BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Nikolaus von Kues

1401 - 1464

 

 

Die auslegung

vber den Pater noster

her Nicolas von Cusa

Cardinal vnd piscoff

zw Brixen.

 

Text nach der Ausgabe von

Wolfgang Jungandreas, 1982

 

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[1]

Ihesus in eyner allerdemutichster menscheit warer got was, vnd also waren syne wort vnd lere. Vnd dar vmb so ist der «Pater Noster» in eyner eynfaldicheit der wort begrifende die hochste lere vnd wijsheit. Want glich als die gotheit in der menscheit Cristi verborgen lach, also ist alle begrifliche wijsheit verborgen in den eynfeldigen worten der lere Cristi, die nymans gancz gegrunden mach off dijssem ertrich, off das eyn iclich mensch habe eyn vnuergenclich spijse off diser sichtlichen werlt in der verborgen wijsheit gotes vnder den worten vnd synlichen zeichen, als der cristen mensch wartende ist eyn ewige spijß des obersten verstentelichen lebens, offenbair aen alle zeichen ader mittel det kranckher synlicheit. Dar vmb ist is, das eyn mentsch mach – na der gnaden Gotz – eyn clarer vnd hoher verstentenis haben in den worten des «Pater Nosters» dan der ander, als eyner clarer augen hait dan der ander, die sonne an zu sehen. Vnd wie wol eyn yclicher in syner eynfalt eyn sunderlinge genuglich sussicheit in dem selben gebet haben mach, so ist is doch, das Got eyme eyne fortel vber den andern geben hait, eym iclichen zu nutz. Vnd dar vmb lernet eyner den andern, vnd syn begeren zu lernen von eyn ander.

[2]

Vnd ist dijß myne verstentenisse des «Pater Nosters» zu dijser tzijt, vnd getruwe, das solche verstenteniss sulle in mir gemeret vnd vercleret werden von dage zu dage, als ich auch in vch von Gode das begeren byn zu wissen, das eyn bede geit nah der begirde vnd der begerlich wille geit nach dem hoffen. Want wes der mensch nicht hoffet, das begeret er nicht. Aber der hoffen volget dem glauben vnd verstentenisse. Nymans hoffet, das er nicht glaubt ader weiß. Vnd dar vmb so muss das oberste gebet haben die oberste begir, hoffen vnd glauben. Vnd das ist, das du vor dich setzen salt, in dem «Pater Noster» zu suchen.

[3]

[[Wann nun vnser verstänntnuß ist genaigt dij warhait ze wissen, vnd dar vmb findest du, was du glauben solt, in der warhait: yn got vnd den creaturen; vnd wann du den gelauben der warhait funden hast, durch den du erleücht wirdest, warczue menschlich wesen kömen mag yn seiner volkömenhait, so hoffest du auch dar zü zekoemen; vnd wann du findest, das solich volkömenhait guet ist, so wegerest du derselben vnd pitest, nach dem du dij selben versteest, vnd hoffest, das du dar zue kömen mügst vnd]] also ist, das vnser verstentenis – zu der wairheit geneiget – ffynt eyn erluchtung in dem «Pater Noster», zu wissen in eym steden glauben, was die wairheit sij.

Zu dem eersten von dem anbegynne vnd oersprunge aller dinge, von dem wssflus aller dinge von gode, von dem mittel des wyderflos aller dinge vnd von dem ende.

[4]

Der orsprunck, das ist die gotliche nature, ist in den worten «Vater vnser, der du bist in den hymelen, geheilicht wert dyn name! Zu kome vns dyn rich!», der wßflos in den worten «Dyn wille gewerde als in dem hymmel vnd in der erden», das kreftich mittel in den worten «Vnser deglichs broet gib vns hude vnd vergib vns vnser schult, als wir doen vnsern schuldigern. Nit verleit vns in bekorung!», das ende in den worten «Sonder erloes vns von vbel. Amen».

[5]

Der orsprung ist vns vffgedaen in eyme glauben in den worten «Vater vnser», in dem hoffen des verstentenis in den worten «Geheilicht werde dyn name», in der begir des guden in den worten «Zukome vnss dyn rich». Der wßfluss der creaturen wirt vns offenbert in syner ordenung in den worten «Dyn wil gewerde als in dem hymmel vnd in der erden». Das mittel vnser wandelong wil haben eyn kreftige spise vnd eyn lichtigung des hyndernis, eyn wege wijse vnd eyn beschirmung. Aen die iiij puncten kan nymans wol gewandelen. Der erst punckt is in den worten «Vnser teglichs broet gib vns hude», der ander in den worten «Vergib vns vnser schult», der dritt in den worten «Als wir tun vnsern schuldigern», der virte in den worten «Nijt verleit vns in bekorung». Das ende aller wandelongen ist zu dem guden, begrifen in den worten «Sunder erlose vns von vbel. Amen».

[6]

Die nature, die gnade vnd die glorie vnd alles, das der mensch begert zu wissen, wie vns das moglich ist off dijsem ertrich in der ordenung, als die meister von den hochsten synnen das begrifen mogen, ist alles zu finden in dijsem heylichsten gebede, dae yn nichtz vberentzich, nichs gebresten ist, nichs zu swer, nichs zu licht, nichs zu lang, nichs zu koertz, nicht aen sach vnd recht ordenung ist, dae das eerste das eerste muss syn, das leste das leste. Want der artikel «Vater vnser, du bist in den hymelen» mach keynen vor yme liden. Vnd der artikel «Geheilicht werde dyn name» geet wß dem eersten, vnd der dritt wß den zwen, die vor geent. Der artikel «Dyn wille gewerde» geet wß den, die voer yme geent. Vnd also bis an das ende, eyn yclicher in syner ordenung. Das allerheiligste gebet legen ich in den kurtzten nu also wß.

