich schäzen, wenn ich Ihnen einige Blumen auf den Pfad des Lebens streuen könnte.
      Ich halte Hamburg für den bequemsten Ort, mich daselbst so lange aufzuhalten, bis sich einige Gelegenheit zur Beförderung anbietet. Der Gelehrte wird daselbst sehr geehrt, und findet Zutritt zu angenehmen Gesellschaften, wo er Menschenkenntniß einsammeln kann. Klopstock ist jetzt nicht da, sondern in Carlsruh beym Markgrafen von Baden. Er reisete durch Göttingen, hielt sich ein Paar Tage hier auf, und ich war den ganzen Tag bey ihm.
      Ich wünsche Ihnen nochmals baldige Beßerung und bin 

Ihr gehorsamster Sohn                                         
Hölty.       

__________

Hölty an Levin Carl Hölty
(20. Februar 1775)

Göttingen den 20 Febr. 1775.

      Lieber Bruder!

      Ich kann auf deine Betrübniß leicht von der meinigen schließen, ich kann dich nicht trösten, weil mir selber aller Trost fehlt. Seit ich die traurige Nachricht empfing, bin ich immer wie betäubt gewesen, und habe zu nichts Lust gehabt. Arbeiten konnt' ich nicht, in Gesellschaft war ich stumm und traurig. Das einzige, was mich aufheitert, ist die Hoffnung, unsern lieben Vater im Himmel wieder zu sehn und zu umarmen. Da werden wir erst glücklich seyn, hier auf Erden findet nur der Schatten von Glückseligkeit statt. Laßt uns so leben, daß wir mit dieser Hoffnung sterben können. Wie wird sich unser Vater freuen, wenn er alle seine Kinder um sich versammelt sieht! Gewiß Bruder, das Leben ist mir verhaßt, und ich wünsche mir oft den Tod.

      Wohnt' ich doch, von diesem Erdgewimmel
      Schon entfernt, in eurem Freudenhimmel,
      Theure Seelen! Kniet' ich, kniet' ich schon
      An des Gottversöhners Thron!

      Wo ist unser seliger Vater begraben? Wenn er auf dem Kirchhofe begraben ist, so laß einen Rosenstrauch auf sein Grab pflanzen.
      Ich werde Ostern auf einige Zeit zu euch kommen, oder in der Erndte, wenn euch dieses bequemer ist. Schreib mir mit der nächsten Post darüber. Ich denke so lange in Hamburg mich aufzuhalten, bis ich ein mir angemeßnes Amt bekomme. Von da kann ich in der Erndte leicht zu euch kommen, wenn euch mein Besuch um Ostern unbequem seyn sollte. Sonst reise ich von euch nach Hamburg. Der Buchhändler, der meine Sachen druckt, will mir hundert Thaler vorschießen; davon kann ich diesen Sommer recht gut leben.
      Ich will wegen deiner Studien mich bedenken; ich dächte, du studiertest Theologie, oder Juristerey. Die Arzneywißenschaft ist so mißlich und kostbar. Lies unterdeßen für dich einen lateinischen Scribenten. Vielleicht kann ich dir eine Freystelle in Ilefeld verschaffen. Am liebsten wäre mir's, wenn du nach Altona auf die Schule kommen könntest. Die Lehrer sind sehr gut; und dann könntest du zu mir nach Hamburg kommen, und ich wollte dir im Griechischen und Englischen Unterricht geben. Doch davon mündlich, lieber Bruder!
      Meine Krankheit besteht aus einem Geschwüre in der Brust auf der rechten Seite. Ich mußte an eben dem Tage, da ich die traurige Nachricht erhielt, eine Menge Blut und Eiter auswerfen. Aber darüber müßt ihr euch keine Gedanken machen, ich mache mir ja selber keine daraus. Ich brauche Medicin. Ich hatt' einmahl ein Geschwür im Kopfe. Das ist nun nicht recht geheilt und hat sich vermuthlich auf die Brust geworfen.
      Ich bin ganz gesund da[bei]...... 

__________

Hölty an Johann Martin Miller
(6. März 1775)

Göttingen den 6ten März 1775.

      Liebster Miller!

