Clara Staiger
1588 - 1656
Das Tagebuch
I. Einleitung
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Verzaichnus und beschreibung,wenn ich Schwester Clara Staigerin geborn,in das closter komen und was sichdie jar fürnems begeben und verloffen.
Anno 1588 den 19. november zu abents zwischen 2 und 3 uhr an einem sambstag bin ich geborn und in der hl. tauf Catharina genänt worden.Anno 1597 ist meine liebe ahnfrau Agnes Staigerin gestorben den 12. monatstag oktobris. Gott tröst ir liebe seel!Anno 1599 bin ich in dis closter Mariastain komen den 12. julii meines alters im 11ten jar.Am fest des hl. apostels Jakobi habe ich zwelfbotten zogen und bekomen den hl. Andream; das freudenfest: die geburt Christi; das leidenfest: die creuczigung; das fest unserer lieben frauen: verkündigung. 1)[2] Anno 1601 hat meines lieben vatters brueders dochter Maria Staigerin allhie profess gethon und ist Maria Jacobe genent worden, hat nit lenger als 11 wochen im hl. orden gelebt, ist 10 jar im closter gewesen und im 6ten jar ires alters darein komen. 2)Anno 1602 am hl. ostertag [7. April] hab ich ein starks füeber bekomen und bin 9 wochen so krank daran gewest, das jederman vermaint, ich werd sterben. Hab darin *** 3) meines alters im 14ten jar.Anno 1603 ist mein liebe maisterin schwester Cäcilia Schwebin an St. Ursula tag [21. Okt.] gestorben. Gott tröst ir liebe seel!Anno 1604 erchtag den 30. august bin ich mit noch 5 schuelerin novicz worden bei der ehrwürdigen unserer vielgeliebten würdigen mutter priorin Clara Staigerin, so meines lieben vatters Schwester gewesen. 4)Anno 1605 den 28. marti ist dise mein liebe bas, eben an dem tag als sy 58 jar alt worden, zu abents [3] zwischen 2 und 3 uhr mit einem ganz schönen vernünftigen end, als sy uns zuvor ein schöne lehr geben, in Gott seliglich verschiden irer regirung im 13ten jar. 5)Anno 1605 den 26. april ist die ehrwürdig unser geliebte fraue mutter Felicitas Esthaym zu einer priorin erwelt worden und hernach den 5. maii confirmirt 6).Anno 1605 den 28. augusti habe ich an einem sontag mit noch 5 noviczin profess gethon, und ist mir der nam Clara geben worden.Anno 1605 ist meines vattern brueders dochter Sussanna Staigerin den 30. septembris ins closter komen ires alters im 16ten jar.Anno 1608 ist sy mit der Maria Bernerin novicz worden.Anno 1609 haben sy profess gethon am abent des hl. apostels Bartholomei.Anno 1610 den 9. aprilis am hl. carfreytag zwischen 10 und 11 uhr [4] ist mein liebe mutter Ursula Staigerin, ein geborne Bayssin, gestorben.Anno 1613 den 24. maii freytag vor pfingsten auch zwischen 10 und 11 uhr ist mein lieber vatter Erhard Staiger verschiden. Gott tröst meiner fromen eltern liebe seeln!Anno 1616 den 9. januarii ist die ehrw. unser geliebte fraue mutter Agnes Mayrin zu einer priorin erwelt worden und pfinztag den 4. februarii confirmirt. Hat löblich regirt 15 jar und 6 monat, aber wegen kriegswesen viel ungelegenhait ausgestanden.Anno 1620 den 17. februarii sein von wegen grosser unsicherhait und dass der Mansfelder 7) mit seinen Soldaten seer übel in den kirchen und clöstern gehaust und uns oft nahe gewesen, die würdig muetter 8) und 18 Schwestern von Mariaburg 9) zu uns komen und bei uns gewesen 3 jar [5] minder 2 monat. Haben die aderlassstuben und kamer bewont, in etlicher schwestern zell gelegen, im chor mit uns gesungen und bett; sein im obern formen 10) gestanden; haben im refent 11) mit uns geessen und sein auf der linken seyten nach irer ordnung gesessen, die würdig mutter an der obern taffel auch auf der linken hand; haben für sich selbs kocht in unserer kuchen auf der linken seyten des herds, bier und brot von den irigen genossen. Ist inen alles wol ersprossen, aber uns so hart abgangen, das mirs vil jar clagt. Haben alles in unser speiskammer, kuchen und