[7]

« V a t e r   v n s e r »

Eyn «vater» ist eyn naturlicher erster vnd oberster vrsprung vnd ist allein eyn anbegin aller vnser. Das bewiset das wort «vnser». Want eyns ist nicht vnser, sonder vnser ist vijl. Aber vijl haben eynen orsprunck, als vns die zale das wiset. Zehen ader xx ist meer dan eyns vnd ist vijl. Aber das zehen zehen synt ader xx xx sint, das haben sij von eyme. Zehen ist nijt anders dan eyns zehen maele. Vnd dar vmb: were eyns nicht, zehen machten nijt gesyn. Vnd also synt zehen von eyme vnd haben von yn selbs nichtz, sonder was sij syn, das ist von eyme, vnd ist yn yn nicht dan eyns. Dar vmb so sint wir alle, wie vijl vnser sie, von eyme. Vnd syn wir nichtz von vns. Vnd was wir syn, das syn wir in dem vater, aen welchen wir nicht syn mogen. Vnd also haben wir, wie alle creaturen von eyme vater vnd yn eyme syn, vß den worten «Vater vnser». Dar nah folget

[8]

« D u   b i s t »

Dae mercken wir: sint der vater ist, so ist er

das wesen aller dinge. Want alle dynck von yme vnd yn yme syn. Vnd also is Got alles, das da ist, in eym iclichen, das da ist. Vnd folget

[9]

« I n   d e n   h y m e l e n »

Durch die hymel verstaen ich die oberste creaturen. Vnd also lerent mich die eynfeldige wort: wie Got der vater ist in allen dingen. Want er is «in den hymelen». Die obersten creaturen das sint die verstenteliche naturen. Die haben in irer macht die vndersten, als die bewegliche lebendige nature der baume hait in ir die vnderste elementen. Vnd das sinliche leben der diere begrifft in yme das bewegelich leben. Vnd dar vmb wechst vnd nympt zu das dijr als der baum. Die vernunftige nature begrijfft die synlich als in dem menschen. Vnd die verstendige hymmelsche natur begrifft in ir die redeliche als in den engelen. Vnd dar vmb ist eyn Got der vater, in dem alle ding sint, in den hymelen. So ist er in allen vnd ist eyn Got vater in vijl hemelen. Vnd sint vijl hymelicher naturen, in welchen eyn eniger Got vater vnuerdeilt vnd vnuermenget ist.

[10]

Dae wss du merckes, wie dijss ertrich der synlicheit ist ver von dem erkenteniss Gottes. Want er in den hymelen der obersten verstentenis ist. Vnd da wirt er funden mit den augen der verstentelichen naturen, die wir auch in vnser selen haben. Want er eyn oberste geistliche natur ist, die vnser synliche vnd corperliche augen nijt schauwen moegen. Vnd also merck, das Got der vater ist das wesen aller ding! Vnd is in yclichem, also das in allen, vnd in keym besonder. Aber begrifflich vnd mercklich, so ist er in den hymelen der verstentelichen naturen.

[11]

« G e h e i l i c h e t   w e r d e   d y n   n a m e »

Eyn name ist eyn kentinis. Bij den namen haben wir vnderscheidlich bekentenijs. Vnd so der name bas bedudet das da genant wirt, so er rechter vnd warer ist. Vnd dar vmb: eyn warhaftig name ist eyn rechte gelichnijs des genampten, vnd is als eyn begrifflich wort, das da flusit auss der macht des verstentenijs vnd is eyn glichnijs des verstentenijs. Also is der name Gottes des vaters eyn oberste wort glich der verstentelicher naturen des vaters. Vnd want der name allergelichste is dem vater vnd der oberste name is, der nicht warer, rechter ader glicher syn mach, so mach der name nijt mynner syn dan der vater. Anders, were er mynner, so mocht er mere syn dan er were. Vnd also weer er nijt der oberste warheftichster name. Synt aber: das er glich dem vater ist, so is er glich Got als der vater. Aber Got der vater ys eyn eynige orsprung aller dinge, als oben gescreben stait. Dar vmb muß der name, der dem vater glich is, derselbe eynige Got syn, der der vater ys, wye wol der name der vater nicht in is, sonder des vaters name, den wir vmb des willen, das er is von dem vater, als syne oberste gelichnis nennen mogen den son, – in eyme gelichnijsse der synlicher geburt, dae der son von dem vater ys. Aber als keyn son off dissem ertriche syme vater als glich is – er mochte yme wol glicher syn – , so ist, das keyn ding mach dem andern nummer als glich syn, es mocht wol glicher syn. Want das alleroberst vnd wairhaftichste gelichnis is allein des vaters son ader name. Dar vmb ist alle gelichnis off dissem ertrich gemenget mit vngelich. Vnd ist Gottes des vaters name off disem ertrich nijt zu finden in enigen glichen aen groser vngelich.

[12]

Want nu Got nijt erkant mach werden anders dan in syme namen, so ist, das wir hoffen, das wir dar zu komen mogen, das wir yn vber vnser verstentenijs bekennen, in dem das Got der vater vns in syme namen erluchtet, das wir in heiligen. Want wan wir heiligen synen namen, das kumpt viss dem licht, vns gegeben von dem vater, dae ynne wir gesehen synen «namen bofen alle namen». Wanne wir der namen aldae gesehen, dan heiligen wir yn bofen alles, das da heilich, war vnd recht ist. Want wir gesehen, wie der name der wair name is vnd der gerecht name, das oberste gelichnis vnd der «spiegel der wijsheit», da in Got der vater allein gesehen vnd erkant mach werden, vnd das alles, «das genant is in hymelrich vnd ertrich», hait keynen waren namen aen gebresten vnd vngelich anders dan in dem namen. Vnd das dar vmb keyn dinck erkant mach werden in der wairheit anders dan in dem namen.

