Christian Thomasius
1655 - 1728
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Freymüthige Lustige und Ernsthaffte iedochVernunfft- und Gesetz-Mäßige Gedanckenoder Monats-Gespräche überallerhand, fürnehmlich aber NeueBücher Durch alle zwölff Monatedes 1688. und 1689. Jahres durchgeführet.
März 1688
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Ungeneigter und geneigter Leser.Es sind bißhero von der so genantenGesellschafft der Müßigenzwey Monat=Gespräche, welche | |
257:5 | Schertz= und ernsthaffte Gedanckenüber allerhand lustigeund nützliche Bücher und Fragen genennetworden, herausser kommen, welche zwarmit ziemlicher Begierde gekaufft worden, |
257:10 | und abgangen, aber deswegen, wie es insgemeinzu geschehen pfleget, nicht von allenapprobiret worden, sondern unterschiedenedarwider etwas zu erinnern gehabt. Etlichehaben gewünschet, daß in denenselbigen |
257:15 | mehr Ernst enthalten wäre; Andere hättenlieber gesehen, daß dieselben mit lauterSchertz wären angefüllet gewesen. Jedochhat ein ieder darvor gehalten, es würden dieVerfertiger sich wenig an die Judicia derer |
257:20 | Leute kehren, sondern nach ihrem Gutdünckendarinnen fortfahren, und zum wenigstenin vielen Jahren an kein Ende gedencken,zumahln da sie hierzu in der Vorredezum Januario mit vielen etwas freyen und |
257:25 | einem und dem andern verdrießlichen Worten, |
258 | eine starcke mine gemacht. Nichts destoweniger ist nichts gewissers, als daß sichdie Gesellschafft der Müßigen zerschlagen,und wohl recht eigentlich zerschlagen, indem |
258:5 | sie für ohngefehr 4. Wochen, als sie beysammengewesen, und vom Innhalt des Martiimit einander Unterredung geflogen, unterandern auch auf einen discours von dem ietzigenStreit des Königs in Franckreich mit |
258:10 | dem Pabst zu Rom wegen der QuartiersFreyheiten gekommen, da es denn geschehen,daß als der Cavallier des Königs in Franckreich,der Licentiatus Juris aber des PabstsParthey zu hitzig vertheidiget, sie mit einander |
258:15 | von Worten zu Schlägen kommen, undden Rentinirer, der zwar neutral seyn wollen,und sie von einander zu scheiden gesucht,seinen Theil auch völlig mitgetheilet, daß eran das Sprichwort: ex utroqve Cæsar gedencken |
258:20 | können, und solchergestalt ihre Gesellschafftin statum naturalem Hobbesii resolviretworden, und dem bello omniumcontra omnes gantz ähnlich gesehen. Obman sich nun gleich bemühet, sie wider zu versöhnen, |
258:25 | und ihnen vorgehalten, durch ihreFeindschafft andern Leuten nicht Ursachezu geben, über sie zu spotten, daß sie ein nur |
259 | angefangenes Werck, welches allbereit einenziemlichen Ruff gemacht liegen liessen; auchbey nahe ihren Zwiespalt wieder geschlichtet;so hat doch eine anderwärtige Furcht sie von |
259:5 | der continuation abgehalten, indem sie gehöret,daß vielen wackern vornehmen Leutendieses ihr angefangenes Werck höchlich mißfiele,und sie sich also nothwendig viel Feindemachen würden, welches doch ihre intention |
259:10 | gantz nicht gewesen, massen sie vielmehr gemeinet/ dadurch Patronos sich zu erwerben.Diese Furcht ist nicht wenig gemehret worden,durch den Ruff, daß zu Saltzburg viergelehrte und weitberühmte Leute sich allbereit |
259:15 | darüber gemacht, und obgesagte beydeMonate, absonderlich aber den Februariumzu widerlegen beflissen wären, und rathschlagten,wie sie die künftigen zehen Monatedieses Jahrs gleichfalls ruiniren, und für der |
259:20 | gantzen Welt zu Schanden machen könten,auch viel re- und correlationes deßhalbenanstelleten, ob sie nicht per demonstrationesMathematicas & Arithmeticas ausrechnenmöchten, was doch ohngefehr von der Gesellschafft |
259:25 | der Müßigen in die folgende Monategesetzet werden möchte. Sobald dieses dieMüßigen gemercket, haben sie geschlossen, |
260 | es sey hohe Zeit, daß sie still schwiegen, undbesser, daß sie bey Zeit abzögen, als wenn siehernach mit Schimpf und Schande aus demFelde geschlagen würden. Und gewiß, haben |
260:5 | sie hieran nicht unweißlich gethan. Denn ichhabe selbsten einen grossen Schnitzer widerdie principia Arithmeticæ angemerckt, daßdie guten Herrn nicht fünffe recht zehlen können,sintemahl sie p. 158. aus drittehalb und |
260:10 | anderthalb Thalern fünff Thaler gerechnet /und dadurch einen grossen errorem in calculobegangen. Sie haben sich zwar gegenmich entschuldigen wollen, daß es ein errorin scribendo wäre, und solte an statt anderthalb |
260:15 | Thaler gleichfalls drittehalb Thaler gesetztseyn, auch zu diesem Behuf fürgebracht,daß es wahrscheinlich wäre, daß die Bauermagddem Münche nicht mehr wäre schuldiggeblieben seyn als sie ihm gezahlet hätte. Ich |
260:20 | habe ihnen aber dagegen gemeldet, daß dieseswohl nur eine Ausflucht wäre / und würdensie wohl selbst erkennen, daß sie aus dieser ihrerUrsache keinen Syllogismum apodicticumwürden zusammen bringen können. |
260:25 | Doch dem sey wie ihm wolle, so ist es endlichdahin gediehen, daß nachdem unterschiedenegute Freunde ihr Verlangen bezeuget, daß |
261 | sie gerne sehen, daß die angefangene Gedanckencontinuiret würden, auch die Gesellschafftder Müßigen gegen mich gedacht, daßsie es könten geschehen lassen, wenn ich diese |
261:5 | continuation auf mich nehmen wolte, ichmich endlich resolviret, solches auf gewisseMasse zu verrichten, nehmlich, daß ich zwarden Titel behalten und diese Gedancken inForm eines Gesprächs fortsetzen, aber dabey |
261:10 | doch behalten wolte, daß so viel möglich dasjenige,was unterschiedene an denen erstenbeyden Gesprächen getadlet, vermieden würde.Zu dem Ende habe ich alsbald in diesenMonat an statt derer Teutschen Nahmen denen |
261:15 | Unterredenden Nahmen von frembdenSprachen zugeleget, ob mir wohl wissend ist,daß etliche Gelehrte solches für eine kleine Pedantereyhalten, wenn man sich nicht solcherNahmen bedienet, die mit der Sprache, worinnen |
261:20 | ein Gespräch geschrieben wird, übereinkomen: Ich habe aber hiebey mein Absehendahin gehabt, daß ich allerdings auch scandalaaccepta vermeiden möchte, weil ich gespüret,daß ein und ander bey den ersten beyden |
261:25 | Gesprächen dafür gehalten, als wenn auchunter denen daselbst gebrauchten, und beyuns Teutschen üblichen Nahmen etwas sonderlichs |
262 | verborgen wäre, und also dem HerrnAugustin, Benedict u.s.w. ieden auff einegewisse und bekante Person wider die intentionderer Müßigen gedeutet. Auff diese |
262:5 | Weise nun hat es mit denen Gesprächen dererMüßigen fast so ein Ende genommen,wie Anno 1684. in Holland mit dem MercureScævant, der auch nur den Januariusund Februarius continuiret wurde, an dessen |
262:10 | Statt aber hernach der Herr Bayle imMertz seine Nouvelles de la Republiqve desLetteres zu schreiben anfieng.Jedoch habe ich nicht alsobald zu diesemVorhaben zugeplumpt, sondern zu vorhero |
262:15 | wohl überleget, ob ich auch mit guten Gewissendieses Wercks mich unternehmen dürffte,und ob ich nicht vielmehr hierdurch andernvornehmen Leuten in ihrem Amt einen Eingriffthäte. Denn es hat mir vor Augen geschwebet, |
262:20 | daß der Abbt de la Roqve in derVorrede des 85ten Jahres von Journal desScavans sich über den Autor des Mercure Galantbeschweret / als dieser in seinem Mercureetliche scriptores, die wider den Herrn Bayle |
262:25 | geschrieben, referiret, er solte keinen Einfall indas Land der Republique des Lettres thun, |
263 | sondern bey seiner Galanterie bleiben, weildieses das Erbland des Journal des Scavanswäre. Solcher Gestalt nun habe ich betrachtet,daß gleichwohl allbereit in Teutschland |
263:5 | von denen Herrn Collectoribus ActorumEruditorum dieses Amt bedienet würde, derGelehrten Welt vorzustellen, was von neuenBüchern heraus käme, ja ich habe die Ungelegenheiterwogen, die sich der gute Fourretiere |
263:10 | über den Hals gezogen, als er wiederderer Herren de l' Academie Royale ihrenWillen sich ein Frantzösisches Dictionariumzu schreiben unterfangen, indem er seine Müheumsonst gehabt, und mit seiner nicht wenigen |
263:15 | Beschimpffung denen Herren de l' Academieweichen und nachgeben müssen, ob ersich gleich die Freyheit genommen in zweyenfactums, so er heraus gegeben, denen Messieursvon der Academie die Wahrheit ziemlich |
263:20 | Deutsch (oder vielmehr Frantzösisch) zu sage.Ich habe aber daneben auch erwogen, daßzwischen diesem Exempeln u. dem Meinigenein grosser Unterscheid sey. Denn erstlich soschreibe ich meine Gespräch nicht in Lateinischer |
263:25 | sondern in Teutscher Sprach, und haltedafür, daß de la Roqve sich nicht so unnützewürde gemacht haben, wenn der Autor des |
264 | Mercure Galant in einer andern als in Frantzös.Sprache, von denen Gelehrten Schrifftenetwas geschrieben hätte, glaube auch festiglich,daß der gute Fourretiere wohl von denen |
264:5 | Herrn Academisten würde unangepacktgeblieben seyn, wenn er etwan des Calvisii,Fabri oder Reyheri Lexicon hätte ausbessernund vermehren wollen. So istauch für das andere meine Meinung im geringsten |
264:10 | nicht, daß ich ein Journal von gelehrtenBüchern in teutscher Sprache schreibenwolle, massen ich dawider feyerlichst protestire.Was die Gesellschafft der Müßigenin Willens gehabt, weiset ihre Vorrede |
264:15 | vor dem Januario. Gleichwie aber ihrerdrey gewesen, und hierzu gute Musse gehabt,also bin ich nur alleine, und habedes Tages über meine ordentliche Verrichtungen,daß ich kaum etliche wenige Stunden |
264:20 | drauff wenden kan. Wannenhero ichnur dann und wann von Büchern, mehrentheilsaber von gewissen materien etwas discourirenwerde. Wolte man mir nungleich vorwerffen, daß der Mercure Galant |
264:25 | eben dieses auch als ein parergon tractirethätte, und dennoch von dem de la Roqvevor einen Freybeuter gehalten worden wäre, |
265 | so würde ich darauf antworten, daßes der Autor des Mercure Galant darinnengröblich versehen, daß er solche Sachen, diede la Roque in sein Journal bringen wollen, |
265:5 | seinen Mercure einverleibet, daer doch hätte bedencken sollen, daß gleichwohlde la Roqve jure occupationiseinmahl das Recht erworben / einig undallein das Journal zu machen / und alle andere |
265:10 | davon auszuschliessen. Ich aber werdemich in meinen Gesprächen, wo nichtallemahl, doch meistentheils bemühen solcheBücher zu erzehlen, die die Herrn Collectoreszu Leipzig in ihre Acta aus gewissen |
265:15 | und wichtigen Ursachen nicht setzen mögen,massen aus diesen ietzigen Monat genugsamzu sehen ist. Derohalben halte ichdafür, daß weil ich ihnen dißfalls die reicheErndte gar gerne lasse (als der ich weder |
265:20 | die dazu gehörige correspondenz habe,noch mit guten Freunden versehen bin, diemir hierbey unter die Arme greiffen, auchan einem Orte lebe, da der Buchführer neueSachen gar späte bekömmt) und zufrieden |
265:25 | bin, wenn sie mir etliche wenige verzettelteAehren nachzulesen vergönnen, wohl gemeldteHerrn Collectores an statt, daß sie |
266 | dieses mein Vorhaben übel deuten sollten,vielmehr mir mit denen Büchern, die sienicht mögen, aus Höffligkeit an die Handgehen würden, wenn ich solches von ihnen |
266:5 | verlangete. Und also wäre dieser schwerescrupel auch gehoben.Im übrigen bitte ich den Leser, daßwo es seyn kan, er sein Judicium von meinenGesprächen biß zu Ende dieses Jahrs |
266:10 | suspendiren und sich des L. Incivile ff. de Legibusohnmaßgeblich zu erinnern beliebenwolle / massen er vielleicht in einem Gesprächmehr satisfaction finden möchte, als in demandern. Zuförderst aber erinnere ich wohlmeinend, |
266:15 | daß er mich nicht etwa vor einenpasquillanten halten wolle, weil ichmeinen Nahmen nur mit etlichen Buchstabenzu erkennen gegeben. Denn ichhabe solches nicht aus der Ursache gethan, |
266:20 | daß ich mich scheuete das zu gestehen, wasich, geschrieben habe, sondern, damit ichdesto eher anderer Leute Judicia von diesermeiner Schrifft erfahren möchte. Soist auch sonst bekannt, daß wenn zu Hoffe |
266:25 | zuweilen eine Wirthschafft gespielet wird,und die Personen durch das Looß hierzuausgetheilet werden, es sich offte zuträget,daß ein vornehmer Minister einen Koch, |
267 | Hauß=Knecht oder andere geringe Personagiren muß, da man es ihme dann nicht vorübel hält, wenn er seinen character einwenig beyseite legt, und in dem Koch=Habit |
267:5 | seine Person nach der qualität eines Kochsagiret, und sich also, so zu sagen, ob manihn gleichwohl kennet, in denen Kleidern alsincognito auffhält; aber ohne Zweiffelausgelacht werden würde, wenn er in seinen |
267:10 | gewöhnlichen Kleidern die ihm auffgetragenePerson vorstellen wolte. Ich bingleicher Gestalt, Vorhabens in diesenGesprächen unterschiedene Personen auffdas tapet zu bringen, und werde also auch |
267:15 | nach dererselben character meine Redens=Artenabwechseln müssen. Derohalbenhat es sich auch in diesem Ansehen nichtwohl schicken wollen, daß ich meinen Nahmenausgedruckt. Damit aber der Leser nur |
267:20 | einen kleinen concept von meiner Personfassen, und also zum Theil abnehmen möge,was er ins künfftige von diesen Gesprächenzu hoffen habe, will ich ihm nur etwasweniges von meiner profession melden. |
267:25 | Wenn ich demjenigen Glauben beymessenwolte, was ich vernommen, daß auchmeine Feinde mir nachsagten, wolte ich sprechen, |
268 | ich wäre ein Gelehrter. Aber ob gleichsonsten die Zeugnisse derer, die uns zuwidersind, in Sachen, so zu unserm Vortheil gedeutetwerden könten, für sehr gültig gehalten |
268:5 | werden, so wird mir doch iedermannleichte Beyfall geben, daß ich selbsten ambesten wissen müste ob ich gelehrt sey odernicht. Ja ich getraue mir augenscheinlichdarzuthun, daß ich dieses prædicats gantz |
268:10 | nicht fähig bin, weil ich zu keiner Facultätgebracht werden kan. Ich bin kein Theologus,denn ich kan nicht predigen, vielwenigermit denen Ketzern disputiren. KeinJuriste bin ich auch nicht, dieweil ich durch |
268:15 | die auream praxi die Zeit meines Lebensnicht viel erworben / auch die wunderlichepersuasion und Einbildung habe, daß diemeisten Theile der Jurisprudenz von Triboniano,und denen alten Glossatoribus |
268:20 | nebst denen Pragmaticis so verhuntzt worden,daß nunmehro ohnmöglich ist, dieselbigein formam artis zu redigiren, und mansich solchergestalt gantz nicht wundern darff,wie es doch komme, daß heut zu Tage ein |
268:25 | Rabula ja so leichte in diesem studio fortkommet,als ein geelehrter Mann. Viel wenigerbin ich ein Medicus, denn ich habe mich |
269 | von Jugend auff gehütet, daß ich mit andererLeute Schaden klug werden möchte, undhalte von einem Trunck Rhein=Wein mehr,als von der besten Perl=Essenz; Ja ich habe |
269:5 | mich auch noch nicht resolviren können,ob ich es mit dem Galeno oder Hippocrate,oder Theophrasto, oder mit einem von denenNeotericis halten solte. Am allerwenigstenaber bin ich ein Philosophus. Denn |
269:10 | erstlich glaube ich in der Logica nicht, daßfünff Prædicabilia, zehen Prædicamenta unddrey figuræ Sillogismorum seyn. Ich haltedafür daß die Logic, die wir in Schulenund Academien lernen, zu Erforschung der |
269:15 | Wahrheit ja so viel helffe, als wenn ich miteinem Stroh=Halm ein Schiff=Pfund auffhebenwolte. Von der Metaphysic habe ichmir eine widerwärtige Impression gemacht,indem ich mir eingebildet, daß die darinnen |
269:20 | enthaltenen Grillen fähig sind, einen gesundenMenschen solchergestalt zu verderben,daß ihme Würmer in Gehirne wachsen, unddaß dadurch der meiste Zwiespalt in Religions=Sachenentstanden, auch noch erhalten |
269:25 | werde. Die Mathesin habe ichleider! nicht gelernet, weil dieses höchstnützlichestudium auff Academien so wohl culpâ |
270 | docentium als discentium gemeiniglichverachtet und negligiret wird. Mit derPhysic ist es mir sehr unglücklich gangen.Denn als ich gemeinet, ich hätte in denen |
270:5 | Collegiis, so ich darüber gehalten, vortrefflicheprofectus erlanget, und meine privatrepetitiones deßhalben angestellet, bin ichso tumm gewesen, daß ich nicht verstehenkönnen, was das heisse, daß die Natura principium |
270:10 | motus & qvietis sey, ia ob mir gleichmeine Præceptores noch so deutlich vorgesagt,quod anima fit tota in toto corpore,& tota in qualibet parte corporis, ich auch einengantzen Tag zugebracht in Auffsuchung |
270:15 | derer Physicorum, und befunden, daß diesethesis so klar sey, daß niemahls ein rechtschaffenerPhilosophus dran gezweiffelt, so hatmir es doch gantz nicht in Kopf gewolt, daßmeine Seele zu einer Zeit, wenn sie gantz |
270:20 | und gar mit Haut und Haar in der kleinenFuß=Zehe sässe, und zugleich in Ohr=Läppgenseyn solte. Eben so ist es auch mit der herrlichenmateria prima bey mir abgelauffen,welche doch der wahrhafftige lapis Philosorum |
270:25 | ist. Am allerschlimmesten aber istmir es mit denen qvalitatibus occultis gegangen.Denn als ich versuchen wollen, ob |
271 | es mir vielleicht besser von statten gehen wolte,wenn ich selber etwas de meo erfände,und zu dem Ende auf eine definitionem qualitatisoccultæ bedacht gewesen, habe ich nach |
271:5 | dreytägiger meditation, da ich zwey BuchPapier verschmieret und ein halb Schock Federnverschrieben, anders nichts heraus bringenkönnen, als: Qualitas oculta est vocabulum elegantersonans, cujus vi Physicus ignoratiam suam |
271:10 | obvelare, et in cautam juventutem occultepecunia emungere potest. Aber ich bin mit dieserdefinition ankommen, daß ich bald darüber wäre zumAtheisten gemacht worden. Endlich so hat |
271:15 | es auch in der Philosophia Practica nicht mitmir fortgewolt. Denn ich bin gleich Anfangsbey dem genere stutzig worden, und bin soungläubig gewesen, daß, ob ich gleich augenscheinlichgesehen, daß diese disciplin von allen |
271:20 | pro prudentia ausgegeben worden, dennochmein Verstand so ungeschickt gewesen,daß er gemeinet, es schicke sich dieser Titelnicht für diese Philosophie weil der tractatde Legibus & Consiliis darinnen mangele: |
271:25 | Zugeschweigen, daß ich den gelehrten Streitde summo bono, und de proportione Arithmeticâ& Geometricâ für läppisch und unnützlich |
272 | gehalten. Also, nachdem ich beydieser Bewandniß für keinen gelehrten passirenkan, bemühe ich mich noch über dieses,daß ich andern Leuten, auch denen, die als |
272:5 | Gelehrte zu mir kommen, ihre Gelehrsamkeitbenehmen, und diese ignoranz beybringen,auch sie dazu anhalten möge, daß sie indem wenigen, so ein Mensch durch seinenVerstand begreiffen kan, allezeit einen rechten |
272:10 | Grund suchen, im übrigen aber sich befleißigen,wie sie bey Zeiten sich angewöhnen,andern Leuten, von wasserley Zustandsie auch seyn mögen, denen sie dermahleinsnach Unterscheid ihres Standes zu dienen |
272:15 | Gelegenheit erlangen werden, ihren Nutzenzu schaffen, und sich selbsten also zu guberniren,damit man sie in gemeinen Lebennicht auslachen möge. Gehab dich wohl.
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273 | Polydor ein kluger Staats=Minister aneinem berühmten Teutschen Hofe hatteden Gebrauch, daß er, wenn er sich andenen Staats=Angelegenheiten |
273:5 | abgemattet hatte, oder sich bey Uberhäuffung |
273:10 | zweyer von seinen Clienten, die er sich für andernausersehen hatte und selbige gerne um sich leidenmöchte, belustigte. Sie hiessen Clarindo undNicanor, und waren beyde gelehrte und verständigeMänner, die bey Hofe ihr Glück suchten, und |
273:15 | Polydor als den vornehmsten Minister fleißigauffwarteten, hatten auch unter einander eine vertraulicheFreundschafft / ob sie gleich in ihren Wissenschafftensehr unterschiedener Meinungen waren.Denn Clarindo war ein wenig ein Sonderling, |
273:20 | das ist, er folgte ohne Ansehen der Personin Sachen, die durch die Menschliche Vernunfft |
274 | begriffen werden können, seinem eigenen Kopffe,und glaubte nichts, was man ihm immer vorsagenmochte, wenn man ihme solches nicht mit starckenGründen bewiesen. Nicanor im Gegentheil |
274:5 | hielte es mit denen lieben Alten, und achtete es fürUnrecht, daß ein Mensch unserer Zeit sich weiserdüncken lassen solte, als unsere Vorfahren, zumahlbey denenselben in gemeinen Wesen und Hauß=Standealles so gut und glücklich von statten gangen |
274:10 | als heute. Aus diesen Unterscheid dieser beydengelehrten Leute flosse ein anderer nicht geringerer,daß Nicanor bey seinen Patronen sich mehrmit liebkosen und schmeicheln, Clarindo hingegenmit einer gemäßigten Kühnheit und Offenhertzigkeit, |
274:15 | die doch mit gebührender Erweisung des gehörigenrespects vergeschellschafftet war, einzuschleichen,und ihre Gunst zu erhalten suchten. Polydorals ein weiser Mann, dem mit den betrüglicheneuserlichen Schein nicht viel gedienet war, |
274:20 | sondern der vielmehr auf das innere sich gründeteliebte Clarindo wegen seiner Auffrichtigkeit mehrals Nicanor; jedoch konnte er diesen auch wohlvertragen, weil seine kleine Schmeicheley nicht sowohl aus einem bösen Gemüthe, als aus einer natürlichen |
274:25 | Furcht herrührete, indem er sich befahrte /daß, wenn man höhern Leuten nicht in allen beyfiele,man leicht ihre gute Gunst verlieren könnte. |
275 | Zu dem so hatte er eine nicht geringe Vergnügung,wenn er hörete, daß Clarindo und Nicanoreinander, mehrentheils wegen ihrer unterschiedenenMeinung, widersprachen, und immer |
275:5 | einer den andern zu überwinden suchte, jedoch miteiner solchen Art, daß sie sich niemahls in ein PedantischGezäncke einliessen, und die Ehrforcht,die sie Polydor schuldig waren, beobachteten.Uber dieses war Polydor begierig von neuen Büchern |
275:10 | Kundschafft einzuziehen, und giengen ihmdißfalls Nicanor und Clarindo fleißig an dieHand. Denn jener liesse sich es recht angelegenseyn, und bemühete sich dem Clarindo vorzukommen,weßwegen er bey dem Buchführer bestellet |
275:15 | hatte, ihme, so bald etwas neues ankäme, davonNachricht zu ertheilen. Clarindo aber machtesich diese Mühe nicht, sondern, weil er ohne demgewohnt war, für sich die Buchläden fleißig zu besuchen,als erzehlte er hernach bey Gelegenheit dasjenige, |
275:20 | so er darinnen merckwürdiges angetroffenhatte, und ersetzte zuweilen den Mangel mit einenUrtheil über diejenigen Bücher, die Nicanorallbereit angeschafft hatte.Es geschahe dannenhero, daß, als für wenig |
275:25 | Wochen Polydor diese beyde zu sich hohlen liesse,daß sie mit ihm auff den serviet speisen solten, Nicanorbald bey den ersten Gerichte seine Gelegenheit |
276 | ersahe zu Polydor zu sagen. Ich habe euererExcellence zwey neue Bücher mitgebracht,welche der Herr Burnet wider den Frantzosen Varillasverfertiget. Die Titel davon sind: Defence |
276:5 | de la Critique du Neufieme Livre del' Histoire de Mons. Varillas. Und ferner:Critique du 3. & 4. Volumes de l' Histoire deM. Varillas en ce, qui regarde les affaire d'Angleterre traduite de l' Anglois de Mons. |
276:10 | Burnet A. Amsterdam 1688. in 12. Was betrifftdoch eigentlich der Streit des Varillas mitBurnet? fragte Polydor; denn, wo mir recht ist,so hat dieser allbereit eine Schrifft wider jenen herausgehenlassen. Nicanor antwortete: Herr |
276:15 | Burnet ist D. Theologiæ und bey dem vorigenKönig in Engelland Capellan gewesen, und weiler gute Proben seiner Gelehrsamkeit abgeleget,und eine grosse Geschicklichkeit Historien zu schreibenvon sich spüren lassen; hätte die Clerisey |
276:20 | des Königreichs Engelland keinen würdigernMann wehlen können als ihn, der auff ordredes Königs die Historie der Kirchen=Reformationin Engelland von Zeiten an Henrichsdes Achten geschrieben hätte, massen er denn |
276:25 | auch dieses mühsame und gefährliche Werck miteiner solchen Behutsamkeit für ein sechs oder siebenJahren sich unternommen, daß er das Lob und |
277 | Billigung der gantzen Welt / hohen Danck vonder Geistlichkeit, und grosse Geschencke auf Seitendes Königs davon getragen. Sein Buch istin kurtzer Zeit offte auffgeleget worden, und hat |
277:5 | man solches in die Lateinische, Frantzösische undHolländische Sprache übersetzet, auch in dieTeutsche wenn anders dem Franckfurtischen CatalogoGlauben beyzumessen ist. Nichts destoweniger gleichwie das Urtheil des gemeinen Volcks |
277:10 | nicht allemahl auff guten Grunde fusset, also mußman nicht meinen, daß eben daran das Verdiensteines guten Buchs hange, wenn nicht die Wahrheitund die Behutsamkeit, welches die nothwendigstenStücken einer Historie sind, solches nicht |
277:15 | für sich über die andern erhebet. Denn dieses trugsich mit denen Schrifften des Herrn Varillas zu,welche er bißher in einer ziemlichen Anzahl herausgegeben. Dieser Autor, als er zuerst seine HistorieCarols des neundten Königs in Franckreich |
277:20 | und bald hernach die Geschichte desKönigs Francisci des Ersten / ingleichen dieMinderjährigkeit Ludwigs des Heiligen,nebst der Historie Ludwigs des Achten, undHenrichs des Andern, Dann die verborgene |
277:25 | Geschichte der Medicæischen Familie zu Florenzvoran schickte; betroge die gelehrte Welteine geraume Zeit, daß man darvor hielte, als |
278 | wenn er ein Autor wäre, dem man billig Glaubenzustellen müsse, weil er sich fast überall rühmete,daß er gute manuscripta und wichtige originaliazu Verfertigung seiner Wercke brauchte, |
278:5 | und er einer anmuthigen und bequemen Ordnungsich bediente, auch überall gute Anmerckungenmit untermischte, und die geheimsten Gedanckenund Rathschläge grosser Herren entdeckte.Welches alles verursachte, daß sich niemand eingebildet |
278:10 | hätte, daß ein Betrug darunter verborgenwäre, und daß der Herr Varillas nur oben hin etlichegeringe Historien gelesen hätte, ohne sich dieMühe zu nehmen, merckwürdige Geschichte wohlzu untersuchen, oder eine genaue Ordnung in der |
278:15 | Chronologie zu beobachten, und daß endlich dieoriginalia, von denen er so viel rühmens gemacht,nirgend anders als in der Camerâ obscurâseines Gehirns anzutreffen wäre. Alleineals er die ersten zwey tomos seiner Historie |
278:20 | von denen Aenderungen, so in Europa, soviel die Religion betrifft, vorgegangen, anno86. herausser gabe; hat die gelehrte Weltden Irrthum, in welchen sie bißher geschwebet,bald gemercket. Die Herrn Collectores des |
278:25 | Leipzigischen Journals bemerckten bald anfangseinen hauffen Fehler, die der Herr Varillas,so viel unser Land betrifft, begangen hatte, obschon |
279 | die erste Aenderung der Religion nicht bey uns,sondern in Engelland durch den Wicleff warevorgegangen. Dannenhero ware es eine rechteArbeit für den Herrn Burnet, der sich auch nicht |
279:5 | lange säumete, ein Verzeichniß der gröbstenfauten des Herrn Varillas, die er gemachthatte, als er das Englische Religions=Wesenin dem neundten Buch seiner Historiebeschrieben, zu verfertigen. Diese Critique, |
279:10 | die der Herr Burnet in Englischer Sprachegeschrieben, ist alsobald in das Frantzösischeübersetzet worden, und der Ubersetzer, der sichdoch nicht genennet, hatte eine Vorrede darzu gesetzet,in welcher er sich bemühet darzuthun; daß |
279:15 | der Herr Varillas kein Mann von guter Treuund Glaube wäre, weil er schon vor geraumerZeit ein Buch von der Secte des Wiclefs, wiewohlunter verdeckten Nahmen / ediret, welcheser auch fast gantz und gar in diese Historie mit eingeflickt, |
279:20 | und nichts desto weniger etliche Oerter ausdemselben Buch, das Leben oder die Lehre desWiclefs und Johan Huss betreffende, darinnener ihrer beyder gar glimpflich gedacht hatte, in dieserHistorie entweder ausgelassen oder wohl gar |
279:25 | geändert hätte. Der Herr Varillas verpaßteeinige Zeit diese harten Püffe, und wolte die Leutebereden, daß er von denenselben ziemlich späte |
280 | Nachricht erhalten hätte, aber endlich liesse er seineEmpfindlichkeit spüren, und nachdem er dendritten und vierdten tomum seiner Historiedrucken lassen, kame auch seine Antwort wider |
280:5 | die Critique des Herrn Burnets ans Tage=Licht,die er dem Könige dedicirte. Ich habe solchezwar nicht gelesen, aber es scheinet aus der gegenwärtigendefension des Herrn Burnets,daß die Antwort des Varillas dem Herrn Burnet |
280:10 | von der impression, die er sich anfänglich vonihm gemacht, nicht habe befreyen können. Undgewiß, es muß ein artiger Mann seyn, daß er sichunterstehet, seine groben Fehler mit der gröstenUnverschämigkeit zu vertheidigen, und noch ferner |
280:15 | auff gewisse MSS sich zu beruffen, welche erwill dabey zu Rathe gezogen haben, ob es gleichgantz offenbar ist, daß seine gantze Stütze ist dieHistorie der Ketzereyen, welche Florimondvon Remond ein Parlaments=Rath zu Bourdeaux |
280:20 | geschrieben, wiewohl viel kluge Leute dafürhalten, daß der Pater Richeome ein Jesuitesolches Buch verfertiget habe. Was aber absonderlichdie Englischen Sachen betrifft / hat dieserso genannte Florimond seine Historie mit eines |
280:25 | Schottischen Jesuiten des Sanders, der deSchismate Anglicano geschrieben, seinen Vorrathausgespicket, und kan man solchergestalt sich |
281 | gar leicht einbilden, was von denen gerühmtenManuscriptis des Herrn Varillas man sichversprechen dörffe. Der Herr Varillas hattein seiner Antwort unter andern Erwehnung gethan, |
281:5 | daß die Schreib=Art des Herrn Burnetssehr niedrig und gemein sey, über welches einfältigeUrtheil der Herr Burnet sehr spottet /und damit er seinen Widersacher bezahlen möge,so schertzt er durchgehends mit ihm wegen |
281:10 | seiner ungeschickten Antworten, und handgreifflichenUnwahrheiten, als welche gleichsamein Kennzeichen wären der hohen Redens=Artendes Herrn Varillas, und vergleicht nicht unbillichdes Herrn Varillas seine Historie mit denen |