keller gehabt, mit uns gesechnet 12) und gewaschen, hat viel ungelegenheit untereinander geben, das beeden obrigkaiten vil kümmernus verursacht.Freytag nach dem hl. aufertag 13) [29. Mai] clagt die würd. mutter von Mariaburg ein grossen seytenstich, legt sich daran und wirt teglich krenker; ist in den hl. pflngstfeyrtagen mit allen hh. sacramenten versechen worden und am mitwoch gestorben. Gott tröst ir liebe seel! Sein die übrige zeit mit rath unserer würd. mutter durch ir suppriorin 14) regirt worden [6] und ohne obrigkait gewesen bis in ir closter komen, sein mit uns zu aller ordnung gangen, allein das capittel habens in irer stuben gehalten.Anno 1622 den 21. oktob. an St. Ursula tag sein die Schwestern von Mariaburg von uns hin wider in ir closter. Haben unser lieben würd. mutter für allen Unkosten verehrt ein vergult trinkgeschirrle und an bayrischen 48 15) 100 fl. Ist das bes gelt 16) in hohem wert gangen. Hat ein ducat 20 fl., ein goldgulden 12 fl., ein reichsdaler 10 fl., ein fünfbäczner 3 fl. golten. Das clain gelt ist mer kupfer als silber gewesen. Hat mancher wuecherer damit gewunnen, aber ir vil darüber verzweifelt und sich selbs getödt.Anno 1622 den 8. novembris hat unser liebe alte suppriorin schwester Marina Lengin ir ambt, welches sie 33 jar löbwirdig verricht, resignirt, und ist selbigen tag in beysein herrn Dr. Gerich 17), unsers gewesenen commissari, und P. Stephan Schildtknecht, unsers lieben beichtvatters 18), [7] an ir statt erwelt worden unser liebe mitschwester Cordula Schoberin 19).Anno 1623 den 19. januarii ist unser liebe würd. mutter Agnes Mayrin ein so schwere krankhait überfallen, das meniglich und gar herr doctor an irem leben verzagt gewesen. Haben vil erhörte gebett und glübt thon, geistliche und zeitliche mittel braucht, in 14 tagen 12 adern gelassen, hat ir ehrwürden dannoch das überflüssig bluet, wellen erstecken. Ist mit allen hl. sacramenten versechen, tag und nacht bey ir gewacht und in werender schwachheit alles gebett worden, was mir einer sterbenten schuldig; hat alle tödtliche zaichen gehabt und etliche tag nichte geessen oder trunken, auch ganz kain labung wegen irer verserten bessen zungen brauchen kinden. Ist aber Gott lob durch fürbitt der lieben Heiligen und frumen menschen wunderthettiger weiss fein widerumb zu ir selbs komen, hat über [8] ir ausgestandene schwere krankhait regirt biss in das neunte jar.Anno 1626 ist durch ein überauss grosse kelten reufen und eus, so nach dem hl. aufertag [26. Mai] im end des mayen gewesen, das wintertraid, obs und wein alles erfrorn. Hat im herbst ein grosse theure und hungersnoth geben, hat niemand umb gelt, sunder jederman umb traid oder brot wellen arbaiten. Die muth traid hat 60 fl., der meczen 2 fl., ein messle melb 2 baczen kost, ist von Eichstett aus uns und andern, im Schwabenland so wol als im bistumb, vil traid hergestreckt worden umb bezahlung.Die raisenden haben vil menschen gesechen, so auf der strass und hinder den zeunen vor hunger gestorben, das gras und rinden von den peumen noch im mund gehabt.Nach diser hungersnoth ist der krieg, je lenger je mer, widerumb in unser liebs teutschland komen, [9] und aller orthen ein grosser sterb gewesen.Wie dann anno 1627 zu Schonga in Oberbayrn, da ich geborn, bey 600 menschen gestorben, darunter gewesen mein lieber brueder Gabriel Staiger handelsmann daselbst, mein liebe Schwester Anna Weinmüllerin gastgebin, widerumb mein liebe schwester Maria Widemennin und ir hauswirth Michael Widemann weissgerber. Haben miteinander verlassen 21 lebendiger kinder. Gott tröst ire liebe seeln und erhalt die arme waisen!Anno 1630 den 17. aprilis ist in Gott verschiden mein lieber vötter Michael Staiger, ein vatter schwester Maria Jacobe seligen und Maria Magdalena Staigerin, unserer mitconventualin.