[13]

Also leret vns Cristus bitten, das der name geheilichet werde durch vns, da ynne begriffen is die unergrunte lere zu komen in das erkentenis Gottes, dar zu wir nicht komen mogen von vns, sunder von gnaden Gottes, die vns heiliget, off das wir heiligen mogen den namen des erkentenis Gottes vber alle erkentenisse. Als dan, wanne vnser verstentenisse allein Gottes namen heiliget, vnd in keym andern ding lust noch ruge findet ader suchet, so hait der mensch, das er bidet von Gode, in den worten «Geheiliget werde dyn name».

[14]

« Z u   k o m e   v n s   d y n   r i c h »

Eyn rich is eyn vereynigung, eyn kuninckrich eyn vereynigung in eym kuning, eyn Gottes rich eyne vereynigung in Got. Das gotlich rich is die gotliche vnd die oberste vereynigung, die nicht merer mach gesyn. Die vereynigung des vaters vnd des sones, der dem vater allergelichts is, ist die oberste vereynigung. Auss eyme vnd syme gelichen kumpt vereynigung, als auss vngelich deilung. Vnd dar vmb so kumpt auss eyme vnd syme allergelichsten die oberste einigung. Die oberste einigung, die nijt merer mach syn, muß Got syn. Want alles, das da is, das es syn mach, das is Got. Vnd was Got nijt is, das mach durch Got anders syn, dan is ist. Aber Got allein is alles, das da syn mach. Also is die oberste vereinigung Got, den wir nennen den heiligen geist, der dae «kumpt» von eyme vnd syme gelichen, das is «von dem vater vnd dem sone». Also mercks du, das des vaters rijch is die oberste vereinigung, der heilige geist.

[15]

Vnd dar vmb: wanne der mensch erhebt wirt in das bekentinis Gottes, in syme namen, vnd also gesehen hait, das Got allein das allerbegerlichst is vnd oberste gut, so fint er, das Got das rijch is aller wonne, die liebde is aller lieblicheit, vnd das allein in dem rijch is der heilige ewige fride vnd vereynicheit, vnd das busen dem rijch is alle liebde vergenclich, gemenget mit leide, vnd aller frijd vnstetlich, gemenget mit vnfride, vnd alle fruntschaff vnd vereynigung gebrechlich. Dar vmb so sullen wir mit groser begiir bitten, das das rijch zu vns kome, da in vns nijt gebresten mag, sunder <wir> eweclich selich syn.

[16]

Wir bitten, das «das rijch zu kome». Da in versteen wir, das wir glauben sullen, wie wol wir creaturen syn vnd off disem ertrich leben in vijl gebresten, vnd creaturen bliben muesen, das vns doch das fridsam vndotlich rijch zu komen moege. Vnd also werden wir geleret von Cristo, das wir begriflich syn, zu syn «Gottes kynder», vnd das vns Gottes rijch zu komen moege zu eyner ewygen erbschaff, vnd das wir an vns haben eyn ondoetlicheit, zu welcher Gotes rich komen mach.

Wir werden auch geleret, das vnser oberste hoffen syn sal zu besytzen das rijch der ewigen freuden. Vnd in dem, das wir bitten vmb das rijch, werden wir geleret, das vns Got das rijch von gnaeden geben mach vnd das wir keyn recht das zu fordern haben. Want wir synt als von vns «kinder des zorns» vnd der zweidracht vnd der sunden, das is der deilung. Want «sunde» kompt von «sundern», das is deilen. Dar vmb so syn wir nit als von vns selbes geboren zu dem rijch des fridens vnd vereynigung, sonder allein von gnaden. In dem aber, das Cristus vns leret, Got dar vmb zu bitten, verstaen wir, das Got dar vmb gebeten wil syn vnd das syne gnaede vns des dan nit weygeren wille.

In dem aber, das du geleret bis zu sprechen: «Zu kome vns dyn rijch», dar ynne mercks du, das Gotes rijch is zukumpftich nach dijser vergenclicher zijt, vnd das dis rijch der werlt, das nu ist, in dem wir nu syn, is vnbegrifflich des richs Gottes, vnd das du gedolt haben salt in dijser werlt vnd warten mit groser begir Gottes rich na dijser werlt; vnd schicke dich in dyme rich, da du nu ynne bis, dich also Goede zu lieben vnd zu vereynigen, das dir Gottes rich zu komen moge.

[17]

In dem aber wir bitten, das syn rich vns zu kome, da in mercks du, das du zu Gottes rijch nit anders enkummes, dan das das rich Gottes zu dir kome, als vnser corper kumpt nit anders zu dem leben, dan wanne das leben der selen zu yme kumpt.

Also hais du das eerste deil des heiligen «Pater Nosters» in dem kurtsten vnd versteis wol auss dem, das ich also gesagt habe, das die lere Cristi vnzuhergrunden ist.

[18]

Nu merck noch auss den dryn artikelen, die ich dir also vßgelacht habe, wie du von deser werlt dich zu Goede keren salt. Du fyndes zu dem eersten off disem ertriche vijl dinges: sternen, dyere, baume etc. Dar nah sies du, das die vijl vngelich syn – Eyn sterne ys eym diere vngelich vnd eyn dier eym baume -, vnd das keyn dinck dem anderen gelich is. Dar nah sies du, das alle dinck gesundert und gedeilt syn: «die sternen dae oben, die erde hie vnden», die visch in dem wasser, die voegel in der locht. Vnd ys ye eyns gedeilt von den anderen.