281:15 | Romanen, indem er spricht, daß maneben so wenig die Historie der Reformationin des Herrn Varillas Schrifften werde antreffen,als wenn man die Historie von Alexanderdem Grossen oder dem Käyser Augusto aus der |
281:20 | Cassandra und Cleopatra lernen wolte. Jaes wäre noch dieser merckwürdige Unterscheiddarunter, daß die Romane ihre erdichtete Erfindungenauff die wahren Geschichte guter Historicorumgegründet hätten, und durch dieselben |
281:25 | kein Mensch leichtlich hintergangen werdenkönte. So aber hätte der Herr Varillasseinen Roman auf alberne Autores gegründet, |
282 | und gebe seine Einfälle mit einer solcher angemaßtenAuffrichtigkeit für wahrhafftig aus,daß er leichtgläubige Personen gar leicht betriegenkönne. Uber dieses so railliret der Herr |
282:5 | Burnet den Herrn Coquelin überaus artig,welcher seine approbation zu des VarillasSchrifften ohngefehr auff folgende Weise mageingerichtet haben, daß des Varillas Büchernicht brauchten / daß sie recommendiret |
282:10 | würden, weil der eintzige Nahme des HerrnVarillas mehr geschickt wäre selbige in Hochachtungzu bringen, als alle das Lob, dasman ihnen geben könte. Denn er spricht: erkönne sich nicht einbilden, was der Herr Coquelin |
282:15 | für ein Mann seyn müsse, dessen approbation derHerr Varillas zu allen seinen letzten Werckenvoransetzen lassen, und müsse er gedencken, daßdieser nicht iemand anders erlangen könte, derso leichte thäte, was er von ihm begehrete, und |
282:20 | dannenhero müsse er sich wohl aus Noth mit diesemeintzigen approbatore behelffen. Er könnesich nicht anders einbilden, als daß der HerrCoquelin ein tieffgelahrter Mann entweder indenen Orientalischen Sprachen oder in denen |
282:25 | mathematischen Wissenschafften seyn müsse.Denn diese disciplinen wären der Historie ammeisten zuwider, und glaube er dannenhero, |
283 | daß der Herr Varillas ihn deswegen aus dergantzen Sorbonne ausgesucht habe, weil er vondem, was in denen letzten Jahr hunderten vorgegangen/ die wenigste Nachricht habe. Es könne |
283:5 | auch wohl seyn, daß, als Herr Varillas seineapprobation begehret, der gute Mann gleicheüber einen schweren Problemate, dasselbigeauffzulösen / beschäfftiget gewesen, oder habe sichden Kopff über einen Arabischen oder Sinesischen |
283:10 | Manuscripto zerbrochen. Weil es denn insgemeinso herzugehen pflege, daß die Leute, welchesich nur auff eine doctrin geleget, doch fürUniversalisten wollen gehalten werden, so habeauch der ehrliche Herr Coquelin gehofft, daß |
283:15 | man ihn für einen guten Historicum werde passirenlassen, wenn er des Herrn Varillas Bücherapprobirete. Er würde aber künfftig besserthun, wenn er sich in diese Sachen nicht fernermischte, weil er sich gar zu bloß gebe, daß er von |
283:20 | Historischen Sachen keinen Verstand habe. Fernerso nutzt der Herr Burnet dem Herrn Varillasdasjenige gar zu picquant auff was er vorgebracht,als ihm der Herr Burnet vorgeworffen,daß er alle seine Sachen aus dem Florimondo |
283:25 | Reymondo ausgeschrieben habe, welcher Autorgantz nicht für glaubwürdig zu halten wäre.Denn an statt, daß er die Ursachen hätte andeuten |
284 | sollen, warum er sich auf diesen Historicumgegründet habe, so hat er nur dieses erwehnt:Florimond habe Weib und Kindergehabt. Hier spottet nun der Herr Burnet und |
284:5 | saget: es sey nicht leichte zu verstehen, worinnendie Stärcke dieses arguments beruhe. Alleineman müsse sich über den Verstand des gemeinenPöbels erheben, damit man diese hohe Beredsamkeitdes Herrn Varillas begreiffen könne. |
284:10 | Wenn dieses ein Kennzeichen eines guten Autoriswäre, daß man Weib und Kinder habe,so könne man sich gewiß versichern, daß derHerr Varillas weder Weib noch Kinder habenmüsse. Ja man könne sich auch dieses als ein neuen |
284:15 | Arguments zu Behauptung der Priestereben bedienen. Nichts destoweniger müsse er,der Herr Burnet, gestehen, daß er als ein Mannvon gemeinen Verstande nicht begreiffen könne,wie der Herr Varillas durch diese Ursache sey bewogen |
284:20 | worden den Florimond für einen gutenAutorem zu achten, da er doch den Thuanumnicht dafür wolte erkennen, ohnerachtet dieserauch Weib und Kinder gehabt habe. Und gewiß,diese Erfindung des Herrn Varillas kömmt |
284:25 | mir recht lächerlich vor, und gemahnet mich eben,als wenn einer einen andern, als einen PhilosophumChristianum wolte heraus streichen, |
285 | weil er eine Frau genommen und Kinder gezeugethabe; Aber wieder auff den Herrn Burnetzu kommen, so erzehlet er unter andern einenmerckwürdigen Umstand von des Cambdeni |
285:5 | Historie, welchen er zwar vorgiebt, daß erin Engelland ziemlich bekannt wäre, doch halteich nicht dafür, daß derselbe bey uns vielen bewußtsey. Als der Herr Thuanus in Willenshatte seine General Historie zu schreiben, so correspondirte |
285:10 | er fleißig mit denen Gelehrten ingantz Europa, die ihm hierzu dienliche Nachrichtertheilen konnten, er wechselte viel Brieffe mitCambdeno, und als dieser den ersten Theil seinerHistorie herausser gab, so machte ihn Thuanus |
285:15 | aus, weil er befunde, daß seine Historie mit demnicht überein käme, was er an Thuanumin seinen Brieffen geschrieben hatte, sonderlichwas die Königin Maria in Schottland betraff.Hierauff entdeckte ihm Cambdenus die Wahrheit, |
285:20 | daß nemlich der König Jacobus seine Historieselbst durchsehen wollen, und habe solchehernach unter die Hände des Graffen vonNorthamton (dem Bruder des Hertzogsvon Norfolck, der eben wegen dieser Sache |
285:25 | war enthauptet worden) gegeben, dergestalt,daß man unterschiedene Sachen aus seinemBuche heraus genommen, und noch mehr andere |
286 | geändert hätte. Dieses hatte den Cambdenumüberaus verdrossen, und hatte sich dannenheroentschlossen, damit es mit dem andernTheil nicht auch so, wie mit dem ersten, gehen |
286:5 | möchte, daß er denselben an den Herrn Thuanumin Franckreich geschickt, damit dieserihn nach seinen Tode daselbst auffrichtig unduncastrirt könte heraus geben, welches auchhernachmahls geschehen u.s.w. Hiernechst |
286:10 | gedenckt auch der Herr Burnet, daß die FrantzösischeUbersetzung seiner Critique wohlgemacht sey, und daß der Ubersetzer seine Gedanckenwohl exprimiret habe, aber daß mandieselbe zum öfftern übel verstanden habe in der |
286:15 | version seiner Brieffe von seiner Reise inItalien. Womit er abermahln ohne Zweiffelauf die Frantzösische Ubersetzung siehet. Waswürde er erst gesagt haben, wenn er die Teutscheversion derselben, so im vorigen Jahre zu |
286:20 | Leipzig herausser kommen, verstehen, und desartigen Funds berichtet sein solte, dessen man sichbedienet, das Buch gangbar zu machen, daßman auff den Titel gesetzt, als wenn insonderheiteine nützliche Erzehlung des Ursprungs und |
286:25 | Fortgangs der neuen Secte der Quietistendarinnen enthalten wäre, da doch solches demHerrn Burnet nie in Sinn kommen, und die |
287 | zwey Blätterchen, so von dem Molinos handelndiesen prächtigen Titul nicht verdienen.Endlich gedenckt auch der Herr Burnet, daßihm aus Engelland sey geschrieben worden, |
287:5 | als wenn ein Autor, der wegen seiner Poesieund anderer Ursachen willen beruffen ist, sichbemühet habe des Herrn Varillas Historie indie Englische Sprache zu übersetzen und schondrey Monath daran gearbeitet habe, aber als |
287:10 | er vernommen, daß des Herrn Butnets Critiqveherausser kommen wäre, habe er seineArbeit liegen lassen, weil er gesehen, daß seinAutor seine reputation verlohren habe. Wenner darvor halten werde, daß er dieselbe durch |
287:15 | seine Antwort habe wieder erlanget, so werdeer seine Ubersetzung wieder vor die Hand nehmenkönnen. Denn dieses werde eben so einanmuthiger Zeit=Vertreib für diesen Poetenseyn, als die Conversation die er erfunden |
287:20 | zwischen denen Hindinnen, Panterthieren, undandern Bestien, unter denen der Herr Varillasgar leichte für einen guten Historicumpassiren könte. So wäre auch dieses seineHistorie und das Poëma des andern (in welchen |
287:25 | er vielleicht auff den Herrn Burnet mag gestichelthaben) zwey so auserlesene Sachenin ihren Geschlechte, daß nichts geschickters |
288 | seyn könne, als wenn der Autor der allerübelstausgesonnenen Erfindung ein Ubersetzerwürde der allerschlimmesten Historie dieserZeit. Wenn sein Verstand und seine Frömmigkeit |
288:5 | gleichförmig zu nehmen, so würde mankaum finden können / daß er viel gewonnen habe,an dem Wechsel, den er gemacht habe, weil erals ein Mensch von keiner Religion eben zuder allerbösesten getreten sey. Es sey zwar |
288:10 | wahr, daß er etwas reputation gehabt, die erhabe verlieren können, so viel den Verstandbetrifft, allein seine Sitten belangende, so wärees fast unmöglich, daß er leichtfertiger werdenkönte, als er sey. Er habe vor kurtzer Zeit |
288:15 | seine üble Neigung wider den Herrn Burnetherausbrechen lassen, weil er Ursach gewesen,daß seine drey monatliche Arbeit für die Hundegangen. Aber er habe doch dem Herrn Burnetalle Ehre angethan, die er sich zu ihm hätte versehen |
288:20 | können, nehmlich daß er ihn auff eineSatyrische Weise durchgezogen habe. Wennnun der Herr Burnet recht böse wäre, daß erihm was übles wünschen wolte, so wolte er nurwünschen / daß er seine Ubersetzung zu Ende |
288:25 | bringen müste. Denn da würde man sehen,ob die Englische Nation, welche der beste Richdiein dieser Streitigkeit wäre, würde das Urtheil |
289 | für den Herrn Varillas oder für den HerrnBurnet sprechen. Es werde zwar hierbey derUbersetzer der Historie des Herrn Varillas etwasauszustehen haben, aber dieses werde ihn |
289:5 | verhindern / daß er keine andere Thorheitenvornehmen werde. Und wenn er auch gleichdurch diese Ubersetzung keine Ehre werde davontragen, so werde er doch zum wenigsten nicht soviel dabey verlieren, als er an Verfertigung seines |
289:10 | letzten Werckgens verlohren habe. DerHerr Burnet nennet zwar den ehrlichen Mannnicht, den er bißher so gelobet, ausser mit denenersten Buchstaben M. D. aber es ist aus denenFrantzösischen Zeitungen vorigen Jahres bekannt, |
289:15 | daß er auff Masteu Dryden ziele, welchersonst den Ruff hat, daß er ein guter EnglischerPoët sey, der bey Leb=Zeiten des vorigen Königsunterschiedene Comdien und Operen verfertiget,bey Regierung des ietzigen aber einer |
289:20 | mit von denen ersten gewesen, der sich zu derRömischen Religion begeben. In Summa,Dieses gantze Werckgen des Herrn Burnetsist durchgehends anmuthig zu lesen, weil er überallsich einer temperirten, jedoch scharffen und gelehrten |
289:25 | raillerie wider den Herrn Varillas bedienet.So hat auch der Frantzösische Ubersetzerin einer kleinen Vorrede dem Herrn Varillas |
290 | kurtz beantwortet, welcher sich ebenmäßigwieder diesen entschuldigen wollen, daß ernicht der Autor der Historie von des WiclefsSecte wäre, welche kahle Entschuldigungen |
290:5 | der Ubersetzer kürtzlich, doch gründlich widerleget.Ich habe mich vielleicht etwas zu langein Referirung der ersten Schrifften des HerrnBurnets auffgehalten, aber Euere Excellence |
290:10 | werden solches nicht übel deuten, weil ich weiß,daß sie in dem Stück was ad cognitionem autorumgehöret, curieus sind, auch an denenSchrifften, in welchen ein gelehrter Schertz mituntergemischt ist, für andern einen Gefallen haben. |
290:15 | Ich sage den Herrn Danck für die Mühwaltung,antwortete Polydor, und erwarte, waser von dem andern Tractætgen des Herrn Burnetsnoch zu sagen hat. Doch wird er sich um seinselbst willen hierbey etwas mehr der Kürtze befleißigen |
290:20 | müssen, damit er nicht bey der Mahlzeitzu kurtz komme. Ich werde ohne dem hierwenig zu sagen haben, begegnete Nicanor, weilder Herr Burnet hier ein wenig mehr ernsthafftgeschrieben, und diejenigen Fehler, so der Herr |
290:25 | Varillas in seinen dritten und vierdten tomo widerdie Englische Geschichte in vielen Stücken |
291 | begangen, angemerckt und nachdrücklich widerlegt.Und zweiffele ich nicht, es werden die ActaEruditorum, die Eure Excellence ohne demkriegen, weitläufftiger davon reden. Nichts |
291:5 | destoweniger verweiset der Herr Burnet hier anfänglichdem Herrn Varillas seine Thorheitziemlich scharff, daß, da andere Frantzosen ihrenKönig mit denen vornehmsten Helden zu vergleichensuchen, er eine Erfindung gebraucht, |
291:10 | den König zu loben, indem er ihn mit einer Frauund zwar mit der Schottischen Königin Maria,so viel die Reformation des Religion=Wesensbetrifft, verglichen. Er weiset ihm auch, dasnicht allein diese schmeichlerische Vergleichung |
291:15 | übel ausgesonnen sey, sondern daß selbige nichteinmahl mit der Wahrheit übereinkomme. Nachdiesen bemerckt er, daß zwar der Herr Varillasin den dritten tomo sich auff keinen andern autoremin Erzehlung der Englischen Sache beziehe, |
291:20 | als auf des Ertz=Bischoffs zu Ragusa Lebens=Beschreibungdes Cardinals Polus, erbeweiset aber gar wahrscheinlich, daß dieses Buchwohl nicht auf dem Erd=Boden anzutreffen sey,und thut dar, daß der Herr Varillas abermahl ein |
291:25 | greuliches versehen, wenn er seine einfältige Gedanckenwegen des sonst bekannten Buchs des PetriMartyris, welches den Titul Locorum |
292 | Communium führet, eröffnet. Die Hauptschnitzeraber / die der Herr Varillas wider dieEnglische Historie abermahls begangen, sind nichtmehr als 77. wiewol deren etliche so beschaffen, daß |
292:5 | manchmahl in Erzehlung eines facti der HerrVarillas sich wohl auff zehen biß zwölfferley Weisegeirret hat, endlich sind die Worte sehr nachdencklich,womit der Herr Burnet dieses Werckbeschliest: Wer was ungemeines, spricht er, |
292:10 | und sonderliches sehen will, der soll nachPariß reisen um den Herrn Varillas zusehen, und seine Mine und Physiognomieein wenig betrachten, denn es sey in Wahrheitein Mensch von so einer sonderbahren |
292:15 | statur, daß er nicht glaube, daß man seinesgleichen in der gantzen Welt antreffen werdeoder jemahls angetroffen habe. Es kanalso nicht fehlen, der Herr Varillas muß einpopantz seyn, damit man die Kinder zu fürchten |
292:20 | macht.Hiermit endigte Nicanor, und Clarindobrachte ihm eins auf Polydors beständiges Wohlergehen.Nachdem er das Glaß ausgeleeret, setzteer hinzu: Ich bin von Hertzen erfreuet / daß der |
292:25 | Herr Bruder einmahl einen Historischen Discoursauff die Bahn gebracht, weil ich mich |
293 | sonst gefürchtet er werde seiner löblichen Gewohnheitnach, etwan den armen Ramum, CartesiumHobbesium, oder andere Novatores anpacken,und mich, das Lob des niemahls irrigen |
293:5 | Herrn Aristotelis anzuhören, heraus fordern,welches mir heute recht ungelegen kommen wäre,weil mir der Kopff ohne dem wehe thut, und ichdurch Geschäffte bin verhindert worden, daß ichmich zum Streit nicht recht geschickt habe machen |
293:10 | können. Fängt der Bruder schon wieder an,antwortete Nicanor, er wird mir verzeihen, daßich mich ietzo noch nicht einlasse, weil ich wohl mercke,daß er mich nur um meine Mahlzeit bringenwill. Der Herr hat indessen, weil ich mir es |
293:15 | habe lassen sauer werden, brave drauf gehauen,und wird er mir also auch Zeit gönnen, daß ichnachkomme. Es ist wahr, redete Polydor darzwischen,der Herr gehet mit dem Herrn Nicanorein wenig zu hinterlistig um. Hat er mir denn |
293:20 | nicht auch was neues zu erzehlen, was er bißher indenen Buch=Läden angemerckt? Clarindo antwortete:kan einer doch für Nicanor zu nichtssommen? weil er mir alles für dem Maul wegnimmt.Denn ich hatte eben auch in willens des |
293:25 | Herrn Burnets seine zwey Bücher zu referiren,und meinete, es wäre nach dem ersten GerüchteZeit genug, wenn ich damit angestochen |
294 | käme. Aber Nicanor ist mir ein wenig zu gefährlich,und hat allbereit alles das gesagt, was ichzu sagen willens war. Es ist solches wohl nichtwahrscheinlich, lächelte Polydor, daß ihr beyde |
294:5 | eben soltet einerley excerpta aus einem Buchegemacht haben, zum wenigsten hat Herr Nicanordem Herrn Materie genug übrig gelassen vondem andern Tractätgen des Burnets etwas zuerzehlen, weil er solches nur obenhin referiret |
294:10 | hat. Eurer Excellence ist aber bestens bekannt,versetzte Clarindo, daß ich von ernsthafften Sachennoch weniger halte als Nicanor und könnendannenhero leicht abnehmen, daß weil Nicanordie weitläufftige Erzehlung dieses Buchs wegen |
294:15 | seiner Ernsthafftigkeit unterlassen, ich ebenmässigaus demselben nicht mehr, als Nicanor allbereitreferiret, auffgezeichnet habe. Das sinddie rechten Endschuldigungen, begegnete Nicanor,zum wenigsten kommen sie dem Bruder nicht |
294:20 | sauer an, weil er sie gleich aus der Lufft erschnapt.Der Herr verzeihe mir, antworte Clarindo,das heist auff Hochteutsch einen Lügen gestrafft.Ich will ihm aber wohl weisen, wenn er mich bösemacht, daß ich auch ein belesener Mann bin |
294:25 | und ihrer Excellence etwas aus einem Buchehersagen kan, wenn dieses ja so eine grosse Thatist. Vielleicht aus einem Roman, sagte Nicanor, |
295 | denn die lieset der Herr Bruder doch amfleißigsten. Vielleicht auch nicht, wiederredeteClarindo. Ich mercke wohl, daß der HerrBruder zuvor auff mich gestichelt hat, als er |
295:5 | des Herrn Burnets seine Critique wider denHerrn Varillas referiret, indem jener diesesseine Historie mit denen Romanen vergleicht.Denn ich habe solches aus seiner höhnischen Minedie er mir dabey gemacht, abnehmen können. Aber |
295:10 | wir wollen zu seiner Zeit von dieser Materieschon weiter reden. Ich lese auch wahrhafftigeHistorien, und habe ihrer Excellenceetwas zu referiren von einem HistorischenBuche, das nur neulich bey uns angekommen, |
295:15 | wiewohl es zu Pariß Anno 83. gedrucktist. Könte es nicht etwas älter seyn? fragte Nicanor.Ich wundere mich über meine Gedult,antwortete Clarindo. Der Bruder zwackt michzu offte, er komme mir nicht noch zweymahl so, sonst |
295:20 | werde ich mich nothwendig verantworten müssen.Ein alt Buch, das bey uns noch nicht bekannt,ist ja so curieus, als ein neues, das beyuns heraus kommen. Kennt der Herr Bruderden Herrn de Prade wohl? Wer wolte diesen |
295:25 | Cavallier nicht kennen? sprach Nicanor. DerBruder wird vielleicht die Genealogie derKönige in Franckreich, die dieser Autor unter |
296 | den Nahmen des Duc d' Espernon heraus gegeben,oder seine Frantzösische Historie wo auffgetriebenhaben. Er wird aber zu späte damiteinkommen, weil dieser Autor bey uns schon eine |
296:5 | geraume Zeit bekannt worden, nachdem ein AutorAnonymus für einem Jahre den Pradiumrefutiret hat, auch Ihre Excellence mir allbereitauffgetragen haben, diese beyden Bücherdes Pradii zu verschreiben. Wenn ich zu spät |
296:10 | einkomme, versetzte Clarindo, so übereilet sichder Bruder in etwas. Denn gesetzt, daß ich einevon diesen beyden Schrifften des Pradii meinete,würde ich doch früher kommen, als der Herr Nicanor,wenn ich dieselben schon angeschafft hätte, |
296:15 | ohnerachtet Ihre Excellence mir nichts auffgetragen,da vielleicht sein Buchführer noch nichtdeshalben in Franckreich geschrieben hat. Abermich dünckt, es habe auch der Herr Prade eineTeutsche Historie geschrieben. Wie wolte der |
296:20 | ehrliche Mann als ein Frantzose dazu kommen?sprach Nicanor, hatte er doch Fehler genug inseiner Frantzösischen Historie begangen. DerAutor Anonymus gedenckt nur dieser zweyBücher, die ich erzehlt, und wird sich der Herr |
296:25 | Bruder vielleicht irren.Ich muß doch darnach sehen, was ich inmein Schreib=Täffelgen eingezeichnet habe, sagte |
297 | Clarindo, hiermit zoge er dasselbe hervor undlaß daraus her: Histoire d' Allemagneancienne et nouvelle, contenant l'origine,les moeurs, les richesses, les coutumes, les |
297:5 | Gverres et la religion des peuples; lafondation et la description des VillesImperiales, la Politiqve, le Gouvernement et lesinterests des Princes et des Electeurs, etla Vie de tous les Empereurs jusq'à |
297:10 | Leopold, qui regne à present, par M. dePrade. A Paris chez Augustin Besoigne 1684.in 12. Also siehet der Herr Bruder / daß ich michnicht geirret habe. Ich habe dieses Werckgenfür zweyen Tagen in Buchladen gefunden, und |
297:15 | weil ich mich nicht entsinnete von solchen sonstgehört zu haben, auch mir gar wohl bekannt war,daß der Autor Anonymus, der den Prado refutiret,dessen nicht erwehnet, als habe ich auscuriosität dasselbe mit nacher Hause genommen |
297:20 | und durchgeblättert. Es werden ohne Zweiffelviel tomi seyn, redete Polydor darzwischen,weil aus den Titel zu ersehen, daß der Autorvon allen Denckwürdigkeiten und wichtigenSachen sein Buch anfüllen wollen. Die Frantzosen, |
297:25 | antwortete Clarindo, sind von herrlichenErfindungen, zum öfftern grosse Titul und kleineBücher zu machen, oder, daß ich deutlich rede, |
298 | das viele, so sie auff dem Titel versprechenmit kurtzen Worten hernach von sich zu geben,daß der Leser manchmahl nicht weiß, wie es zugehet.Und also bestehet auch die Historie in 2. |
298:5 | kleinen tomis. Desto mehr verlanget michdieses Buch zu sehen, sagte Polydor. Es stehetsolches zu Eurer Excellence Diensten, wiederredeteClarindo, iedoch werden mir dieselbe gnädigsterlauben, daß ich den kurtzen Innhalt, samt |
298:10 | dem wenigen, was ich dabey in Acht genommenerzehlen möge. Als nun Polydor dißfalls demClarindo seine Gefälligkeit zu verstehen gegebenfuhr dieser fort. Der Anonymus, so widerden Mons. de Prade geschrieben, giebt vor, daß |
298:15 | er mit dem Vornahmen Ludwig Royer heisse,in diesem Buch aber hab ich befunden, daß zwarauff dem Titul er nur schlecht weg M. de Pradegenennet werde, in dem Koniglichen ertheiltenPrivilegio aber wird er le Sieur Royer de Prade |
298:20 | tituliret, und ist also daselbst der Nahme Ludwigausgelassen. Die Vorrede, so der Herr Pradeüber dieses Werck gemacht, ist sehr kurtz und alsoauch gut, wenn alles kurtze gut ist. Er beschreibeterstlich mit wenig Zeilen die Veränderungen, |
298:25 | so mit dem Teutschen Reich von langenZeiten biß ietzo vorgegangen, und setzet zu Endederselben, daß unterschiedene Provincien von |
299 | Ihren eigenen Königen wären unterdruckt,hingegen aber von einen fremden Monarchen,der in zwey Jahren verrichtet hätte, was dieRömischen Käyser in 4. Seculis nicht hätten |
299:5 | thun können, wären befreyet und bey naheeingenommen worden. Womit der Herr Prade,deucht mir, wohl verdienet hätte, in des HerrnAmelot de la Houssaye seinen tractat de laFlatterie eine gute Stelle zu kriegen. Hernach |
299:10 | beschweret er sich, daß fast keine Autores wären,von welchen man die Teutsche Historie füglichlernen könte, indem etliche und unter denenselbender vornehmste unter Ihnen Lehmann, Teutschgeschrieben hätten, und solcher Gestalt fremde |
299:15 | wären, die man in Franckreich nicht verstünde,andere aber wären entweder gar zu weitläufftig,oder gar zu kurtz, und machten entweder viel Mühezu lesen, oder gäben wenig deutliche Nachricht.Deshalben habe er gemeinet dem gemeinen |
299:20 | besten einen guten Dienst zu leisten, wenn er dieselbein eine rechte Mittelmasse brächte, unddasjenige, was hin und wieder in denen TeutschenHistoricis oder in denen Registern desReichs, (was er hiemit meine, bekenne ich meine |
299:25 | Unschuld:) oder in denen Archiven der Reichs=Fürstenund Reichs=Städte, zerstreuet wäre, zusammensammlete, und solches in Frantzösischer |
300 | Sprache herausgebe. Es muß doch ein braverMann seyn, sagte Polydor, weil er seine Historieaus denen Archiven und Chronicken (denn ich haltedafür, daß er diese durch die Reichs=Register |
300:5 | verstanden habe;) zusammen getragen. Multadicuntur, antwortete Clarindo, quæ non fiuntur.So viel ich darinn geblättert, düncket mich,daß die Archieven, die der Herr Prade gelesen unduntersucht hat, zu denen MSS. des Herrn Varillas |
300:10 | in einen Band gebunden seyn. Was in demersten Theil gutes ist, das hab ich meines Behaltsmeistens in Lehmanno gelesen. So hatauch der Herr Prade sich die Freyheit genommen,keinen Autorem zu citiren, ausser daß ich |
300:15 | gesehen, wie er sich ein paarmahl in dem Text aufdem Herrn Conring, wiewohl ohne allegirungdes Ortes oder Buchs beziehet, und etliche mahlden Monzambano ad marginem citiret hat.Sonsten bestehet das erste Theil in welchen er von |
300:20 | dem alten Teutschen Reich handelt, in zehenCapiteln, deren erstes tractiret von denen Aenderungen,so im Römischen Reich vorgegangen;das andere von dem uhralten Teutschen Reiche;das dritte, von denen Teutschen provincien, |
300:25 | die unter der Römer Bothmäßigkeit gerathen;das vierdte von dem Teutschen Reich Austrasien,wo er die Lebens=Beschreibung der |
301 | Fränckischen Könige und Teutschen Käyser vonCarl dem Grossen biß auff das grosse interregnummit anhänget. In dem fünfften Capitelhandelt er von der Regiments=Form des alten |
301:5 | Teutschlandes unter denen Merovingis, Carolovingis,und Teutschen Käysern; in dem sechsten,von denen alten Prälaten und der Geistlichkeit;in dem siebenden von denen Fürsten und weltlichemAdel; im achten von dem Volck und Städten |
301:10 | des alten Teutschlandes; im neunten von denenöffentlichen Versammlungen, und im zehendenvon denen Sclaven und Lassen. Eben in so vielCapitel ist auch der andere tomus, allwo er dasheutige Teutschland betrachtet, eingetheilet, deren |
301:15 | erstes entwirfft dessen Zustand ingemein; dasandere handelt von Römischen Käysern; dasdritte von denen Chur=Fürsten; das vierdte vondenen Ertz=Hertzogen in Oesterreich, Hertzogenvon Burgund und denen geistlichen Fürsten; |
301:20 | das fünffte von denen weltlichen Fürsten; dassechste von freyen Reichs=Städten; das siebendevon denen unmittelbahren Reichs=Unterthanen,die keine Reichs=Städte seyn, und von der Reichs=Ritterschafft;das Achte von dem Cammer=Gericht, |
301:25 | Austrägen, Reichs=Hoffrath und Käyserlichengeheimen Rath; das Neunte von der Regiments=Formdes Römischen Reichs Teutscher |
302 | Nation, und endlich beschreibet das Zehende dasLeben der Teutschen Käyser nach dem interregnovon Rudolpho dem ersten biß auff ietzo regierendeKäyserliche Majestät. Zu dem andern |
302:5 | Theil, siehet man aus vielen Umständen, daß eretliche von denen neuesten Publicisten muß gebraucht,und dieselben ausgeschrieben haben, wiewohles öffters ohne judicio geschehen. Und habeich mich sehr gewundert, daß, da er sonsten die |
302:10 | materias Juris publici noch so ziemlich berühret,er von denen Zusammenkünfften im Reich,als Reichs=Tägen, Chur=Fürsten=Tägen u.s.w.gar nichts angeführet hat, und halte ich dafür,daß, weil, wo mir recht ist, auch etliche von unsern |
302:15 | Publicisten diese Sachen kurtz berühren,ihme gewiß solche unter die Hände müssen gerathenseyn, und es also dem ehrlichen Mons.Prade gangen ist, wie jenem Bauer=Comdianten,dem Herr Peter Squenz nichts mehr |
302:20 | auff seinen Zettel geschrieben hatte. Ich glaubedannenhero, daß die Frantzosen schon unter sichbessere Nachricht vom Teutschen Reich haben,und daß diese Historie dem Verleger nicht gargrossen Vortheil bringen wird. Es scheinet auch, |
302:25 | als wenn der Autor selbst nicht eben in sonderlichenBeruff müsse in Franckreich seyn.Denn der Verleger hat zu dem andern tomo |
303 | dieses Buchs mit drucken lassen, daß der HerrPrade auch Historiam Galliæ geschrieben,und er dieselbe verleget habe, woraus es ebenfallsdas Ansehen gewinnen will, als ob nicht gar zu |
303:5 | grosse Nachfrage nach dieser Frantzösischen Historieseyn müsse, und der Verleger noch viel exemplariadavon übrig habe, und sich zweiffelsohne erfreuen wird, wenn unser Buchführer,auf Nicanors Ordre, an ihm um ein exemplar |
303:10 | schreiben wird. Wiewohl Eure Excellenceihm die Freude versaltzen könnten, wenn sie demBuchführer liessen mit nechster Post nach Parißschreiben, daß sie sich anders resolviret hätten,und die schönen Opera nicht begehreten. Es |
303:15 | würde sodann dem guten Herrn gehen, wie füretlichen Jahren einen Buchführer in L. Dieserhatte unter andern in seinen Buchladen etlicheTractate und Tabellen von einem Professorezu J. welche, weil sie meistentheils aus andern |
303:20 | ausgeschrieben waren, niemand begehrete.Nun trug sichs zu, daß einsten ein feiner erbarerMann in den Buchladen kam, und fragteob der Buchführer nicht des Herrn H. seineSchrifften hätte. Der Buchführer antwortete |
303:25 | mit ja, und freuete sich, daß er einmahl einen Käufferdarzu bekäme, langete auch solche alle mit einanderherfür. Der Fremde fragte, ob sie auch wol |
304 | abgiengen? der Buchführer meinte, wenn er solchesvermeinte, würde der Käuffer abgeschrecktwerden. Deshalben rühmte er den guten Abgangsehr, und versicherte den Fremden, daß dieses |
304:5 | das letzte Exemplar wäre. Nun, sagte derFremde, es ist mir doch lieb zu vernehmen, dennder Herr muß wissen, daß ich, ohne Ruhm zumelden, der Autor davon bin. Wer war üblerzufrieden, als der arme Buchführer, der zwar |
304:10 | Ihrer Excellenz ein Gegen=complimentmachte, aber ich weiß wohl, was er in seinemHertzen gedachte. Jam fiat applicatio. Ichweiß nicht, begegnete Polydor, ob der Herr nichtdem guten Mons. Prade zuviel thut. Denn die |
304:15 | wenigen Fehler, die er bißher erzehlet, verdienenso eine scharffe censur noch nicht. EureExcellence reden gar recht, sprach Nicanor,und ich wolte drauf wetten, daß Clarindo nurmir zum Possen den Prade so herunter macht, |