      Wir haben schon lange vergebens einen Brief von Dir erwartet. Welche Geschäfte hindern Dich den[n] jezt am Schreiben? Ich hoffe doch nicht, daß Du Hahnen und Leisewizen nachschlachten wirst.
      Ich muß Dir einen traurigen Vorfall melden, der dich auch vor kurzem betraff. Mein Vater ist vor ohngefehr 4 Wochen gestorben. Du weißt aus der Erfahrung, wie weh es thut, wenn man Personen verliert, die man am meisten auf der Welt liebte. Und ich selbst habe seit 4 Wochen einen Anfall von Blutspeyen, und werfe alle Morgen Eiter und geronnen Blut aus, und habe fast den ganzen Tag Kopfweh. Ich brauche Richtern. Mir ist doch sehr übel bey der Sache zu Muthe, und ich weiß nicht, ob ich ein Geschwür in der Brust habe, oder was es ist.
      Leisewizens Stillschweigen können wir uns nicht erklären; Voß hat an ihn geschrieben, ich hab an ihn geschrieben, und keine Antwort. So könnt' er nicht verfahren, wenn er unsern Freund wäre. Es ist wahrscheinlich, daß er Dir auch nicht geantwortet hat.
      Du mußt uns melden, um welche Zeit Du nach Göttingen kommst; es wäre gut, wenn es noch vor Ostern geschehen könnte. Wir denken gleich nach Ostern über Braunschweig abzureisen. Unsre Zimmer sind vermiethet, und müßen gleich nach Ostern geräumet werden. Gieb uns von diesem allen umständliche Nachricht; ob wir hier auf Deine Ankunft warten sollen, oder ob Du zu uns nach Hamburg kommen willst? Voß läßt Dich grüßen. 

Hölty.      

__________

Hölty an Charlotte von Einem
(24. März 1775)

Göttingen den 24 März
1775.

      Liebe Freundin!

      Halb und halb ist das schlechte Befinden die Ursache, daß ich nicht eher an Sie geschrieben habe. Das Blutspeyen und Kopfweh hat sich noch nicht völlig gelegt; es beßert sich aber schon ein wenig. Gestern hab ich mir ein halb Pfund Blut abzapfen laßen. Theils liegt die Schuld dieser Zauderey an vielen Geschäften. Es ist von mir eine Übersezung unter der Preße, an der ich noch arbeite. Sechszehn Bogen sind abgedruckt, und vier müßen noch vor Ostern übersezt werden. Es ist eine englische Wochenschrift, der Kenner, satyrischen Innhalts. Sobald sie fertig ist, will ich sie Ihnen zuschicken.
      Eine Neuigkeit! Eben ist Miller von Leipzig hier angekommen. Wir hatten ihn gebeten, noch vor Ostern zu kommen, weil wir gleich nach Ostern wegreisen müßten, und nun ist er schon da. Ich weiß weiter nichts von ihm zu sagen, weil ich ihn erst eine halbe Stunde gesehen habe.
      Wenn es mir irgend möglich ist, komm ich vor meiner Abreise noch zu Ihnen. Ganz gewiß kann ichs freylich nicht versprechen, ich hoff es aber und werde alle Verhinderungen wegzuräumen suchen. Ich bekomme Briefe über Briefe von Haus doch bald zu kommen; ich habe noch vier bis fünf Bogen zu übersezen, und kann deswegen noch nicht wegreisen. Sonst würd ich gleich auf ein Paar Tage zu Ihnen kommen. Es wird sich doch noch wohl ein wenig Zeit wegstehlen laßen. Dann komm ich; dann gehn wir spazieren; dann müßen Sie die schöne Lotte einmal zu sich bitten. Oder wenn Sie das nicht thun wollen, so muß ich mich auch zufrieden geben. Ein großes Unglück war es zwar, wenn ich in die Grube fahren sollte, ohne die schöne Lotte zu sehn, aber ich müßte mich in mein Schicksal finden.
      Ich werde den May wohl zu Hause bleiben, weil ich daselbst noch verschiedne Sachen zu verrichten habe, und daselbst den Brunnen zu trinken Willens bin. Leben Sie recht wohl, und schreiben bald an mich. 

Hölty.      

__________

Hölty an Charlotte von Einem
(3. April 1775)

Göttingen den 3ten
April 1775.

      Liebe Freundin!

