BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Oswald von Wolkenstein

um 1376 - 1445

 

Handschrift B

 

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X

(HS A 5rv, HS B 4rv, HS c 10r-11v, Klein 10)

 

I

WEnn ich mein krank uernunft nërlichen ſunder/

und uaſt bedenck der tummen weide wund'/

der ich ein tail eruaren han/

geſehen und gehöret/

5

So wundert mich uor allem nicht ſo ſere/

das ich mein zeit newr lenck nach güt und ere/

und dabey nye kain rü gewan/

der ſynn bin ich bedoret/

Jch wais wol das noch kompt die ſtund/

10

und het ich aller werlde grund/

dorumb geb ich ſey geren/

das ich nach gottes willen leben ſolt ein jar /

der ich uil manches laider uppiklichen zwar/

in ſünden nye wolt widerſtän/

15

ſo müß ich ſein emberen/

 

II

ICh hör das man vil manchen weyſen nennet/

das er der werlde curſs ein klain erkennet/

und darauf legt tëgleichen fleys/

wie er des werd gehewer/

20

So maynt er dann derſelbig hübſch geſelle/

das jm nicht ſchad noch ſchell kain ungeuelle/

er müg verkeren ſwarcz jn weys/

das wer eim eſel tewer/

Er kan ſich ſtellen marterlich /

25

und maynt das jm nyemand geleich/

ſolt er es halt uerkouffen/

er geb es umb ein ſchilling ſicher näher nicht/

er zeucht ſein wän zu torhait als Petrarcha ſpricht/

inaller werlt der toren breys/

30

kan nyemt mit zal erlouffen/

 

III

MAn liſt und ſagt uns uil uon alden jaren/

was wunder zaichen darjnn ſind erfaren /

ſeyd das die werlt beſchaffen iſt /

uon got dem aller höchſten /

35

Man uindt ouch noch derſelben wunder gleichen/

die got verhengt den armen und den reichen/

babſt fürſten herren den ir liſt/

uor unual nit mag tröſten/

Wer hochber klimbt an widerhab/

40

wer mag des icht uellt er herab/

ließ ſich jnder mitt benügen/

alſo das er ſein zeit von got nicht feyeren las/

4v

was hilft ein man der uil bedenckt newr auß der maſs/

wil es uon got nicht haben friſt/

45

wie mag es ſich dann fügen/

 

IV

JNhoffnung ſmercz inforchten und infreuden/

uertreib wir zeit da uon mag ich nicht geuden/

ſeyd das all ſach zu diſer werlt/

kain weſen ſtët befleuſſet/

50

Vnd ſich das güt zu argem bald uerwandelt/

und arg zu gütem ſelden widerhandelt/

ye doch das ſich mit bitterm gelt/

das end ſtrenklich beſleuſſet/

Hie iſt geweſen hie iſt nicht/

55

falſch untrew böſe zuuerſicht/

wir gen einander tragen/

kind uatt' mütter ſweſter brüder all geleich/

möcht wir mit liegen triegen jn das himelreich/

ſo wër es uns ein eben ueld/

60

den jamer wil ich klagen.

 

V

SJch manger ſent nach groſſer kurczeweile/

jm wër ze tün fund ers inkouffes eyle/

herwiderumb all ſeinen ſchacz/

den ſolt er darumb geben/

65

Die werlt tracht wie ſy güt und er [er]reyße/

und geit dorub köſtlichen hört mit fleiſſe/

das ſy jr zeit an widersatz/

uerzert mit ſwachem leben/

Gedenck ein mentzſch mit aigenſchafft/

70

geburd und end was ſnöder krafft/

wir haben und gewinen/

wenn wir dort ligen zannen als die affen tier/

küng kayser herczog grafen all geleichen mir/

hat yemät güts dann fürgehaczt/

75

an zwifel wir das uinden/

 

VI

ICh mayn das wederjn waſſer oder auf lande/

nicht leb kain wilder tier der es erkande/

wann newr ein tëglich grober menczſch/

dem als ſein tün geuallet/

80

Ein uich begert nicht mer wann es uerbrauchet/

nach ſeiner art natürlichen uerſlauchet/

ſo tü wir gleich der wetter gens/

die tëglich waſſer ſnallet/

Kain tier bitt ſeins geleichen tod/

85

ains hilfft dem andern jn der not/

E das ein grober tralle/

lit ellend armüt als uil mancher weiſer tüt/

er lies ee all ſein freund hie ſterben umb das güt/

ob jm da uon wurd ſein gedens/

90

da mit er lebt jnſchalle/

 

VII

FReund wiltu weyſſhait tugent an dich breyſen/

das la dich ellend armüt underweyſen/

dein wilde mag wol werden zam/

biſtus uon gütem ſtame/

95

Diemütikait und erenſt ſelden meyde/

las hoffart bys gedultig leb an neyde/

ſo werden all dein ueinde lam/

dort jnder helle flame/

Frid trag jn deines herczen grund/

100

das du uon rach icht werſt enzunt/

wenig red ein nuczes ſweigen/

los frag wes du uon güten Sachen yerre gaſt/

traw nicht der werlt jr wandel tün iſt newr ein plaſt/

hoffnüg zu got dich nicht enſcham/

105

ſo mag dir freude naygen/

 

Nota diſs obgeſchriben lied

Wenn ich mein kranck uernunfft

ſinget ſich jnnder weyse

O welt o welt etc.