304:20 | weil es ihm verdreust, daß Eure Excellencemir die commission aufgetragen diesen Autoremanzuschaffen. Zum wenigsten hat er nochkeinen Haupt=Fehler, den der Herr Prade begangenhätte, angemerckt. Wenn ich dem |
304:25 | Herrn Bruder damit dienen kan, beantworteteClarindo, will ich es von Hertzen gerne thun,und etliche wenige Schnitzer, die ich nur in lectione |
305 | curiosa in Acht genommen, erzehlen.Ich weiß nicht aus was für einem Archivo erdie Sitten der heutigen Teutschen muß hergenommenhaben, die er im andern Theil p. 3. also beschreibet: |
305:5 | Die Männer sind zuförderst wegenihrer Treu und Tapfferkeit, und die Weiberwegen ihrer sonderbahren Keuschheit zu rühmen.Sie sind ordentlich zu der Music gleichsamgebohren, und lieben die Künste und |
305:10 | Wissenschafften sehr. Wenn sie auch studieren,so geschiehet es mit einer solchenbeständigen Begierde, daß sie dadurchhinter die allerverborgensten Geheimnissekommen. Wenn sie sich verheyrathen, |
305:15 | sehen sie auff die Gleichheit des Standes,und nicht auf Reichthum, lassen sich auchden Geld=Geitz nicht so beherrschen, daß sieden Adel= und Bürger=Stand mit einandervermischen solten. Aber bey diesen allen |
305:20 | sind sie dem Wein sehr ergeben, und achtendie Religion so wenig, daß sie dieselbige ohneMühe nach dem Wohlgefallen ihrer Ober=Herrnändern. Wie gefällt dem Herrn Bruderdiese recommendation? Nicanor sagte: |
305:25 | Wenn das letzte von der Religion nachbliebenwäre, hätte ich in dem übrigen nicht viel zu erinnern. |
306 | Wir Gelehrten, sprach Clarindo, sind,sehe ich wohl, unterschiedener Meinung. Ichhätte viel zu erinnern. Zum wenigsten weiß ich,daß, obwohl des Herrn Bruders Liebste dem |
306:5 | Herrn Prade sehr verbunden ist, wir beydedoch in puncto der Music uns für keine Teutschenausgeben dürffen. Oder meint der HerrBruder, daß, wenn er seine Stimme wolte hörenlassen, die des Müllers Nachtigall, und der |
306:10 | Lerche, so denen Bauern auff die Kühe huckt,nichts nachgiebet, und ich schlüge auff denBrummeisen darzu, daß wir uns wohl unterstehendürfften, eine Ehren=Music zu bringen? Ichglaube wir würden es dem Orpheus zuvor thun, |
306:15 | weil zweiffels ohne die Steine aus denen Kammer=Fensternum unsern Kopff herum tantzenwürden. Nicanor hätte dieser Schertz bey naheverdrossen, weil sonderlich seine Liebste ein wenigim Geschrey war, daß sie extra gienge. Derohalben |
306:20 | brachte Clarindo, der solches merckte,gleich etwas anders auff die Bahn. Hiernächst,sprach er, hab ich auch angemerckt, daß der HerrPrade pag. 44. sich darinnen sehr geirret, wenner vorgiebet, daß die weltlichen Chur=Fürsten |
306:25 | Ihre Lehen nicht unmittelbahr von demReich empfingen, sondern von dem Bischoffvon Bamberg dieselben nechst ihren Reichs=Aemtern |
307 | erhielten. Dieser Irrthum, redetePolydor dazwischen, ist dem Herrn Prade alseinem Ausländer noch zu gute zu halten, weildenselben sehr viel von den Teutschen Publicisten, |
307:5 | sonderlich denen Alten, begangen haben. Aberdiesen Fehler kan ich ihm doch nicht zu gutehalten, fuhre Clarindo fort, den er begangen,wenn er p. 143. sqq. seine Gedancken von derRegiments=Form des Römischen Reichs eröffnen |
307:10 | will, wie wohl er fast dasselbe gantze Capitel ausdem Monzambano herausgeschrieben hat. Denner sagt, daß es bey nahe ein monströser Staatwäre und ein confuser Mischmasch gantz widerwärtigerStücken. Das ist auch die Meinung |
307:15 | des Monzambano begegnete Nicanor,wie kommt es aber, daß der Bruder, der bißherallezeit des Monzambano Lehre defendiret,ietzo solche für einen Fehler hält. Es muß ihmein grosses Licht aufgegangen seyn, daß er die |
307:20 | rechtgläubige Meinung de Mixtura Monarchiæ& Aristocratiæ einmahl angenommenhat. Ey der Herr Bruder läst mich nicht ausreden,antwortete Clarindo, Monzambano hatdie Regiments=Form im Reich wohl mit einem |
307:25 | monstro verglichen. Aber ihr Herren Peripateticihabt ihm das Wort höher aufgemutzt, alsseine intention gewesen, weil er seine Meinung |
308 | deutlich genug heraus gesagt, daß er es füreine irregulaire Form halte, die zwischen demStaat einer Monarchie, und dem Cörper vielervereinigten Republiqven gleichsam zwischen |
308:5 | innen schwebe. Und hierinnen hat Monzambanorecht, und weiß ich von keinen grossenLicht, das mir dißfalls aufgegangen wäre,weil ich alle eure Schrifften, die ihr dem Monzambanoentgegen gesetzt, gar nicht für grosse |
308:10 | Lichter, sondern kaum für kleine Schmeerkertzgenhalte. Alleine wolt ihr Herrn Ehre einlegenund eure politische Regeln an einen Mannbringen, so bindet mit dem Herrn Prade an,der hat wahrhafftig einen Mischmasch aus dem |
308:15 | Römischen Reich gemacht, den kein gescheueterMensch wird können passiren lassen. Ihr Herrenmacht sonsten viel Rühmens, was das für eine seligeRegiments=Form seyn würde, wenn die Monarchie,Aristocratie, und Democratie mit einander |
308:20 | vermischt würden, und spintisiret das Werckso subtil aus, wie solcher gestalt die Regalia auszutheilenwären, daß mich wundert, wie es kömmt,daß der König aus Utopien die Herren nicht langezu seinen geheimen Räthen gemacht hat. Nichtsdestoweniger, |
308:25 | wo mir recht ist, so gestehet ihr selbsten,daß dergleichen seliger Zustand eines Regimentsin diesem Leben mehr zu wünschen, als |
309 | zu hoffen wäre. Herr Prade aber ist glückseligin seinen Erfindungen. Denn ich glaube nicht,daß er sich den Kopff sehr drüber zubrochen habe,und dennoch hat er die Meinung herrlich ausgeführet, |
309:5 | daß das Römische Reich eine gemischteForm von der Monarchie, Aristocratie undDemocratie sey. Und von der Democratie?schrie Nicanor überlaut. Und von der Democratie,antwortete Clarindo. Damit der Herr |
309:10 | Bruder nun nicht meine, als ob ich dem HerrnPrade unrecht thäte, will ich ihm den extract vondes Prade seinen Worten sagen. Er spricht:Man müste grosse Mühe anwenden, dieRegiments=Form, so im gantzen Teutschland |
309:15 | beobachtet wird, zu beschreiben. Dennes wäre keine Democratie, obgleich alle Bürgerdes Reichs darzu gezogen würden, auchdaselbst ihren Sitz und Stimme hätten, weilnemlich die vornehmsten von diesen Bürgern |
309:20 | souveraine Potentaten wären. Es wäreauch keine Aristocratie obwohl der Käyserund die Fürsten daselbst die Oberstelle hätten,weil keine Gleichheit unter ihnen wäre,und das Volck auch davon nicht ausgeschlossen |
309:25 | wäre. Endlich wäre es auch keine absoluteMonarchie, weil der Käyser das wenigsteohne die Stände thun könte. Deshalben |
310 | habe auch Heinrich der Grosse, König inFranckreich den Titul eines Römischen Käysers,und den Titul eines Hertzogs von Venedigmit einander verglichen, und gesagt: Er |
310:5 | begehrete das Römische Reich nicht einmalwenn man es ihm nicht auf diese Art übergebenwolte, wie es Carl der Grosse besessen.Dannenhero wäre das Römische Reich ausallen diesen dreyen Regiments=Formen zusammen |
310:10 | gesetzt, und wäre eines Theils Democratisch,weil das Volck darzu gelangenkönte, eines Theils Aristocratisch weil dieChur= und Fürsten daselbst die gröste autoritäthätten, eines Theils aber Monarchisch, |
310:15 | weil in regard des gantzen Reichs die Stände,ohne dem Käyser nichts thun könnten.Nun gewiß, redete Nicanor hierzu, diesen Schnitzerhätte ich dem Herrn Prade nicht zugetrauet.Ich habe einen Vetter auff einer Hohen Schule, |
310:20 | dem will ich gleich schreiben, weil er mich ohnlängstgebeten, ihm eine rare Materie zu einerdisputation vorzuschlagen: er solle dem Pradein diesen Stück widerlegen. Dieses ist ein herrlicherVorschlag, sprach Clarindo, und wird |
310:25 | hierzu nicht undienlich seyn, wenn er ein wenigden Ursprung untersucht, wie der ehrliche Pradeauff die Thorheit gerathen sey. Ich halte |
311 | gäntzlich dafür, er sey darauff kommen durch Lesungeines Orts aus dem Monzambano, welchender gute Mann nicht verstanden. Denndieser spricht? Er habe noch niemand gesehen, |
311:5 | der dem Reich eine Democratische Formzuschriebe. Nichtsdestoweniger wären unterschiedene,welche diejenigen nur für Bürgerdes Teutschen Reichs hielten, die beydenen Reichs=Tägen session und Stimmen |
311:10 | hätten, welche Meinung ohnstreitig vonAristotele herrührete, der einen Bürger sobeschriebe, welcher Fug und Macht habe desgemeinen Wesens Nothdurfft zu überlegen,und sein Votum darzu zu geben. Denn wenn |
311:15 | man diese Meinung annehme, so würde dasTeutsche Reich allerdings für eine Democratiepassiren können, als dessen Bürger sodann alleine die Reichs=Stände wären, welchesamt und sonders auf denen Reichstägen |
311:20 | zu denen deliberationen und Stimmen zugelassenwürden u.s.w. Ob nun gleich der HerrPrade aus diesen Worten selbst widerleget werdenkan, so scheinets doch / als wenn er in seinenStudiren die Philosophie auff der lincken Hand |
311:25 | habe liegen lassen, und dannenhero nicht gewusthabe, was Monzambano haben wolle, sonderndafür gehalten, als ob das Römische Reich auff |
312 | gewisse Masse von der Democratie etwas ansich hätte. Der Herr Bruder darff seinen Vetternur diese beyden loca des Prade und Monzambanozu schreiben, so hat er Vorrath genug |
312:5 | zu einer disputation, und wenn er etliche langeOerter aus dem Aristotele mit Griechischenund Lateinischen Worten darzu anführet, unddie disputation secundum quatuor generacausarum einrichtet, auch sich hernach einen |
312:10 | Bogen Verse oder von vornehmen und gelehrtenLeuten ein paar Episteln darzu machen läst,so wird er hauptsächlich bestehen. Aber wie gefälletEurer Excellence das ApophthegmaHeinrichs des Grossen? Polydor lächelte und sagte. |
312:15 | Ich solte fast zweiffeln, ob Heinrich der Grossesich dergleichen Redens=Art, wie sie der HerrPrade angeführet, solte bedienet haben. Zumwenigsten hielte ich nicht dafür, daß der ietzigeKönig in Franckreich der grosse Ludwig so scrupulös |
312:20 | seyn solle. Aber dem sey wie ihm wolle,der Herr schicke mir nur des Prade seine Historiezu, ich will sie behalten, und der Herr Nicanordarff dem Buchführer keine widrige Ordreertheilen, denn ich will seine andern beyden |
312:25 | Schrifften auch in meine Bibliothec setzen. Nicanorwar sehr wohl damit zufrieden, und lachteden Clarindo höhnisch aus, daß er in censirung |
313 | des Prade verstossen hätte. Clarindo selbst warder Meinung, und bate Polydor um Verzeihung,daß er mit seinen sentiment so frey herausgewesen wäre, denn, sagte er, ich habe nicht |
313:5 | gewust, daß Eure Excellence von dem Prade washielten. Polydor benahm aber beyden ihren Irrthum,indem er ihnen endeckte, daß er gantz nichtsauf den Prade hielte, daß er aber seine Schrifftenin seine Bibliothec verlangete, wäre die Ursach, |
313:10 | weil in einer Bibliothec gute und böse Bücherseyn müsten, denn wenn man lauter gute anschaffenwolte, würde die Bibliothec sehr kleinwerden, ja man würde auch, wenn man nicht alleBücher selbst durchlese, wenig Kennzeichen eines |
313:15 | guten Buchs antreffen, und sich sehr betrogenfinden, wenn man auf anderer Leute recommendationgute Bücher anschaffen wolte, weilkein Buch so alber und liederlich wäre, das nichtvon etlichen herausgestrichen würde und zwar |
313:20 | von denen selbst, die Gelehrte hiessen, entwederweil sie es nicht besser derstünden, oder weil sie beydem Autore, wenn dieser zumahl ihr guter Freundoder wohl gar ihr Patron wäre, einen Fuchsschwantzverdienen wolten. Dannenhero setzte er |
313:25 | hinzu, ist mir es sehr lieb, daß der Herr Clarindomir seine Meinung offenhertzig entdecket, denn nunweiß ich, daß Pradens seine Schrifften wenig taugen. |
314 | Aber hat denn der Herr nur dieses etwas altesBuch für mich und gar nichts neues?Ja Ihre Excellence antwortete Clarindo, ichhabe jetzo viel im Vorrath und dencke Nicanor |
314:5 | zu beschämen. Der Herr Bruder, sagte Nicanor,lasse doch seinen Vorrath an das Tage=Licht kommen.Ich habe ein Werck gefunden, wiederhohleteClarindo, das ist Anno 1689. heraus kommenund also gantz Nagel neu, weil es den letzten |
314:10 | Martii des 89sten Jahres fertig worden. Nicanorlachte von Hertzen und sagte: Das ist wahr,der Bruder beschämet mich damit, denn ich kandie Kunst nicht, solche Bücher in Buchläden anticipandozu finden, die erst im künfftigen Jahre |
314:15 | sollen gedruckt werden. Der Herr Bruderwird sich versprochen haben, und an statt des 89.Jahres das 87te sagen wollen. Ey ich weißwohl, was ich rede, versetzte Clarindo. Der Titelheist, Les delices de l' Esprit. Entretiens |
314:20 | sur la divinité, sur la religion & autres sujetspar Mons. Des Marests, de l' AcademieFrancoise, dedié aux Beaux Esprits A Parischez Augustin Besoigne 1689. Und stehet nachdem extract des Königlichen Privilegii ausdrücklich |
314:25 | dabey, daß diese edition den 30. Martii1689. sey in der Druckerey fertig worden, welchesman nicht so öffentlich würde haben drucken lassen, |
315 | wenn es nicht wahr wäre. Jedoch will ich deßwegenkeinen Streit anfangen, zum wenigstenweiset die dabey befindliche Approbation, daßdieses Werck allbereit Anno 38. zum erstenmahle |
315:5 | müsse gedruckt seyn, und kan dannenhero für einaltes und neues zugleich passiren. Der Herrdes Marests, sagte Polydor, ist sonsten ein berühmterFrantzösischer Autor. Ich habe seineAriana gelesen, begegnete Clarindo, und muß |
315:10 | bekennen, daß mich dieselbe sehr wohl vergnügthat, aber / als ich dieses Werck ein wenig durchgeblättert,habe ich wohl gesehen, daß ein grosserUnterschied sey zwischen einen guten ingenio einHistorisch Buch oder Roman zu schreiben, und |
315:15 | zwischen einen guten judicio zu raisoniren, undPhilosophischen Sachen mit einem guten vernünfftigenSchluß darzuthun. Es bestehen dieseBelustigungen des Gemüths aus 13. Gesprächenzwischen einen so genannten Philedon und Eusebio, |
315:20 | in welchen dieser sich bemühet jenen, als einenin der Atheisterey und weltlichen Lüsten ersoffenenMenschen mit vernünfftigen discursenvon diesen grossen Haupt=Irrthümern zur ErkäntnißGOttes, rechten Gebrauch der Vernunfft |
315:25 | und Nachfolge JEsu CHristi zu führen.Aber gewiß, ich habe befunden, daß in denen Gesprächenzum öfftern viel zierliche und wohlgesetzte, |
316 | aber mehrentheils leere und nichts bedeutendeWorte enthalten sind, und der Autor dieseswichtige Vorhaben nicht pro dignitate ausgeführethabe. Denn erst führet er den Philedon |
316:5 | ein, als einen Kerl, der weder GOtt noch ewigesLeben, viel weniger die Unsterbligkeit derSeelen glaubt, und im höchsten Grad lasterhafftigist. Ob nun wohl die discurse des Eusebii dahingerichtet seyn, daß er diesen rohen Menschen |
316:10 | noch so ziemlich methodice antastet, und von dersein selbst Erkäntniß zu der Erkäntniß GOttes leitenwill, so sind doch die von dem Eusebio angeführtenGründe so schwach und unzulänglich, daßich versichert bin, es werde kein Christe, der in der |
316:15 | GOttesGelahrheit schon gnugsam bekräfftiget ist,dieselbe für bastant halten. Ich habe zwar nurdrey von denen Gesprächen mit Fleiß durchlesen,das dritte, vierdte und fünffte, allein ich habe ausdiesen schon zur Gnüge sehen können, was ich von |
316:20 | denen übrigen zu hoffen hatte. In dem Drittenhandelt er von der Unsterblichkeit der Seelen, aberer raisonnirt davon so elende, daß ich mich kaumentsinne, in einer Pneumatic unserer Philosophorumso schlimme Gründe zu derselben Behauptung |
316:25 | gelesen zu haben. In dem Vierdtenhandelt er von der Belustigung des Gemüths, soes vom Gebrauch derer Künste habe, und gleichwie |
317 | er diese Belustigung noch so ziemlich hochhält, so hätte er zuförderst deutlich erklären sollen,was er denn eigentlich durch die Künsteverstehen wollen; Aber daran hat er nicht gedacht, |
317:5 | und wirfft das Hunderte ins Tausende,ausser daß man seine Meinung in etwasdurch die Exempel, die er anführet, indem er dieMusic, Mahlerey und Bau=Kunst sonderlichherausstreicht, errathen muß. Jedoch weiß |
317:10 | man nicht, wie man eigentlich mit ihm daranist, weil er im fünfften Gespräch die Eitelkeit derWissenschafft, und unter denenselben auch dererMathematischen ziemlich durchhechelt, wiewohlabermahls mit schwachen Gründen, und |
317:15 | gewöhnlicher Unbeständigkeit, weil er die Cosmographie,Historie und Poeterey noch sehrlobet. So hat mich auch recht verdrossen, daßdurchgehends, wenn Eusebius nur etwas saget,wodurch er seine Meinung behaupten will, |
317:20 | Philedon nicht den geringsten Einwurff darwiederfürbringet, sondern alsobald mit grossenComplimenten zuplumpt, und sich alles beredenläst, worinnen der Herr Des Marests den Characterden er dem Philedon gegeben, gar schlecht |
317:25 | exprimiret. Ja es scheinet, als wenn derAutor selber an der force seiner Gründe gezweiffelt,weil insgemein Eusebius den Philedon, |
318 | wenn er seine dunckele und zweiffelhaffteSachen approbiret, repliciret, daß diese approbationkeine ordentliche Wirckung seinesVerstandes sey, sondern einer absonderlichen |
318:5 | Göttlichen Gnade und Erleuchtung zuzuschreibenwäre / wiewohl mich diese invention ein weniggeärgert, weil es das Ansehen gewinnen will,als wolle der Autor dieses Buch zu einen libroCanonico und sich zu einen viro *...* machen. |
318:10 | Und gewiß je weiter ich in diesen Buch gelesen,je weniger habe gewust, was ich draus machen,oder zu was für einer disciplin ich es bringensollen. Denn obschon durch und durch der Autorvon der heiligen Schrifft abstrahiret, und mit |
318:15 | lauter Vernunfft=Schlüssen diesen rohen Menschenzu gewinnen sucht, so mischt er doch allemahlGöttliche Erleuchtungen mit unter, und machtalso einen ziemlichen Mischmasch aus der Theologieund Philosophie, zumahl in der Vorrede |
318:20 | an die Leute von artigen Geiste, (aux beauEsprits) welche er auff solche Gestalt anredet, daß,weil alles in der Welt auff die Lust, es sey nun aufdie Fleisches= oder die Gemüths=Lust erpicht sey,so müsse man ihnen auch Bücher zu lesen geben, |
318:25 | die sie durch die Lust an sich lockten, und dannenheromüste man unserm delicaten seculo weisen,daß kein Roman oder Poema so viel Artigkeit |
319 | bey sich nahe, als die heilige Schrifft. DieGlaubens=Sachen zwar wären unbegreifflich,und GOtt wolle, daß man sie glauben solle, wennman dieselbigen gleich nicht durch die Vernunfft |
319:5 | fassen könte. Nach denen Glaubens=Artickelnund nach dem Göttlichen Gesetz wären die Sachen,so den innerlichen Menschen beträffen,wiewohl dieselben so wohl von denen fleischlich gesinnetenals von denen Gelehrten verachtet würden. |
319:10 | Denn die Lehre von innerlichen Menschenstiesse alle subtile und curieuse Fragen übernhauffen und führte die Gläubigen zu der Wissenschafft,die allein nothwendig und zweiffelhafftigist, nemlich die Wissenschafft des Reichs |
319:15 | GOttes in uns selbst, welche JEsus CHristus,und seine Apostel nach ihm, uns in gantz deutlichenWorten geprediget hätten. Dannenherovermahnet er alle diejenigen, die zu dieser Wissenschafftgelangen wolten, daß sie zu ihm kommen |
319:20 | oder dieses Buch lesen solten, welches er alsein einfältiger, unwissender, und der sich bißheroin nichts würdigen Sachen aufgehalten, verfertigethätte. Allein sie müsten nicht viel von sichund ihrem Verstande halten, sondern sie müsten |
319:25 | die hohe opinion von sich selbst erniedrigen,und sich demüthigen, und die tieffen GeheimnisseGOTTES anbeten, auch die Gnade |
320 | von ihm begehren, daß sie, wiewohl unwürdig,tüchtig gemacht würden, diese vortrefflicheGeheimnisse zu verstehen. Wenn man nundieses alles betrachtet, und diese Vorrede mit |
320:5 | dem Werck selbst zusammen hält, so wird manbefinden, daß dieses Buch ein Stück von derPhilosophie an sich habe, weil der Eusebiusden Philedon durch seine eigene Vernunfftzu convinciren sucht; auch ein Stück von der |
320:10 | Theologie, weil er sich auf die Lehre CHristi undder Apostel beziehet; ferner ein Stück von der sogenannten Theologia mystica, weil er diese Wissenschafftdenen Glaubens=Artickeln entgegen setzet,und sich auff das innerliche Reich GOttes beziehet; |
320:15 | und letzlich ein Stück von dem Enthusiasmo,weil er seine Gedancken für Göttliche Offenbahrungenund Geheimnisse ausgiebet, welchessonsten die wahren Theologi mystici nicht zuthun pflegen. Wollen nun Eure Excellence dieses |
320:20 | Buch auch behalten, so will ich solches nebst desPrade seiner Teutschen Historie mit hersenden?Polydor bejahete solches, fragte aber denNicanor ob er bey des Clarindo seinem discoursnichts zu erinnern hätte? Nicht viel sonderlichs, |
320:25 | antwortete dieser, ausser daß mir das nicht inKopff gewolt, daß Clarindo über das Gesprächvon der Unsterblichkeit der Seelen sein Urtheil |
321 | gefället, daß er so schlimme Gründe bey keinenPneumatico von der Seelen Unsterblichkeitangetroffen, als darinnen. Hält denn der HerrBruder die Gründe so vieler wackern vornehmen |
321:5 | Leute, die sie, der Seelen Unsterblichkeit zu behaupten,gesetzet haben, so gar verächtlich,und ist es denn dahin kommen, daß er den Haupt=Artickeldes Christenthums von der Aufferstehung,welcher an der Seelen Unsterblichkeit |
321:10 | hanget, läugnet, und solchergestalt zu einenKetzer, zu einen Sadducäer worden? daß ist jaleider! zu erbarmen. Ich will dieses von demHerrn Bruder als Schertz auffnehmen, sagteClarindo, denn er ist ja sonst kein Ketzer=Macher, |
321:15 | und hat auch das rechte Ansehen nicht darzu,als zu solchen Leuten gehöret. Ich läugne derSeelen Unsterblichkeit nicht, denn davon versichertmich die heilige Schrifft, ja ich venerire dieseGöttliche Offenbahrung vielmehr mit gebührender |
321:20 | Demuth als einen Glaubens=Artickel, und unterwerffemeine Vernunfft der Göttlichen Erleuchtung.Und eben deshalben verwerffe ich als einegrosse Thorheit, daß sehr viel unter denen Christensich mit saurer Mühe und Arbeit vergebens bemühen |
321:25 | andere Menschen durch das finstre Thalder menschlischen Vernunfft zu denen göttlichenGeheimnissen zu führen, da ihnen doch der helle |
322 | Weg der heiligen Schrifft für Augen liegt, undda es unmöglich ist, durch recht gegründete Vernunfft=Schlüsseohne den Glauben einen einigenGeist zu begreiffen. Bey welcher Bewandniß |
322:5 | denn die gantze Pneumatica derer Schul=Lehrerund die grossen weitläufftigen Bücher deTheologia naturali, mit denen man sich in seinerJugend den Kopff zubrechen muß, biß etwanauff zwey argumenta de DEi existentia & |
322:10 | Providentiâ übern hauffen fallen. Das isteine harte Rede, sagte Nicanor. Auff dieseWeise müste man alle Academien reformiren,weil ich dafür halte, daß keine einige sey, da diePneumatic nicht darauf dociret werde. Gleich |
322:15 | als ob das was neues wäre, replicirte Clarindo,daß so wohl die hohen als niedrigen Schulengrosse reformation brauchten. Dieses habenviel kluge Leute von mir gesagt, auch in öffentlichenBüchern davon geschrieben. Die Welt |
322:20 | ist auch bißhero in etlichen Jahren so civilisiretworden / das heute zu Tage nicht alles mehr fürharte Reden gehalten wird, was ehe dessen dafürangesehen wurde. Als für etlichen Jahrender berühmte Schupp in seinen Schrifften sich |
322:25 | verlauten liesse, man könne auch ausser Academiengelehrt werden, was erhub sich da nichtfür ein Tumult über den ehrlichen Mann. Itzo |
323 | wird dieses von denen vornehmsten und Hohendieser Welt fast durchgehends practiciret, indemdieselben ihren Printzen und jungen Herren, ausserdenen Academien, von gelehrten Leuten unterrichten |
323:5 | lassen. Der Bruder wird aber dochkeine reformation anfangen, begegnete Nicanor.Das ist auch meine intention nicht, antworteteClarindo, aber deshalben darff manwohl sub rosa davon reden, oder seine Gedancken |
323:10 | davon eröffnen. Die reformation gehöretfür Fürsten und ihre hohe ministros. Esist aber nicht so bald gethan, als geredet / sprachPolydor. Ihr Herrn könnt wohl theoretice garfein von der Sache und von Besserung der Lehre |
323:15 | auff denen Schulen reden; Aber ihr bedencktnicht die vielfältigen Umstände, die sich in Weglegen, daß man diese guten Vorschläge nicht bewerckstelligenkan. Ich halte selbsten dafür,widerredete Clarindo, daß die reformation derer |
323:20 | Hohen Schulen eher zu wünschen als zuhoffen stehet. Dieselbige erfordert meines wenigenErachtens einen gantzen Fürsten, der gutenFried und Ruhe in seinen Lande hat, auch diedabey vielfältig sich ereignenden Schwürigkeiten |
323:25 | an seinem Vorsatz sich nicht hindern lässet.Was Mühe und Arbeit kostete es nicht, als mandas Pennal=Wesen ausrottete, wiewohl dieses |
324 | nur die Studenten angienge. Was würdesich nun da nicht für Unfug erheben, wenn manin das Wespen=Nest störete und die Mängel dererLehrer untersuchte, und solchergestalt manchen, |
324:5 | der nichts anders gelernet hat, als daß erwiederkäuet, antastete, wo es ihm wehe thäte. Ichmöchte mich zum wenigsten nicht darzu gebrauchenlassen, denn ich müste mich befahren / daß esmir gienge, wie der Tochter des Tarpeji, und |
324:10 | daß man mich entweder unter einem halbenSchock Mänteln begrübe, oder mit einen FuderFolianten, die über den Aristotelem commentiret,fein warm zudeckte. Allein wenn ein Fürsteine neue Academie anrichten wolte, würde es |
324:15 | aller dieser Schwürigkeit nicht brauchen, unddächte ich, es könten gar mit leichter Mühe die vielfältigenFehler, so auff denen Academien eingerissenseyn, vermieden werden.Es stehet dahin, sprach Polydor, jedoch habe |
324:20 | ich wider den Herrn noch dieses zu erinnern. Gesetztdie Schul=Lehrer und Peripatetici hättenihm keine satisfaction gethan, so wolte ich dochnicht sagen, daß der Menschliche Verstand, durchsein weniges natürliches Licht, keinen Geist begreiffen |
324:25 | könne. Denn so viel ich in des CartesiiSchrifften gelesen, so hat derselbe noch so ziemlichex conceptu cogitationis die immaterialität |
325 | der menschlichen Seelen dargethan. Undso viel ich dann und wann discouriren hören, sohaben die Cartesianer sich immer noch mit guterManier wider ihre Gegener geschützet. Absonderlich |
325:5 | habe ich nicht lange in des Herrn PoiretsSchrifften ein wenig geblättert, und befunden,daß er sehr deutlich, und mit einer angenehmensubtilität des Cartesii Lehre hierinnen behauptet.So wird auch vielleicht dem Herrn Clarindo |
325:10 | der Autor Anonymus, der für zweyJahren unter dem Titul: Essais Nouveaux demorale de l' Ame de l' Homme heraus kommen,bekannt seyn, in welchen der Autor auf ebenden Grund des Cartesii von der Seelen Immaterialität |
325:15 | die gantze Sitten-Lehre und alle Schuldigkeiteines Menschen, so wohl gegen GOTT,als sich selbst und gegen den Nächsten gebauet hat.Aber mein Herr Nicanor, wie zuckt er die Achselnhierbey, hat er etwas hierwider zu sagen? Ey |
325:20 | Ihre Excellence haben doch diese Meinung nichtvon mir, antwortete Nicanor, Sie sind ja verhoffentlichan mir gewohnet, daß ich nie die Unhöfligkeitbegangen, ihnen zu widersprechen. Ichhabe mich nur gewundert, daß Eure Excellence |
325:25 | bey derer hohen Verrichtungen sich noch die Mühenehmen, um die Philosophischen Sachen sich zubekümmern und des Cartesii Schrifften zu lesen. |
326 | Ich lese dieselben eben nicht, replicirte Polydor,sondern ich gucke zuweilen nur bey einer kleinenMusse ein wenig hinein. Jedoch darff der Herrnur kühnlich seine Meinung von der Cartesianer |
326:5 | ihrer Lehre sagen, weil ich ohne dem denHerrn Clarindo nur diesen Einwurff aus Schertzgemacht habe. Ich bilde mir solches bald ein, sagteNicanor, denn es verlohnet sich nicht die Mühe,daß man des Cartesii Schrifften lieset, weil |
326:10 | die Peripatetici ihme und seinen Anhängernschon das Maul gestopfft, ja man thut besser, daßman solche Schrifften mit frieden lässet, weilunter des Cartesii dubitation gar ein subtilerGifft der Atheisterey verborgen ist. An den Poiret |
326:15 | kan auch nichts gutes seyn, denn er folget einerneuen und irrigen Lehre. Σπλαγχίζομαι, sprachClarindo, der Bruder hat die Cartesianerhauptsächlich widerleget, und solte ich ihm billigverbunden seyn, weil er mich auf diese Art fast |
326:20 | gantz befreyet hat, daß auf den von Ihrer Excellencemir gethanen Einwurff ich nicht antwortendürffte. Allein ich brauche keinen Vormund, oderAnwald, und weiß es also dem Bruder wenigDanck. Denn wer hat ihm doch vertraut, daß |
326:25 | die Peripatetici denen Cartesianern das Maulgestopfft haben. Ich dencke immer, wenn dieCartesianer und Peripatetici zusammen rechnen, |
327 | so werden diese jenen noch ein groß Kerbholtzschuldig seyn. Es ist nicht lange, so schriebe eingelehrter Mann auf eine Academie, er habe seinemWidersacher, den gescheuete Leute auch für |
327:5 | gelehrt passiren lassen, das Maul gestopfft, abermich daucht, es wurde ihm solches hernach eingetränckt,daß er an kein Maulstopffen mehr gedachte.Daß aber die Cartesianer nicht einemiedweden nach seiner Thorheit antworten, wenn |
327:10 | etwa ein armer Stümper, der Cartesium seinTage nicht gelesen, und nichts mehr von ihmweiß, als was er in seinen Collegiis MSS. findet,alt abgedroschen Zeug wieder auffwärmet,dadurch beobachten sie die Regel kluger Leute. |
327:15 | Und dahin gehöret die Fratze von der Atheisterey,die unter des Cartesii seiner dubitationverborgen seyn solle. Was den Herrn Poiretanlanget / so wäre mein Rath, daß der Bruderund ich uns in des Poirets Lehre nicht einmischten, |
327:20 | ob sie irrig sey oder nicht, sondern überliessensolches denen Herrn Theologis, die demHerrn Poiret, und dieser ihnen, ieden auf seinenTheil nichts schuldig bleiben werden. Zudemist das eine schlechte Folge, daß an einem Autore |