      Ich werde noch gewiß auf ein Paar Tage zu Ihnen kommen. Villeicht bin ich den ersten Ostertag bey Ihnen. Eher wohl nicht, weil ich bis Grünendonnerstag Geschäfte habe, und mich also erst den Sonnabend vor Ostern auf die Post sezen kann. Aber denn komm ich in der Nacht nach Münden. Ich schreibe Ihnen noch den Posttag vorher, eh ich abreise.
      Meine Krankheit ist noch nicht gehob[en], sie verschlimmert sich vielmehr. Ich glaube nun gewiß, daß ich die Schwindsucht schon habe, oder doch bald bekommen werde. Ich muß noch immer eine Menge Schleim und Blut auswerfen.
      Die Bücher, die Ihr Herr Vater für mich ausnehmen wollte, sind

      Leßings Dramaturgie
      Mendelsohns philosophische Werke
      Mendelsohns Phaedon
      Geßners Werke, mit deutschen Lettern
       Theocriti opera, cura Reiskii
      Oßians works, tom.I.II.

      Der Nothanker von Nicolai

      Ihr Herr Vater kann der Vandenhöcken schreiben, sie möchte mir die Bücher zuschicken, weil ich nach Münden reiste, und sie mitnehmen sollte. Grüßen Sie Ihren Vater vielmahls. Leben Sie wohl. Voß und Miller werden wohl nicht mitkommen, weil sie eher abreisen; oder vielmehr, weil Voß eher abreist, und weil Miller ihn bis Braunschweig begleitet. 

Hölty.      
Eilig, eilig, eilig                                                            

__________

Hölty an Charlotte von Einem
(10. April 1775)

Göttingen den 10 April
1775.

      Liebe Freundin!

      Ich habe Sie herzlich bedauert, daß Sie so im Sturm und Regen wegfahren mußten, und nicht einmal einen bedeckten Wagen hatten. Der Regen schlug so heftig an mein Kammerfenster, als ich im Bette lag, daß mir angst und bange wurde, wenn ich dachte, daß Sie, liebe Freundin, jezt unter freyen Himmel kutschieren müßten. Und erst um 9 Uhr sind Sie nach Hause gekommen? Nun, von 1 bis 9 kann einem die Zeit lang genug werden, wenn man auf offnem Wagen sizt, und die ungesalzenen Scherze gernwiziger Purschen anhören muß. Ihre armen Ohren! Sie werden genug geplagt seyn. Vor singenden und scherzenden Purschen behüt uns lieber Herre Gott! Sie haben sich doch durch diese Nachtreise keinen Husten und Schnupfen und dergleichen zugezogen? Ich war ihrentwegen sehr besorgt, als ich von Ihnen wegging, und schloß von dem Regen, der auf mich vom Dache herunterträufelte, wie viel Sie noch würden auffangen müßen.
      Voß und Boje kamen am Mittewochen wieder von Einbeck mit Extrapost zurück, Miller aber nicht. Miller begleitet Klopstocken bis nach Hamburg, und kehrt mit den Stolbergs zurück. Aus der Reise über Braunschweig wird also nichts. Voß, der sich Ihnen undi Ihrem Vater vielmals empfehlen läßt, ist heute Morgen um 8 über Hannover nach Hamburg abgereiset. Closen und der kleine Boje begleiten ihn bis Nordheim. Ich bin noch unschlüßig wegen meiner Abreise. Es kann seyn, daß ich die Grafen abwarte, es kann aber auch seyn, daß ich noch früher abreise, und in Hannover auf sie laure. Vermuthlich seh ich Sie noch vorher.
      Sie wißen, wie krank ich war, als Sie uns besuchten. Tags darauf befand ich mich eben so schlecht, seit dieser Zeit aber hab ich eine merkliche Beßerung verspürt. Ich habe kein Kopfweh mehr, fühle beym Athemholen keinen Schmerz in der Brust mehr, und werfe beym Aufstehn nur wenig Blut mehr aus. Nun fängt meine Hoffnung, die vorher die Flügel sinken ließ, wie ein Huhn das den Pip hat, wieder an sich ein bischen zu erheben, und zu ermuntern.
      Als Ihr Vaßal hab ich den beliebten Tribut von 2 Gedichten beygelegt. Sie brauchen sie mir nicht wieder zurückzuschicken; ich habe sie für Sie abgeschrieben, wie einem treuen Vaßallen gebührt. Jezt fühl ich wieder Kraft und Munterkeit zu Gesängen, und ich mache vielleicht diese Woche noch ein Paar Gedichte. Ich will sie zu Ihren Füßen legen, sobald sie da sind. Im May will ich im Walde oder auf dem Felde ländliche Lieder machen. Fragen Sie doch Ihren Vater, wie viel die bewußten Bücher kosten. Grüßen Sie ihn bestens. Schreiben Sie mir bald. 