Die dru dyng merckt eyn iglich mensch wol off disem ertrich: vijl, vngelich vnd gesundert. Vnd auss vijl kumpt vngelich, vnd auss in beiden kumpt gesondert. Wilt du nu zu Goede komen, merk den orsprunck von vijl: das is eyns. Want nu vijl in eyme vereyniget syn als in yrem orsprung, so kere dich von vijle zu eyme. So mags du sprechen: «Vater vnser, du bis in den hiemelen».

Dar nah merck, woer vngelich glich is, das is in Gottes sone. Dar vmb kere dich von vngelichem vnd vnrechtem zu dem gelichen vnd rechten. So keres du dich zu Gottes sone vnd machs wol bitten «Geheiliget werde dyn name».

Dar nah merck, woe alle deilung vnd sunderung vereiniget is: das is in dem waeren friden, das is in dem heiligen geist. Dar vmb kere dich von aller sunderung der sunden, die dae deilen is tzuschen dir vnd Got vnd dyme neesten – das sij in zorn ader has – zu der vereynigung der liebden vnd des frides! so mags du wol bitten: «Zukome vns dyn rijch!» Vnd synt die wege dir noet vnd sint auch genuch, folges du der lere.

[19]

« D y n   w i l   g e w e r d e   a l s   i n   d e m

h y m e l   v n d   i n   d e r   e r d e n »

In dijsen worten werden wir geleret, das alle dinck von Goede vßflisent, nae dem willen Gottes, vnd das alle dinck haben irs wesens keyn ander sach dan Gottes wille, das der hymel hymel ist vnd die erd erd is, vnd eyn mensch eyn mensch is. Das is anders nergen vmb, dan das Got das also wil. Dar vmb in dem wort «gewerd» mit dem willen flijßen alle dinck von den vater in ire wesen. Das is nijt anders, dan das alle dinck syn alles, das sy syn, von eyme driualdigen Gode: von den vater in syme worte, das is der son, mit syme willen, das is der heilige geist. Dar umb merck, das in den drin worten «Dyn wille gewerde» syn alle dinck yn yrem vsflosse bezeichent: von Gode dem vater in dem wort «dyn», von Goed dem soen in dem wort «gewerde», von Goed dem heiligen geist in dem wort «wille». Vnd als die dru woert bezeichent die driualdicheit, vnd in den worten die heilige driualdicheit bedudet wirt, also hait eyn yclich dinck, das dae is, eyn bild Goedes vnd der heiligen driualt in yme, durch welch bilde das dinck is, want geyn dinck ychtz anders is dan als ver vnd als vijl is Gottes bilde is.

Merck, mensch, die cleynen wort «Dyn wil gewerde», die dir geben in der heiligen driualt den wßflos aller dinge zu verstaen! Want wilt du wissen, wie der mensch is mensch worden, du wirs hie geleret, das du bekennes, das geyn ander sach is, dan das Gottes des vaters wille geworden is, also von allen dingen. Dar nah volget

[20]

« a l s   i n   d e m   h y m e l   v n d   i n   d e r   e r d e n »

Da wß mercks du die ordenung aller ding. Want alle dinck, die Got geschaffen hait, sint hie benant mit der ordenung. Hie ys genant der hymel, die erde vnd da mit eyn «vnd». Da merck eyn oberste hymelsche natur, die geistlich is, eyn vnderste erdische natur, die corperlich is, vnd eyn mittelste natur, von beiden vereyniget, die hymelisch vnd irdisch is als die menschlich natur, die ober ir hait die hymelische, engelische natur, vnd vnder ir hait erdische natur, das is alle naturen der elementen.

Dae wß merckes du, wie alle naturen vnder den menschen haben geyn gemeynschaff mit der hymelschen, geistlichen naturen, vnd das dar vmb Got, der in den hymelen is, durch sij nijt erkant wirt mercklichen. Want sy sint wß der erden. Die is ir gemeyn muter. Vnd werden dar wß erhaben die ander element. Vnd wß den elementen werden steyn vnd bewegelich vnd synliche naturen erhaben. Vnd want die nature is erdisch von der muter, so is sy der hijmelchen vndertenich.

[21]

Aber die hymellische is geistelich vnd Got gelicher vnd dar vmb edeler. Want in der verstentelicher naturen finden wir eyn geistlich wesen, verstenteniss vnd willen. Das wesen is geneiget zu der ewicheit vnd ondoetlicheit, das verstenteniss is geneiget zu der wairheit, der wille zu dem gueden. Also findes du, wie die hiemelsche, geistliche natur is eyn schyn Gottes vnd der heiligen driueldicheit, eyn schyn Gottes des vaters, der ewich is in syner ondoetlicheit, eyn schyn des soens Gottes in dem verstentenis, in der wairheit, die erschynet in dem verstentenis, durch welche das verstentenis hait den glans der wijsheit zu der wairheit, eyn schyn des heiligen geistz in dem willen, der von dem licht des heiligen geistz anders nijt begert, dan das gut is. Also begert der wille nijt dan guet. Want guet fluset von dem heiligen geist vnd hait das begeren zu dem gueden von dem vißfloss des heiligen geist, als auch das verstentenis zu keim andern dan zu wairheit viß dem vißflos von dem sone Gottes geneiget is.