327:25 | nichts gutes seyn soll, weil er im Glauben eine irrigeLehre hat. Gleich als ob der SummissimusAristoteles seinen Catechismus an einen |
328 | Schnürchen auswendig gekunt hätte. Ich binzwar kein Cartesianer, redete Polydor darzu,aber doch hielte ich dafür, Clarindo hätte hierinnenrecht. Zudem habe ich auch von einen |
328:5 | gottseligen Manne gehöret, der mit dem HerrnPoiret einige Bekanntschafft gehabt, daß manihn in seinen euserlichen Leben und Wandel, füreinen frommen Menschen halten müsse. Ich unterwerffemich Eurer Excellence information, |
328:10 | sagte Nicanor mit einen tieffen Reverentz, michsoll aber verlangen, was der Herr CartesianerClarindo auf Eure Excellence Einwurff antwortenwerde. Der Herr Bruder falle nicht denCartesianern ins Land, schertzte Clarindo, als der |
328:15 | gute Nicanor es versehen hatte, und, indem er beyseinen Reverentz sich von Stuhl etwas erhoben,im Niedersetzen, weiß nicht aus was Versehen,zusamt dem Stuhle unter den Tisch gefallen ware.Ich glaube, des Herrn Poirets sein genius |
328:20 | hat ihm den Stuhl unter dem Leibe weggezogen.Ey der Herr vergesse über dieser raillerie seinerRede nicht, versetzte Nicanor, mit meinem Fallhat es nicht viel zu bedeuten, der Bruder antwortenur Ihrer Excellenz. Clarindo war hierzu |
328:25 | gantz bereit. Ich bin, sagte er, kein Cartesianer,und wird meine Antwort solches bezeugen, iedochmuß man auch an denen, von welchen man |
329 | in der Wissenschafft sich entfernet, ihre Tugendenund Geschicklichkeit loben. Ich approbireauch den Mißbrauch der Cartesianischen Philosophiein der GOttesGelahrheit ja so wenig, als |
329:5 | den Mischmasch, den die Schul=Lehrer zwischender Philosophie und Theologie gemachthaben. Jedoch muß ich bekennen, daß ich inder Cartesianer ihren Schrifften sehr viel guteSachen gefunden, und ist nicht zu läugnen, daß |
329:10 | der Cartesius einer mit von denen gewesen, derdie gelehrte Welt, die unter dem Joch einer pedantischenund albernen Philosophie seuffzete,mit befreyen helffen. Aber zu unsern Zweck zugelangen, so dünckt mir, daß Cartesius in seinen |
329:15 | dubitiren, ob er gleich solches zu einen gutenEnde angefangen, dennoch ein wenig überdie Schnur gehauen, wenn er in seinen meditationendadurch, daß die euserlichen Sinnenmanchmahl betrogen werden, dahin sich verleiten |
329:20 | lassen, daß er auch für zweiffelhafftig gehalten,ob er selbsten einen Leib und mit demselbenHände und Füsse habe. Denn auff diesenZweiffel, oder, wie er es selbst nennet, auf dieserfiction, beruhet sein gantzes Werck de immaterialitate |
329:25 | animæ, und hat ihn dannenheroGassendus in seinen objectionibus ziemlichhöfflich und scharffsinnig hiermit railliret. Wenn |
330 | die Herren Cartesianer dieses beydes: Daß dasWesen der Seelen in stetswährenden würcklichenGedancken bestehe; und daß man einenconcept derer Gedancken haben könne, ohne |
330:5 | an den Cörper des Menschen zu gedencken,gründlich behauptet hätten, so hätte ich wiederihre Philosophie fast gar nichts zu sagen. Aber,so stehen diese ihre beyden Grund=Sätze auff soschwachen Füssen, und können durch des Cartesii |
330:10 | seine eigene Beschreibung eines Geistes undderer Gedancken gar leichte mit unterschiedenenargumenten über den Hauffen gestossenwerden. Es sind auch etliche Cartesianer so tummnicht, daß sie nicht mercken solten, was ihnen Cartesius |
330:15 | damit Schaden gethan, daß er die Gedanckendefiniret. Dannenhero wolten siegerne wieder zurücke, und geben vor, daß dieGedancken wegen ihrer gar zu grossen Deutlichkeitnicht könnten beschrieben werden, so wenig als |
330:20 | die Bewegung, von derer beständigen definitiondie Philosophi noch auff heutigen Tag sichwacker herum zancken, da doch die Sache selbstauch ein Bauer verstehet. Aber, meines Bedünckens,ist ein handgreifflicher Unterscheid |
330:25 | zwischen der Bewegung und denen Gedancken.Die Bewegung berühret an und vor sich selbstaller und ieder Menschen Sinnen, dergestalt, |
331 | daß nicht alleine jener lustige Philosophus einenandern, der die Thesin gesetzt hatte, quodnon daretur motus in rerum natura, garweißlich widerlegte, indem er, als das opponiren |
331:5 | an ihm kam, aufstunde, im auditorio herumgienge,und als er gefragt wurde, was er machte?zur Antwort gab / er refutirte die disputation;sondern, wenn auch einer zweiffelte, was ich durchdie Bewegung verstünde, man ihm solches mit tausend |
331:10 | Exempeln für eins, und allerdings, wenn sonstkeines in Vorrath wäre, mit einer Maulschellegantz deutlich erklären könnte, da hingegen dieGedancken an und vor sich selbst ein ieder zwarbey sich empfindet, aber eines andern Gedancken |
331:15 | nur durch euserliche Zeichen, und zwarziemlich unvollkommen begreiffen kan.Was nun den von Eure Excellence angeführtenAutor belanget, der das Essay de morale del' Ame de l' Homme geschrieben hat, so läugne |
331:20 | ich nicht, daß er aus dem fundament de spiritualitateanimæ nicht allein die gantze Sittenlehregar artig deduciret, sondern er folgert auch darausso ziemlich anmuthig den Zustand der Seelen,wenn sie von dem Leibe abgesondert sind, |
331:25 | und dermahleins in der Aufferstehung wiedermit denen verklährten Leibern werden vereinigetwerden. Aber, gleichwie ich zweiffele, ob |
332 | wegen dieses letztern, die Herren Theologi allerdingswerden zufrieden seyn; Also beweiset ersein fundament, von der Immaterialitätder Seelen noch mit schlechtern Vernunfft=Gründen, |
332:5 | als die Cartesianer sonst gemeiniglichzu thun pflegen, uud fället dannenhero, wennman ihnen die Schwäche seiner Gründe weiset,das gantze Gebäude der darauff gesetzten Philosophiehernach. |
332:10 | Letzlich, was des Herrn Poirets Schrifftenbetrifft, so habe ich zwar das letzte von ihm herausgegebene Frantzösische Werck, welches erOeconomiam divinam intituliret, nicht gelesen,halte auch dafür, daß Eure Excellence nicht |
332:15 | auf dieses, sondern auf seine cogitationes rationalesde Deo, anima & malo, gezielet, in welchener dann und wann von dem Cartesio und seinenasseclis abgewichen, jedoch meistentheils dieprincipia ratiocinandi des Cartesii defendiret, |
332:20 | und fürnehmlich seine doctrin von Wesen dermenschlichen Seelen zu behaupten, und von allenEinwürffen zu befreyen sich höchst angelegenseyn lassen. Und gestehe ich gar gerne, daß manden Herrn Poiret für einen scharffsinnigen und |
332:25 | hauptgelehrten disputatorem passiren lassenmüsse, dessengleichen in artificio demonstrandi,wir bey uns nicht viel werden auffweisen können, |
333 | massen er hiervon eine herrliche Probe abgelegt,indem er des bekannten Benedicti Spinosæseine fundamenta æthicæ gantz gründlich widerlegetund diesen seinen Widersacher schärffer |
333:5 | angegriffen / als der Herrn Velthuysen oder andere,so wider ihn geschrieben. Ich läugneauch nicht, daß er auf die objectiones, die manwider des Cartesii Lehre vom Wesen der Seelenmachen kan, sehr subtil und deutlich geantwortet |
333:10 | habe, als ich bißher fast bey keinen Cartesianerin acht genommen. Nichts destowenigerhabe ich befunden, daß er die Lehre, daß derMensch wenn gleich alle Cörper auf demgantzen Erdboden und auch sein selbst eigener |
333:15 | in nichts verwandelt würden, dennoch in sichselbst, das ist in seiner Seele den concept hätte,daß er gedächte, mehr bejahet und hingesetzet,als mit wichtigen argumenten dargethan,auch an einem andern Orte præsupponiret, |
333:20 | daß man die Substantz einer Sache an sichselbst mit menschlicher Vernunfft leichter alsdie accidentia begreiffen könne, da man doch sowohl wieder ihn, als die Anti=Cartesianer gardeutlich darthun kan, daß kein Philosophus iemahl |
333:25 | einen distincten concept von einiger |
334 | Substantz und Wesen ohne die accidentia gehabt,und das die gemeine Beschreibung derSubstantz, wie man solche in denen Schulenlernet, ein recht asylum ignorantiæ sey. So |
334:5 | glaube ich auch ferner, daß wenn der HerrPoiret seine dissertationem præliminaremde fide & ratione humana eher verfertiget hätte,als die Cogitationes rationales, er vielleicht in diesen den Unterscheid zwischen Glaubens=Sachen |
334:10 | und denen Sachen, die aus der menschlichenVernunfft müssen hergleitet werden, besserwürde beobachtet haben, welches aber solchergestaltnicht allemahl geschehen, sondern in diese cogitationesrationales viel Glaubens=Sachen mit |
334:15 | untergemischet sind, die für Philosophische, jedochnach derer Cartesianer hypothesi, ungegebenwerden. Und also hoffe ich nach Vermögenauf den von Eurer Excellence mir geschehenenEinwurff geantwortet zu haben. |
334:20 | Polydor sagte, der Herr hat in seinem discursdes Spinosæ und Velthuysen erwehnet, vonwelchen ich gerne genauere Nachricht verlangete,sowohl auch von der dissertation des Herrn Poiretsde fide & ratione humana, als von welcher |
334:25 | ich in meiner edition nicht weiß. Es istauch, antwortete Clarindo, dieselbe nur in derandern edition, die Anno 85. herausser kommen, |
335 | nebst der refutation des Spinosæ und andernAnmerckungen, mit beygefüget worden. Es bemühetsich der Herr Poiret in besagter dissertationzu erweisen, daß die meisten Theologi |
335:5 | und Philosophi bißher den Glauben und diemenschliche Vernunfft mit einander vermischthätten, hernach untersucht er dem Unterscheidzwischen den Göttlichen Geheimnissen unddenen natürlichen Sachen, zwischen dem |
335:10 | Glauben und der Vernunfft, der Natur undGnade, der Theologie und Philosophie, undhandelt von dem gerechten Gebrauch und Mißbrauchder Vernunfft, und was der Mißbrauchfür schädliche Früchte vorbringe / unter welchen |
335:15 | die Atheisterey die vornehmste ist. Nun istwohl nicht zu läugnen, daß kein Irrthum heutzu Tage unter uns gemeiner ist, als daß, unerachtetLuther, Melanchthon, und andere Reformatoresim vorigen seculo sich eiffrigst bemühet, |
335:20 | den Mischmasch der Philosophie mitder Theologie, (zu welchem auch viel von denenalten Patribus einigen Grund geleget, dieScholastici aber und Mönche denselben vollendsauffs höchste gebracht,) wieder auszutilgen / |
335:25 | und als ein Unkraut auszugäten, nichts destowenigeranietzo fast die wenigsten um den Unterscheidder Natur und Gnade bekümmert seyn, |
336 | ja die meisten sich befleißigen die nach Luthersund Melanchthons Tode bald wieder eingerisseneVerneuerung mit aller Macht zu befestigen,andere aber mit allen ihren Kräfften und |
336:5 | Vermögen, und, so zu sagen, mit Händen undFüssen sich bearbeiten eine neue Vermischungder Philosophie und Theologie hervor zu suchen,und mit einen vorgeschützten ChristlichenEyfer auszuputzen, da doch nichts anders darhinter |
336:10 | steckt, als die maintenirung einer zeitlichenund übelgegründeten renomm%/ee, unddaß man für eine Schande achtet, einen Fehler,der so handgreifflich ist, daß kein gelehrterMann sich denselben jemahls in Sinn kommen |
336:15 | lassen, den kein Gelehrter anhänget, noch iemalsanhängen wird, und der also nothwendig inkurtzen mit ihnen aussterben und begraben werdenmuß, zu bekennen, und der augenscheinlichenVernunfft Raum zu geben. Dannenhero sind |
336:20 | die Schrifften dererjenigen, die diesen Mischmasch/ der nicht allein abgeschmackt, sondernauch auff gewisse Masse gefährlich ist, genauuntersuchen, billich hoch zu achten, und habe ichin dieser dissertation des Herrn Poirets sehr |
336:25 | viel gute und subtile Gedancken gefunden, dieeinen curieusen und Lehr=begierigen Gemüthe,welches diesen Mischmasch zu entgehen sich angelegen |
337 | seyn lässet, wo nicht allemahl völlige satisfactionthun, doch meistentheils Anleitunggeben, und fast die Spur zeigen, hinter die verborgeneWahrheit zu kommen. Und muß ich |
337:5 | dieses billich an ihm loben, daß, ob er gleich sonstmehrentheils der Cartesianischen Philosophiezugethan ist, er dennoch eben dem Mißbrauchetlicher Cartesianer / mit welchen sie die Vernunfftgar zu hoch erheben, widerleget, und ihren |
337:10 | Schein=Gründen, fürnemlich aber einem neuenAutori, der für wenig Jahren ein bekanntTractätgen unter den Titul Traité de la raisonhumaine herausgegeben, gründlich antwortet.So ist auch das Stück dieser dissertation, worinnen |
337:15 | der Herr Poiret den Ursprung der Atheistereydeduciret, wohl zu lesen, weil er nicht alleineneun unterschiedene Arten derer Atheistengantz gelehrt erzehlet, sondern auch mit vernünfftigenSchlüssen darthut, daß die Atheisterey auch |
337:20 | aus der Vermischung der Philosophie undTheologie herrühre, womit man dergleichenHerren, als welche gar offters gewohnt sind, andere,so von ihnen andere Meinungen führen, mitimputirung einer Atheisterey zu fürchten zu machen, |
337:25 | gar artig das Maul stopffen kan. Zuletzt begreifftdiese Dissertation auch eine SummarischeEinleitung zu der refutation des Spinosæ, indem |
338 | er erweiset, zu was für einer Classe der Atheistereydes Spinosæ Lehre gehöre.Wer dieser Benedictus Spinosa sey, ist inTeutschland zur Gnüge bekannt, nachdem Anno |
338:5 | 70. sein Tractatus Theologico-Politicusherausser kam, worinnen er behaupten wollen,daß man in jeder Republique einem jeden dieFreyheit zu philosophiren lassen müste, undihme dieselbige mit guten Gewissen nicht nehmen |
338:10 | könne. Er verbarg aber unter der Freyheitzu philosophiren eine gottlose Freyheit,auch in Religions= und Glaubens=Sachen zulehren, was man wolle, und hatte in demselbenTractat viel gefährliche und Gotteslästerliche |
338:15 | Meinungen von der heiligen Schrifft als demfundament der Christlichen Religion, sowohlauch von andern allgemeinen Glaubens=Artickelnversteckt. Der Herr halte sich mit diesenTractat nicht gar zu weitläufftig auf, redete Polydor |
338:20 | darzwischen, massen mir zur Gnüge bekanntist, daß derselbe bey uns durch den HerrnMusæum, den Herrn Durrium, und den HerrnThomasium widerleget worden. Ich verlangenur genauere Nachricht von denen fundamentis |
338:25 | æthicæ des Spinosæ, die der Herr oben erwehnet,und was Spinosa sonsten geschrieben. Beyseinem Leben, antwortete Clarindo, hat er Anno |
339 | 64. die Principia der Carthesianischen Philosophieauf Geometrische Weise demonstriretzum Druck befördert, wiewohl ich selbige nicht gesehen.Nach seinem Tode sind Anno 77. seine |
339:5 | übrigen Wercke unter dem Titel B. D. S. OperaPosthuma in 40. in Holland herausser kommen,darzu einer von seinen Discipuln eine ziemlichweitläufftige Vorrede gemacht. In diesenoperibus posthumis sind 5. Bücher enthalten. |
339:10 | I. Eine Ethica, in welcher er seine Atheistischenprincipia nachdrücklicher, wiewohl subtilerals in dem Tractatu Theologico-Politicoherausser gesagt. II. eine Politica.III. ein Tractat von Verbesserung des |
339:15 | Menschlichen Verstandes, welche beyde sichmeistentheils auf die Ethic und den TractatumTheologico-Politicum gründen. IV.Unterschiedene Episteln, die andere an Spinosam,und dieser hinwiederum an andere geschrieben, |
339:20 | worinnen viel Objectiones enthalten sind,die ihm unterschiedene Gelehrte wider seine Lehregemacht, sowohl auch, was Spinosa darauf geantwortet,und letzlich V. eine Hebræische Grammatica.In der Ethic aber hat er sich angelegen |
339:25 | seyn lassen, seinen Gifft mit mathematischendemonstrationibus zu verzuckern, massenman durch und durch lauter definitiones, |
340 | axiomata und propositiones darinnen antrifft.Er hat dieselbige in fünff Theile eingetheilet,der erste handelt von GOtt, der anderevon der Natur und Ursprung der menschlichen |
340:5 | Seele, der dritte von Ursprung und Naturderer affecten, der vierdte von der menschlichenKnechtschafft, oder von dem Vermögenderer affecten und der letzte von der Krafft desmenschlichen Verstandes, oder von der menschlichen |
340:10 | Freyheit. Der erste Theil ist der gefährlichste,weil sich die andern darauf gründen, indemselben aber eben seine Atheisterey enthalten.Denn indem er der gemeinen definition derSubstantz, qvod sit ens per se subsistens, |
340:15 | mißbrauchet, schliesset er daraus, daß nur eineSubstantz in der Welt sey, die er GOtt heisset,dieser sein Gott aber ist nichts anders, als dieCreaturen insgesammt. Hätte wohl was leichtfertigerskönnen erdacht werden? Nun haben |
340:20 | sich wohl unterschiedene gefunden, die diese Ethiczu widerlegen sich unterstanden; aber wie es gemeiniglichherzugehen pfleget, sie seynd nichtalle zum Streit geschickt gewesen, sondern eshaben etliche bonam causam malé defendiret. |
340:25 | Und kömmt mir fast für, daß einer, mitNahmen Wilhelm Bleyenberg, unter dieseClasse zu rechnen sey; denn ob ich gleich dieses seinen |
341 | Tractat nicht gelesen, so weiset doch das wenige,daß der Autor speciminis artis ratiocinandianführet, wenn man es mit etlichen Brieffendes Bleyenbergs zusammen hält, die er an |
341:5 | Spinosam geschrieben und die in denen operibusposthumis vorhanden sind daß er diesemStreit wohl nicht gewachsen gewesen, weilin denen Brieffen viel unnöthige Worte undwenig judicium enthalten ist, wannenhero auch |
341:10 | besagter Autor speciminis ihn ziemlich starckstriegelt. Dieses specimen aber kam Anno 84.in 8vo heraus zu Hamburg, wie auff dem Titulstehet, aber mit Holländischen Drucke. Es bestehetin drey Theilen, deren die beyden letzten |
341:15 | etliche neue speculationes von Bewegung derCörper in sich begriffen, der erste aber einenEntwurff der Logic vorstellet, die zwar mehrentheilsnach denen hypothesibus derer Cartesianereingerichtet ist / aber dabey doch zugleich |
341:20 | der Autor sich gar deutlich für einen discipeldes Spinosæ ausgiebt. Er hat seinen Nahmennicht zu dem Werck, hinzugesetzet, aber man hatmich berichtet, daß es schon ein berühmter Medicus,der im B. Diensten ist, und sich sonst in |
341:25 | Holland aufgehalten, Herr D. C. seyn solle. Aber |
342 | wieder zu meinen Vorhaben zu gelangen, sohat der Herr Poiret in seiner refutation desSpinosæ das Werck so vernünfftig angegriffen,daß er aus dem ersten Theil seiner Ethic |
342:5 | die ersten gefährlichen Oerter, worinnen desSpinosæ sein πρώτον ψεῦδος stack, herausgenommen,und vom Anfang biß zu Ende bey jederdefinition, axiomate und proposition dieIrrthümer, die Spinosa daselbst begangen, |
342:10 | dargethan, auch hernach alsbald eine anderedefinition, axioma und proposition entgegengesetzt, und solchergestalt ordentlich und gründlichoder mit einem Wort, mathematisch die Atheistereydes Spinosæ widerleget. |
342:15 | Der Herr Velthuysen hatte zwar auch Anno80. in einem Tractat de cultu naturali & originemoralitatis des Spinosæ seinen tractatumTheologico-Politicum und die Ethicamposthumam widerleget, er greifft auch dem Spinosæ |
342:20 | hin und wieder ziemlich hart auff die Haube,er macht es aber doch nicht so deutlich und so ordentlich,als der Herr Poiret. Dieses HerrnVelthuysen seine opera sind zu Roterdam in besagten80. Jahre herauskommen, obwohl die meisten |
342:25 | Tractate zuvor einzelen gedruckt worden.Sie sind in zwey tomos getheilet. Der erste begreifftin sich {I.} einen Tractat von der göttlichen |
343 | und menschlichen Gerechtigkeit, in dessen erstenTheile er die Nothwendigkeit der GnugthuungCHristi und das Recht der ChristenKrieg zu führen darthut, auch die Lehre von |
343:5 | GOttes doppelter Gerechtigkeit die Bösen zubestraffen, von der Vollkommenheit des GöttlichenGesetzes, von denen Graden derer Tugendenund Laster, von guten Wercken und von derErb=Sünde ausleget. In dem andern handelt |
343:10 | er von denen menschlichen Straffen sowohl desgemeinen bestens wegen, als wegen des privatNutzens,in dem dritten aber beweiset er aus derheiligen Schrifft, daß CHristus für der MenschenSünde habe gnug gethan. {II.} eine dissertation |
343:15 | vom Gebrauch der Vernunfft in TheologischenSachen und fürnemlich in Auslegungder heiligen Schrifft, in welcher er zugleichweitläufftig die Meinung eines Anonymi,der ein Büchlein unter dem Titul Philosophia |
343:20 | Scripturæ interpres ediret, untersucht.{III.} einen Tractat von der natürlichen Schamhafftigkeitund von der Würde des Menschen,worinnen er von der Blutschande, Hurerey,Gelübde der Keuschheit, Ehestand, Ehebruch, |
343:25 | Polygamie, Ehescheidungen und so weiter handelt.{IV.} von der Prædestination und Gnade,die er sich auf eine neue Methode zu erklären vorgenommen. |
344 | {V.} Vom Amt derer Priesterund Prediger und von dem Rechte, das der Obrigkeitin Ansehen der Kirchen zukömmt, wideretliche Reformirte Lehrer, die die Gewalt derer |
344:5 | Priester gar zu weit extendiren. {VI.} Von derAbgötterey und superstition, zu Behauptung,daß die Päbstler in ihrer Messe eine Abgötterey begehen,wider welchen Tractat das geistliche Synedriumzu Utrecht etliche Schrifften herausgegeben, |
344:10 | in denen es den Autor etlicher irrigenLehrern beschuldiget, dem vier Apologien desAutoris gegen diese Beschuldigung beyfügetsind. {VII.} Ein discours über die Frage, obein Christlicher Fürst mit guten Gewissen in |
344:15 | seinen Reich etwas dulden könne, daß denenGöttlichen Gebothen zuwider sey, darinnen erabsonderlich viel curieuse Fragen von Heiligungdes Sabbaths, und von Nachlassungderer Göttlichen Gebothe bey hohen Nothfällen |
344:20 | ausführet. {VIII.} Von denen FundamentalArtickelndes Christlichen Glaubens. {IX.} Eineretorsion wider etliche Schmähungen,mit welchen der Autor von einem seiner heimlichenFeinde in einer Schrifft ware beleget und von |
344:25 | ihm beschuldiget worden, als ob er es mit denenSocinianern und Remonstranten in vielenStücken hielte. In dem andern tomo sind enthalten |
345 | {I.} Eine Metaphysic nach Anleitungder Lehre des Cartesii, worinnen er auch vonGOtt und von der menschlichen Seele handelt. {II.}Eine dissertation in Form einer Epistel von dem |
345:5 | Ursprunge der Ehrligkeit und Erbarkeit (deprincipiis justi & decori) {III.} Von den endlichenund unendlichen, worinnen er die Meinungdes Cartesii von der Bewegung, dem Raumund Cörper (de motu, spatio & corpore) vertheidiget. |
345:10 | {IV.} {V.} Zwey Tractate, in denen bewiesenwird, daß die Lehre von Bewegung der Erdkugelund Stillstehung der Sonnen, imgleichendie principia der Cartesianischen Philosophiedem Worte GOttes nicht zuwider seyn, |
345:15 | welche der Herr Velthuysen zweyen Bücherneines Predigers zu Leyden J. du Bois, dererTitel: Nuditas Philosophiæ Cartesianæ detecta,imgleichen: Noxa Philosophiæ Cartesianæ,entgegen gesetzet. {VI.} Zwey Medicinische |
345:20 | Tractätlein von der Müntze und von der Generation,denen er eine Vorrede vorgesetzet hat,in welchen er sich wegen der Cartesianischen Philosophiewider die beyden Voetios Gisbertumund Paulum defendiret, und letzlich {VII.} Der |
345:25 | Tractat wider den Spinosa, dessen ich zuvor erwehnet.Seiner Profession nach war derHerr Velthuysen ein Medicus, der doch keine |
346 | praxn getrieben, sondern seine meiste Zeit imstudiren zugebracht. Er ist in seinem Vaterlandzu Utrecht Scabinus gewesen, biß zur Zeitder Frantzösischen troublen, als man die Stadt |
346:5 | dem Printz von Uranien übergeben, da er vonseinen Widerwärtigen überwältiget, seinesDiensts nebst anderen erlassen worden und istin solchen Zustand biß an seinen Tod, der etwanvor drey Jahren, als er etliche und 60. Jahr |
346:10 | alt gewesen, erfolget, verblieben. Von Jugendauf hat er sich auf das studium der Philosophieund Theologie geleget, wannenhero auch diemeisten von seinen Schrifften von solchen Materiengehandelt. Er war ein freundlicher und |
346:15 | conversabler Mann, iedoch darbey von guterHertzhafftigkeit, der sich durch leere und ungegründeteBedrohung nicht ließ zu fürchtenmachen, auch seinen Feinden und Verfolgernhertzhafft entgegen gienge, und das Hertz hatte |
346:20 | ihnen in Schrifften die Wahrheit offenhertzig, iedochmit geziemender Bescheidenheit, zu sagen.Dieses weiset nebst seinen meistenSchrifften die Vorrede, die er vor diese neueedition seiner Operum voran gesetzet, aus, |
346:25 | die er als eine dedication an seinen Bruder,der ebenfalls bey geschehener Aenderungdes Regiments in Utrech, seines Ehren=Amtes |
347 | wäre erlassen worden, gerichtet, worinnener ohne Scheu, wie solches zugangen, erzehlet,und sich über die Staaten, daß man diese Stadtan dem Printz überlassen, öffentlich beschweret. |
347:5 | Weil es aber öffters zu geschehen pfleget, daßdie Herren Theologi nicht wohl leiden können,wenn ein anderer, der seiner Profession nachnicht unter ihren Orden gehöret, etwas schreibet,daß mit der Theologie einige Verwandschafft |
347:10 | hat, also hat auch der gute Herr Velthuysenmit seinen Theologischen Schrifften sich vielFeinde auff den Hals geladen, und sich an seinerPromotion gehindert, massen mir denn erzehletworden, daß es darauf gestanden, daß er habe |
347:15 | zum Burgermeister in Utrecht sollen erwehletwerden, als sein competitor, der ein schlauerFuchs gewesen, und wohl gemerckt, daß derHerr Velthuysen ihm an notis überlegen seynwürde, ihn unter dem Schein der Freundschafft |
347:20 | beredet, daß er seinen tractat de Idiololatria, &superstitione herausgegeben, wodurch denndie Gemüther des Volcks und vieler von seinenCollegen wegen der Censur des Synedrii undderen Predigten, so man wider ihn gehalten, |
347:25 | von ihm alieniret worden. Gleichwie ich aberdasjenige, was in denen Theologischen Tractatenenthalten ist, weder gut heisse noch tadele, weil |
348 | erstlich dieselbigen meiner Profession nicht sind,und ich über dieses dieselbigen nur oben hin gelesen;also habe ich doch aus dieser lectione cursoriazum wenigsten dieses angemercket, daß allenthalben |
348:5 | des Herrn Velthuysen seine gute intentionhervorblickt, daß er diese Bücher geschriebenaus Begierde die Wahrheit zu erforschen, und demgemeinen Wesen in Untersuchung wichtiger undnützlicher Controversien zu dienen, massen |
348:10 | denn die Materien, die er in denen TheologischenSchrifften tractiret, billig unter diese Classezu rechnen sind, an derer Untersuchung einem jeden,er sey in was für Religion er wolle, mehr gelegen,als an dem Schul=Gezäncke, daß öffters |
348:15 | ohne Noth über die Bedeutung eines Wortsund über eine abstraction aus der heiligen Metaphysicaangefangen wird. Und hat derHerr Velthuysen sich sehr beflissen seineSchrifften nicht mit scholastischen Wörtern |
348:20 | zu bemackeln. Man siehet auch wohl, daß seineWidersacher, ihre Sache mag in thesi beschaffengewesen seyn, wie sie will, meistentheilsnicht ehrlich mit ihm gefochten, und nicht seltenwider die Regeln der Disputir-Kunst gröblich |
348:25 | angestossen. Seine Philosophie belangend,so hat er in der Vernunfft=Lehre und denen natürlichenDingen dem Cartesio, in der Sitten=Lehre |
349 | aber des bekannten Hobbesii Principiisgefolget, wannenhero diejenigen, so dem Cartesioin Holland höchst zuwider sind, und zum TheilVoetianer genennet werden, auff ihn desto mehr |
349:5 | verbittert worden, auch ihm derer Patron GisbertusVoetius, als ein geschworner Tod=Feinddes Cartesii sehr zuwider gewesen, wiewohl aucham andern Theil nicht zu läugnen ist, daß derHerr Velthuysen in denen Vorreden über die |
349:10 | Tractate von Bewegung der Erdkugel, und vonder Miltz diesem zänckischen und hochmüthigenTheologo den Schwer redlich auffgestochen,und seinen verdrießlichen und irraisonablencharacter besser exprimiret, als Cartesius |
349:15 | selbst gethan. Absonderlich ist mir vorgekommen,da ich des Herrn Velthuysens Worte gelesen(a) Hic homo ducitur illo spirituqui vult judicare a nemine, quiquehoc petit, ut omnis decoris et orthodoxiae |
349:20 | discrimen sub suo solius nutu et arbitio sit,als wenn der Herr Voet noch heut zu Tage inallen denenjenigen lebte / die zwar ihre Lehre nachdes Papsts autorität anfechten, aber in ihrenactionibus nicht bergen können, daß sie, so viel |
349:25 | an ihnen ist, gerne an ihrem Ort Päbste wären.Des Hobbesii fundament de conversatione |
350 | sui hat der Herr Velthuysen in der dissertationde principiis justi & decori zu defendirengesucht, massen auch dieses Vorhaben alsbaldauff den Titul der ersten edition in 12. |
350:5 | bey welcher des Herrn Velthuysens Nahmenicht gesetzt worden, beygedruckt ist, wiewohl erdoch etwas bescheidener gehet, als Hobbes,und keinen solchen statum victum humanigeneris. wie dieser præsupponiret, daß die |
350:10 | Menschen wie Schwämme aus der Erden hervorgewachsen, sondern beziehet sich auff dieSchöpffung und den Fall der ersten Eltern. Jedochist bald Anfangs, und wo mir recht ist, allbereitAnno 56. zu Straßburg eine ziemlich weitläufftige |
350:15 | disputation, unter des Herrn Schallerspræsidio, wider diese disputation gehaltenworden, und hat der Herr Puffendorff in seinenhochschätzbaren Buch de Jure naturali &gentium ihn hin und wieder refutiret, wiewohl |
350:20 | man damahls nicht gewust, daß der HerrVelthuysen Autor von dieser Schrifft sey, daherer auch stetswährend als Autor Anonymusde principiis justi & decori citirret wird. Soist er auch wohl fast der eintzige, der den Hobbes |
350:25 | in Schrifften vertheidiget, ausser, daß annoch inTeutschland der Herr B. zu F. dergleichen gethan.Im übrigen ist nicht zu läugnen, daß der Herr |
351 | Velthuysen in eben diese Schrifft viel mit eingebracht,daraus man sehen kan, daß er ein Mannvon einem herrlichen Ingenio gewesen seyn müsse,und daraus man zum öfftern kan Anlaß nehmen, |
