BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Fischart

1546/47 - 1590

 

Affentheurlich Naupengeheurliche

Geschichtklitterung von Thaten und

Rhaten der vor kurtzen Langen und je

weilen vollenwolbeschreiten Helden und

Herren Grandgoschier Gorgellantua

 

1575/1582/1590

 

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Das Ein vnd Viertzigst Capitel.

 

Wie Gurgelstrozza im Salat,

sechs Bilger aß, oder

(vmb Reimens willen)

frat.

 

 

JEtzund fallt vns eben ein wunderliche geschicht ein, die sich damals mit 6 Pilgern hat zugetragen: Dieselbigen gute Muscheln könig, kamen eben zur zeit diser vnruh von S. Sebastian bei Nantes inn Britanien gelegen, vnnd vor sorg der feind, hatten sie sich inn ein Garten hinder die Bonenstengel, hindern langen Lattich vnd breite Köl versteckt vnd gestreckt, meinten allda wol zulosieren. Gurgelstrozza aber war eben damals etwas vnlustig, vnnd fraget, ob man nit Kropfflattich gehaben möge, ein Köpffelsalat mit Köl vermengt zumachen. Als er nun verstund, daß die schönsten vnd grösten im gantzen Land daselbs wachssen, so groß als die Pflaum vnnd Nußbäume hie aussen, gieng er für lust selbs dahin. vnd bracht ein Handvoll desselben, so vil jhn genug bedaucht, mit, vnd zugleich auch darinn die sechs Pilger, welche vor forcht nicht reden noch husten dorfften, geschweig ein fürtzlin lassen, daß kein wunder gewesen, es hett sie aller Schwindel angestossen.

Als er nun den Salat erstlich beim Bronnen Wasserstein oder Röhrkasten (dann ich wills wandel haben) geweschen, sprachen die Jacobsbrüder heymlich zusammen: Ei. ei, was will das werden? wir ersauffen wol hie zwischen dem Lattig: wollen wir vns hören lassen? aber reden wir, so töd er vns gewiß fur Kundschaffter: Vnter des sie also rahtschlagten, legt sie Gargantoa mit dem Lattich inn ein Platt, so groß als die Thonn zu Cisteaux, vnnd sibenmal grösser als der rund napff vor dem Domm zu Spir welchen man zu jedes Bischofs einritt mitt wein füllt, vnnd gute arme schlucker sich redlich darumb rauffen läßt: Der Salat war beräit das fläisch darinn schmuckt sich, er streifft die Aermel hindersich, griff darein, vnnd aß es also mit öl, Essig vnnd Saltz hinein, vor dem essen sich zuerfrischen, vnnd het bereit fünff Pilger verschlungen, der sechst lag inn der Schüssel vnter eim Lattichblatt, in einander Jgelmäsig gekrümt, gepfumpfft vnd gewickelt, als het man jn inn eim Mörsel zusammen gestossen, vnd die Ballenbinder zu Franckfort zusammen gerollt, oder als der im kalten bett ligt, vnd die füß ins loch vnd die knie inns maul steckt, aber so genau hat er sich nicht geschmuckt, das jhm nit der Messenbeschlagen Bilgerstab hett herfür geguckt. Welchen als der Grandgoschier ersah, sprach er zum Gargantua, Ich glaub es gutz da ein Schneckenhorn herfür, nicht eß es. Warumb? sagt Gargantoa, es ist disen gantzen Monat gesund: griff damit zum stab, vnnd hub den Pilger zugleich vnder dem Lattigblatt auf, vnd zecht jn lustig mit dem andern Gekräut hinweg: That darauff ein guten suff fürnen Wein, vnd wartet demnach wann man das Nachtessen zurüstet.