Hölty.      

__________

Hölty an Charlotte von Einem
(14. April 1775)

Göttingen den 14 April
1775.

      Liebe Freundin!

      Ich habe mir fest vorgenommen, noch einmal zu Ihnen zu kommen; ich kann aber noch nicht gewiß bestimmen, ob ich den ersten Ostertag, oder den folgenden Mittewochen kommen werde. Ich habe noch verschiedne Geschäfte zu verrichten, und weiß nicht, ob ich so früh damit fertig werde. Wenn ich also den Sonntag um sieben Uhr nicht bey Ihnen bin, so erschein ich den Mittewochen um 7 Uhr. Es ist schade, daß wir wieder Frost und Schnee bekommen haben. Nun können wir wohl nicht einmal einen Spaziergang thun, und müßen, wie weiland im Oktober, hinter dem Ofen Schuz suchen.
      Daß auch die Postkutsche abgeschaft ist! So lange die im Gange war, konnte man noch ohne alle Beschwerligkeit nach Münden kutschern, nun muß man im Nachtfrost fahren, und ich habe leider noch keinen Roquelaur. Doch, ich mag einen Roquelaur haben, oder nicht, ich komme den Sonntag, oder den Mittewochen.
      Meine Gesundheit scheint sich zu beßern, es geht aber sehr langsam. Ich speye doch noch alle Morgen Blut. Gedichte hab ich noch nicht wieder gemacht, und kann also den gewöhnlichen Tribut nicht entrichten. Den Armen, wenn sie einen Schein haben, wird ja das Kopfgeld erlaßen. Sie werden mit mir armen am Geiste auch Nachsicht haben. Grüßen Sie Ihren Vater. 

Hölty.      

__________

Hölty an Levin Carl Hölty
(20. April 1775)

Göttingen den 20ten April 1775.

      Lieber Bruder!

      Bald werd ich bey euch seyn! Ich war Willens, morgen abzureisen, ich mag es aber wegen des schlechten Wetters nicht wagen, und der Doktor mißrieth mirs auch. Ich werde also künftigen Montag, als den 24 April, oder künftigen Donnerstag den 27 April abreisen. Wenn ich den Montag abreise, so komm ich den Dienstag Mittag nach Hanover, und dann muß ich bis Mariensee Extrapost nehmen, weil die neustädter Post dann nicht geht. Denn würd ich am Mittewochen Abend mit Extrapost zu euch kommen. Einen Tag würd ich in Hanover bleiben, um mich auszuruhn. Wenn ich am Donnerstage abreise, so komm ich Sonnabends zu euch. Ihr könnt euch darauf verlaßen, daß ich an einem von beiden Tagen gewiß komme, und meine Abreise nicht länger verschiebe.
      Ich habe 3 Wochen Selzerbrunnen mit Ziegenmilch getrunken, und brauche jetzt China. Der Schleim hat sich ziemlich darnach gelöset; ich werfe aber noch alle Morgen bey Aufstehn Blut aus. Ich muß erwarten, wie lange dieß Blutauswerfen noch dauren wird. Es hat schon so lange gedauert.
Grüße Mama und die andern alle herzlich von mir. 

Hölty.      

__________

Hölty an Charlotte von Einem
(21. April 1775)

Göttingen den 21 April
1775.

      Liebe Freundin!

      Versprechen und halten! Ja, ich hätte mein Versprechen herzlich gern gehalten, wenn es mir nur möglich gewesen wäre. Das Wetter war so feucht und kalt, daß ichs nicht wagte, eine Nachtreise zu thun, besonders da ich eben Kopfweh hatte, und Stiche in der Brust fühlte. Darauf kam Hahn, und den dürft ich auch nicht gleich verlaßen. Ich habe aber darum noch nicht alle Hoffnung aufgegeben, zu Ihnen zu kommen. Wenn sich nur das Wetter ein wenig aufheiterte.
      Von Miller und Voß haben wir noch gar keine Nachricht erhalten. Wir wißen also auch noch nicht, wann die Grafen Stolberg ankommen werden; wir erwarten sie täglich.
Wie haben Sie die Feyertage zugebracht? Ich bin seit Voßens Abreise fast immer zu Hause gewesen, und habe Spanisch gelesen, und auch ein Paar Gedichte gemacht, die ich Ihnen heute nicht mitschicken kann, die Sie aber nächstens erhalten sollen. Das eine ist ein Trinklied, obgleich der Herr Verfaßer jezt keinen Wein trinken darf; das andre - doch was helfen Ihnen die Titel, Sie sollen sie bald selbst sehn.
      Ich befinde mich jezt so ziemlich, und habe heute kein Blut ausgeworfen. Daß mich das schlechte Wetter auf der Stube einkerkert, ist mir auch eben nicht vortheilhaft. Leben Sie recht wohl. 