351:5 | auff die Spuhr einer Wahrheit zu kommen,auch wenn Herr Velthuysen dieselbe verfehlet.Absonderlich hat er gelehrte Gedanckenvom Ursprung der Schamhafftigkeit, und demdecoro, welche er hernach in einem absonderlichen |
351:10 | Traetat hiervon, der in ersten tomo enthaltenist, weitläufftiger ausführet. Denn obgleichwider seine Meinung, die er dißfalls heget,eines und das andere, auch aus seinen eignenWorten angeführet werden könte, so glaube ich |
351:15 | doch, daß, wenn man diese beyde Schrifften desHerrn Velthuysens mit Verstand läse, undseine Fehler anmerckte, und dieselbe zu verbessernsuchte, man hernach vielleicht hinter denrechten Grund der Wahrheit gelangen könte, als |
351:20 | wenn man von sich selbst hiervon meditirte. Undwäre zu wünschen, daß sich ein Gelehrter darübermachte, und den eigendlichen Unterscheiddes decori ab honesto wiese, als welches meinesWissens noch niemand gründlich præstiret. |
351:25 | Jedoch kan ich auch nicht läugnen, daß des HerrnVelthuysens Schrifften mit guten Bedachtwollen gelesen seyn, weil er in denenselben meistentheils |
352 | keine gute Ordnung hält, und mannicht geringe Mühe anwenden muß, wenn manseine eigendliche Meinung, oder den Haupt=Grundderselben recht hervor suchen will, indem |
352:5 | er solche manchmahl an einem Ort versteckt, dasie ein ieder nicht suchen solte. Und scheinet also,daß er ein wenig ein autodidactus müsse gewesenseyn. Es haben sich auch seine Widersacherseiner Dunckelheit im Reden und Verstande, |
352:10 | die theils wegen nicht gehaltener Ordnung,theils aus etlichen tautologien entstanden,redlich wider ihn bedienet, und ihm Anlaß gegeben,daß er in seinen Apologien seine Meinungdeutlicher erkläret, welches er hätte überhoben |
352:15 | seyn können, wenn er sich bey Zeiten einebeqveme Ordnung angewöhnet hätte. Aber ichplaudere Eurer Excellence vielleicht mehr für,als sie zu wissen begehret, dannenhero will ich aufhörenund Nicanor Raum geben, daß er sich nicht |
352:20 | über mich zu beschweren habe.Nicanor versetzte: Wenn man den HerrnBruder auf die Cartesianer bringt, so geht seinMaul in völligen Gallop, und dencke ich allemahlan eine bekannte Historie, die sich in Nieder=Sachsen |
352:25 | zugetragen, als einsmahls auf einerHochzeit die Weiber an ihrem Tische so gar stillegesessen und kein Wort geredet, daß die Männer |
353 | sich höchlich darüber verwundert, biß einer vondenen Männern angefangen, und über denTisch hinüber geruffen: Jungefrau was giltder Stein Flachs? Denn auff dieses monitorium |
353:5 | sind denen Weibern die Zungen so kräfftiggelöset worden, daß die Männer ihr eigen Wortnicht mehr hören können. Der Heer Brudergebe sich zufrieden, sprach Clarindo, ich willheute nichts mehr von Cartesianern erwehnen, |
353:10 | sondern weil der Herr Bruder bißher zu meinendiscours so stille geschwiegen, als will ichden Mann auf der Hochzeit agiren und frageihn also gantz förmlich und zierlich: Mein HerrNicanor, was macht denn der ehrliche alte teutsche |
353:15 | Aristoteles? und wie stehets denn etwan umdie Haupt=Fraage de qvalitatibus occultis oderde summo bono? Nicanor antwortete. DerHerr Bruder sey nur nicht so spöttisch auff dieqvæstion de summo Bono, vielleicht läst er |
353:20 | sich noch wohl selbsten mit mir in einen discoursdarüber ein. Der Herr Tschirnhausen hat dieseFrage würdig geschätzet, dieselbe seinem gelehrtenTractat de medicina mentis, welcher in vorigenJahre herausser kommen, voran zu setzen. |
353:25 | Denn indem er erzehlet, daß er sich von Jugendauff vorgenommen habe, sein Leben so vielmüglich, in der höchsten Glückseligkeit zuzubringen, |
354 | examiniret er darnach ein wenig, welchesVergnügen vor das höchste und beständigstezu achten wäre und betrachtet erstlich dieBelustigung derer Sinnen, bey denen er erinnert, |
354:5 | daß, obgleich der gemeine Pöbel dieselbenfür sein höchstes Gut hielte, auch sich einbildete,je mehr und öffters er sich derselben bedienete,je glückseliger wäre er, so wäre doch mitsehr vielen exempeln darzuthun, daß je seltner |
354:10 | man sich dieser Belustigung bediente, je mehrVergnügen empfinde man bey sich, und verlangtendannenhero die Sinne nicht alleine immerwas neues, sondern man könne das Vergnügendurch nichts grösser machen, als wenn man zuvor |
354:15 | der Begierde / dieselbe in das Werck zu richten,grossen Widerstand, und, so viel als immermöglich, gethan hätte. Nichts desto weniger,wenn man dieses alles gleich beobachtete, so erwecktedoch der Genieß des sinnlichen Vergnügens |
354:20 | öffters bey dem Menschen eine Traurigkeit,die daher entstünde / weil man erkennete,daß der Gebrauch der Belustigung dem Menschenschädlich wäre, und könte dannenhero diehöchste Glückseligkeit darinnen nicht bestehen. |
354:25 | Nach diesen wäre wohl nicht zu läugnen, daß diejenigen,welche ihre Lüste dämpfften, und ein |
355 | strenges und tugendhafftes Leben führeten, in derinnerlichen Gemüths=Ruhe eine solche grosseBelustigung empfinden, welche sie nicht mitWorten gleichsam aussprechen könten, und also |
355:5 | diese Lust, weil sie keine Reue nach sich zöge, dersinnlichen weit für zu ziehen wäre. Ja es könnedie Grösse dieses Vergnügens daraus leichteabgenommen werden, weil von denen Tugendhafftenin der grösten Marter und Quaal, |
355:10 | ja mitten im Feuer warhafftige Anzeigungeneiner grossen Wollust von sich gegeben. Demunerachtet aber hält der Herr Tschirnhausendafür, daß die innerliche Gemüths=Ruhe, welcheein Mensch empfindet, der seinen Lüsten Widerstand |
355:15 | gethan, nicht vor ein gewisses Kennzeichenzu achten wäre, daß dasjenige, was mangethan, gut und recht gewesen. Denn es könneauch ein Mensch eben dergleichen Gemüths=Ruheempfinden, der darvor hielte, daß das höchste |
355:20 | Gut sey, wenn er in den innerlichen Trieb derIhn von Belustigung der Sinnen abhielte, überwinde,und seinen falschen Einbildungen,als wenn die sinnliche Lust das höchste Gut wäre,folgte. Ja man könte auch aus denen Historien |
355:25 | viel Exempel dererjenigen anführen, die mit dergrösten Gemüths=Ruhe und Beständigkeit die |
356 | grösten Martern um schlimmer Sachen willenausgestanden hätten. Hieraus schliesset er, daßauch diese Belustigung nicht die höchste seynkönne, weil nothwendig ein Betrübniß erfolgen |
356:5 | müste, wenn man aus Irrthum was vor guthielte, und doch hernach erführe, daß man darinnender Wahrheit verfehlet hätte. Aus dieserUrsache nun, und damit er dasjenige, was ihm beständiggut und nützlich wäre, ergreiffen, dasjenige |
356:10 | aber, so ihm schädlich, hindansetzen möge, sagetder Herr Tschirnhausen, habe er vor sich mitallem Fleiß bemühet, hinter die wahre Glückseligkeitzu kommen, und habe also selbsten in der Thaterfahren, daß keine höhere und reinere Belustigung |
356:15 | unter allen denen, derer ein Menschfähig wäre, sey, als diejenige, die aus Erforschungder Wahrheit entstehe. Er glaubetauch hierinnen gar leichtlich von denen Beyfall zukriegen, die solche Belustigung in der That erfahren |
356:20 | hätten, weil solche Leute aus dem grossenVergnügen, daß sie durch Entdeckung neuerWahrheiten gespüret, offters Schlaff, Essen undTrincken, und sinnliche Belustigung in stichegelassen, auch damit sie an ihren speculationibus, |
356:25 | nicht gehindert werden möchten., angebotenesReichthum und Ehren=Aemter ausgeschlagen |
357 | hätten. Das aber diese Belustigungdie allerbeständigste sey / könne man gar deutlichdarthun, weil man dadurch nicht könnebetrogen werden, in Ansehen aus einer Wahrheit, |
357:5 | wenn man selbige erfunden habe, nichtsals lauter wahre Sachen gefolgert werden könten,so habe man sich auch nicht zu befahren, daßman künfftig etwa seine Meinung ändern werde,dieweil dasjenige, was einmahl wahr sey, |
357:10 | niemahln falsch werden könte, und die Wahrheitalleine unveränderlich sey. Man müsse aberhierbey sich zuförderst hüten, daß man ja zu keinemandern Ende, als zu seiner Belustigung, dieWahrheit untersuche, und nicht etwan damit |
357:15 | Ehre und Lob erjagen wolte, weil man sonstensich mehr unglücklich, als glücklich machen undviel Verdruß auff dem Hals laden werde, demderjenige gantz und gar entgehen könte, der dieWahrheit zu blosser Belustigung untersuchte. |
357:20 | Demnach sey nicht zu zweiffeln, daß ein Weiserund Gelehrter viel glücklicher sey als ein Ungelehrter.Denn dieser habe seine Tage keineGemüths=Ruhe / weil er allezeit auff das erpichtsey, was ihm mangele, und weil ihm allezeit was |
357:25 | mangele, sey er allezeit betrübt. Ja wenn ergleich ein Gut erlanget habe, so wisse er doch |
359 | dasselbe seinem Werthe nach nicht zu schätzen,und habe also nur eine kindische Freude daran,mit einem Wort, er sey niemahls recht freudig,sowohl, wenn er ein Gut besässe, als wenn er |
358:5 | es nicht besässe. Ein Weiser aber attendirenicht einmahl, daß ihm was mangele / weil erwohl wisse, daß es nicht anders seyn könne,und betrübe sich solchergestalt ja so wenig drüber,als er darüber bekümmert seyn solte, daß |
358:10 | ein Triangel drey Ecken habe. Er brauchevielmehr das Gute, das er besitze, und betrachtesolches, wie er es zu seinem Nutzen anwendenmöge. Und diese Betrachtung erwecke in ihmeine beständige und wohlgegründete Freude, weil |
358:15 | er dadurch in acht nehme, daß 1. ein Weiser vielvermögender sey, als ein Unweiser, weil er vielwisse und verwunderns würdige Sachen zuwegebringen könne, weil er dadurch viel Nutzenzu schaffen wisse, weil er Meister seiner affecten |
358:20 | sey, und dieselben mit gantz leichter Mühebeherrsche, weil er auch letzlich seine Gesundheiterhalten, und ein vergnügtes Leben führen könne.2. folge daraus, daß ein Weiser weniger Betrübnißhabe, in Ansehen, daß das meiste, daraus |
358:25 | ein Unweiser sich Verdruß machet, nur eingebildeteUbel seyn und letzlich 3. habe er mehr |
359 | Freude, weil er unzehlig, viel Belüstigungen,derer ein Unwissender entbehren müste, in seinemGemüthe erwecken könne, derer er nicht überdrüßigwürde, wie derer sinnlichen Belustigungen, |
359:5 | sondern je mehr er Wahrheiten entdeckte, jemehr Vergnügen hätte er davon. So braucheer auch nicht, daß er in diesen Belustigungen Widerstandthäte, und habe die Mühe nicht nöthig,die ein Tugendhaffter brauche seine affecten zu |
359:10 | bändigen, denn er könne in seiner Untersuchungder Wahrheit nicht zuviel thun, und dürffte sichkeiner nicht darüber auffsteigenden Betrübnißnoch eines Eckels befahren. Derowegen weilkeine bessere und tugendhafftere action von uns |
359:15 | könne zu Wercke gerichtet werden, als wenn wirgantz und gar uns auf Erforschung der Wahrheitlegten, so müsten nothwendig die aller annehmlichstenBelustigungen daraus entstehen, massendenn so wichtige Wahrheiten daraus entspringen, |
359:20 | dadurch wir im Finsterniß dieses Lebensalle unser Thun und Lassen ohne Anstoß vollführenkönten, ja ohne deren Erkänntniß andereLeute in denen Augen eines Weisen wie taumelndund torckelnd schienen. Endlich wenn man |
359:25 | seine Vernunfft wohl excoliret habe, könneman die Belustigung der Sinnen ohne Befahrung |
360 | einer Traurigkeit brauchen, weil die unterrichteteVernunfft uns hierinnen zu einerRichtschnur dienet, daß wir alsdenn die Belustigungderer Sinnen, gar wohl brauchen könten, |
360:5 | wenn sie uns geschickter machten, verborgeneWahrheiten zu entdecken, hingegen aber dieselbenunterlassen solten, so ferne sie den speculirenverhinderlich fielen. Hieraus folget nun, daßaus Erkäntniß der Wahrheit einig und allein die |
360:10 | wahre Tugend herrühre, die würdig wäre eineTugend genennet zu werden, aus dieser Tugendaber entstehe die wahre und vollkommene Gemüths=Ruhe,davon man insgemein nichts wisse,oder, deutlicher zu sagen, daß die Weißheit, Tugend |
360:15 | und Gemüths=Ruhe keine ohne die andereseyn könne und folglich / daß in diesem Leben keinegrössere Glückseligkeit sey, als die Wahrheit selbstzu untersuchen.Dieses ist des Herrn Tschirnhausen seine |
360:20 | Meinung de summo bono. Was hat nun derHerr Bruder darwider einzuwenden? Es wirdsehr wenig seyn, antwortete Clarindo, denn soviel die Vergnügung derer Sinnen betrifft, binich gäntzlich seiner Meinung, und hat er überaus |
360:25 | wohl darvon raisoniret, wie man dieses Vergnügenrecht mit Nachdruck geniessen könne.Mir aber gefält dieses wohl, setzte Nicanor hinzu, |
361 | daß er die Belustigung derer Sinnen vonder wahren Glückseligkeit ausgeschlossen, und erinneremich hierbey etlicher neuen Schrifften,die wegen dieser controvers ohnlängst heraus |
361:5 | kommen. Es hatte der Herr Bayle im MonatAugusto 1685. M. Arnauld sein Buch wider desP. Malebranche sein Systema von der Naturund Gnade referiret / und unter andern erzehletdaß Mallebranche, die Meinung führe, |
361:10 | als ob alle Lust, die man vermittelst derer Sinnenfühlete, uns glücklich machte, indem wir sieempfunden, und daß man nichts destowenigerdiese Belustigungen, die uns allzusehr an den Leibverknüpfften, fliehen müste. Worwieder M. |
361:15 | Arnaud solle gesagt haben, daß dergleichen Wollüste,ein Ubel, eine Marter und ein unerträglichesUnglück wäre nicht allein wegen dessen,daß darauf zu folgen pfleget, sondern auch zu derZeit, wenn man selbige empfinde. Hierbey |
361:20 | sind nun des Herrn Bayle seine Gedancken,daß es schiene, als wenn Mons. Arnaud, seinesSchwures, den er in der Vorrede gethan, vergessenund hierinnen etwas chicanirt hätte,bloß, daß er seinen Widersacher in der Sitten=Lehre |
361:25 | verdächtig machen möchte. Denn es wäreM. Arnaud seine Meinung gantz ungereimt, |
362 | und würden wollüstige Leute solches für leereGedancken eines eigensinnigen Kopffes achten,der sich einbildete, daß man seinen Worten mehrGlauben werde zustellen, als der täglichen Erfahrung. |
362:5 | Dannenhero wäre das sicherste,daß man solchen Leuten gestünde, sie wärenglücklich, als ihnen darbey vorbildete,daß, wenn sie sich dieses Glücks nichtentzögen, so würde sie solches verdammen. |
362:10 | Und ob man gleich sagen wolte, die Tugend, dieGnade und Liebe GOttes, oder vielmehr GOttselbst, wäre unsere eigene Glückseligkeit, so müsseman doch einen Unterscheid machen unter derBetrachtung der Glückseligkeit in sensu effetivo |
362:15 | & in sensu formali. Nach jener wäreGOtt der einige Urheber alles Vergnügens,nach dieser aber wäre die Belustigung unsere einigeGlückseligkeit. Denn wenn man nicht nurschlecht weg fingiren sondern gar nach der neuen |
362:20 | methode per impossibile fingiren wolte,daß so ein heiliger Mann, wie St. Paulus,von GOtt zu ewiger Marter ebenmäßig, als dieTeuffel verdammet wäre, so müste man einegrosse Phantasie haben, wenn man sich einbilden |
362:25 | wolte, daß ein solcher Mensch nicht so unglücklichals die Teuffel seyn würde. Man würde solcheszwar sagen können, alleine man würde selbst |
363 | nicht wissen, was man redete, so wahr sey es,daß wir durch diesen eintzigen Weg begreiffenkönten die Art und Weise, womit GOTT unsglücklich macht, nemlich wenn er unserer Seelen |
363:5 | die Krafft mittheilete, dle Belustigung zuempfinden. Diese censur nun hatte M. Arnaudnicht verschmertzen können, derowegen hatte ereinen von seinen Creaturen angestifftet, der wegendieser censur wider Herrn Bayle schreiben |
363:10 | muste; welches zwar Herr Bayle wider beantwortet,aber damit nur Ursache gegeben, daß jenerim vorigen Jahre abermahls ein Tractätgenunter dem Titul: Dissertation sur le pretendubonheur des plaisirs des sens pour |
363:15 | servir de Replique à la Response, qu' à faiteM. Bayle eu faveur du P. Malebranche contreM. Arnauld, herausgegeben, aus welchermun leichtlich auch den Inhalt derer beydenSchrifften abnehmen kan. Denn er handelt von |
363:20 | zwey Puncten. 1. Ob man M. Arnauld mit Fugund Recht Schuld gegeben, daß er mit Vorsatzdem P. Malebranche zuviel und unrecht gethanhabe? da er den distinct auf fünff argumenta,die der Herr Bayle in seiner Antwort für sich angeführet, |
363:25 | antwortet. 2. Ob nicht vielmehr mit Fugund Recht M. Arnauld der Lehre des P. Malebranchevon denen Belustigungen derer Sinne |
364 | widersprochen habe? worbey er eilff præsuppositades Herrn Bayle widerleget, unter welchendas fürnehmste Absehen dahin gerichtet ist,daß der Herr Bayle distingviret zwischen den |
364:5 | Nahmen der Glückseligkeit, so ferne sie in natürlichenoder Metaphisischen Verstande / undso ferne sie in sensu morali genommen wird,und zu seiner Entschuldigung fürgebracht, daßMalebranche jenen in Sinne gehabt, Mons. |
364:10 | Arnauld aber auff diesen reflectiret. Hierwiedernun erinnert der Autor dieser dissertation,daß der P. Malebranche den sensummoralem in Sinne gehabt, oder doch zum wenigstenhaben sollen, und was dergleichen mehr |
364:15 | ist. Und in diesem Stück halte ichs mit M. Arnauld.Ich aber halte es mit dem Herrn Bayle,wiederredete Clarindo. Es verlohnt sichwohl der Mühe, daß man wegen der herrlichenquæstion; An Autor aliquis debeat uti termino |
364:20 | felicitatis in sensu physico aut morali,ein Gefechte anfänget. M. Arnauld scheinetunter diejenigen zu gehören, dieweil sie bey denenIhrigen in guten Ansehen sind, nicht leidenkönnen, daß ein jota von ihren compendiis |
364:25 | observationibus u.s.w. umkomme, auch sichnicht können zufrieden geben, wenn man überihre einfältige Meinungen zuweilen railliret. |
365 | Herr Bayle hat noch zuviel nachgegeben. Ichwolte euch Herren anders refutiren und baldFriede stifften. Ich wolte eines Theils M. Arnauld,seinen defensorem, und den Herrn |
365:5 | Bruder, am andern Theil aber den P. Malebrancheund M. Bayle zu mir zu Gaste bitten,und weil ich gewiß versichert wäre, daß ihr dreyHerrn mit uns armen Sündern, die wir dieGlückseligkeit in sensu physico nehmen, nicht |
365:10 | essen würdet, so wolte ich zwey Zimmer zubereitenlassen. In das eine wolte ich mich mit P.Malebranche und M. Bayle setzen und uns einbilden,wir wären glücklich, wenn wir vier guteGerichte, nebst einem guten Trunck Rhein=Wein |
365:15 | hätten, wenn wir unsere Ohren mit einer angenehmenvocal-music kützelten, wenn in unsermZimmer etliche feine Gemählde zu sehen wären,wenn der Tisch mit wohlriechenden Blumen bestreuetwäre, und wenn wir auff weichen gepulsterten |
365:20 | Stühlen sässen. In dem andern Zimmeraber solte der Herr Bruder die Ehre haben,dem Herrn Arnauld Gesellschafft zu leisten, sichaber nicht verdriessen lassen, wenn die Wändefein rauchricht aussehen, als wenn funfftzig |
365:25 | Musquetirer ein Jahr darinnen Toback geschmaucht,oder etliche wenige Muscowiter,welche ihre Hände beym Essen an statt der Teller=Tücher |
366 | an die Wände zu wischen pflegen, einviertel Jahr darinnen gespeiset hätten; wennauff der einen Seiten zehen volle Bauren mit gareinen lieblichen Schnarchen, auff der andern |
366:5 | aber zwantzig Katzen, denen Klemmen andie Schwäntze geleget wären, mit ihren JungfräulichenStimmen die Ohren des Gemüthsbelustigten, wenn sie mit ein wenig Pumpernickel,geräucherten dreyjährigen Kalb=Fleisch |
366:10 | das Pfund à 4. Pf. und sauren Dorff=Bier vorlieb nehmen müsten; wenn ich nicht gut dafürseyn könte, wenn die schnarchenden Baurenund eingeklemten Katzen das Zimmer in etwasprofoumirten, und endlich wenn ich für |
366:15 | die Herren, eine sonderliche Mode von Stülenhätte machen lassen, die denen Eseln, darauf mandie Soldaten zu setzen pfleget, etwas ähnlich sehen.Und daß die Herren meinen guten Willenerkennen könten, so wolte ich keine Kosten sparen |
366:20 | ihnen einen Lector zu halten, der, damit ihnendie Zeit nicht lang würde, das gelehrte Werckgen,das der Herr Bruder ietzo referiret, vorlesensolte. Ja ich wolte sie mit einen kostbahrenSchau=Essen tractiren, indem ich des Perilli |
366:25 | seinen Ochsen wolte in einer Gips=Forme abbilden,und einen erbaren Mann mit einen grossenMantel und langen Bart darauff setzen lassen, |
367 | der eine lächelnde Mine machen solte, damitsich die Herren desto eher erinnern könten, daßin Belustigung der euserlichen Sinnen gantzim geringsten keine Glückseligkeit bestünde, und |
367:5 | daß ein weiser Mann in dem Ochsen des Perillija so vergnügt seyn könne, als ein anderer meinesgleichen in den schönsten Rosen=Garten. DerHerr beschreibet sein Gast=Geboth so appetitlich,redete Polydor hierzu, daß ich dafür halte, |
367:10 | Herr Nicanor werde sich dienstlich darvor bedancken,und zweiffele ich sehr, ob er einen einigenGast bekommen würde, wenn er es gleich achtTage nach einander wolte ausruffen lassen.Die Schuld wäre niemand als meinen Gästen |
367:15 | selbst zuzuschreiben, antwortete Clarindo. Dennwolten sie es so gut haben, als ich, so würde siees nur drey Worte kosten, wenn sie gestünden, daßdie Belustigung der Sinnen auch ein Theil derGlückseligkeit des Menschen wären, und zwar |
367:20 | in sensu morali. Mich wundert sehr, daß derHerr Nicanor, der sonsten so ein guter Peripateticusist, zuvor solches geleugnet, da doch sonstendie Herrn Peripatetici auch in der Morale dreyclasses bonorum machen, honestorum, utilium |
367:25 | & jucundorum, auch darinnen einigsind, daß die bona jucunda zuweilen ad bonavera gerechnet werden können, und hätte er |
368 | dannenhero einen Unterscheid machen sollen untereiner gemeinen und unter der höchsten Glückseligkeit.Zu dieser kan die sinnliche Lust nichtgerechnet werden / aber deßwegen bleibt sie wohl |
368:5 | ein Stück der mittlern Glückseligkeit.Nun der Bruder gebe sich nur zufrieden,sagte Nicanor? ich will mit ihm speisen. Aber ersage mir doch, was hält er von der Vergleichung,die der Herr Tschirnhausen zwischen einen Tugendhafften |
368:10 | Leben und zwischen der Erforschungder Wahrheit anstellet, und diese für eine grössereGlückseligkeit des Menschen achtet, als jene.Hierwider, antwortete Clarindo wird der HerrBruder als ein Peripateticus mehr zu erinnern |
368:15 | haben, als ich. Ich will nur ein ander neu Buchreferiren und hoffe er soll zugleich daraus erkennen,was meine Meinung hierüber sey. Es heissetsolches la vanite des sciences ou reflexionsd' un Philosophe Chretien sur le Veritable |
368:20 | Bonheur und ist zu Amsterdam in diesen Jahrein groß 12mo heraus kommen. Der Innhaltdesselben bestehet in 2. Puncten. 1. Will der Autordarthun, daß es nicht alleine zugelassen sey,daß man sein Vermögen ehrlicher Weise unter die |
368:25 | Leute bringe und sich seinen Staat gemäß halte,sondern daß ein Mensch hierzu verbunden sey, undbesser thue, als wenn er sich kümmerlich behelffen, |
369 | und sein Reichthum unter die Armen austheilenwolte. 2. Untersucht er, ob die Wissenschafftenund das Studiren zu der wahren und höchstenGlückseligkeit des Menschen eigendlich gehören, |
369:5 | und bemühen sich zu beweisen, daß einMensch, der tugendhafft lebet, und nicht studirethat, ja so glücklich seyn könne, als der gelehrtesteMann. Was den ersten Punct betrifft, sofasset er die Ursache seines Satzes kurtz und bündig |
369:10 | zusammen, weil die menschliche Gesellschafftsonsten im geringsten nicht bestehen könntedenn wenn auff einmahl die gantze Welt auffhörensolte / so unzehlig viel Kauff= und Handwercks=Leute,die von denen Depensen derer |
369:15 | Reichen sich ernehren musten, Unterhalt zu verschaffen,und ihr Reichthum denen Armen zu geben,so würden die Armen alle auff einmahlreich werden, die Kauff= und Handels=Leuteaber betteln müssen. Denn man müsse |
369:20 | wohl betrachten, daß die Armen nicht alleinevon der Guthätigkeit anderer Leute lebeten,sondern alle diejenigen, die ihr Brod erwerbenmüsten. Dieses wären aber nicht alleine dieHandwercks=Leute und Tagelöhner, sondern |
369:25 | alle diejenigen, die nicht gnug Vermögen hätten,sich und ihre familie ohne fernern Erwerb |
370 | zu unterhalten, und auff diese Art wäre fast diegantze Welt arm, wannenhero man die Armenin zwey Classen eintheilen könnte, deren die einein dem Zustande wäre / andern Leuten wieder |
370:5 | Dienste zu leisten, die andere aber nicht. Dieseletzte nun müsten sich begnügen lassen, wenn sienothwendigen Unterhalt und Kleider kriegtenden übrigen Erwerb aber müsse man durchHandel und Wandel unter die Leute bringen, |
370:10 | die uns wieder Dienste leisten könten, weil dadurchdie gantze Welt erhalten würde, es wärewohl zu wünschen, daß wir in einen heiligenStand lebeten, worinnen wir die Liebe in höchstenGrad besessen und alle Güter gemein wären |
370:15 | aber weil dieses nicht wäre, und die Vanitätder Reichen zu Unterhalt der Armen höchstnöthigwäre, so solten die Priester solches wohlbetrachten, wenn sie auf denen Cantzeln öfftersden excess ihres Eiffers sich übernehmen liessen, |
370:20 | und auf Einstellung derer depensen ein wenigzu sehr drüngen. Man müsse aber derohalbennicht auf die andere extremität fallen undsich einbilden, als wenn man das seine liederlichund aus Hochmuth verschwenden dürffte, sondern |
370:25 | folgende Regeln beobachten, 1. Dasman zuforderst einen gewissen Antheil seines |
371 | Vermögens zu Austheilung unter die Armenanwenden solte 2. Daß man von dem übrigenmehr Ausgabe zu Ausbesserung des Verstandes,als zu Unterhalt des Leibes solte gebrauchen. |
371:5 | 3. Daß man sich in depensen, soman auff Speiß und Tranck, Hausrath,Kleidung, Gesinde und dergleichen wenden wolte,sehr in Acht nehmen müsse damit man solchesnicht aus Eitelkeit und Hoffarth thäte und |
371:10 | seine Lust und Wohlgefallen darinnen suchte, sondernaus Schuldigkeit und der Meinung, daßman der Obligation, die GOtt einen Menschenhiermit aufferleget, genüge leisten wolle. DieAnzeigungen dieses letzten Vorsatzes wären diese, |
371:15 | wenn man kein Verlangen trüge, mehr depensenauffzuwenden als das Vermögen zuliesse,und zufrieden wäre, wenn das Vermögenabnehme, daß man nicht mehr so grossenStaat führen könne, als zuvor, sondern betrachtete |
371:20 | diese Veränderung vielmehr als eine Befreyungvon einer überflüßigen und beschwerlichenLast, als einen Verdruß. Denn obgleichdas interesse des gemeinen Wesens erfordere,daß ein Fürst einen Fürstlichen Staat führe, |
371:25 | ein Edelmann einen adelichen, und ein Kauffmannnach seiner condition lebete, u.s.w. und |
372 | solchergestalt in Ansehen des gemeinen Wesenskeine depensen überflüßig wären, so wärensie doch wahrhafftig überflüßig in Ansehen dessen,der solche machte, und die anders meineten, |
372:5 | wären von der Paßion des gemeinen Pöbels eingenommen,als wenn die wahre Glückseligkeitin der Pracht und Herrlichkeit bestünde, an stattdaß man sie in dem innerlichen Vergnügen undRuhe des Gemüths suchen müsse. Die aber |
372:10 | dieses überlegten, daß sie GOtt bey ihrem Vermögennur zu Haußhältern gemacht hätte, würdenkein Verlangen tragen mehr Reichthum zubesitzen noch darinnen ihr Vergnügen suchen,sondern wenn sie in Sammet und Seide gehen |
372:15 | könten, hielten sie sich vor schuldig solches zu thun,wenn sie aber nur wollene Zeuge bezahlen könten,hielten sie sich vor beqvem und gut nur wollenezu tragen. Denn sonsten, wenn wir unsernReichthum nur für den geringsten Theil unserer |
372:20 | Glückseligkeit hielten, würden wir unsere vollkommeneGemüths=Ruhe nicht erhalten können.Dannenhero solten wir hierinne dem ExempelPauli Philipp.IV.10.11.12. nachfolgen. Diejenigen,so diese Lehre nicht gelernet hätten, wären |
372:25 | denen gleich, die nicht unter die Leute kommenwären oder gereiset hätten. Denn wenn |
372 | man denen vorsagen wolte, daß man einen Frauenzimmereinen Hut solle auffsetzen, daß manWein oder Aepffel unter die Milch mischen solte,würde ihnen solches lächerlich vorkommen. |
373:5 | Also auch, wenn man denen Leuten, die gewohnetwären, von Jugend auff sich von andern bedienenzu lassen, fürschwatzen wolte, daß sie anderndienen solten, würde ihnen solches sehrSpanisch vorkommen. Nichts desto weniger |
373:10 | wäre dieses nur eine blosse Unwissenheit,daß man in der geringsten condition nicht ebenso glücklich seyn könne, als in einer hohenJa es wäre eine gefährliche Unwissenheit, weilsich ein Mensch wegen derselben allezeit in einen |
373:15 | Stand sehe, daß er unglückselig werden könte,und wären solche Leute denen gleich, diezwar auff einen festen Ort sässen und eine wohlbesetzteTaffel für sich hätten, welche aber über denMeer an etlichen Pferde=Haaren hienge, und |
373:20 | wären etliche kleine Teuffelgen in der Lufft, dieimmer droheten, die Pferde=Haaren zu zerschneiden.Nach diesen beantwortet der Autor etlicheEinwürffe hierwieder 1. daß zwar die Arbeitgeringen Leuten nicht beschwerlich wäre, in Ansehung |
373:25 | der Gewohnheit, wenn aber vornehme |
373 | Leute von zarten Leibe harte Arbeit thun solten,würden sie solches unmöglich austauren können.Hier gestehet nun der Autor, und räumetein, daß er selbsten solche Leute für unglücklich |
374:5 | halten müste, wenn sie Taglöhner oder Trägerwerden solten, aber dergleichen Fall sey fast fürvornehme Leute, die ein wenig wohl erzogen,sondern wenn es hoch käme, so könte es geschehen,daß ein Cavallier, der sich einen Cammerdiener |
374:10 | hielte, selbsten ein Cammerdiener werdenmüste. Nun wäre aber eines CammerdienersVerrichtung so beschaffen, daß man dieselbe ohneVerdruß verrichten könte. 2. Schiene wohlungereimt zu seyn, daß der Autor fürgebe, man |
374:15 | müsse sich einbilden daß man seine Güter nichtwegen seines eigenen interesse sondern ausSchuldigkeit dispensirete, da doch ausgemachtwäre, daß wir deswegen auff der Carosseführen, daß es uns nicht beschwerlich fallen |