Nu ist, das die menschlich nature, vereiniget von der hymellichen vnd ertrichsen naturen, findet in dem geist syner selen die hymelsche neigung zu der vndotlicheit, zu der wairheit vnd zu dem gueden vbersich, zu Gode. Vnd in der erdische sinlicher naturen befindet eyn neigung vndersich zu dem vergenclichen, onwaren, schynenden guede, also das die gesetz vngelich vnd widereynander syn.

[23]

Dar vmb leret vns Cristus bitten, das der wille Gotes «gewerd in der erden als in dem hemele», das die synliche, fleischlich nature sich kere zu der verstentlicher vnd blibe der in gehorsamheit vereiniget. Das is dar vmb: wan alsdan so is der mensch gancz vbersich in dem hymele siner verstentenis, da Got wonende is, in friden wandelen. Vnd viß dem, das wir sulchs bitten syn, bekennen wir, das wir von vns selbs krancker naturen syn, vnd mogen aen die gnaede Gottes dem fleisch vnd der synlicheit nit wydersteen. Vnd vnser erdische nature mach die hymelsche gesetz, durch welch sij der gotlicher ewicheit deilhaftich wirt, nijt entphaen aen gotliche gnade, die doch Got willentlich geben wil, wanne wir mit innicheit bitten syn «Dyn wil gewerde als in dem hymel vnd in der erden», als das vns vnd ander vijl groser lere in den worten von Cristo Ihesu offenbert syn.

[24]

« V n s e r   t e g l i c h s   b r o i t   g i b   v n s   h u d e »

Wir haben vor gebeten, das vnser erdische nature in die gehorsam kome der geistlichen, hemelschen naturen. Want nu sulchs vmb gebresten der naturen nit geschehen mag, wir haben dan eyn spise, die vns teglich vnd aen vnderlaes fude, so is, das Cristus vns leret, das wir Got bitten vmb die spise des lebens, durch welche wir gespiset werden, crafft zu haben, vns des doits vnd der gebrechlicheit zu erweren.

Want nu in vns vereiniget syn zwo naturen, eyn hymelsche vnd eyn yrdische, so bitten wir vmb das notdorftige broet zu beiden naturen: das is vmb das hymelsche broet, da ynne das hymelsche vndoitlich leben is, «bouen alle selbstendicheit, aller creaturen, als der ewangelist Matheus scribt, vnd vmb das broet aller notorft, die vns als hude in dissem synlichen leben zu komen mag.

[25]

Nu haben wir verstanden hie vor, das die verstentelich, geistlich nature wirt mit der wairheit vnd mit dem worte Gottes, das ist mit dem ewigen Gottes soen, der die wijsheit is, vndotlich gespiset. Dar vmb bitten wir, das das wort eyn spise werde vnser menschlicher naturen. Nu muß eyn spise vereiniget werden mit dem, das da gespiset wirt, anders so en ists keyn spise. Als dar vmb bitten wir, das die warheit ader wort Gottes, vnser naturen vereiniget, vns gegeben werde. Want «das is das broet», in welchem wir das ondoitlich leben haben mogen. Vnd is vnser broet vnser naturen. Dar vmb wir bitten, das Got vns vnser broet gebe, das is Ihesum Cristum, in vnser hertze des lebens gebe als eyn spise des lebens. Vnd wirt das vnser broet vns gegeben zu eyner spisen des lebens, wanne wir Ihesum in vnserm hertzen mit gantzem glauben vor eyn spise des lebens entphaen. Want als dan so vereiniget sich vnser leben in vnser eigener menschlicher naturen in Cristo, in welchem vnser nature dem gotlichen leben vndoitlich vereiniget is. Vnd also syn wir als dan gespiset in vnserm brode, das vns Got also gegeben hait.

[26]

Merck nu, wie dese wort «Vnser tegelichs broet» dir zu dem ersten offenbaren, das solche vnser broet is, vnd dar nae, das is vns zu dem leben noit is, vnd das wir eyn hoffen haben sullen, das wir da mit gespiset werden, vnd das das nit dan mit Gotes gnaeden geschehen mach, vnd das Got mit andacht vnd lyebden dar vmb gebeten wil syn vnd dan geben wil. Das alles bewisent vns die wort des gebetes. Dae merck vß, was dar zu gehoret, das der mensch das leben haben moege. Want es is noit, das er Cristum habe, der das hymelsche broet is. Aber Cristus wirt is eyn spise eyns naturlichen lebens dyme libe vnd allen dinen glidern. Nit das die sele sich kere in den lijp vnd die liplich natur an sich neme, sunder das die sele vereinige in ir dinen lijp vnd alle dine glider. In der vereinigung so lebet der lip in dem leben der selen. Da merck, das alle creaturen, die da zu dem ewigen leben komen, sin als glider eyns lichnams Cristi, in welchen is das leben Cristi, also das in yn nit anders lebet dan Cristus. Vnd is dat nit anders, dan das die vernunftigen creaturen vereiniget syn in eynem lijp, der in dem leben Cristi vereiniget is.

[27]

Nu versteis du wol, das der mensch zu dem ewigen ondoitlichen beses ader begriff des obersten gutes anders dan in Cristo Ihesu, da in alle vnser gebresten erfullet syn, nit komen mach, sonder das wir alle in yme volkomen werden vnd in yme ersteen von dem dode vnd vereiniget werden dem leben. Want er is «das lebendich broet», das «vber aller substancie» ader selbstendicheit aller creaturen is. Vnd sint in yme alle creaturen in irer obersten volkomenheit. Vnd er is der vorgang vnd das heubt aller scheffunge Gottes, vnd sint alle die werck Gottes ruwende in ym. Vnd is das anbegin des vßfloßis aller creaturen vnd das mittel des widerfloßis vnd das ende aller volkomenheit. Want die menschlich nature in ir vereiniget alle naturen, die hymelsche vnd irdische, vnd die is in Cristo Gottes soen vereiniget, so is Cristus das ende aller volkomenheit. Want er is «allein der hogste» vber alle hymelsche vnd irdische naturen.