Hölty.      

__________

Hölty an Johann Heinrich Voß
(27. April 1775)

Göttingen den 27 April
1775.

      Liebster Voß!

      Morgen reis' ich von hier weg. Ich hätte herzlich gern die Stolbergs noch gesehn, aber wer weiß, wann sie kommen, und ich kann nicht länger hier bleiben, weil mein Zimmer vermiethet ist.
      Wenn ich mich für die hamburgische Condition nicht schicke, so mag auch dieß Projekt nebst so vielen andern zum Teufel fahren. Ich werde künftig ein Kreuz schlagen und ein Vaterunser beten, wenn ich von Conditionen und dergleichen Bettel etwas höre. Ich reise also vors erste nach Mariensee. Schreib mir bald dahin, und gieb mir von deinen Umständen Nachricht. Die Briefe gehen über Hannover. Ich muß nun erst wieder ein Alphabeth übersezen, eh ich nach Wandsbeck kommen kann. Vielleicht besuch ich dich bald, wenn ich Geld habe. Jezt bin ich so arm, wie eine Kirchenratte, oder wie ein Poet. Die 100 Thaler sind in alle Winde verflogen, von Informationsgebühren hab ich keinen Heller bekommen.
      Schreib mir, ob du ein Zimmer in Wandsbeck für mich miethen kannst, und wie viel der Tisch kostet. Ich werde in Mariensee so lange bleiben, bis das Pfarrhaus geräumt werden muß, und unterdeßen übersezen. Leb wohl, genieße deiner Bardenwonnen, von denen mir allein kein Tröpflein zu Theil wird, grüß Millern, und schreib bald nach Mariensee.

Hölty.      

      Vom Blutspeyen sind doch noch einige Reliquien übrig. Ich werfe noch oft unter dem Schleim etwas Blut aus. Erzähls doch Henslers einmal, und frag ihn, ob ich im Sommer wieder den Brunnen trinken, und was ich sonst brauchen soll. In Mariensee hab ich keinen Arzt in der Nähe. Beym Husten empfind ich noch immer einige Schmerzen in der Brust, und werfe viel Schleim aus. Sonst befind ich mich ganz gut. 

__________

Hölty an Anton Matthias Sprickmann
(18. Juli1776)

Hannover den 18 Julius 1776.

      Wundern Sie sich nicht, daß ich Ihren lieben Brief so lange unbeantwortet gelaßen habe. Ich habe mich schlecht, sehr schlecht befunden, und spüre noch wenig Beßerung. Seit mehr als sechs Wochen werd' ich von einer unaufhörlichen Schlaflosigkeit geplagt, die alle meine Kräfte so sehr ausgesogen hat, daß ich kaum zwanzig Schritt gehen kann, und wie ein Betrunkner taumle. Ich trinke schon seit drey Wochen den Brunnen; allein ich verspüre noch wenig Hülfe. Allein ich will nicht klagen, und mich der goldnen Hoffnung in die Arme werfen, die uns arme Sterbliche nicht verläßt, so lange wir noch einen Odemzug thun können.
      Die lezten Tage des Mays und die ersten des Junius verfloßen mir ganz angenehm an meinem Geburtsorte auf dem Lande. Ich hörte noch die lezten sterbenden Schläge der Nachtigall; ich saß unter einem vom schönen blauen Himmel durchschimmerten Baume im Grase, oder wandelte einsam im Walde herum. Mein Geist bekommt einen ganz andern Schwung, wenn ich dem Gemäuer und Zwange der Stadt entfliehe, und unter freyem Himmel athme. Ich habe zwey Gedichte für Sie abgeschrieben, die ich während dieser Zeit machte.
      Sind Sie in Weymar und Gotha gewesen? Dann erzählen Sie mir ein wenig von Wieland und Göthe. Kommen Sie nicht bald einmal hier? Aus meiner Reise nach Hamburg und Lübek ist nichts geworden, da meine Krankheit mir eine so weite Reise nicht erlaubte. Ich bin aber Willens, wenn ich wieder etwas Kräfte gewinne, die Reise im September vorzunehmen. Voß ist gegenwärtig in Wandsbeck, und besorgt die Ausgabe des Almanachs. Der Buchhändler Bohn in Hamburg bezahlt ihm 400 Thaler dafür. Haben Sie ihm schön Beyträge geschickt? Ich wünsche, daß Sie hübsch fruchtbar gewesen sind!
O Sprickmann! o Münster! Sie haben mir das Herz so warm gemacht, daß ich mir meinen Aufenthalt bey Ihnen nur recht lebhaft vorstelle, wenn ich traurige Grillen habe, und sie vertreiben will.
      Den brittischen Plutarch hab ich hier noch aufgetrieben. Sie brauchen sich daher keine Mühe darum zu geben. Ich hätt' es Ihnen nur eher schreiben sollen.
      Schreiben Sie mir doch bald. Die Briefe von meinen Freunden sind mir in meinen gegenwärtigen Umständen ein rechter Labetrank. Leben Sie wohl! 