374:20 | solte zu Fuß zu gehen, daß wir uns deshalben bedienenliessen, damit wir desto besser unser Studirenund unsere Freunde abwarten könten. DiesenEinwurff beantwortet er sehr weitläufftig,und führet dabey gar herrlich aus, daß alle |
374:25 | Menschen ein natürlich Verlangen hätten,glücklich zu seyn, und daß sie dannenhero |
374 | nothwendig ein gleiches Vermögen hätten dieseGlückseligkeit zu erlangen, welche in nichtsanders bestünde, als in der Tugend, das ist,daß man seiner Pflicht beobachtete, und mit allen |
375:5 | Ständen, darein man von GOtt gesetzet würde,zufrieden wäre. Die Mittel aber hierzuzugelangen, wären nichts anders als der rechtmäßigeGebrauch seines Verstandes undseines Willens. Und ob man gleich hierwieder |
375:10 | einwenden wolte, daß dieses einemittelmäßige Glückseligkeit wäre, weil ein Tagelöhnersolcher eben so fähig wäre, als einvornehmer reicher oder gelehrter Mann, undman also die Ehre und viele Belustigungen, |
375:15 | derer ein Tagelöhner nicht fähig wäre, auchalle Gelehrsamkeit für nichts achten müsse, sokönne doch dieses alles gar leicht beantwortetwerden. Worauff er schöne Gedancken vonEhre und von dem rechten Gebrauch derer |
375:20 | sinnlichen Belustigungen angeführet, undconsilia gegeben, wie man es machen müsse,wenn man sich in denen zeitlichen Lüsten nicht zusehr vertieffen wolte, unter welchen auchdieses ist, daß ein Mensch sich dadurch vorsehen |
375:25 | könne, daß sein Gemüthe nicht an einer Sache |
376 | allzufeste klebete, wenn er seine Gedancken divertirte,daß er / so viel müglich wäre, in allen Sachenerfahren würde welches er mit gar artigenGleichnissen erkläret. Denn ein Mensch, |
376:5 | der stets hintern Ofen gesessen und dem alleswunderlich vorkömmt, was denen Gebräuchenseines Vaterlandes zuwider ist, benimmt sichdiesen Fehler, wenn er reiset und dadurch derSitten anderer Völcker gewohne wird. Also |
376:10 | auch wenn man die Ursachen und Auslegungenallerhand Secten in der Christenheit sichbekant machet, so gewehnet sich der Verstandzur Gedult und Einträchtigkeit, daß mannicht zu hitzig ist, die Leute, so einer andern Religion |
376:15 | ergeben sind, zu verdammen u.s.w. Endlichkömmt er auch auff die Gelehrsamkeit, alsden andern Haupt=Punct dieses Tractats, undwill zuförderst beweisen, daß zwar allerdings zuder höchsten Glückseligkeit eines Menschen gehöre, |
376:20 | so viel in seiner Wissenschafft zuzunehmen,als in seinen Vermögen ist, und seine condiitonzuläst aber daß auch ebenmäßig diejenigenso zum studiren ungeschickt seyn, nicht vor unglücklichzu halten wären, daß sie über ihr Vermögen |
376:25 | nichts wüsten welches letztere erdurch zwey Gründe beweiset. Denn erstlich |
377 | thut er dar daß wir nicht sollen unsere Glückseligkeitsuchen in einer ohnmöglichen Sache, dererUnmöglichkeit von einem Gesetze herrühretund theilet dannenhero die unmöglichen Dinge |
377:5 | ein in solche / die aus andern Ursachen über unserVermögen sind; als Kranckheiten und Verfolgungen/ welche etwas zu des MenschenGlück oder Unglück contribuirten, und in solche,die entweder aus Ordnung der Natur oder |
377:10 | ex dispositione legis unsern Willen entzogensind, welche unsere Glückseligkeit nichts angehen.Zum andern behauptet er, daß wenn wir auchgleich studiren könten, wir doch nicht Ursachehätten zu glauben, das von der Wissenschafft |
377:15 | einen Gelehrten ein so grosser Vortheil entstünde,daß sie Ursach hätten sich darüber zu bekümmern,wenn sie nichts verstünden. Diesesaber recht zu verstehen, giebt er zu, daß nothwendigGelehrte in der Welt seyn müsten, |
377:20 | durch welche andern Menschen die fundamenteder Sitten=Lehre, der Religion, der Erbarkeitund der Hoffnung eines andern Lebens beygebrachtwürden. Was aber eine Gelehrsamkeitwäre, die das obige überträffe, die machte die |
377:25 | Menschen nicht glücklicher, als andere, weder an |
378 | Leibe noch an Gemüthe. Denn was das Gemüthebeträffe, so wären zweyerley Glückseligkeiten,eine des Willens, welche in der Tugend undHoffnung eines andern Lebens bestünde, die andere |
378:5 | des Verstandes, wohin er alle scharffsinnigespeculationes referiret, und beweiset, daßdieselbigen weder die Tugend noch die Hoffnungangiengen, daß man die Tugend in ungelehrtenLeuten höher achtet, als in Gelehrten, und daß |
378:10 | die Vergnügung, so man aus dem Studirenempfinde mehr zu einer Belustigung des Leibesals zu einer wahrhafftigen Glückseligkeit desGemüths zu rechnen wäre, ja daß die Hoffnungzu einem künfftigen Leben bey denen Gelehrten |
378:15 | nicht stärcker als bey andern wäre. Er antworteteaber zugleich auff einen Einwurff underklärete sich, daß man aus seinen discoursnicht schliessen müsse, als wenn ein Gelehrter dasStudiren solle fahren lassen, daß er in der Tugend |
378:20 | und andern meriten möge vollkommener werden,sondern seine Meinung gienge nur dahin,daß das interesse unserer Glückseligkeituns nicht zu dem Studiren antreiben solle, sonderndaß die Gelehrten vielmehr in Ansehen ihrer |
378:25 | Pflicht und Vermöge des Standes, in welchensie von GOtt gesetzet worden, darzu verbunden |
379 | wären. Was nun ferner absonderlich dieGlückseligkeit des Verstandes und die Erforschungenneuer Wahrheiten anlanget, so betrachteter anfänglich wie wenig Gelehrte daran Antheil |
379:5 | hätten, und fürs andere, wie diese Glückseligkeitauch in denen Gelehrten sehr eingeschräncktund kaum der Mühe wert sey.Bey beyden Puncten hat er sehr gelehrte meditationes,indem er alle disciplinen und facultäten |
379:10 | derer menschlichen Wissenschafften durchgehet,auch dann und wann sinnreiche digressionesmit hinzugesetzet hat: als bey der Physichandelt er etwas weitläufftig von der soliditätder Cörper und deroselben Bewegung, indem er |
379:15 | nicht alleine hierüber seine Gedancken eröffnet,sondern auch wider die hypotheses der Cartesianergar subtil disputiret. Bey der Metaphysicbeklagt er, daß man so wenig von denenspeciebus derer Substantzen wisse, und noch |
379:20 | viel dunckeles in Erforschung derer causarumsecundarum verborgen wäre. Bey derTheologie aber bejammert er die unfertigenStreithändel und das unnöthige Gezäncke, sodie Theologi unter einander angefangen. |
379:25 | und bekennet rund und frey heraus, daß ob er |
380 | gleich bißhero fleißig in der heiligen Schrifft,studiret habe, er dennoch bißher wegen keinerandern Sache sich glücklich schätzen könne, alsdaß er erkennete, er sey nicht gelehrter als der |
380:5 | einfältigste Christ, und daß der heilige Geistkeinen Vorsatz gehabt habe uns zu grossen Philosophisdurch die heilige Schrifft zu machen,oder uns solche Sachen vorzulegen, die einigund allein in der speculation bestünden, sondern |
380:10 | uns hauptsächlich zu lehren, wie wir gottselig lebensolten, und uns zu der künfftigen Glückseligkeitdurch den Weg eines heiligen Wandelszu führen; daß die heiligen Männer niemahlsin Willens gehabt uns unbegreiffliche mysteria |
380:15 | zu lehren, sondern im Gegentheil hätten siesich in denen Glaubens=Sachen dener conceptenderer gemeinen Leute accommodiret, undsich nicht bemühet ihnen genauere Nachricht davonzu geben, wenn es nicht zu Erbauung des |
380:20 | Lebens nöthig gewesen; daß ihre Redens=Arten,woraus man sich hernach unbegreiffliche mysteriaeingebildet, nichts anders seyn, als figurlicheund gemeine Redens=Arten, die sich entwedernach unserm heutigen stylo accommodiren |
380:25 | lassen, oder sich auff den schicken, der zu ihren Zeitengebräuchlich ware; und endlich, daß GOtt |
381 | die heilige Schrifft dem menschlichen Geschlechtaus zweyerley Ursachen gegeben habe, erstlichdadurch das natürliche Licht der Sitten=Lehre undder Religion, welche entweder die Natur oder |
381:5 | die Göttliche Offenbahrung dem Menschen eingepflantzet,zu erwecken und zu erhalten, auch solchezu bekräfftigen und zu erklären; zum andernaber, den Verstand derer Ungelehrten dadurchzu erleuchten, daß sie ohne grosse Mühe in diesem |
381:10 | Stück viel gelehrter würden als die Gelehrten, sodieses Licht der H. Schrifft nicht hätten. Ausdiesen allen nun schliesset der Autor, daß manunter zweyen extremitäten das Mittel treffenmüsse, und davor halten, daß zwar das Studiren |
381:15 | eine solche Lebens=Art sey, in welcher man dieehrlichste, tauerhafftigste und ruhigste Vergnügungfinden könte; aber nichts desto minderdürffte man sich doch derowegen nicht einbilden,daß andere Stände nicht auch ihre Belustigungen |
381:20 | hätten, die dem Studiren ihres Werthshalber nichts nachgeben, und beschliesset hiermitden discours mit einer deutlichen recapitulationund Beschreibung der wahren menschlichenGlückseligkeit. Endlich setzet er zu denen |
381:25 | oben erzehlten 3. Regeln. Die man in denen |
382 | täglichen Ausgaben beobachten solte, noch 3.andere. 4. Daß man allezeit im Handel undWandel bedencken solle, daß man die Ausgabendes gemeinen bestens halber thun, und also denen |
382:5 | Kauff= und Handwercks=Leuten für ihre Waareund Arbeit so viel geben müsse, daß sie dabey ihreNahrung finden könten. 5. Daß man seineAusgaben nicht zur vanität und Pralerey anwendesondern daß man 6. in Kleidung Haußrath |
382:10 | und dergleichen sich nach demjenigen richte,und bey denen klügsten und geschicktesten von unsernAlter und qualität im Gebrauch ist.Ich habe mich in Erzehlung dieses Büchleinsetwas weitläufftig auffgehalten, weil mir |
382:15 | dasselbe so wohl gefallen, daß ich es mit grosserBegierde emsig durchgelesen. Ich mache michzwar seiner Meinung, die er von dem Nutzenund Zweck der heiligen Schrifft hat, nicht theilhafftig,aber in dem, was er aus der Vernunfft |
382:20 | raisoniret, ist er mir so artig, deutlich und vernünfftigvorgekommen, daß ich niemahls mit grössererLust die quæstion de summo bono gehöretoder gelesen. Sein stylus ist nette unddeutlich, die Ordnung juste und leichte, dergestalt, |
382:25 | daß nicht allein ein Gelehrter er mag voneiner Secte seyn, wie er will, seine Meinung gar |
383 | wohl und ohne Mühe begreiffen, sondern auch einFrauenzimmer, das nicht studiret hat, und nurdie Frantzösische Sprache verstehet, dieseSchrifft mit guten Nutzen lesen kan. Denn er |
383:5 | braucht in dem gantzen Werck keine Schul terminos,sondern entweder gemeine Redens=Arten,oder setzet allezeit eine deutliche Beschreibungdarzu, wenn er ein Wort in einem sonderlichenGebrauch anführet. Und zu dem Ende |
383:10 | hat er auch selbst dieses Buch in Form einerEpistel an galantes Frauenzimmer eingerichtet,und seine Meinung bloß aus der gesundenVernunfft, nicht aber aus denen Lehr=Sätzenderer alten Heydnischen Philosophen dargethan |
383:15 | und behauptet. Wannenhero er desto mehrden Nahmen und Titul eines Christlichen Philosophi,den er sich selbst giebet, meritiret, alswenn er denselbigen wegen eines Mischmaschesder Philosophie und Theologie, oder aus einer |
383:20 | heuchlerischen Einbildung, seine Widersacherdamit zu erschrecken und fürchtend zu machen,sich zugeeignet hätte. Ich falle dannenhero derMeinung, die der Autor vertheidiget, daß dieGelehrsamkeit für die höchste Glückseligkeit nicht |
383:25 | zu achten sey, so lange bey, biß der Herr Tschirnhausendie Ursachen, die dieser Autor angeführetmit Nachdruck widerleget, oder die Tugend |
384 | mit gegründeter Ursachen und die einem Gelehrtenmehr satisfaction geben, antastet. Aberder Herr Nicanor wird zweiffels ohne in diesemStück mehr wider den Herrn Tschirnhausen zu |
384:5 | sagen haben, als ich. Ich bin zu wenig, antworteteNicanor, von so einen vornehmen Mann zuurtheilen, jedoch habe ich einen guten Freund gebetenmir einen extract von des Herrn Tschirnhausensseiner gantzen Medicina mentis zu machen |
384:10 | und seine Meinung hierüber zu eröffnen, zumahlenIhre Excellence mir neulich erwehnet,daß sie dergleichen extract verlangeten.Der Herr Bruder hätte mit dem extractseinem guten Freunde keine Mühe machen dürfen, |
384:15 | begegnete Clarindo, weil sowohl der HerrBayle als die Collectores der BibliotheqveUniverselle, und die Societät zu Leipzig diesesallbereit verrichtet. Es wird nicht viel verschlagen,sagte Nicanor. Die Frantzösischen extracte |
384:20 | habe ich nicht gelesen, und wegen dererActorum Eruditorum wird der Herr Bruderirrig seyn, daß in denenselben besagtes Buchsolle extrahiret seyn worden. Ich bin nichtirrig, widerredete Clarindo, sondern weiß es |
384:25 | gar eigendlich, und will mit dem Bruder darumwetten. Es sey drum, versetzte Nicanor, ich wette,und zwar um eine galanterie für ein halb |
385 | Dutzend Thaler, wenn es ihm beliebig. Als nunClarindo auch hiermit zufrieden, und Polydorcurieus war zu wissen, wer die Wette gewinnenwürde, ließ er durch seinen Diener die Acta |
385:5 | Eruditorum voriges Jahrs hohlen, und suchteselber im Indice nach. Nachdem er auch daselbstdas besagte Buch angetroffen, wendete ersich zu dem Nicanor und sagte. Der Herr sucheimmer sein halb Dutzt Thaler zu rechte. Eure |
385:10 | Excellence seyn nur so gnädig, antwortete dieser,und geruhen, die excerpta selbst anzusehen:Polydor thate solches, und suchte sie im MonatDecember auff. Als er aber dieselben gelesen,schüttelte er den Kopff, und überreichte die Acta |
385:15 | dem Clarindo sprechende; Ich weiß nicht. DerHerr sehe selbst, ob er die Wette gewonnen odernicht? Clarindo war nicht allerdings mit zufrieden und sagte aus Verdruß. Was ist denndas für eine neue invention, den Titul eines |
385:20 | Buchs hinzusetzen und nur zu sagen, daß mansolches ein andermahl excerpiren wolle? Siehetder Herr Bruder nicht, antwortete Nicanor,daß die Herren Collectores selbsten die Ursacheangeführet, daß sie solches zu dem Ende gethan, |
385:25 | damit man es ihnen nicht übel ausdeutenmöchte, als wenn sie ein solch gelehrtes Werckmit Fleiß ausgelassen hätten. Ich sehe solches |
386 | ja wohl, antwortete Clarindo etwas ungedultig;Aber lassen sie denn sonsten niemahls gelehrteBücher mit Fleiß aussen? Als der Herr Bruderwohl siehet, ware Nicanors Antwort. Zu |
386:5 | dem haben sie, andere Ursachen zu geschweigen,die officia humanitatis und leges gratitudinisin acht nehmen, und dem Herrn Tschirnhausenwegen des Compliments, daß er ihnen inmedicina mentis gemacht, nichts schuldig |
386:10 | bleiben wollen. Aber dem sey, wie ihm wolle,es ist genug, daß der Herr Bruder die Wetteverspielet. Es ist noch nicht an dem, sagte Clarindo,denn ich habe gewettet, daß die Medicinamentis in denen Actis stehe. Der Herr gebe sich |
386:15 | immer geduldig drein, redete Polydor hierzu,denn die Wette war darüber, ob der extract ausdiesem Buche in denen Actis stehe oder nicht?der Herr Nicanor aber sende mir die Antwortseines guten Freundes zu, so bald er solche überkömmt |
386:20 | Ich habe dieselbe allbereit bey der Hand,sprach Nicanor, und bin bereit solche jetzo her zulesen, so es Eurer Excellence Beliebung ist, undfieng darauff folgender gestalt an:P. P. Die übersendete Medicinam mentis sive |
386:25 | tentamen genuinæ Logicæ, in qua disseriturde methodo detegendi incognitas veritates |
387 | habe ich angefangen mit Fleiß zu durchlesen, undbestehet dieselbige aus drey Theilen. In demersten erzehlet der Herr Autor, durch was füreine Gelegenheit er auff die Spur kommen, |
387:5 | daß er die Erforschung der Wahrheit durchuns selbst für die höchste Glückseligkeit zu haltenangefangen. In dem andern bemüheter sich allgemeine Regeln zu gebenvermittelst welcher man allerhand Arten neuer |
387:10 | Wahrheiten entdecken könne, und indem letzten untersucht er, in welcher disciplinman seine größte Lust und Vergnügen durchErforschung neuer Wahrheiten, finden könne.Bey dem ersten Theile erzehlet er daß |
387:15 | als er zu seinen Jahren kommen, und bey sichwohl überleget habe, durch was Mittel er aufden rechten Lebens=Weg gebracht wordensey, habe er befunden, daß es daherokommen sey, weil er von Jugend auff keine |
387:20 | inclination bey sich befunden, jedermanngutes zu thun und niemand zu Schaden(2) daß er allezeit begierig gewesen sey etwasneues und curieuses zu lernen, und (3) daß erjederzeit ein Verlangen gehabt sein Leben glücklich |
387:25 | zu vollführen, vermittelst des ersten habeer bald gelernet Tugendhaffte Leute von bösen |
388 | zu unterscheiden, weil jene mehrentheils andernzu Schaden und solche zu verunglimpffen,diese aber denenselben gutes zu thun suchen,aber dadurch habe er doch noch nicht die |
388:5 | Wahrheit erforschen können, weil öfters guteund fromme Leute einfältigen Meinungenbeygethan wären. Dannenhero habe er durchdie andere Begierde angetrieben sich bemühet,mit denen gelehrtesten Leuten sowohl voriger, |
388:10 | als unserer Zeiten in Bekanntschafft zu gerathenund derer Schrifften zu lesen. Wordurch eres dahin gebracht, daß er nicht leichte desrechten Wegs verfehlet. Nichts destowenigerhabe er durch diese Begierde zwar vielfältige |
388:15 | Wissenschafft erlanget, was andere gelehrtevon diesem oder jenem hielten, sey aber dennocheben hiermit gehindert worden etwas selbstenanzugreiffen, oder derer vorigen Gelehrten ihrekluge Erfindung ferner zu befördern. |
388:20 | Derohalben habe er durch sein drittes Verlangenangespornet, sich beflissen zu Beförderungseiner eigenen Glückseligkeit mehr seinereigenen inclination, als anderer ihren Anführungenzu folgen. Denn ob ihn gleich hiervon |
388:25 | so vieler Gelehrten unterschiedene Meinungenhatten billich abschrecken sollen, so |
389 | habe er doch durch fleißiges Nachsinnen so vielbefunden, daß ein ieder Mensch am allerbestenbey sich selbst abnehmen könnte, was ihmnützlich oder schädlich sey, leichte oder sauer ankäme, |
389:5 | Freude oder Traurigkeit bey ihm erwecke, undsolches viel besser wisse, als alle andere, wenn esauch die gelehrtesten Leute wären, denn es wisseein jeder zum Exempel selbst am besten, welcheSpeise ihm wohlschmecke oder nicht, andere mögen |
389:10 | davon halten was sie wolten. Daß solchergestalt,ob es gleich nicht zu bewundern sey, daß dieMenschen de Vero & Falso unter einander disputirten,so wäre es doch sehr wunderlich, daß siesich sehr offte zanckten über solche Sachen, die |
389:15 | ihnen nützlich oder schädlich wären, da doch beydiesem Punct am sichersten wäre, wenn ein iederseinem eigenen Gewissen folgte. Also habe er nunnachgedacht, was ihm bißher am nützlichsten undleichtesten gewesen, und habe aus obigen principio |
389:20 | in dessen Entdeckung nicht irren können.Massen er denn erstlich befunden, daß der Glückseligkeitdes Menschlichen Lebens nicht mehr zuwidersey, als die Affecten und Gemüths=Bewegungen;im Gegentheil aber zum andern nichts |
389:25 | mehr nothwendig sey unsere Glückseligkeit zu vermehrenals unerkannte Wahrheiten zu erforschen; |
390 | worzu aber drittens ein gesunder Leib und ein Lebenohne Sorge erfordert werde. Jedoch habe ersich hiebey gehütet, daß er nicht dafür gehalten, daßes andern auch nothwendig so scheinen müsse, was |
390:5 | ihm also gedüncket, sondern vielmehr dafür gehalten,das, was ihme leicht ankäme, andern beschwerlichseyn könne, was ihm angenehm wäre andernverdrießlich sey, was ihm gut vorkomme, andernvielleicht böse zu seyn schiene. Hiernechst müsse |
390:10 | man sich auch hüten, daß man aus demjenigen,was man selbst versucht, nicht auf das schliesse, wasman nicht erfahren habe, und weil man davor halte,daß eine Sache anmuthig, gut und nützlich sey,müsse man sich deßhalben nicht einbilden, daß |
390:15 | andere Sachen, so man nicht versucht nicht anmuthiger,besser und nützlicher seyn könten. Damiter nun wider diese Anmerckungen nicht selbstanstossen möge, als wenn er eine eingebildeteGlückseligkeit andern Leuten, als eine allgemeine |
390:20 | obtrudiren wolte, so wolle er darthun, daß derWeg, den er für denjenigen so zu der höchstenGlückseligkeit führet, ausgiebet, auch andern dienlichsey, und wolte solches allezeit mit unläugbarenErfahrungen bekräfftigen. Hierauf fänget er |
390:25 | an wider die Belustigung der Sinnen, sodann |
391 | wieder ein Tugendhafftes Leben zu disputiren, daßdarinnen die höchste Glückseligkeit nicht bestehenkönne, und schliesset endlich mit vielen Gründen,daß die Erforschung neuer Wahrheiten einen |
391:5 | Menschen am allerglückseligsten mache.In dem andern Theil fänget er an etwasvon der Kunst neue Wahrheit zu erforscheninsgemein zu discouriren, und zwar anfänglichvon dererselben Vortreflichkeit. Worbey er |
391:10 | anführet, daß, weil GOtt alles, was wahr ist,von Ewigkeit her gewust habe, wir durch dieseKunst und Wissenschafft gleichsam mit GOtt redeten,und hierdurch auff gewisse Masse GOttesGemüthe erkenneten. Ja es verwandele und erhebe |
391:15 | diese Wissenschafft unsere Natur gleichsamüber die Menschheit, und bringe dieselbe dahin,daß sie nicht wenig von der göttlichen Natur zuparticipiren scheine. Denn wodurch könten wirsonst GOtt mehr und mehr ähnlich werden, als |
391:20 | wenn wir unsere Natur dahin brächten, daß es inunsern freyen Willen stünde, wenn und wie wirwolten ohne Zweiffel und Arbeit, mit einer gewissenund beständigen methode, verborgeneSachen ohne Irrthum allezeit entdecken? Was |
391:25 | könten wir für eine vortreffliche Krafft in demMenschen, für einen bessern Willen oder höhern |
392 | Verstand uns einbilden? Wie könten wirdas Ebenbild GOttes besser und vollkommenerausdrücken? Also sey nichts, was die MenschlicheNatur vermittelst des natürlichen Lichts zu einer |
392:5 | grössern Vollkommenheit bringen könte, unddieses wäre der höchste Grad, zu welchen vermittelstdes Verstandes ein Mensch, ja gar auch eine iedeCreatur gelangen könte, denn man könne sichnichts vortreflichers einbilden, als daß man vermittelst |
392:10 | der Wahrheit mit GOtt als den vollkommenstenWesen vereiniget werde u.s.w. Nach diesenerinnert er daß man durch die Kunst, dieWahrheit zu erforschen, nicht etwan die gemeinePhilosophie verstehen müsse, und sagt seine |
392:15 | Meinung gar offenhertzig, was von der Logica,Rhetorica, Metaphysica, Physica, wiesie ingemein auf Academien gelehret werden, sowohlauch von denen disputationibus undBüchern, so daselbst in diesen Wissenschafften |
392:20 | heraus kommen, zu halten seyn: welches wohlwürdig wäre, daß man es an statt einer EpistolæCommendatoriæ zu dergleichen Werckgenvoran drückte. Ferner handelt er von derBeschwerlichkeit hinter diese Kunst zu kommen, |
392:25 | weil die Gelehrtesten hierinnen so uneinig wären.Er habe sich aber solche dennoch nicht abschrecken |
393 | lassen, und weil er selbst erfahren, daß dieMathematici in ihrer Wissenschafft alle Streit=Händelgeschwinde endigen könten, und über diesesgehöret, daß sie alleine einen solchen methodum |
393:5 | hätten durch welchen sie die verborgeneWahrheiten entdecken könten; als habe er Verlangengetragen, denselbigen zu lernen und ihn in derAlgebrâ gefunden weil er aber anfänglich nichtgewust hätte, ob derselbe auch in andern disciplinen |
393:10 | möge angehen, habe er so lange speculiretund die Sache überleget, biß er befunden habe,daß man auf einerley Weise in andern disciplinen,wie in der Mathesi, hinter die verborgeneWahrheit gelangen könte. Hierauff theilet er diesen |
393:15 | andern Theil in drey Stück ein, und versprichtin dem ersten von den Grund= und Probier=Stein,krafft welches man, was wahr oderfalsch sey, erkennen und beydes von einander entscheidenkönne, zu handeln; in dem andern |
393:20 | aber zu weisen, wie man stetig in Erforschungneuer Wahrheiten fortfahren könne, und indem dritten, wie solches mit leichter Mühe zuwegezu bringen sey. Bey dem ersten præsupponireter zuerst als ein postulatum, das man in |
393:25 | examinirung seiner Sätze seinem eigenen besseren |
394 | Wissen nicht halsstarrig contradiciren müsse.Nach diesem setzt er für gewiß, daß so gewißein Mensch bey sich selbst empfinde, was ihmewohl oder übel thue, so gewiß könne er auch das |
394:5 | wahre von dem falschen bey sich selbst viel besser alsvermittelst anderer Hülffe erkennen, denen zumExempel so wisse ein iedweder, daß es falsch sey,daß das gantze kleiner sey / als ein Stücke, daß ineinen Circel die radii ungleich seyn, daß ein Cörper |
394:10 | ohne der Antreibung eines andern Cörpers bewegetwerde, und dieses zwar aus keiner andernUrsache, als weil wir solche Sachen ohnmöglichbegreiffen könten. Hieraus schliesset er, daß keinebessere Anzeigung der Unwahrheit, als ietzt |
394:15 | gedachte Ursache könne gefunden werden. Hingegenwisse ein jedweder, daß das Gegentheilietzo angeführter Sätze wahr sey, und das auskeiner andern Ursache, als weil man dieselbigeabsoluter Weise auff solche Art begreiffen könne: |
394:20 | daraus folge hinwiederum, daß diese Ursachedie Anzeigung der Wahrheit sey. Undalso bestehe die Unwahrheit in demjenigen,was wir nicht mit unserm Verstande begreiffenkönnen. Woraus abermahl folge, daß |
394:25 | wir die Richtschnur der Wahrheit bey unsselbst suchen müssen: Ja es folge hieraus, |
395 | daß kein ander primum principium cognoscendi,als dieses sey: Daß wir etliche Sachenmit unserm Verstande begreiffen, etliche abernicht begreiffen können. Es sey auch kein |
395:5 | anderer Unterscheid inter ens & non ens jadas gemeine primum principium: Impossibileest idem esse & non esse müsse aus diesenbewiesen werden. Und dieses spricht er, würdenalle Menschen, gelehrte und ungelehrte, ja |
395:10 | auch die Sceptici selbst zugeben müssen, undwenn sie gleich solches läugnen wolten, wolte ersie nur auff die angeführten deutlichen Exempelweisen. Die andern aber, die ein anderprincipium pro primo ausgeben wolten, getrauet |
395:15 | er sich gar leicht zu widerlegen. Denn,sagt er, sie werden ohne Zweiffel ihre Meinungvor wahrhafftig ausgeben; woher wissensie aber solches? Ohne Zweiffel aus keiner andernUrsache, als weil sie ihre Meinung, die andere aber |
395:20 | keineswegs begreiffen können. Also hält er nundafür, daß dieses principium zwar jedermänniglichbißhero bekannt gewesen sey, obgleich seinesWissens, es noch von niemand dafür sey ausgegebenworden: daß nemlich dieses principium einig |
395:25 | und allein, und kein anders das criterium veritatis& falsitatis sey; ja er sey in seinem Gewissen |
396 | dessen so versichert, daß wenn ihm auchdie gantze Welt hierinnen unverschämterWeise widersprechen würde, so würde siedoch das geringste nicht dißfalls wider ihn |
396:5 | ausrichten. Ob nun aber wohl beydes gleichgewiß sey, daß wir etwas begreiffen und etwasnicht begreiffen können, so wäre doch das eine nichtso deutlich, als das andere. Denn dieses wäre vieldeutlicher, daß wir etwas gantz nicht begreiffen |
396:10 | könten, als daß wir etwas begreiffen könten. Undum dieser Ursachen willen wären auch keine stärckerendemonstrationes, als die ad absurdumführeten, wiewohl die demonstrationes ostensivæangenehmer wären, weil es die Menschen |
396:15 | mehr belustigte, daß sie etwas begreiffen, als daß sieselbiges nicht begreiffen könten. Dieses aber besserzu verstehen, müste man wohl mercken, daß derMensch zwey facultates cognoscendi habe, denVerstand (intellectum) und die Einbildung, |
396:20 | (Imaginationem.) Jener begreiffe (concipire)etwas. Diese empfinde (percipire)etwas. Was der Verstand begreiffe, kämegleichsam vom dem Menschen selbst her, wasdie Einbildung empfinde, würde sowohl von denen |
396:25 | euserlichen, als innerlichen Sinnen fürgebracht.Die Begreiffung wäre eine Action |
397 | des Menschen, durch die Empfindung aber litteder Mensch etwas. Nun könte ich zwar sosagen, daß ich alles das, was ich nicht verstände,mir auch nicht einbilden könte, denn es könte sich |
397:5 | kein Mensch einbilden, daß das gantze kleinersey, als ein Stücke davon, aber ich könte im Gegentheilnicht sagen, daß ich alles das, was ich mireinbildete begreiffen könte. Denn etliches könteich mir wohl einbilden, zum Exempel die rothe |
397:10 | Farbe, die Empfindlichkeit des Schmertzensaber ich hätte keinen Verstand davon. Daherkomme es nun, daß uns die demonstration perimpossibile viel deutlicher vorkomme, weil wirdas, was wir nicht verstehen, uns auch nicht einbilden |
397:15 | könten. Hingegen, wenn man sage, daßwir etwas verstünden, müsten wir uns wohl befleißigen,daß wir den Verstand und die Einbildungnicht mit einander vermischten. Dannenhero müsse man sich beyzeiten angewöhnen |
397:20 | den Verstand und die Einbildung wohl von einanderzu entscheiden worzu niemand geschickterwären, als die Mathematici, indem diesetäglich damit umgiengen. Damit aber auchdießfalls der Autor denen, so keine Mathematici |
397:25 | seyn, unter die Arme greiffe, schlägt er ein criteriumvor, Krafft welches man ohnfehlbar gewiß |
398 | seyn könne / welche Sache man begrieffen,und welche man sich nur eingebildet hätte.Denn sagt er, es ist gewiß, daß die Menschendurchgehends einen gleichen Verstand haben. |
398:5 | Dannenhero wenn es wahr ist, daß mein Verstandetwas begreiffet, muß ich nothwendig zuwege bringen können, daß es ein anderer ja sowohl begreiffe als ich. Anders Theils aber wäredie Einbildungs=Krafft bey denen Menschen |
398:10 | ungleich, woraus folge, daß wir nicht allemahlunsere Einbildungen andern beybringen könten.Als zum Exempel, wenn man einen Blinden,noch so viel von der rothen Farbe hersagte, würdeer doch sich davon nichts einbilden können. |