[28]

Da vß mercks du, das er nit en is eyn spise, die sich keret in vnser nature als eyn liplich spise, want er allein der oberste is, sonder er is eyn spise des lebens, die in sich vereiniget vns vnd in syme leben vns lebendich macht, als dyn sele als wegfertige wendeler zu dem hymelschen leben bedorfen syn der spisen, aen welche wir nicht zitlich leben, als sulche wendeler en moegen, so leret vns Cristus, das wir vmb das broet bitten sullen.

[29]

Nu sich eigentlich: wil du, das Cristus in dir lebe, so muß du in yme vereiniget syn. Als wulde dyn finger, das dyn sele in yme lebet, so muß dyn finger vereiniget syn dem libe vnd durch den lijp der selen. Want scheides du den finger von der selen, durch das du den finger von dem libe snides, so scheides du yn von dem leben. Vnd also sijs tu, das du vereiniget muß syn Cristo, salt du leben. Aber die vereinigung mit Cristo mach nit syn, du sist dan ynne in dem libe Cristi, das is die heilige versamenung der cristenlicher kirchen, vereiniget.

Vnd dar vmb bittes du «Vnser teglichs broet gib vns hude». In dem du sprichs «vnser», so bekennes du, das du der versamenung vereinicht bis. In dem du sprichs «broet», bekennes du eyn lebendige spise vijler vereiniget in Yme. In dem du sprichs «gib vns hude», bekennes du, das die spise wirt nit gegeben eyme, der gesondert is, sonder vijlen vereiniget. Dar vmb merck vß der lere Cristi, das dir der glaube vnd sacrament vnd alle tugent nit helfen mogen, das du zu dem leben komes, du sijs tan eyn glit des lichnams der glaubigen Cristi in eyner vereinigung.

[30]

Du salt auch mercken, wie du geleret wirs, alle tage «aen vnderlaß zu beden». Want glich als dyner selen infloß den glederen dyns libes alwege noit is, sullen dyne gliter leben, also is dyner selen alwege noit dijs hymelsche broet. Vnd das mercks du wol vß dem wort «degelich» vnd dem wort «hude». Want is das broet degelich noit. Vnd bitten wir, das vns das broit, des wir degelich noit haben, hude gegeben werde, so bekennen wir auch, synt is vns zu allen dagen noit is, das wir in allen dagen dar vmb bitten sullen. Want wir in der zijt dis sinlichen lebens nymans dan durch den glauben, das er sij «das broet des lebens», vnd durch den hoffen vnd liebde, vnd in eyner gnadricher gaeben Gottes. Merck hie: synt Cristus eyn spise is des lebens, so vollenbringt Cristus in vns alle gebresten, als die spise erfullet die notdorfft. Vnd dar vmb is Cristus eyn spise aller spisen, in aller volkomenheit, alle gebresten zu erstaden. Vnd also, was vns gebrist, es sij in dem wesen, in der gerechtichkeit, wisheit ader wairheit vnd in dem friden, der liebden ader gutheit, das finden wir alles in dem brode.

{{Dar aus beweysen wir vnser begird zü dem prot, vnd vnser glauben vnd hoffnung vnd liebe werden gemeret; also ist, das got vns dics prot alle tag geben<d> ist; vnd das ist das öbrist heiligist sacrament, das wir mit grosser lieb vnd andacht als die öbrist vnd hoechst gotes gab in disem gepet begeren vnd enphahen suellen}}.

[31]

Nu merck, das Cristus is vnser broet, als wir zu yme wandelen syn, vnd wirt vns gegeben in syme wesen, in syner wijsheit vnd in syner gutheit, nae dem vns den moglich is in diser wandelber zijt zu entphaen. Want nu dijse vnse fleischliche augen in deser sinlicher werlt Cristum, der ontdoitlich vnd nae der offerstentenis mit doetlichen augen vnsichtlich is, vmb der allerbehentlicher vnd vnbegrifflicher geistlicher clarheit willen, <nit erkennen moegen>, vmb welcher naturen willen Cristus eyn geistliche spise is vnser selen, so ist, das Cristus vns vnder dem gesteltenisse des broetz in deser wandelung vns gegeben wirt, da wir yne nit gesehen mogen mit den sinlichen augen, sunder mit den augen des glaubens. Vnd also is Cristus warheftich vnder dem gesteltenis des broetz in dem sacrament. Vnd is alles, das da durch die synne ansyhen, tasten, smacken ader richen, begrifen, nit der waer lichnam Cristi, sunder die war zeichen ader sacrament des lichnams, der da ist vnd mit dem glauben des verstentenis allein gesehen wirt. Das is die oberste gaebe Gottes, zu vnser spijsen vns wendeleren gegeben, bis wir vß diser werlt der sinlicheit zu den hymelen des verstentenis komen, da wir Cristum nit verdecket vnder den sacramenten vnd nijt mit dem glauben, sonder in der warheit, «als er is, schauwen werden».