Der Ihrige                              
Hölty.      

__________

Hölty an Johann Martin Miller
(4. August 1776)

Hannover den 4 August 1776.

      Liebster Miller!
      Dieser Brief sey ein Posaunenschall, unsern todten Briefwechsel aufzuwecken. Es kann in dir der Gedanke nicht aufsteigen daß Freundschaftserkaltung an dem langen Schlummer deßelben Schuld sey. Ich schweige also davon.
      Ich befinde mich diesen Sommer sehr schlecht. Fast drey Monathe hindurch habe ich beynah keine Nacht geschlafen, immer ein schleichendes Fieber, Kopfweh, und die heftigsten Brustbeklemmungen gehabt. Du kannst leicht denken, wie mich das abmatten mußte. Ich trinke jezt schon über 4 Wochen den Brunnen, und spüre gegenwärtig einige Beßerung. Der goldene Schlaf kommt wieder, nur geben sich die leidigen Brustbeklemmungen noch nicht.
      Du bist ein rüstiger Schriftsteller. Das thue dir dieser und jener nach! Du schreibst mir zwar, daß du mir ein Exemplar der Briefe schicktest; allein in dem Packete lag nur eins an Boje. Ich bin also leer ausgegangen, und kann mich folglich nicht bedanken. Weygand will mir einen Siegwart verehren. Ich habe beyde Bücher noch nicht gelesen, weil mich Krankheit und Brunnenkur am Lesen verhinderten. Jezt sollen sie mir angenehme Abende machen, und das Bild meines Freundes näher vor meine Seele stellen. Ich will dir alsdann mein Ur-theil schreiben.
      Es freuet mich, daß du ein Mädchen der Liebe gefunden hast, das dich begeistert. Schreib mir doch recht viel davon. Du hast wohl im Erguß der Liebe, und unter den Blüthen des Frühlings eine Menge Lieder gesungen. Ich bin sehr unfruchtbar gewesen, und werde wohl so lange todt für die Musen seyn, bis ich in eine poetischre Lage komme. Meine jezige ist sehr unpoetisch.
      Du bist mir noch 1 Louisd'or und einen Dukaten schuldig. Es wäre mir lieb, wenn du Weyganden auftrügest, sie dir vom Honorario abzuziehn, und mir auszuzahlen. Ich leide gewaltigen Geldmangel, und stecke in Schulden. Daher wirst du mir diese Bitte nicht übel nehmen. Das beständige Mediciniren kostet mir so viel. Stürb ich jezt, ich müßte, wie Aristides, publico sumtu begraben werden.
      Schreib mir bald einen recht langen Brief. Ich werde künftig gewiß sehr oft an dich schreiben. Sey mein Freund! 

Der deinige Hölty.      


__________

Hölty an Heinrich Christian Boie
[August 1776]

      Es thut mir Leid, daß ich das von Johann besehene Zimmer nicht miethen kann. Weil ich mein Zimmer Johannis nicht aufgekündigt habe, so kann ich nicht wegkommen, oder muß die Miethe von Michaelis bis Weyhnachten bezahlen. Auch behagt es mir bey dem andern Zimmer nicht, daß es in einem Wirthshause ist, wo ohne Zweifel viel Lärm seyn wird.
      Ich fahre heute mit Wehrs nach Lenthe. Den Brunnen hab ich geschloßen.

Hölty.