398:15 | Solcher Gestalt sey nun diese Regel gantz unfehlbahr,daß ein Mensch dasjenige mit seinemVerstand begreiffe, was er einem andern mitblossen Worten wiederum beybringen kan, undwas er auf diese Art einen andern nicht kan |
398:20 | beybringen, das bildet er sich nur ein. Ja wenner von einer Sache nur etwas mit Worten wiederbeybringen könte, etwas aber nicht, so versteheer dieselbe Sache nur halb, und bilde sich solchehalb ein. Zum Exempel wenn ich eine machinam |
398:25 | valde etiam compositam nur rechtbegriffen habe, so werde ich dieselbe schon einen |
399 | andern wieder beybringen können. Alsowenn in einem einigen Lande der Gebrauch desFeuers bekannt wäre, und ich käme aus derselbigenin ein anders, da die Leute nichts davon |
399:5 | wüsten, und wolte ihnen die Natur des Feuers,die Eigenschafften und Würckungen beschreibenund wie man solches aus Steinen und andernSachen heraus locken könte, so könte ich ihnennichts anders sagen, als daß das Feuer ein |
399:10 | ausgedehntes Wesen wäre, daß sich auff unterschiedeneArt bewegte, bald groß bald klein wäreund unterschiedene Figuren annehme, daß manes gantz von einem Ort zum andern tragen könneu.s.w. Denn alle diese Eigenschafften des Feuers |
399:15 | begreiffe ich. Wenn ich ihnen aber vorsagenwolte, wie es zuwege brächte, daß man durchdasselbige an einem duncklen Orte alles sehen könte,wie es unsere verstarrete Glieder erwärmete,wie es viel Sachen verzehrete, wie es uns |
399:20 | grossen Schmerzen verursachte, wenn es unszu nahe käme, wie man es geschwinde auslöschenkönte, so würde ich von diesen allen denenLeuten, die solches niemahl gesehen, nichts beybringenkönnen. Weil ich mir dieses alles nur |
399:25 | einbildete, und auf diese Weise hätten wir fastkeine Wissenschafft vom Klange, von denen |
400 | Farben, von der Lufft, vom Wasser, von Metallen,ja wir wüsten nicht ob iemand lache,oder weine, oder niese, oder wie wir unsereZunge, Hände und andere Gliedmassen bewegten |
400:5 | u.s.w. Dannenhero müsse sich ein weiserMann wohl hüten, daß er den Verstand unddie Einbildung mit dem gemeinen Mann nichtunter einander vermische. Denn der natürlicheMensch, nehmlich der so beschaffen sey, |
400:10 | wie wir alle von Natur sind, bediene sich derEinbildung, folge derselben und erlangedurch die Sinne unzehlig viel præjudicia seufalsa, erhalte dieseselben vermittelst der Phantasieund lasse sich von seinen affecten regieren; |
400:15 | der vernünfftige Mensch aber werdenicht gebohren, sondern werde vermittelstdes Verstandes und der wahren Philosophiefertig gemacht, und habe seine præjudiciaso ausgebessert, daß er gleichsam einen |
400:20 | neuen Menschen angezogen habe. Endlich sobringe der Nutzen dieses principii (daß einMensch etwas begreiffen könne, etwas aber nicht,und daß jenes wahr, dieses aber falsch sey) einenherrlichen Nutzen, weil man dadurch gar leichte |
400:25 | alle Zanck=Händel und Disputationes der Gelehrtenüber einen Hauffen stossen könte, denn |
401 | wenn zwey Gelehrte mit einander disputirten undeiner könte den andern seine Meinung mit deutlichenWorten nicht beybringen, so wäre es ein Anzeigen,daß solche nicht wahr wäre, sondern, daß |
401:5 | er dieselbe sich nur eingebildet habe, und also hätteder disputat ein Ende.Es antwortet aber auch der Herr Autornach diesem unterschiedenen Einwürffen, dieman wider seine Lehre machen könte. Denn |
401:10 | {I.} könte man vorgeben daß dieses principium,wenn es gleich gewiß wäre, doch keinenNutzen in Erforschung der Wahrheit bringenwerde, weil alles, was man daraus schliessenkönte, vielleicht nur in unserm concept wahr |
401:15 | wäre, aber an und vor sich selbst sich wohl nichtalso verhielte, sondern vielmehr falsch wäre.Hierauf antwortet er 1. daß dieses ihm nichtzuwider sey. Denn wenn gleich nach dereralten Scepticorum Meinung uns alles nur |
401:20 | zu seyn scheine, was nicht wäre, so müsten dochdie Leute gestehen, daß unter denen apparentienuns etliche beständig und unverändertvorkämen, etliche aber veränderlich wären.Und also wäre es doch nützlich, wenn man |
401:25 | philosophirte, daß man die beständigen Apparentienvon denen Unbeständigen entscheidete. |
402 | 2. So gehöre hieher noch nicht, zu beweisen,daß das, was unser Verstand für wahrhält, mit derer Sachen wahren Beschaffenheitübereinkomme; es werde solches zu seiner |
402:5 | Zeit schon geschehen, ietzo sey es genug, daß desAutoris principium im philosophiren einengrossen Nutzen schaffe, {II.} könte angeführetwerden, es sey nicht gläublich, daß dieses derwahre Grund sey hinter die Wahrheit zu kommen, |
402:10 | denn sonst würden so viel wackere, klugeund gelehrte Leute nicht so handgreifliche Irrthümerbegangen haben, da sie doch Zweiffelsohne ihre Meinung gar wohl begriffen undverstanden hätten. Aber darauff antwortet |
402:15 | er 1. daß man viel Sachen für absurd undirrig hielte, welche nichts weniger wären, welchessowohl denen Lesenden, als manchmahl denenScribenten selbst zu zu schreiben wäre. Dannenheromuste man vielmehr glauben, daß solcher |
402:20 | Leute ihre Meinungen nicht absurd wären.2. Zumahl, wenn solche von verständigenwackern Leuten, die jedermann vor klug undgelehrt gehalten, wären verthädiget worden,diese auch ihre Anfänger und sectatores bekommen |
402:25 | hätten. da aber gleich 3. solchegelehrte Leute Fehler begangen hätten, so wäre |
403 | die Haupt=Ursache hiervon diese gewesen, daßsie den Verstand mit der Einbildung vermischthätten. Da sie doch hätten bedenckensollen, daß der Verstand in uns Menschen |
403:5 | tanquam in mente infinita seu DEo sey, deralso ohnmöglich irren könte, die Einbildungaber wäre bey uns wie in allen andern Creaturisseu mentibus finitis und litte von denenSachen, die ausser uns, wären, seine |
403:10 | impressiones. {III.} Ob man auch ferner sagenwolte, es wäre unzehlich viel Sachen, die dermenschliche Verstand nicht begreiffen könte, welchedoch nicht falsch, sondern gantz gewiß wären,sowohl natürliche Dinge (als die unzehlbare |
403:15 | Menge der Sternen u. s. w.) als auch übernatürliche, (als so viel Christliche Glaubens=Artickel;)so sey doch wohl zu mercken, daßwenn der Autor gesagt habe, daß etliche Sachennicht könten begriffen werden, und daß |
403:20 | dannenhero dieselben falsch wären, er diesesalso habe verstehen wollen, daß, wenn etlicheSachen, (das ist solche, die mannicht begreiffen kan) nicht begriffen werdenkönten (daß ist nicht zusammen gesetzt werden |
403:25 | könten) so wären sie falsch. Hieraus folgenun 1. wenn etliche Sachen nicht auff obige |
404 | Art von uns begriffen werden könten, so wärensie nach seiner Meinung nicht falsch, sondernunerkannt. 2. Daß alle Sachen, die wirdurch Göttliche Offenbahrung gewiß wüsten, |
404:5 | von unserm Verstande nicht begriffen werdenkönten. Nun sey aber nach seiner Meinung nurin des Menschen Vermögen von denen Sachen,die man begreiffen könte, zu urtheilen,was wir von denenselben begreiffen, und was |
404:10 | wir von ihnen zusammen setzen könten odernicht. Aber das könten wir gar nicht wissen,von welchen wir gantz keinen concept formirenkönten, ob wir es zusammen setzen köntenoder nicht, und folglich wären auch diese Sachen |
404:15 | nicht falsch, sondern nur unbegreifflich. Undkönne gar wohl seyn, daß es viel Sachen wären,die gantz gewiß wären, ob man sie gleichvermittelst des Verstandes alleine nicht begreiffenkönte, ob sie wahr oder falsch wären. Hierzu |
404:20 | käme, daß die Sachen, die uns von GOTToffenbahret wurden, der alleine keinen Irrthumunterworffen wäre, für die allergewissestengehalten werden müsten. 3. So müste seinprincipium von conceptibus simplicibus |
404:25 | oder doch von solchen compositis, die in simplicesfinitas resolviret werden könnten, verstandenwerden, weil man diese examiniren |
405 | könte, ob sie könten begriffen werden oder nicht.Wenn aber ein concept aus unzehlich=andernzusammen gesetzt wäre, wie die Zahl der Sternen,so könte dasselbige von keinem endlichen Verstand |
405:5 | begriffen werden / sondern es gehöre ein unendlicherVerstand darzu. Endlich {IV.} würdeman zwar vorwenden / daß von andern Philosophisallbereit bessere und zulänglichere principiaerfunden wären die Wahrheit zu erforschen; |
405:10 | aber darauf wäre wiederum zu antworten, daß 1.sein principium viel besser wäre, weil es vonder causa effectrice veritatis hergenommenwäre, und einen jeden Menschen der Wahrheitso gewiß versicherte, als gewisser wäre, daß er die |
405:15 | Hand ausstrecken könte, auch über dieses kein andererPhilosophus noch ein gewiß Zeichen gegebenhätte, woher man erkennen könte, ob man eineSache vollkommen begriffe, als er 2. Uberdieses so könte auch kein principium gewisser |
405:20 | seyn, als seines, weil es allen Zweiffel benehme.3. So wären auch andere principia nur inWorten von seinem different, in der That aberkämen sie mit ihm überein.Biß hieher gehet des Herrn Tschirnhausens |
405:25 | erstes Stück des andern Theils. Die andernbeyden Stück des andern Theils, und den |
406 | dritten Theil darf Monsieur nicht von mir erwarten,theils weil solches allzulang fallen würde,theils weil solches die Autores BibliothecæUniversalis im dritten Tomo p. 342. seqq. |
406:5 | allbereit weitläufftig genung erzehlet haben,theils auch, weil die übrigen Stücken und Theileauf dasjenige, was ich bißhero mit Fleiß referiret,sich als ein fundament gründen, und also,wenn selbiges nicht befestiget ist, die Mühe solche |
406:10 | zu erzehlen wenig Nutzen schaffen würde. Jedochwill ich nur das allerwenigste daraus so miram notabelsten geschienen, noch extrahiren.p. 50. sagt er daß ein iede gute definition solteden Ursprung einer Sachen in sich begreiffen. |
406:15 | pag. 149. spricht er, daß nur eineWahrheit sey, und daß eine Wahrheit der andernnicht zuwider seyn könne 9.212. recommendireter des Andreæ Tacqvets seine ElementaGeometriæ sehr, als ein so deutlich Buch, |
406:20 | daß viel daraus ohne Zuthun eines Lehrersdiese Wissenschafft begrieffen hätten. P. 215.seqq. lobet er die Physic für andern Wissenschafftenund ziehet sie denenselben und unterdenen auch der Ethic vor. Denn alle |
406:25 | andere Wissenschafften, sagt er, wärenMenschliche Wissenschafften, als in welchenGesetze erkläret würden / die von unserm |
407 | Verstand gemacht würden, so ferne wir vonanderer Sachen Betrachtung abstrahirten,und alles auf uns alleine referireten. DiePhysic aber wäre alleine eine Göttliche Wissenschafft, |
407:5 | weil darinnen die Göttlichen Gesetzeerkläret würden, welche von GOTT alleine seinenWercken wären eingegeben worden nachwelchen alle Sachen beständig würckten unddie gantz nicht von unserm Verstande, sondern |
407:10 | à DEo realiter existente dependirten,u. s. w. Item. Es sey nichts offenbahrers,als daß wir alle Augenblick von GOtt dependireten,daß wir auch nicht eine Hand in dieHöhe heben, etwas gedencken und in summa |
407:15 | weder mit Seel und Leib das geringste verrichtenkönten, darzu nicht GOttes würcklicherconcurs alle Augenblick erfordert wurde,P. 217. sagt er, daß wir durch die Physic bekräfftigetwürden in dem, was ein Hoch=Edler |
407:20 | Philosophus an einem Orte gesetzet, daß dasnur ein eingebildetes Wesen sey, was man ingemein Glück nenne, und der Menschen ihreGemüther auff wunderliche Weise verunruhige,da doch hingegen hier alles von der Göttlichen |
407:25 | Vorsehung dirigiret würde, deren ewigerSchluß so unbeweglich und unveränderlichwäre / daß, ausgenommen dasjenige, was |
408 | besagter Rathschluß GOttes gewolt, daß esvon unserm freyen Willen dependiren solte,wir gedencken müsten, daß in Ansehen unserernichts geschehe, was nicht höchst nothwendig, |
408:5 | und so zu sagen, fatal wäre, daß wir also ohneIrrthum nicht begehren tönten, daß es andersgeschehen solte. So würde auch, wennman die generalia der Physic wohl absolvirethätte, nicht alleine unserer Seelen Unsterblichkeit, |
408:10 | sondern auch GOttes würckliche undhöchst nothwendige existenz und seiner unendlichvollkommenen attributorum Wissenschafft,so ferne solche durch das Licht derNatur erhalten werden kan, uns viel deutlicher |
408:15 | und leichter werden.Was nun meine Meinung von dieserMedicina mentis belanget, so muß ich bekennen,daß, weil ich längst gerne gewünschet, daß einerechte Logic heraus käme, indem die Syllogistica, |
408:20 | die man auff Schulen und Academien lernet,zu Erforschung der Wahrheit nicht zulänglichist, ich mit grosser Begierde dieses Buch, soweit ich solches extrahiret, gelesen, und gestehegar gerne, daß ich dem Herrn Autori in allem |
408:25 | beyfalle, weil er alles mit guter Ordnung angefangen,mit deutlichen demonstrationibus bekräfftiget,und mit täglichen und unlaugbaren exempeln |
409 | bestärcket hat. Ja weil er zum öfftern auffanderer Leute ihren innerlichen Gewissens=Triebsich beruffet, und der Wahrheit seiner principiorumso feste versichert ist, so müste ich wider |
409:5 | mein Gewissen reden, wenn ich anders sagensolte, als daß mich gleichfalls mein Gewissender Wahrheit dieser Lehre de summo bono &de principiis veritatis vergewissert und überzeuget,worinnen mich auch nicht wenig bekräfftiget |
409:10 | das ungemeine Lob, so durchgehends alle Gelehrten,die dieses Buchs gedencken, dem Herr Autoriund dem Buch selbst geben. Und obgleich einerNahmens Fatio de Duillier wider den HerrnTschirnhausen und seine doctrin de lincis |
409:15 | curvis & tangentibus geschrieben, so gehetdoch dieses nur eine Conclusion, nicht aberdie pcincipia veritatis an, und vernehme ichauch, daß der Herr Tschirnhausen ihm allbereitgenugsam solle geantwortet haben. Nichts |
409:20 | destoweniger ist es mir etwas wunderlich ergangen,denn für etwan acht Tagen, habe icheinen guten Freund besucht, der auch ein gelehrterMann seyn will, dem ich aber mehrvor einen sophisten, als wahrhafftig gelehrten |
409:25 | halte, und bin unter andern discoursen auchauff diese Medicinam mentis zu reden kommen,und habe ihn umb sein judicium gefragt, |
410 | auch meinen extract, wie ich solchenMonsieur ietzo zugesendet, communiciret.Da hat er mir zur Antwort gegeben, als eres durchlesen: Er hielte dafür, daß ich des |
410:5 | Herrn Tschirnhausens mentem ziemlichdeutlich extrahiret hätte, und sehe daraus,ich müste selbigen wohl innen haben, hat mir aberdabey erwehnet, daß er von Hertzen lachenmüste, wenn er bisher derer Leute judicia davon |
410:10 | gehöret, indem er sattsam gespüret, daßihrer gar wenig des Herrn Tschirnhausensintention und Meinung nicht verstanden habenmüssen. Denn etliche wenige hätten gemeinet,es wäre dieses Buch eben so hoch nicht zu achten, |
410:15 | denn man sehe daraus, daß er nur die sententiamund doctrinam Peripateticorum hätteauslachen, und des Cartesii seine phanthasien,die doch schon ausgepeitschet wären, behauptenwollen. Andere aber, und die meisten, hätten einen |
410:20 | grossen Staat davon gemacht / als wenndarinnen eine tieffe Gelahrheit verborgen stecke,und hätten doch nicht gewust zu sagen, worinnendiese Gelahrheit bestehe; Ja sie hätten ihm Sachendaraus erzehlet, die dem Herrn Tschirnhausen |
410:25 | sein Tage nicht im Sinn kommen wären, undnicht gemercket, daß durch des Herrn TschirnhausensLehr=Sätze ihre Philosophie, die sie der |
411 | Jugend noch täglich vorsängen, hauptsächlichherunter gemacht würde. Im übrigen wäreer versichert, daß, wenn diese Leute wissen soltenworauff der Herr Tschirnhausen sein Absehen |
411:5 | gehabt hätte, würden sie ihr judicium gernemit Gelde wieder an sich lösen. Er seinesOrts hielte dem Herrn Tschirnhausen für einenwackern gelehrten Mann, der durch die conversationmit gelehrten Leuten, durch viele |
411:10 | Erfahrung und fleißiges Nachforschen in natürlichenund mathematischen Sachen sicheine solche cognition zuwege gebracht, daßman ihn billich von der Classe der Pedantischgelehrtenausnehmen müsse, weil er ohne allen |
411:15 | Zweiffel unter die gehöre, welche man heutigesTages mit Grund und Wahrheit beaux espritszu nennen pflege. Die Medicina mentis sey einrecht subtiles und gelehrtes Buch, in welchem vielgute und nützliche Sachen enthalten wären. |
411:20 | Gleichwohl hätte er wider seine Lehre von der höchstenGlückseligkeit und von dem principio dieWahrheit zu erforschen etliche schwere Zweiffel,die ihn verhinderten, des Herrn Tschirnhausensseiner Meinung beyzupflichten. Ich bezeugte |
411:25 | hierauff ein grosses Verlangen und bate ihn, daßer mir diese dubia communiciren möchte, |
412 | welches er auch gethan, und bestehen selbigenach Anleitung meines extracts kürtzlich darinnen.{I.} Bey dem ersten Theile lobet er desHerrn Tschirnhausens Vorhaben, daß er bezeuget |
412:5 | dem Leser zu weisen, durch was für eineGelegenheit er auff seine Meinung gelangetsey, weil dieses billich alle Autores thun solten,indem dadurch der Leser ein grosses Lichtbekäme ihre Meinungen desto besser zu verstehen, |
412:10 | massen denn auch der Herr Bayle ihnallbereit deßhalben in seinem Journal gelobet.Aber er hält zugleich dafür, daß der HerrTschirnhausen noch besser gethan hätte, wenner gesagt hätte, in was für einer doctrin |
412:15 | er von Jugend auf sey auferzogen worden / welchesecte derer Philosophen ihm hernach in seinemerwachsenen Alter für andern angestanden hätte,und welcher gelehrte Mann ihm zum ersten auffdie Gedancken gebracht, die er in dieser Medicina |
412:20 | zu behaupten gedencket. Denn ob er gleich wohlwisse, daß der Herr Tschirnhausen kein PhilosophusSelectarius, sondern ein Electicus sey, sowäre doch auch nicht zu leugnen, daß die PhilosophiElectici, zumahl wenn sie keine autodidacti |
412:25 | wären, in dieser und jener disciplin aufeine secte mehr inclinireten, als auf eine andere,und wäre ohne dem es so beschaffen, daß |
413 | auch die heutigen Philosophi, wenn sie gleichwas neues aufbrächten, dennoch in einem undandern mit denen alten Philosophis, oder auchmit andern Neotericis überein kämen. Wenn |
413:5 | nun der Herr Tschirnhausen dieses in dem erstenTheil zugleich mit etwas weitläufftig berührethätte, so würde kein Zweiffel seyn, eswürde der Leser hierdurch ein grosses Licht bekommenhaben. Ja er glaubte, daß hauptsächlich |
413:10 | um dieser Ursache willen die wenigsten wüsten,was der Herr Tschirnhausen haben wolte, weilsie eine falsche Meinung hegten, als wenn er seineLehre nach der hypothesi eines Philosophi eingerichtethätte, auff den er doch sein fürnehmstes Absehen |
413:15 | nicht gehabt hätte. Es wäre auch nicht zuläugnen, daß ein Leser, der ein wenig cognitionemhistoriæ philosophicæ hätte, ziemlichconfus würde, wenn er des Herrn Tschirnhausensseine doctrin oben hin ansehe, und nicht mit |
413:20 | grossem Fleiß untersuchte. Denn wolte mandie alten Secten betrachten, so könte man denHerrn Tschirnhausen für keinen Scepticumhalten, weil er wider dieselbige hin und wiederdisputirte. Gleichwohl wäre er auch von |
413:25 | diesen nicht so gar sehr entfernet, denn er spräche,daß wir die objecta sensuum nicht begreiffenkönten, sondern uns solche nur einbildeten. |
414 | Was man aber nicht begreiffen könte, hielte ervor unwahr und falsch, kein Aristotelicusoder Peripateticus wäre er auch nicht. Danner gedächte dieser Herren zu öffters nicht in allen |
414:5 | Ehren. Kein Stoicus wäre er auch nicht,denn er hielte nicht gar zu viel von der Tugendund da jene das tugendhaffte Leben allenspeculationibus, und die Ethic der Physicvorzögen, kehrete es der Herr Tschirnhausen |
414:10 | umb. Nun wäre des Platonis und Epicuriseine Philosophie noch übrig, die, wiebekandt, einander schnur stracks zuwider wären.Nichts destoweniger fänden sich in desHerrn Tschirnhausens tractat einige loca, die |
414:15 | bald nach des Platons Lehre schmeckten. Dennwas er p. 23. erwehnet, daß man zu Erforschungder Wahrheit keine Syllogismos vonNöthen hätte, sondern begnügt seyn könte,wenn man die definitiones rerum wisse, das |
414:20 | wäre ebenmäßig auch des Epicuri Meinungin seiner Canonica gewesen. So käme auchseine Lehre, daß das lustige Leben das glücklichstesey, in etwas mit des Epicuri doctrinde summo bono überein, und recommendirete |
414:25 | er auch über dieses p. 16. den Lucretium,der, wie bekandt, von der secte des Epicurigewesen. Hingegen wenn er p. 19. |
415 | spräche, daß die Nachforschung der Wahrheitden Menschen mit GOtt verähnlichte und unsGOtt gleich machte, auch zu Wege brächte, daßwir GOttes Wesen erkennen könten; das käme |
415:5 | des Platons Lehre bey von GOttes Wesen,vom Ursprung der menschlichen Seele, und vonder definiton der Philosophiæ, daß diese nichtsanders sey, als eine Wissenschafft, wie manGOTT gleich werden könne. Was aber die |
415:10 | neuen Secten betreffe, so sehe man zwar ausdem gantzen Tractat, daß der Herr Tschirnhausenes mehr mit denen Cartesianern, alsdenen Scholasticis und Perpateticis hielte, jedochwäre dieses nicht genung, sondern weil die |
415:15 | Cartesianer selbst wiederum unterschiedeneneue Secten unter sich hätte, in dem Malebranche,Spinosa, Poiret und andere ihreprincipia mehrentheils von Cartesio herführeten,so wäre billich nachzufragen, auf was |
415:20 | für einen Gelehrten von dieser sorte der HerrTschirnhausen am meisten reflexion gemachthätte. Nun düncke ihn, er habe dißfalls, weißnicht, auff was für eine Art, eine unerkanteWahrheit erforschet und dem Autorem, dessen |
415:25 | hypotheses der Herr Tschirnhausen zu folgenscheinete, entdecket, wiewohl er nicht wisse,ob er über die Erforschung dieser Wahrheit sich |
416 | mehr erfreuen als betrüben solte. Er hat mir auchden Autorem nicht nennen wollen, ob ich ihngleich sehr darum gebeten, sondern damit er mirnur zeigte, daß er diese Meinung nicht ohne |
416:5 | Grund redete, hat er mir gemeldet, daß wennich etwan einmahl über diesen Autorem käme,solte ich nur darinnen pag. (12.) (19.) (72.)(78.) 79. (87.) 91. (92.) 104. 137. 144. 146.(163.) (171.) (178.) (180.) (181.) 182. (183.) 184. |
416:10 | 190. 192. 195. (197.) (204.) 212. (223.) 229. (231.)(233.) (252.) 253. 264. 358 360. (361.) 362. 364.365. 367. 368. 370. (371.) 581. (587.) (589.) auffsuchen,und was ich daselbst finde, mit meinenexcerptis aus dem Herrn Tschirnhausen conferiren. |
416:15 | Damit ich auch dißfalls ein wenig einenprægustum bekäme, hat er mir einenkurtzen extract von denen hypothesibus besagtenAutoris zugeschickt. Quicquid est, inDeo est et nihil sine Deo esse |
416:20 | neqve concipi potest. Deus estomnium rerum causa immanens,non transiens. Falsitas consistit incognitionis privatione. Primum genuscognitionis est, cum singularia |
416:25 | mediante sensu percipimus, aut exsignis nobis res imaginamur,et appellatur imaginatio. Alterum, qvo |
417 | notiones communes rerumqve proprietatumideas adaeqvatas habemus , etvocatur ratio. Cognitio primi generis unicafalsitatis causa, secunda autem est |
417:5 | necessario vera, et docet nos veruma falso distinguere. Alibi idem autorcognitionem posterioris generis vocatideam seu mentis conceptum,prioris autem imagines rerum |
417:10 | Doctrina de cognitione mentis facit, utmagis magisqve Deum intelligamus, redditanimum omnino qvietum, et ostendit, in qvosumma nostra felicitas sive beatitudo consistat.Bonum est, qvod certo scimus nobis utile esse. |
417:15 | Malum, qvod certo scimus impedire,qvo minus boni alicujus simus compotes. Cognitioboni et mali nihil est aliud, qvamlaetitiae et tristitiae affectus, qvatenusejus sumus conscii. Ratio nihil contra naturam postulat. |
417:20 | Postulat ergo ipsa, ut vnusqvisqve se ipsumamet, suum utile qvaerat et appetat, et absolute,ut unusqvisqve suum esse, qvantum in se est,conservare cenetur. Qvod qvidem tam necessarioverum est, qvam, qvod totum sit sua parte majus, |
417:25 | Deinde, qvoniam veritas nihil aliud est,qvam ex legibus propriae naturae agere, et nemosuum esse conservare conetur, nisi ex propriaesuae naturae legibus, hinc seqvitur, virtusi |
418 | fundamentum esse ipsum conatum, propriumesse conservandi, et felicitatem in eo consistere,qvod homo suum esse conservare possit.Ex qvo magis adeo unusqvisqve suum |
418:5 | utile qvaerere, hoc est, suum esseconservare conatur et potest, eo magis virtute praeditus est.Nulla enim virtus prior est, qvam conatus se conservandi.Qvicqvid ex ratione conamur, nihil aiiud est,qvam intelligere, et nihil certo scimus |
418:10 | bonum aut malum esse, nisi id,qvod ad intelligendum revera conducit,vel qvod impedire potest, qvo minus intelligamus.Laetitia directe mala non est, sed bona.Tristitia autem contra directe est mala. |
418:15 | Hilaritas excessum habere neqvit, sed semper bona est.Acqviescentia in se ipso ex rationeoriri potest, et ea sola acqviescentia,qvae ex rationeoritur, summa est, quae potest dari.In vita apprime utile est, intellectum seu rationem, |
418:20 | qvantum possumus, perficere, et in hocuno summo hominis felicitas seu beatitudo consistit,qvippe beatitudo nihil aliud est, qvam ipsaanimi acquiescentia. Cum res illae sint bonae,qvae corporis partes juvant, ut suo officio fungantur, |
418:25 | et laetitia in eo consistatqvod hominis potentia, qvatenus mente etcorpore constat, juvatur vel augetur. |
419 | Sunt ergo illa omnia, qvae laetitiam afferunt, bona.Summus mentis conatus, summaque virtus estres intelligere. Cognovimus,qvaenam sitprima via, cui mens insistere debeat, ut bene incipiat, |
419:5 | qvae est,ut ad normam datae cujuscunque veraeideae pergat certis legibus inqvirer, qvod, vt recte fiat,haec debet methodus praestare. Primoveram ideam a caeteris omnibus distingvere etmentem a caeteris perceptionibus cohibere. |
419:10 | Secundo tradere regulas, ut res incognitaead talem normam percipiantur. Tertioordinem constituere, ne inutilibusdefatigemur. Ut scire possim ex qva rei idea ex mulris omnessubjecti proprietates possint deduci, unicum tantum |
419:15 | observo, ut ea rei idea sive definitio causam efficientemexprimat etc. Solcher Gestalt ist nun mein Freundder Meinung, daß der Herr Tschirnhausen auff dieLehr=Sätze nicht allein seine Thesin de summo bono& de principio veritatis, sondern auch seinen |
419:20 | gantzen Methodum gegründet habe. Ja er bildet sich einnoch etliche loca bey besagtem Autore gefundenzu haben, aus welchen man eine wahrscheinlicheconjectur nehmen könne, was ihn zu Schreibungder Medicinæ mentis & corporis veranlasset, |
419:25 | und warum er den ersten Tractat eben Medicinammentis genennet habe. Der eine istfolgender: Qvomodo et qva via debeat |
420 | intellectus perfici, et qvadeinde arte corpus sit curandum, ut possitsuo officio recte fungi, huc non pertinet.Hoc enim ad medicinam, illud autem ad Logicam spectat. |
420:5 | Der andere aber: Porro danda est opera morali Philosophiae,ut et doctrinae de puerorum educatione,et qvia valetudo non parvum est mediumad hunc finem asseqvendum, concinnandaest integra medicina. Sed ante omnia |
420:10 | excogitandus est modus medendi intellectus,ipsumqve qvantum initio licet, expurgandi, ut feliciter res absqve erroret qvam optime intelligat. So hat er auch mir gemeldet,er habe einen Brieff gelesen, der an diesen Autorem |
420:15 | geschrieben worden, worinnen diese Worteenthalten. Methodum tuam rectae regendaerationis in acqvirenda veritatum incognitarumcognitione, ut et generalia in Physicis qvandoimpetrabimus? etc. Praesens mihi |
420:20 | indicasti methodum, qva uteris in indagandisnec dum cognitis veritatibus. Experioream methodum esse valde praecellentem, ettamen valde facilem, quantum ego de eaconcepi, et possura affirmare, hac unica |
420:25 | observatione magnos me in Mathematicisfecisse progressus etc. Sic qvoqve, qviapplicatas curvarum considerat, multa |
421 | deducet, qvae ad dimensionem harumspectant, sed majori felicitate, si consideremustangentes. Ob nun gleich bey diesem Brieffkein Nahme gewesen wäre, so muthmassete er doch |
421:5 | aus denen letzten Worten de lineis curvis &tangentibus, daß dieser Brieff von dem HerrnTschirnhausen ware geschrieben worden, wiewohlderselbe Philosophus, an dem der Brieff geschriebengewesen, in der Antwort darauff in diesem |
421:10 | Punct mit ihm nicht eins seyn wollen. Circa illa,qvae ais, qvod ille, qvi consideret applicatascurvarum, multa deducet, qvae addimensionem earum spectant, sed majori facilitateconsiderando tangentes etc. Ego contratium |
421:15 | puto, qvod etiam considerando tangentesmulta alia difficilus deducentur, qvamconsiderando ordinatim applicatas.Er glaubte auch der Herr Tschirnhausen würdedieses so sehr nicht in Abrede seyn, weil er ehe dessen |
421:20 | kein so groß Geheimniß gegen dem Herrn P.daraus gemacht, als er mit ihm im H. in Compagniezu Schiffe gewesen.Dieses ist die erste Erinnerung / die mir dergute Freund wider den ersten Theil der medicinæ |
421:25 | mentis gesagt, welche er zugleich auff gewisseMasse, als ein præsuppositum will considerirethaben, darauff er sich in denen übrigen |
422 | zuweilen gründet. {II.} Præsupponiret er, daßder Herrn Tschirnhausen das principium: Impossibileest idem simul esse & non esse fürwahr hielte, weil er solches p. 29. aus seinem |
422:5 | principio deduciret. {III.} Præsupponiret er,daß auch der Herr Tschirnhausen dafür halte,qvod non dentur veritas contradictoriaebesage seiner eigenen Worte p. 149. und schliessetalso {IV.} daraus, daß, weil der Herr Tschirnhausen |
422:10 | ein Christ ist, er ebenmäßig das argument werdepassiren lassen, wenn er zuweiln seinen Sätzenetwas von dem was die Christen insgemein gläuben,entgegen setzen würde. Hiernechst erinnerter {V.} Daß er zweiffele, ob das criterium, |