[32]

Vmb das broet bitten wir vnd sullen is entphaen mit gantzem glauben, allergroestem hoffen vnd der meisten libden. In dem glauben sullen wir Cristum vnder den sacramenten warheftich entphaen, das er gantz vnd warheftich sij vnder allem gesteltenis des broetz in allen sacramenten, als vnse sele vnsichtlich is, warheftich vnd gantz in allen vnsern glidern vnd in eym iclichen, vnd eyn angesicht in vijl augen, die das gesehent, vnd eyn wort in vijl oren, die das horent, vnd eyn konst in vijl meistern, die sij kunnen, vnd eyne warheit in vijl verstentenisse, die sij mercken. Vnd als vnse sele nicht enwegst, wanne wir clein syn vnd groes werden, sunder der corper allein, das auch also Cristus nit groser is vnder dem gesteltenisse des grosen ader des cleynen brodes, ader vnder vijl ader wenich sacramente. Wir sullen auch hoffen, das wir von dem glauben komen werden zu der wairheit, vnd sullen also Cristum entphahen mit grosser liebden, das wir yme vereiniget werden durch die liebde als vnßin gude vnd heil.

In syner wijsheit wirt vns Cristus gegeben in syner leer. Want in der lere des meisters ligt die kunst der meisterien, dar vmb so vinden wir Cristum in siner lere. Vnd das bewiset vns dese lere des heiligen «Pater Nosters», da Cristus inne is. Want die lere Cristi is vol aller wijsheit, vol aller tugent vnd nijt zu verbessern, als der meister.

[33]

Nu merck in dijsen worten «Vnser deglichs broet giff vns hude»: nae dem wir wendeler syn, leret vns Ihesus, das wir vnbesorget sullen syn, want Got vns vnser notorfft zu dijsem leben geben wil, von dage zu dage, bijss mir von hynne komen. Dar vmb sullen wir keinen vlijs haben, in gyricheit vijle bij eynander zu zihen, als weren wir nit wendeler, sunder inwoner disses ertriches, ader das Got nijt wisse, was wir noit haben, vnd das in der zijt nit geben moege.

Wir werden auch geleret, das wir von Goede niet heischen sullen dan das deglich notdorftige broet. Want er wirt vns anders nit erhoren. Vnd kumpt vns vber notdorfft zu, das die von Goede vns nijt kompt als vmb vnsern willen, sonder vmb der notdorfft willen, den armen vnd den gebrestigen durch dich zu bestellen. Off das du wisses, als du Got bittes vmb «vnser deglichs broet», das dan sulch broet, das Got gifft, nit dyn allein, sunder «vnser» is, der die des nae dir bedorffen syn. Vnd abe du das vberentzich broet, das dir vber dyn nottorfft herouert, nijt gemeyn machs den dorftigen, so ist is eyn zeichen, das du solche brote mit vnrecht vnd giricheit versamet hais vnd vnrecht besitz vnd Gottes vnwirdich bijs, der dir vnd eym iclichen notdorfft bestalt hait zu geben; da in du wider sinen willen als eyn «vntruwer diener» den armen Gotz kindern ire teil vorheldes.

[34]

In der vnd anderen leren Cristi in dijsen heiligen «Pater Noster» vnd den heiligen ewangelien gifft vns Got Cristum, der «der wech, die wairheit vnd das leben» is. Got gifft vns auch eyn spijse vnser wandelung in dem leben Cristi, da in wir in vnser wandelung gespiset werden. Want was vns notdorfft is zu wandelen, das finden wir da. Is vnser wandelung gebresthaftich in hoffart, so finden wir in der diemüticher wandelung Cristi eyn spise. Willen wir die heischen vnd zu vns nemen, so is die noit gebuest vnd der gebrest der hoffart abe. Wanne wir vnser leben spiegelen in dem leben Cristi, so sehen wir, was vns gebrist vnd was wir dun sullen. Willen wir wandelen zu Cristo in das ewige leben, so sullen wir vns flijsen off dijsem ertrich, zu wandelen als Cristus gewandelt hait. Vnd sullen wir vmb vnsers heil willen den wech nijt versmahen, den Cristus, Got vnd mensch, «vmb vnsers heils willen» nae der menscheit, in welcher er vns gelich is, gewandelt hait.

[35]

Vnd abe du als gantz den wech nit gehalden kans, so is doch noit, das du dem wege in solchem flijß folges, das du zu dem ende, dae Cristus is, gerachen moges. Leest du aber den wech vnd keres yme den ruck, so bis du vß dem wege des lebens in dem wege des doitz vnd kummes nijt zo Cristo. Dae merck, wie du in dyner wandelung vß den wercken der wandelung Cristi gespiset wirdes! Vnd abe du vmb die spise nijt bittes noch entphanges, so wirt dir gebresten «das lebendich broet». Vnd das is, das du vß den vorgescrebenen worten mercken magst.

[36]

« V n d   v e r g i j f f   v n s   v n s e r   s c h u l t »

Cristus leret vns, das wir Got bitten sullen vmb vergebung vnser schult. Da in mercken wir, das wir alle von vnser naturen wegen mit schulden belestiget syn. Synt das yderman nae der lere Cristi also bitten sal, so bekennet auch eyn yderman schuldich zu syn. Vnd is die scholt «vnsen»; want si is vnser naturen. Dar vmb is sij gemeyne eym yclichen, vnd is Got kein sach ader vrsach vnser scholt. Want sij is vnser. Vnd dar vmb bitten wir vergebung. Da vß merck, das Got allein die schult, die wir gegen yn verbrochen haben, verziet, wanne wir yn inneclichen bitten syn. Da lerne, das du glauben salt, das Got den sunder rechtfertigen mag vnd syne schult vergeben. Vnd wirt keyn schult, groes noch kleyn, vßgenomen. Da merck, das Gottes macht is syne barmhertzikeit, vnd durch syne gnaderich barmherczikeit macht er vß dem vngerechten den gerechten, als er durch syne almechtikeit machet vß nichtz etzwas: vß dem dode den lebendigen, vß einer naturen die ander, vß wasser wyn, nae syme willen. Want syn wille is syne macht, vnd was er wil, das mag er dun vnd muß geschehen. Merck auch, das kein mensch verzwiuelen sal an der barmhertzikeit Gottes, sonder eyn hoffen haben in eyner ganser stedicheit, das Got yme vergebe. Want Cristus leret dich bitten vergebniss der schult. Mücht dir aber nit vergeben werden, so hett Cristus dich nit geleret, das du hoffen suldes vergebung vnd dar vmb bitten.