―――――――― 1) Eine klösterliche Andachtsübung, die darin bestand, sich einen Apostel zum Schutzheiligen, ein Fest des Herrn oder Mariens als Gegenstand der Meditation durch das Loos zu wählen. 2) Diese jugendliche Base der Priorin starb am 8. Oktober 1601 im Alter von 17 Jahren laut Eintrags im Nekrologium des Klosters, jetzt auf der Münchener Hof- und Staatsbibliothek cod. germ. 1525 Anniversaria fraternitatis monasterii monialium in Mariastein“ fol. 19a. 3) Etwa 3 oder 4 Worte sind durch eine spätere Hand absichtlich derart mit Tinte bedeckt, dass sie unlesbar geworden. 4) Die Tante der Schreiberin wurde nach dem Tode der Priorin Margaretha Mühldorfer aus Eichstätt († 31. August 1592) zur Priorin gewählt am 15. September 1592. (Sax, Mariastein S. 20.) 5) Der Eintrag im Nekrologium setzt ihren Jahrtag auf den 29. März: Anniversarius der ehrwürdigen in gott unserer geliebten mutter Clara Staigerin von Schongaue, siebente priorissin dises closters, welche löblich das gotteshaus hat geregirt 13 jar und 6 monat. Obiit anno 1605 den 29. martii im 58. ires alters und 32. im hl. orden. (Anniv. 9b.) Hiemit stimmt, überein die Angabe bei Sax, Mariast. S. 20. 6) Sie war aus Augsburg und starb 9. Jan. 1616. 7) Ernst von Mansfeld lag in Pilsen, das auch noch nach der Schlacht am weissen Berge in seinen Händen geblieben war; wie weit seine befürchteten Streifzüge nach Bayern herein sich erstreckten, ist aus dieser Notiz zu ersehen. 8) Euphrasia Fünklin, 5. Priorin, verwaltete ihr Amt 16 Jahre, 9 Mte. 9) Augustinerinnenkloster nahe bei dem Städtchen Abenberg südlich von Nürnberg. Es wurde nach dem Vorbilde Mariasteins lt. Urkunde v. 24. Nov. 1491 vom Eichstätter Bischof Wilhelm von Reichenau gegründet und von Mariastein aus besiedelt; die erste Priorin war die dortige Chorfrau Katharina Habermayrin, Bürgermeisterswittwe aus Weissenburg a. S. (Vgl. Historisch-diplomatisches Magazin für das Vaterland und angrenzende Gegenden [von Will]. Nürnberg 1782 II. Bd. 1. St. S. 5 ff.) 10) Chorgestühl. (Ducange s. v. forma.) 11) Refectorium, Speisezimmer. (Schmeller II, 67.) 12) Die Wäsche langen, heisse Lauge über sie giessen und absitzen lassen. (Schmeller II, 218.) 13) Auffahrttag = Christi Himmelfahrt. 14) Regina von Imhof aus Nürnberg. 15) Achtundvierzigern. 16) Die Kipperei (absichtliche Verfälschung der Münze durch geringwerthige Legirung) tauchte im Jahre 1619, dem sogenannten Kipperjahre, auf und wurde von fast allen Reichständen, theils aus Noth theils aus schnöder Gewinnsucht, betrieben, Der Bischof von Eichstätt verstand sich hiezu erst, als alle andern Hilfsmittel des Landes erschöpft, und (1622) sogar die Stiftskleinodien in die Münze gewandert, waren. (Vgl. meine Abhandlung Zur Münzgeschichte des Hochstifts Eichst.“ im Eichst. Past.-Bl. 1888 Bd. 35 S. 55.) 17) 17) Adam Gerik, Doctor der Philosophie und Theologie, Cannniker am Willibaldschor zu Eichstätt und bei St. Vitus in Herrieden, war in Preussen geboren und wurde in jungen Jahren Dekan an der Collegiata B. M. V. zu Ratibor in Schlesien. Herzog Max von Bayern berief ihn 1605 als Professor der Controverstheologie an die Universität Ingolstadt, wo er verschiedene Male die Rektoratswürde bekleidete. 1612 übertrug ihm Bischof Johann Christoph von Westerstetten das Amt eines Generalvikars zu Eichstätt, welches er his zum Jahre 1625 versah. In diesem Jahre resignirte er seine Würde und zog sich auf eine Pfründe bei dem Kloster Mariastein zurück, von wo aus er den Novizen des nahegelegenen Augustinerstiftes Rebdorf Moraltheologie las. Er starb zu Ingolstadt am 7. Juli 1632, nachdem er sein nicht unbedeutendes Vermögen ad pias causas vermacht. Mehr bei A. Strauss, Viri insignes, quos Eystadium vel genuit vel aluit. Eystad. 1799 pg. 144 ss. 18) Die Beichtvaterstelle der Nonnen zu M. versah in der Regel ein Pater des nächstgelegenen Klosters Rebdorf, das ja demselben Orden zugehörte. 19) Das Lob ihrer Tugenden schrieb 1673 Supprior Franz Jobst von Rebdorf in seinem Gynaeceum sacrum, handschriftlich in der kgl. Hof- und Staatsbibliothek München cod. germ. 4300 S. 194. Sie starb, 66 Jahre alt, am 13. Juli 1653 im 49. Jahre ihrer Ordensprofess. |