Hans Sachs
1494 - 1576
Ein epitaphium oder klag-redob der leych D. Martini Luthers.
Text:Hans Sachs, WerkeHrsg. A. von Keller, Tübingen 1870
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Ein epitaphium oder klag-redob der leych D. Martini Luthers.
Als man zelt fünffzehen hundert jarUnd sechs und viertzig, gleich als warDer sibenzehend im hornung,Schwermütigkeit mein hertz durch drung | |
5 | Und west doch selb nit, was mir was.Gleich traurig auff mir selber saß,Legt mich in den gedancken tieffUnd gleich im unmut groß entschlieff.Mich daucht, ich wer in eynem tempel, |
10 | Erbawt nach sechsischem exempel,Der war mit kertzen hell beleucht,Mit edlem reuchwerck wol durch-reucht.Mitten da stund bedecket garMit schwartzem tuch ein todten-par. |
15 | Ob dieser par da hieng ein schildt,Darinn ein rosen war gebild.Mitten dardurch so gieng ein creutz.Ich dacht mir: Ach Gott, was bedeuts?Erseufftzet darob traurigkleich. |
20 | Gedacht: Wie wenn die todten-leichDoctor Martinus Luther wer?Inn dem tratt auß dem chor daherEin weib in schnee-weissem gewand,Theologia hoch genand. |
25 | Die stund hin zu der todten-par.Sie wand ihr hend und raufft ir har,Gar kläglich mit weynen durch brach,Mit seufftzen sie anfieng und sprach:Ach, das es müß erbarmen Got! |
30 | Ligst du denn yetz hie und bist tod?O du trewer und küner heldt,Von Gott, dem Herren, selb erwelt,Für mich so ritterlich zu kempffn,Mit Gottes wort mein feind zu dempffn, |
35 | Mit disputirn, schreybn und predigen,Darmit du mich denn thetst erledigenAuß meiner trübsal und gezwencknuß,Meyner babylonischen gfencknuß,Darinn ich lag so lange zeyt |
40 | Biß schier inn die vergessenheytVon mein feinden in hertzen leyd,Von den mir mein schnee-weisses kleydVermayligt wurd schwartz und besudelt,Zerrissen und scheutzlich zerhudelt, |
45 | Die mich auch hin und wider zogen,Zerkrüppelten, krümbten und bogen!Ich wurd geradprecht, zwickt und zwagt,Verwundt, gemartert und geplagtDurch ir gotlose menschen lehr, |
50 | Das man mich kaum kund kennen mehr.Ich galt endtlich gar nichts bey in,Biß ich durch dich erledigt bin,Du thewrer held, auß Gottes gnadn,Da du mich waschen thetst und badn |
55 | Und mir wider reynigst mein watVon iren lügen und unflat.Mich thetst du auch heylen und salben,Das ich gesund steh allenthalben,Gantz hell und reyn, wie im anfang. |
60 | Darinn hast mich bemühet lang,Mit schwerer arbeyt hart geplagt,Dein leben offt darob gewagt,Weil babst, bischöff, künig und fürstenGar sehr nach deinem blut was dürsten, |
65 | Dir hindter-dückisch nach gestelt.Noch bist du als ein Gottes heldBlieben warhafft, trew und bestendig,Durch kein gefar worden abwendigVon wegen Gottes und auch mein. |
70 | Wer wirt nun mein verfechter sein,Weyl du genummen hast ein end?Wie wird ich werden so ellend?Verlassen in der feinde mit?Ich sprach zu ir: O fürcht dir nit, |
75 | Du heylige! sey wolgemut!Got hat dich selbs in seyner hut,Der dir hat überflüssig gebenVil treflich männer, so noch leben.Die werden dich handhaben fein |
80 | Sampt der gantz christlichen gemeyn;Der du bist worden klar bekandSchir durchauß in gantz teutschem land.Die all werden dich nicht verlassen,Dich reyn behalten aller massen |
85 | On menschen lehr, wie du yetz bist.Darwider hilfft kein gwalt noch list.Dich sollen die pforten der hellenNicht überweltigen noch fellen.Darumb so laß dein trawren sein, |
90 | Das doctor Martinus alleinAls ein uberwinder und siger,Ein recht apostolischer krieger,Der seynen kampff hie hat verbrachtUnd brochen deiner feinde macht |
95 | Und ietz auß aller angst und notDurch den milt barmhertzigen GotGefordert zu ewiger rhu!Da helff uns Christus allen zu,Da ewig freud uns aufferwachs |
100 | Nach dem elend! das wünscht Hans Sachs. |