Die verschluckte Bilger, wandten vnd schraubten sich so vil jn möglich, auß seinen Malzänen, vermeinend, man het sie vileicht inn die äusserste finsternuß eins Kerckers, vnd das vnterst gewelb eines Thurns oder ins Hechssenkämmerlin geworffen, da den letzten Heller zubezalen Aber als Strosagurgel den Küsuf that, meinten sie nicht anders, dan sie müsten all im Maul ersauffen: Auch hett sie beinah der anlauffend stram des Weins in abgrund seins magens geschwemmet vnd getriben, doch erhielten sie sich Ritterlich mit den Pilgerkrucken, vnd sprangen damit wie die Frisische Botten vber die Thammgräben, biß sie die grentze oder das gezäun der Zän, wie es Homerus «septum dentium» heißt, widerumb erlangten: da fing zu allem vnglück eyner vnter jhnen an mit seim stock auffs Land zuschmeissen, zufülen ob sie sicher weren, vnd fest Land erreicht hetten: dann derselb hat etwann von dem Walfisch gehört, welcher so vil Sand vnd Erd auff den Rucken nimpt, das, wann er im Mör ligt, es eyn Insel scheinet, vnd so die Schifleut die äncker drauff anwerffen, dieselbigen zu grund gehn: Derwegen wolt ers besser versehen, vnnd schmiß so hefftig durch eyn grub eynes holen Zans, daß er eyn Ader des Kinbackens traff, vnd der streich auff eyn geschwollen Zanfleysch abglitschet, dauon eyn solcher schmertzen dem Gurgellantua entstund, daß er gleichsam inn eyner Tobsucht Mordio schri, vnd wie eyn tolle Ganß im Kreiß herumb lieff. Doch dem vbel zuraten, hiß er jm seinen Zansteurer pringen, stach stracks gegen dem Nuß- baum zu, da der specht angehauen hat, vnd hub da meine liebe Junghern von Sant Jacob auß dem Nest. Dann den eynen erhascht er beym Beyn, den andern bei der Pilgertaschen, den tritten bei der muschelhafft, damit er den Mantel zuband, den vierten bei dem Dieb oder Schiebsack vnnd Plodergesäß, daß die stuck Prots hernach fulen, den fünfften durch eyn schnitt im Schuch, den er minders Truckens halben drein gekerbet hat, also daß die Filtzsocken herauß ragten: Vnd den letzten armen JacobsPruder, der mit dem stecken hat anackern wölln, ergrappt er durch den Latz: Doch war es sein groß gluck, dann er stach jm damit eyn heßlich Schlirgeschwär auff, welchs jn sidher sie von Ancenis außgangen, heßlich plagte.

Nach dem also die Pilger außgehaben, vnnd dort hinauß für besteckend gekräut geschlaudert gewesen, flohen vnd stoben sie vber die Heyd hinüber, zohen den hals inn sich, huben den Lincken Fuß Kreutzfertig auf, daß man sie inn kurtzem verlor: Damit hört auch das Zanwe auff, Vnnd kam eben zur stund Jungker Artdich wol, berufft sie zu tisch, dann es wer alles gerüst. So muß ich, sprach er, vor hingehen mein vnglück mit dem wasser abzuschlagen, vnd meim geselln eyn Ader lassen: fing darauff an so vberflussig zuharnen, daß dz wasser ein Welsche meil von dannen lieff, vnd den Pilgern den weg verschlug, also dz sie darüber nit watten konten: vnd einer, wie S. Sebald sein kotzen nemmen must, vnd darauff hinüber schwimmen dann er het sonst geschwummen wie eyn Wetzstein, weil er die gröst vnnd vngeschickst Mor vnnder jhnen war. Als sie gleichwol mit Not hinvber kommen, kamen sie inn eyn andern vnfall. vnd fulen alle, außgenommen Cläußlin Kleienfurtz von Fournilier, inn eyn Zuggarn, welches den Wölffen gestellet ward: Darauß sie durch geschwinddigkeyt des gemelten Kleienfurtz entkamen, vnnd war das Mäuslin welchs dem Löwen aus dem Netz hülff, dan er alle Strick vnd Seiler als eyn Cordischen Knopff mit scharpffen langen Nägeln vnnd spitzen Zänen zerriß vnnd zerbiß: Von dannen zogen sie auff Couldrai, vnd lagen dabei vbernacht: da ergetzten sie sich wider von allem vberstandenen vnglück. Dann ein belesener Kautz vnter jnen, genant Zihdenbart Lasdaller von Träggänglingen, welcher auß eym Kloster entloffen war, richtet sie durch tröstliche wort auff, vnnd bewiß jhnen auff Müntzerisch vnnd Münsterisch Prophetisch, daß diese abentheur vom Dauid inn Psalmen were vorgesagt: «cum exurgerent, forte viuos deglutissent nos»: Als man vns im Salat für Saltzkörnlin aß: (Wir weren als die eyn flut erseufft) als er den Suff that. «Torrentem transiuit Anima nostra» als wir vber die groß Schwämm watteten, «pertransit Aquam intollerabilem», Als er vns die Straß vnterschlug vnd verloff. (Gelobt der nit zugab, daß jhr schlund vns möcht fangen, wie eyn Vogel des stricks kompt ab, ist vnser Seel entgangen) Als wir inn die Wolffstrick fulen: (Der Strick ist entzwei) durch, des Furnilliers gute Händ vnd Zän. Vnd wir sind Frei. «Adiutorium nostrum &c.» Secht da, diß reimt sich, wie «quatuor quadrigæ», des Propheten Zachalie, zu den vier Bettelorden: Vnnd wie dort, «amo decorem Domus tuæ»: Ich hab den Chor deins Doms lieb. Vnnd wie die Pasquillendichter die gute .sprüch auß der Heiligen schrifft mutwillig auff jre außrichtige verkleinerliche Materien verbiegen vnnd herbei ziehen. Nun wer kans alles vmbrüsseln? «Si non probitate, at prauitate»: Es ist dannoch eyn kunst, inn eyn jeden glockenklang eynen Text erdencken.