BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Samuel Gottlieb Bürde

1753 - 1831

 

Geistliche Poesieen

Auswahl

 

1787/1794

 

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Ich kam aus meiner Mutter Schooß

Des Armen, den die Welt vergißt

Der Frühling ist erschienen

Geist der Wahrheit, lehre mich

Wenn der Herr einst die Gefangenen

 

 

 

Vertrauen auf die göttliche Führung.

Ich kam aus meiner Mutter Schooß,

Ein Sohn der Schmerzen, nackt und bloß

Mit Schwachheit angethan;

Ich kam ins unbekannte Land

Des Lebens, meinen neuen Stand

Trat ich mit Weinen an.

 

Ich wußte nicht woher? wohin?

Noch schlummerte Gedank und Sinn

Unthätig, weich und zart;

Der Blume, die allmälich sich

Am Sonnenstrahl entfalte, glich

Ich Blume höhrer Art.

 

Die Blütennzeit ging schnell vorbey,

Der Kindheit süßes Einerley,

Der Jugend Frülingstraum;

Ich wurzelte bey Sonnenschein

Und Sturm ins Leben tiefer ein,

Die Blume ward ein Baum.

 

Einst Kind, nun Mann! – Wie fern und tief

Liegt mir die Bahn, die ich durchlief!

Durchlief – an wessen Hand;

Du warst mir allenthalben nah;

O du, den nie mein Auge sah,

Und doch mein Herz empfand!

 

Du unsichtbarer über mir!

Ich kam von dir, und geh zn dir;

Du weißt es: wie und wann?

Mein Leben welkt dahin wie Laub;

Du bists, der aus des Todes Staub

Mich neu beleben kann!

 

Ich wandle freudig meinen Pfad;

Der bis hieher geholfen hat,

Hilfst warlich fernerhin!

Dort werd ich unverhüllt Ihn schaun!

In diesem seligen Vertraun,

Ist Sterben mein Gewinn.

 

 

 

Des Armen, den die Welt vergißt,

Der oft sein Brod mit Thränen ißt.

Gedenke sein und seiner Zähren!

Laß Glauben ihn und Hofnung nähren!

Zeig ihm nach dieser Prüfungszeit

Den großen Lohn der Ewigkeit!

Er sah auf den, der noch vielmehr

Verachtet, ärmer war als er;

Der überall verfolgt, verbannt,

Nicht Platz sein Haupt zu legen fand.

Wenn nun sein Herz besänftigt ist;

Herr, wenn du seine Hofnung bist,

So wollst du ihm aus Menschenhänden

Die Stillung seiner Nothdurft senden!

Du hörst der jungen Raben Schreyn;

Daß, wenn du hülfreich ihn erfreust,

Sein Glaube dein Erbarmen preist.

 

 

 

Der Frühling ist erschienen;

Der Winter dünkt uns nun ein Traum,

Nun liegt die Welt im Grünen

Und schneeweiß schimmert Heck und Baum.

Hört, wie so froh die Lerche ihr Lied erschallen läßt!

Die Schwalben und die Störche beziehn ihr altes Nest.

Mit fröhlicher Gebärde geht nun der Mensch und streut

Den Samen in die Erde, den er auf Wucher leiht.

 

Freut euch des Herrn, ihr Frommen,

Und heißt mit lautem Jubelruf

Das junge Jahr willkommen

Und preist ihn, der den Frühling schuf.

Seht, wie im Blumenkleide, die Wiese lieblich prangt!

Nur der fühlt wahre Freude, der Gott von Herzen dankt.

Auf, jeder pflüg und säe und singe froh dazu:

Ehr sei Gott in der Höhe, auf Erden Fried und Ruh!

 

 

 

 

Geist der Wahrheit, lehre mich

aller Weisheit Quelle kennen!

Jesum kann ich nur durch dich

meinen Herrn und Heiland nennen.

Du nur kannst ihn mir verklären

und mein Herz in Gott belehren.

 

Du nur machst das Herz gewiß

und erleuchtest meine Seele,

daß ich in der Finsterniß

nicht den Weg des Heils verfehle.

Du nur führst auf Gottes Pfaden,

zeugst von Wahrheit und von Gnaden.

 

Heiligung und Reinigkeit

und ein gottgefällig Leben,

selige Zufriedenheit,

wahre Weisheit kannst du geben.

Selig, die an deinen Gaben

theil durch Lieb und Glauben haben.

 

Was mir fehlt, find ich in dir,

nur durch dich kann ich genesen.

Mache Wohnung ganz in mir,

daß werd neu mein ganzes Wesen!

Dann wird meine Schwachheit Stärke

und ich wirke Gottes Werke.

 

 

 

Lied zu Psalm 126

Wenn der Herr einst die Gefangenen

ihrer Bande ledig macht,

o dann schwinden die vergangenen

Leiden wie ein Traum der Nacht;

dann wird unser Herz sich freun,

unser Mund voll Lachens seyn,

jauchzend werden wir erheben den,

der Freyheit uns gegeben.

 

Herr, erhebe deine Rechte,

richt auf uns den Vaterblick;

rufe die verstoßnen Knechte

bald ins Vaterland zurück.

Ach, der Pfad ist steil und weit,

kürze unsre Prüfungszeit;

führ uns, wenn wir treu gestritten,

in des Friedens stille Hütten.

 

Ernten werden wir mit Freuden,

was wir weinend ausgesät;

jenseits reift die Frucht der Leiden,

und des Sieges Palme weht.

Unser Gott auf seinem Thron,

er, er selbst ist unser Lohn;

die ihm lebten, die ihm starben,

bringen jauchzend ihre Garben.