422:15 | durch welches der Herr Tschirnhausen p. I. vermeinetgute und böse Leute von einander entschiedenzu haben, zulänglich sey, indem solchesnur an gemeinen Leuten und die etwas groberconstitution wären, könte practiciret werden. |
422:20 | Was aber arglistige Köpffe wären, die dissimulirengelernet, was scheinheilige Heuchlerwären, von denen beyden die Welt überhäuffetwäre, die berühmten sich gantz nicht, wenn sie einemehrlichen Mann Schaden gethan hätten, |
422:25 | sondern wolten ihn noch wohl überreden, wennihre Fallstricke, die sie ihm gelegt hätten, nichtangehen wolten, als wenn sie diejenigen wären, |
423 | die sich seiner noch angenommen hätten. {VI.} Obder Herr T. sich beflissen zu Beförderung seinereigenen Glückseligkeit mehr seiner eigenn inclination,als anderer ihren Anführungen zu |
423:5 | folgen, wie er p. 3. fürgiebet, solches wäre ausdem præsupposito abzunehmen. {VII.} Das Exempelp. 4. von einer wohlschmeckender Speisebeweise wohl, daß ein Mensch bey sich selbst dieBelustigungen derer Sinnen am besten abnehmen |
423:10 | könne, es beweise aber nicht, daß auch einMensch derohalben wisse, was ihm nützlich oderschädlich sey, und scheine also, als wenn derHerr T. bonum utile & jucundum mit einandervermischet habe, deren jenes mehr in einer |
423:15 | dauerhafften und zukünfftigen Belustigung diesesaber mehr in einem gegenwärtigen und augenblicklichenVergnügen bestehet. {VIII.} Wennder Herr T. von Klange und Farben fast nichtsweiß per dicta p. 37. so könne er auch keine |
423:20 | so gewiße Wissenschafft vom Geschmack haben.{IX.} Man müsse aus dem, was man selbst versucht,nicht auff das schliessen, was man nicht versucht,ob es gut oder böse sey pag. 6. 7. Ob derHerr T. das betrachtet habe / wurde er selbst am |
423:25 | besten wissen, das ist, ob er der alten Philosophorumihre Lehren de inquisitione veritatisfleißig untersucht und so wohl derer alten |
424 | als neuen principia der Sitten=Lehre sich bekanntgemacht habe. {X.} p. 7. Verspreche er seineMeinung von der höchsten Glückseligkeitmit augenscheinlichen Erfahrungen zu beweisen, |
424:5 | daß solche auch andere Menschen glücklichmachten. Dannenhero, wenn man erwiese,daß die Erfahrungen so unlaugbarnicht wären, so folgete, daß seine Meinung soeben nicht gegründet sey. {XI.} p. 4. Führet er |
424:10 | selbst an, daß die Belustigung der Sinnen demMenschen schädlich wären. Und also geständeer, daß man à bono jucundo ad utile nicht argumentirenmüsse, welches er doch nicht VII.gethan. {XII.} Wenn er p. 10. wider die Tugend |
424:15 | disputirete, verändert er den statum controversiæaugenscheinlich. Die Thesis wäre;Ein Tugendhafftes Leben verursacht ein grossesVergnügen und Gemüths=Ruhe. Sein Einwurffdagegen aber die Beständigkeit und Gemüths=Ruhe |
424:20 | ist nicht allemahl ein Anzeigen einestugendhafften Lebens. Denn es sey eben, alswenn man wider den Herrn T. wenn er vorgiebet,die Erfindung neuer Wahrheiten sey dasgröste Vergnügen, opponiren wolte, dieses |
424:25 | Vergnügen sey nicht eben ein Anzeigen, daßman eine Wahrheit erfunden, weil ein Unwissenderja so eine grosse Freude kan spühren lassen, |
425 | als ein Gelehrter, und sage solcher Gestalt derHerr Bayle gar recht, daß die gantze Welt eherglauben werde, es habe ein Spieler, der 20. Pistolengewonnen eine größere Freude als ein Gelehrter, |
425:5 | der die wahrhaffte Ursach derer Farbenausgegrübelt, und ein erfrorner Kerl hätte imWinter eine grössere Lust beym Ofen zu sitzen, alsein Mathematicus, der quadraturam circulierfunden. {XIII.} An eben diesen Orte scheine es, als |
425:10 | wenn der Herr Tschirnhausen, diejenigen, dieein tugendhafftes Leben führeten, unter diejenigerechnete, die aus Irrthum etwas für gut hielten,und doch hernach erführen, daß sie darinnender Wahrheit verfehlet hätten. Welches gleich |
425:15 | wie es sehr harte geredet wäre, also brauche eszuförderst eine Erklährung. {XIV.} Daß etlichefür dem Studiren essen und trincken den Schlaf,Reichthum und Ehren=Aemter hindangesetzt,p. 11. thue zur Vortrefflichkeit des Studirens |
425:20 | wenig, denn ein Spieler / Säuffer, Hurer thuedieses öffters auch. {XV.} Daß die Belustigung,so aus den Studiren entstehe, beständiger sey, alsdie Belustigung derer Sinne, läugne niemand,daß aber dieselbe die beständigste Belustigung sey |
425:25 | und beständiger als die, so aus einem tugendhafftenLeben herrühret, habe der Herr T. p. 11. mitnichts erwiesen. {XVI.} Daß ein Ungelehrter keine |
426 | Gemüths=Ruhe habe, wie p. 14. vorgegeben werde,sey wider die tägliche Erfahrung, und könte manso viel Exempel, wo nicht mehr, von Gelehrten anführen,die ihrer affecten Sclaven gewesen wären, |
426:5 | und ihre Güter nicht recht zu brauchen gewust, alsvon Ungelehrten. {XVII.} Eben dieses sey auch davonzu sagen, daß ein Weiser viel vermögender seyals ein Ungelehrter. {XVIII.} So thue auch dasVermögen nichts zur höchsten Glückseligkeit, |
426:10 | sonst müsse ein Seeräuber glücklicher seyn als einehrlicher Handwercks=Mann. {XIX.} Nichtminder bezeuge die Erfahrung, daß ein Gelehrterbey zustossender Betrübniß sich offt wunderlicheranstelle als ein Ungelehrter. {XX.} |
426:15 | und daß ein Gelehrter nicht mehr Freude habe, alsein Ungelehrter, sey allbereit no. XII. berühretworden. {XXI.} Wenn die Belustigung dererSinnen alsdenn allezeit gebraucht werden könne,wenn sie uns geschickter macht verborgene Wahrheiten |
426:20 | zu entdecken; so würde folgen, daß einMensch mit eines andern Eheweib Ehebruch begehenkönte, wenn er dadurch hinter eine verborgeneWahrheit zu kommen gedencket, daß er anderndas ihrige nehmen könne, sich Speise zu kauffen, |
426:25 | wodurch der Verstand geschärffet wird. {XXII.}Ja wenn die Erkäntniß der Wahrheit eintzig undallein den Rahmen der wahren Tugend verdienet, |
427 | so würde folgen, daß man Gold stehlen dürffte, sichkostbare instrumenta, die ein Mathematicuszu Erforschung der Wahrheit benöthiget ist, anzuschaffen,da doch von beyden nicht allein unser |
427:5 | Christenthum uns ein anders lehrete, sondern auchdas Gegentheil denen Heyden in ihr Hertz geschriebenwäre. {XXIII.} So wäre auch wider dasChristenthum, was von Erhöhung der menschlichenNatur zu der göttlichen p. 19. angeführet werde, |
427:10 | und wäre zuförderst nöthig, daß der Herr T.seine conceptus von GOtt ein wenig deutlichererklärete, sowohl auch, was er {XXIV.} dadurchmeine, daß eine iede Creatur könne mit dem Menschenzu der höchsten Glückseligkeit gelangen. |
427:15 | {XXV.} Was der Herr T. p. 22. de Abusu Syllogisticæangeführet habe, sey auf gewisse Massegar gut, aber doch wäre dieselbe Kunst auch auf gewisseMasse gar nöthig, damit man in methododisputandi nicht verstiesse und qvid pro qvo |
427:20 | probirete, oder im antworten auff die vorgebrachtenobjectiones Sachen vorbrächte, die sich nichtad rhombum reimeten. {XXVI.} wäre zu erinnern,wie der Herr T. habe befinden können, daßman auf einerley Weise in andern disciplinen, wie |
427:25 | in der Mathesi, hinter die verborgene Wahrheitgelangen könte, wenn er die andern disciplinenund sonderlich Philosophiam moralem |
428 | sich zuvor nicht wohl bekandt gemacht.{XXVII.} Daß der Herr T. p. 27. vorgebe, es könneein Mensch so gewiß bey sich selbst das wahre vondem falschen unterscheiden, als gewiß er wäre, was |
428:5 | ihm wohl oder übel thue / scheine nicht allein demzuwider zu seyn, wenn er p. 4. & 5. vorgiebet, essey nicht zu verwundern, daß die Menschen de vero& falso mit einander zanckten, weil hiervon unterschiedeneSachen verborgen wären, aber davon |
428:10 | solten sie nicht disputiren, was ihnen wohl oderübel thäte; sondern es ist auch wider seine folgendehypotheses, wenn er den Verstand von der Einbildungwill unterschieden haben. {XXVIII.} ead.pag. schliesse der Herr T. à particulari ad universale |
428:15 | und mache aus wenig exempeln eineHaupt=Regel. {XXIX.} So stehe auch sein Haupt=Grundauf welchem das gantze Gebäude ruhe garauf schwachen Füssen, wenn er vorgebe, daß dasdie Ursache sey, warum man das für wahr hielte, |
428:20 | daß ein gantzes grösser als ein Stück, und das Gegentheilfür falsch; weil nehmlich man jenes begreiffen,dieses aber nicht begreiffen könne. Dennwas werde er dazu sagen, wenn man an statt seinerUrsache eine andere und nemlich diese vorbrächte, |
428:25 | daß jenes durch den Augenschein dargethan würde,dieses aber dem Augenschein zuwider wäre. Denner würde doch diese Ursach mit der seinigen nicht |
429 | vor einerley halten, weil der Augenschein evidentiamsensuum bedeute, welche er, der Herr T.zur Einbildung referirte. {XXX.} Zweiffelte mansehr, ob der Herr T. wider die Scepticos viel ausrichten |
429:5 | würde, wenn er kein ander argument widersie brauchen, und sie nur auf seine Exempel verweisenwolte {XXXI.} Noch weniger würdeer wider diejenigen viel erhalten, die ein anderprincipium pro primo ausgeben, denn |
429:10 | dieselben würden nur läugnen dürffen, daß sie deshalbendas ihrige für wahr, das andere aber für unwahrhielten, weil sie jenes begreiffen, dieses abernicht begreiffen könten. Sie würden also vielmehrsagen, daß es deßhalben geschehe, weil der |
429:15 | Augenschein die Wahrheit des ihrigen bestätigte.{XXXII.} Daß aber der Herr T. seine Erklärunggethan, daß die gantze Welt wider ihn nichts ausrichtenwürde, wenn sie ihn gleich eines andern beredenwolte, zeige ein grosses præjudicium an, |
429:20 | welches allezeit der Erforschung der Wahrheit wärezuwider gewesen. Vielmehr wolte er, mein guterFreund im Gegentheil diese Erklärung gethanhaben, daß, wenn der Herr T. ihm seine objectionesgründlich und deutlich würde heben können so |
429:25 | solte ihn die gantze Welt nicht abhalten seiner Lehrebeyzupflichten. {XXXIII.} Ob aber für dem HerrnT. kein ander Philosophus dieses pro principio |
430 | veritatis ausgegeben oder nicht, könte man zumTheil aus dem præsupposito I. abnehmen, sowohlauch, wenn man in historia Philosophica sichumsähe, was ehe dessen Heraclitus, Anaxagoras, |
430:5 | und Antisthenes de criteriis veritatis fürMeinungen behaupten wollen. {XXXIV.} Daßdie deductiones ad absurdum so viel Nachdruckhätten, wäre nicht die Ursach, daß man zwischen derEinbildung und dem Verstand einen Unterscheid |
430:10 | machen müste sondern, weil in dieser allemahldie conclusion dahin gienge den andern seinesIrrthums zu überzeugen, und darzuthun,qvid res non sit. Weil nun die Wahrheit nureinerley wäre, aber tausenderley Irrthümer, und |
430:15 | auf die Frage: qvid res sit? nur eine Antwort gegebenwerden könte, auf die quæstion: qvid resnon sit? tausend für eine im Vorrath wären; sokönne es nicht fehlen, es müsten die demonstrationesostensivæ viel schwerer seyn, als die deductiones |
430:20 | ad absurdum. {XXXV.} Der Verstand,wie ihn der Herr T. beschreibe, daß er ohneZuthuung derer Sinne von dem Menschen selbstherrühre sey ein non ens, weil man nichtein einig Exempel einer Sachen geben könte, die |
430:25 | der Mensch ohne Zuthuung derer Sinnen begriffenhätte, wenn man auch das bekannte chiliogonumder Cartesianer auf den Platz bringen wolte, |
431 | und also fiele die distinction zwischen dem Verstandeund der Einbildung von sich selbst weg.{XXXVI.} Daß der Herr T. meinete der Menschbegriffe die objecta sensuum als Farben, Klang, |
431:5 | und die Schmertzen nicht, in diesem Stück käme erdenen Scepticis nahe, ja er gienge noch weiter, alsdiese, weil ein Scepticus noch zweiffelte, ob sich dieseSachen so verhielten oder nicht, der Herr T.aber hielte vermöge seines principii dieselbe gar |
431:10 | für falsch und für ein non ens, welcher Meinungbeyzupflichten er (mein Freund) nicht die geringsteRegung in seinem Gewissen befände. {XXXVII.}So verlange man ein Exempel dessen, was derMensch einem andern mit blossen Worten ohne |
431:15 | Zuthuung derer Sinnen beybringen könte.und so lange dieses nicht geschehe, wäre das criteriumdes Herrn T. von denen Sachen, die manbegriffe, vergebens. {XXXVIII.} Glaube er nichtdaß der Herr T. eine machinam valde compositam |
431:20 | ohne præsentirung derer Sinnenin seinem Verstande habe, viel weniger, daß er dieselbigeeinen blinden, der die Zeit seines Lebens keinemachinam simplicem gesehen hätte, mit leerenWorten beybringen könte. {XXXIX.} Wenn |
431:25 | der Herr T. nicht begreiffen könte, daß das Feuerwärmte und brennte, ob er denn Vermögeseines principii darvor hielte, daß die Erwärmung |
432 | und Brennung des Feuers Unwahrheitenwären? {XL.} Wenn wir keine Wissenschafftendavon hätten, wie wir unsereHände bewegten warumb hätte er denn |
432:5 | gesagt, daß wir solches eben so gewißwüsten, als die Wahrheit seines principii. {XLI.}Der Nutzen, den der Herr T. rühmet, daßman Vermöge seines principii alle Zanckhändelgar leichtlich schlichten könte sey in vita civili nicht |
432:10 | practicabel. Denn es könte kommen und würdezum öfftern geschehen, daß unter denen disputantenkeiner dem andern seine Meinung beybringenkönte, und würden sie sich also allezeit um den Vorzugzancken, wer den Anfang hierzu machen solte. |
432:15 | {XLII.} Endlich so folget aus des Herrn T. principio,daß zwey propositiones contradictoriæzugleich wahr und nicht wahr wären, welches demeingeräumten principio: Impossibile est idemsimul esse & non esse schnur stracks zuwider wäre. |
432:20 | Denn zum Exempel der Herr Puffendorffhabe seine Meinung in moralibus vielen Gelehrtenbeygebracht. Seine Widersacher, die ihm contradiciren,hätten auch ihre Anhänger. Nichtsdestoweniger könte keiner unter ihnen beyden den |
432:25 | andern dahin bringen, daß er bekennete Gegentheilhabe ihm seine Meinung beygebracht. Wennman nun nach des Herrn T. seinen principio gehen |
433 | wolte, so wären beyder Meinungen zugleichwahr, wenn man diese beyde Partheyen in regardihrer adhærenten betrachtete, und wären dochauch zugleich beyde falsch, we%?n man sie unter einander |
433:5 | selbst ansähe, und so ferne keiner den andern disponirenkönte, daß er abträte, indem sich HerrPufendorff auf die Deutlichkeit seiner Gründe bezöge;sein Gegentheil aber, wenn nichts mehr Stichhalten wolte, auf der Versicherung seines Gewissens |
433:10 | sich verliesse. {XLIII.} Bey der ersten objectionhätte der Herr T. præsupponiret, als wenn dieselbigenur von denen Scepticis könnte vorgebrachtwerden. Allein sie könnte auch wohl von denenPhilosophis Dogmaticis (und zwar von |
433:15 | allen denen, die davor gehalten, daß die Wahrheitnicht in convenientia rei cum intellectu, sedintellect%[us cum re) ihm gemacht werden. Dannenheroträffe die Philosophos von dieser Classedie erste Antwort des Herrn T. auf diese objection |
433:20 | p. 40. nicht. {XLIV.} fiele auch solcher Gestalt dieandere Antwort p. 41. hinweg, als welche principiumpetirete, weil es ietzo die Frage wäre, ob desHerrn T. Principium einen grossen Nutzenschaffe oder nicht. {XLV.} Ob nun gleich die andere |
433:25 | objection ohne dem so viel nicht auf sich hätte,so wäre doch die wahre Ursache, warum so viel gelehrteLeute bißhero in dem primo principio und |
434 | methodo inqvirendi veritates verstossen hätten,nicht, daß sie die Einbildung und den Verstandmit einander vermischet p. 44. sondern daßsie sonst sich nicht hätten bemühen wollen, vielfältige |
434:5 | præjudicia, die sowohl im Verstande als imWillen eingenistelt, abzuschaffen. {XLVI.}die Sätze des Herrn T. daß der Verstandin uns Menschen tanquam in mente infinitaseu Deo sey; ingleichen {LXVII.} Daß |
434:10 | die Einbildung bey uns wie in allen andern creaturisseu mentibus finitis sey, brauchten eineweitläufftige Erklärung, und wäre höchstnöthig,daß der Herr T. seine definitionem Dei, mentis,hominis, & reliqvarum creaturarum etwas |
434:15 | deutlicher proponirete. {XLVIII.} Gleichwieaber die dritte objection von dem meisten Nachdruckwäre; also wäre beyder Antwort, mit welchersich der Herr T. hieraus zu drehen suchte, vielzu erinnern. Denn es wäre die Auslegung von |
434:20 | der Regul, (daß das, was nicht begriffen werdenkönte / falsch wäre, welche der Herr T. p. 45. machte,dunckel, Tautologisch und zweydeutig, weiler die phrasin eine Sache nicht begreiffen können,in zweyerley Verstande brauchte {XLIIX.} So |
434:25 | könne man auch den Unterscheid, den der Herr T.zwischen unerkannten und falschen Sachen daselbstn. 1. machte, nicht passiren lassen. Denn |
435 | der Herr T. habe p. 29. gesetzt, daß sein principium,wie er es dort gesetzt den Unterscheid interens & non ens weise, und daß also verum &ens, ingleichen falsum & non ens synonyma |
435:5 | wären. Wenn nun der Herr T. zugeben wolte,daß zwischen wahren und falschen Sachen etwasim Mittel wäre, daß unerkannt hiesse, so müsteauch etwas im Mittel inter ens & non ens seyn,welches dem Principio: Qvodlibet est vel non |
435:10 | est, das der Herr T. admittirte, zuwider wäre.{XLIX.} Daß der Herr T. vorgebe p. 45. n. 2.diejenigen Sachen, die von GOTTES Offenbahrungdependirten, wären dem menschlichenVerstand unerforschlich, contradicirte gantz |
435:15 | offenbahr demjenigen, was der Herr T. p. 44.gesetzet qvod concipiendi facultas ita sit in nobis,tanqvam in mente infinita seu Deo.{L.} Eine gleiche contradiction wäre darinnen,wenn er spräche, daß nur von denen Sachen, die |
435:20 | man begreiffen könnte, der Verstand wissenkönte, ob der solche begreiffen könte odernicht, {LI.} daß der Herr T. spräche, eswären viel Sachen gewiß, die man nicht wisse,ob sie wahr oder falsch wären, wäre eben so obscur, |
435:25 | als das, was ietzo wegen des Unerkanten angeführetworden, weil das, was gewiß wäre und dochweder zu dem Wahren noch zu den Falschen referiret |
436 | werden könte, abermahls etwas inter ens& non ens seyn müsse. {LII.} Zugeschweigen,daß bißhero unter denen Gelehrten das, was wahrund gewiß sey, nur einerley wäre gebraucht |
436:5 | worden. {LIII.} Ebenmäßig wäre auch ein conceptuscompositus, den der Mensch nicht begreiffenkönte (unter welche Classe der Herr T.conceptum omnium stellarum p. 45. n. 3.referiret) ein ens non ens. {LIV.} So wäre |
436:10 | auch an eben den Ort wohl zu mercken, daßder Herr T. daselbst den Menschlichen Verstandp. 46. gar deutlich pro finito ausgebe, den erdoch p 44. zum infinito gemacht. {LV.} bey seinerAntwort auff die vierdte objection p. 46. |
436:15 | wäre eben die Frage: ob der Herr T. in seinemprincipio die causam effectricem veritatisrecht getroffen habe oder nicht? Und wenn{LVI.} ein Mensch bey des Herrn T. principioder Wahrheit nicht versichert wäre, als gewiß |
436:20 | er wäre, daß er die Hand ausstrecken könte, sowürde er nach des Herrn T. seiner eignen Meinunghiervon wenig Gewißheit haben, weil erp. 37. gedacht, daß man von Bewegung derHand wenig wüste. {LVII.} Ob aber des Herrn |
436:25 | T. sein principium allen Zweiffel benehme,wie er p. 47. meldet, das weisen die bißher gemachtenobjectiones aus. {LVIII.} So könten |
437 | auch anderer Philosophorum ihrer principia,die veritatem in convenientia cogitationumcum rebus suchten mit ihm, der es umkehrete /in der That nicht übereinkommen, ob er es gleich |
437:5 | p. 48. dafür hielte. {LIX.} Was er p. 215. vonVortrefflichkeit der Physic für der Ethic angeführet,brauche abermahls einer deutlichen Erklärung,absonderlich, was der Herr T. perDeum realiter existentem verstehe, weil er |
437:10 | nicht hoffen wolle, daß der Herr T. diese phrasinin dem Verstande des oben angeführten ungenanntenPhilosophi brauchen werde {LX.}Welches auch bey dem, was er p. 217. von demGöttlichen Rathschluß und sonsten discouriret, |
437:15 | zu beobachten wäre.Gleichwie aber ermeldter mein Freundder Meinung ist, daß die dem Herrn Tschirnhausengemachte Einwürffe meistentheils so deutlichwären, daß er sich daraus, zu Behauptung |
437:20 | seiner Meinung nicht würde wickeln können,gleichwohl nichts destoweniger im übrigenin conclusionibus den Herrn Tschirnhausenfür einen excellenten Mathematicum undPhysicum passiren läst; also hat er hinzu gesetzt, |
437:25 | würde es einem wunderlich vorkommen,wie es doch geschehen, daß so ein wackerer Mannauf dergleichen Meinungen, die so viel Anstössen |
438 | unterworffen wären, kommen sey. Wenner aber seine Meinung davon sagen solte, sodüncke ihm, daß der Brunnqvell darinnen zusuchen sey, daß der Herr Tschirnhausen auff |
438:5 | seinen Reisen von oben besagten Philosopho garzu sehr müsse charmiret und eingenommen wordenseyn, daß er das præjudicium gar zu festebey sich einwurtzeln lassen / als wenn derselbe Philosophusin seinen fundamentis richtig wäre. |
438:10 | Hieraus wäre nun ferner gefolgt, daß der HerrTschirnhausen, nach Anleitung dieses Philosophieinen irrigen concept, erstlich de Deo, hernachde Homine, und folglich de Vero & Bonoerlanget hätte. Und wäre also hieraus leicht |
438:15 | zu urtheilen, auff was Weise er zu Erkäntnißdessen mit guten Glimpff nach und nach disponiretwerden müste.Dieses sind die Gedancken, welche mir dergute Freund über des Herrn Tschirnhausens seine |
438:20 | medicinam mentis communiciret. Ichmuß bekennen, daß mich die Anzahl derer objectionum,die ich bißhero erzehlet, anfänglichetwas stutzig gemacht, ja ich sehe eben nicht, wasich auff dieselben antworten solte. Jedoch weil |
438:25 | ich mir des Herrn Tschirnhausens Doctrin festeimprimiret, und denselbigen guten Freundfür so solide nicht halte, sondern mir einbilde / |
439 | daß diese objectiones lauter sophismata seyn,als glaube ich dennoch, daß die medicina mentisin allen recht habe, und daß er nur der Unfähigkeitmeines Verstandes, und Unerfahrenheit |
439:5 | im disputiren zuzuschreiben sey, daß ich auf dieangeführten Einwürffe nicht antworten könne.Weil ich demnach wohl weiß, daß MonsieurNicanor den Methodum disputandi wohl innenhat, als ersuche ich ihn dienstlich, mir den |
439:10 | Gefallen zu erweisen und zu melden, wie manauff die vorgebrachten objectiones respondirensolle, auch ohnbeschwert die Mühe zu nehmenund nachzusuchen, was das für ein Autor seynmüsse, aus dem der Herr Tschirnhausen seine hypotheses |
439:15 | soll genommen haben. Ich habe fastalle Cartesianer durchgeblättert, aber in keinemdie excerpirten loca angetroffen u.s.w.Nicanor endigte hiermit seinen Brieffund übergab selbigen dem Polydor, weil ihm |
439:20 | dieser begehrte / und ihn zu seiner Nachricht wolteabschreiben lassen. Clarindo fragte Nicanor,ob er auff diesem Brieff nicht bald antwortenwolte? Ey, sagte Nicanor, wenn ich sonstnichts zu thun hätte. Ich werde wohl mich entschuldigen, |
439:25 | denn er kömmt bey mir in diesenStück gantz an dem Unrechten. Das dachte ichwohl, replicirte Clarindo, daß der Herr Bruder |
440 | sich ein Gewissen machen würde etwas zuder defension eines Neoterici, der die Peripateticosein wenig herunter gemacht, auszusinnen.Nicanor wolte hierauf wieder antworten, |
440:5 | aber Polydor verstörete die Fortsetzung seinesVorhabens, indem er Clarindo fragte, ober denn sonst nichts von neuen Schrifften zu referirenhätte. Denn er habe ja, als er von des Maretsseinen Buche zu raisoniren angefangen, |
440:10 | erwehnet, daß er viel in Vorrath hätte, und Nicanorbeschämen wolte, er habe aber biß hernachwenig specimina von seinem Vorrath abgeleget.Clarindo antwortete, wenn es Seiner Excellencebeliebte, wolte er wohl den Catalogum |
440:15 | dererjenigen Bücher, die er durchsehen, ablesenund könte Seiner Excellence hernach befehlen,von welchen Autore sie was hören wolten. Fiengeauch an folgende herzulesen:La France Galante ou Histoire Amoureuse de |
440:20 | la Cour. A Cologne 1688. 12mo. Philadelphe NouvelleEgyptienne par le Sieur Girault de Sainvelle.A la Hage 1687. 12mo. Annales Galants deGrèce par Me de Villendieu Tome I. A laHage 1688. 12mo. Zamire Histoire Persone par M le *** |
440:25 | Première Partie à la Hage 1687 12mo.L'Etat present de la Puissance Ottomanne avecles causes de son Accroissement et celles de saDicadence, par le Sieur de Vignau. A la Hage 1688. |
441 | 12mo. Ouvrage de Prose et de Poesie des SieursMaucroy et de la Fontaine deux Tome àAmsterdam 1688. 12mo. Presage de la Decadencedes Epires ou font mêlées plusieurs |
441:5 | observations curieuses touchant la religionet les Affaires du Temps, à Meckelbourg1688. 12mo. Plan et dessein du PoèmeAllegoriqve et Tragico. Burlesqve inutile lesCouches de l'Académie Par Messire Antoine |
441:10 | Furetiere à Amsterdam 1688 12mo.Sentimens d'Erasme de Roterdam, conformesà ceux de l'Eglise Catholiqve sur tous les pointscontroversez à Cologne 1688. in 12mo.Lettres diverses de M. le Chevalier d'Her augmentées |
441:15 | d'un second Tome à Amderd. 1687.12mo. Testament Politiqve du Cardinal de Richelienà Amsterdam 1688. 12mo. La vie deGvillaume Bedell Eveqve de Kilmore en Irlandetraduite de l' Anglois de M. le Docteur |
441:20 | Bournet par L. D. M. à Amsterdam 1687.Oevres meslées du sicur de S. Evremontà Paris 1688. in 12mo. DialoqvesSatyriqves et Moraux par MonsieurPetit à Amsterdam 1688. |
441:25 | 12mo. Verbessertes undvermehrtes Kippe die Wippe nach der ietzigen Modeoder Müntz=Betrug. Leipzig 1688. in 4to.Ausführlicher Entwurff der zwischen ietzigen |
442 | Pabst und Könige in Franckreich schwebender Irrungdie Quartiers=Freyheit betreffende samt denenbiß daher darinnen ergangenen Acten Leipzigbey J. F. Gleditschen 1688. in 4to. Recueli de |
442:5 | qvelqves Pieces concernant l' affaire desQvartiers à Rome. A Dologne 1687. in 8vo.Meibomii scriptores rerum GermanicarumTomi tres Helmstadii sumptibus Wolff.Georgii Ham 1688. in fol. |
442:10 | Nicanor erwartete mit grosser Ungedult bißClarindo fertig war, weil er auch noch unterschiedenesin reserve hatte. Deshalben kriegte er seinenZettel auch hervor und lase folgende: EusebiiPamphili de Praeparatione Evangelica libri |
442:15 | qvindecim Graece et Latine. Nova Editio juxtaParisinam anni 1627. adornata. Coloniae sumptibusMauritii Georgii Weidemanni in fol. Ejusdemde demonstratione Evangelica libri decem, qvibusaccessere libri duo contra Marcellum Ancyrae |
442:20 | Episcopum et de Ecclesiastica Theologia libri tres.Ibid. apud eund. Eusebii Pamphili de PraeparationeEvangelica libri qvindecim Graece et Latine. NovaEditio juxta Parisinam anni 1627. adornata. Coloniaesumptibus Mauritii Georgii Weidemanni in fol. |
442:25 | Ejusdem de demonstratione Evangelica libridecem, qvibus accessere libri duo contraMarcellum Ancyrae Episcopum et deEcclesiastica Theologia libri tres. Ibid. apud eund. |
443 | Les Larmes de Jacqves Pineton de Chambrun, ou lesPersecutions arrivées aux Eglises de la Principauté d'Orangede pais l'anno 1660. La chute et le relèvement de l' Auteur.Avel le retablissement de S. Pierre en son Apostolat ou sermon |
443:5 | sur les Paroles de notre Seigneur sélon S. Jean XXI. 15. à laHage 1688. 12mo. Les Idylles de Bion et de Moschus traduites de Grecen Vers François avec de Remarqves à Amsterdam1688. in 8vo. Le Convertisseur sans Dragons, ouresponse aux entretiens de deux Catoliqves Romains. A |
443:10 | Rotterdam 1688. 12mo. Centcinqvante Maximes Chretiennes,Politiqves et Morales traduite de l'Anglois d'une Personnede qvalite par Gvillaume Gray le Jeune pendant sonVogage de l'Ameriqve, pour l'usage de ses Enfans. A Amsterdam1688.12mo. La morale Domestiqve ou la science des Familles divisee |
443:15 | en deux parties et en huit tomes 1688. in 8vo. D. Adriani Beieri tyroopificiarius editione secunda comtior apparens. Jenae 1688. in 4to.Zachariae Hogelii descriptio Historico-Geographica Budae.Erfurti 1688. in 4to. Philippi Mulleri observatio ad Jac. BenigniBosuetti Expositionem doctrinae Catholicae Jenae 1685. |
443:20 | Erhardi Weigelii Consiliarii Palatini & ProfessorisPublici Wegweiser zu der Unterweisungs=Kunstnicht nur des Verstandes, sondernauch des Willens, nebst einen Vorschlage;wie nach wohlgerathener privat probe zum |
443:25 | Versuch nur eine auch gemeine Prob derVortheilhafften Kunst= und Tugend=Schuldurch sonderlich darzu bestellte Præceptoresvorgenommen werden mag, Jena 1688. in 4to. |
444 | Der zugleich Christliche, Edle und tapffere Hoffmann,aus dem Frantzösischen ins Deutsche übersetztdurch Hans Loesern, Leipzig bey R. Wächtlern1688. 12mo. Herrn Samuel Puffendorffs |
444:5 | von Natur und Eigenschafft der Christlichen Religionund Kirche in Ansehen des Bürgerlichen Lebensund Staats, verteutscht durch ImmanuelWebern Leipzig J. F. Gleditschen 1688 in 12mo.Historie vom Falle und Abnehmen des Königreichs |
444:10 | Franckreichs, so durch seine gegenwärtigeübele conduite bewähret und dargethan wirddurch Sumature Drivium, Friedburg 1688.12mo. Le ministre d' Etat de M. Silhon insTeutsche übersetzet, durch Sumature Drivium |
444:15 | Franckfurth und Leipzig 1688. 12mo. Ich dencke,setzte Nicanor hinzu, ich will mit diesen Bücherndes Clarindo seinen schon die Wage halten, undbin eben so bereit, als Clarindo, Eurer Excell.Befehle in referirung, was sie daraus verlangen, |
444:20 | ein Gnügen zu leisten. Polydor sagte, ich bin denenHerren beyden für die Mühewaltung, die siesich meinethalben machen, verbunden, und damitich ihnen beyden bezeige, daß ich dißfalls keinen unterihnen dem andern nachsetzen, so wollen wir ferner |
444:25 | Discours hiervon biß auff eine andere Zeitversparen, und dimittirete solchergestalt seinebeyden Clienten biß auf weiternBescheid. |