[37]

Du salt auch mercken, wie dijß gebet anhebet mit eyn «vnde». Want is spricht: «Vnd vergib vns». Das «vnde», stricket dijß gebet zu dem nesten: «Vnser deglich broet gib vns hude <vnd> vergiff vns vnser scholt». Want vergebung der scholt mach vns nit werden aen das broet, sunder mit der vereinigung in dem hemelschen broede durch den glauben mogen wir bitten vergebung der scholt. Want wir haben als von vns eyn verschulte vnd versundichte nature, die allein in Cristo gereiniget is. Vnd also mach die gnaede der reinigung von den sunden an vnser natuir nit komen dan durch Cristum, der auch alle vnser gebresten erfullet vnd bezalet, syn wir in syme libe yme vereiniget, also das vns die «quitancie» vnser erlosung als dan werden mach. Wanne vns Cristus mit syme verdienstenis vereiniget is, in wem wir alle in vnser naturen genuch gedaen haben, als dan wir billich von Goede erhoret werden vnd anders nijt, vmb vnser naturen vnbegrifflicheit.

[38]

Merck auch, das du bittes «Vergiff vns vnser scholt». Want wer da gescheiden is von den anderen vnd meynt, vor sich zu bitten vnd nijt vor die anderen, der mach nicht sprechen «vergib vns». Vnd dar vmb erwirbt er nicht. Want wir leren hie, das vergebung der sunden is in der eindrechticheit der heiligen versamenung der cristenlichen kirchen, busen welcher kirchen mach der glaube Cristi nymans helfen, das er von synen schulden erloeset moege werden.

[39]

« A l s   w i r   d o e n   v n s e r n   s c h u l d i g e r n »

In dijsem heiligen «Pater Noster», da ynne alles, das vns noit is, zu einer lere begriffen is, finden wir nit anders, das wir doen sullen, dan in dijsem artikel. Da steit «Als wir doen vnsern schuldigern». Dar vmb so synt hij alle gesetz Cristi, die wir doen sullen, begriffen: das is «vergeben». Cristus leret vns, das Got vns nicht vergifft anders, dan wie «wir vergeben». Da merck, das Cristi gesetz is, das «du dues andern, als du willes dir gedaen haben». Das wisent die wort «Vergiff vns vnser scholt, als wir vergeben vnsern schuldigern». Bittes du aber Got, das er dijr vergebe, vnd vergibs du nijt, du versags dir selber. Dyn «schuldiger» is Gotes creature, als du bis. Vnd Got wil den von dir geledicht haben, als wol als dich dunckt, dichs gut syn, das Got an dir due solchs, das du nit wilt dun an dyme schuldiger. Wie bis du dan wirdich, von Gode das guet der vergebung zu entphahen, bis du nit guot die zu doen?

[40]

Merck, was vernunftiges vnd clares gesetz das is, das yderman billigen muß vnd versteet! Wer Got biddet, das er yme vergebe, vnd vergifft nicht vnd glaubt, das syn gebet erhort werde, der glaubt, das Got nijt Got sij, vnd vnrecht recht vnd boese gut sij. Wer aber glaubt, als Cristus vns leret, das Got vergebe, als wir vergeben, der hat eynen rechten glauben zu Gode, das er der gerechte, beste Got sij. Vnd mach der mensch vß sinen wercken der vergebung syn hoffen, das yme von Goede vergeben werde, messen vnd mit liebde dar vmb bitten. Da vß merck, mensch, das dir hie eyn einiger wech wirt off gedaen, dar durch du wissen machs, abe du von Gode erhort werdes vnd Gottes kint sies. Der is, das du an dym werck gesies vnd mercks, abe du dues andern, als du wuldes dir gedaen haben, das is, abe du vergebes dynen schuldigern clerlich vnd nit drages zu yne anders dan liebde. So ist aen zwiuel, das du eynen gantzen getruwen machs haben, das du von Gode verzichnis aller diner sunden erworben habes vnd eyn kint des ewigen lebens sies. Want dir gebrist, keyn gesetz zu erfullen, want in der liebden dyns neesten, die in der vergebung der schulde in den wercken bewijst wirt, is die volkomenheit aller gesetz.

[41]

« N i c h t   l e i d e   v n s   i n   b e k o r u n g e »

Hie werden wir geleret, abe wir wol das gesetz eyns erfollet hetten vnd vergebung vnser sunde erworben, so syn wir doch nit sicher, das wir besteen vnd nicht en fallen in die schult durch das inleiden der bekorung. Das is, das die bekorung dan anhebet, wanne wir der sunden ledich syn; vnd sullen glauben, das wir gehuit mogen werden von Gode, das wir besteen vnd nit enfallen, vnd hoffen, das wir dar zu komen sullen vnd das mit innicheit von Gode bitten, also: «Nicht leide vns in bekorung», als wolden wir sprechen: «Here, kein bedruchnijs vnder eyner gestalt des gueden in siner bekorung macht hait, mich zu verleiden, du dues dan das, das is: du verhenges dan das, in dem das alle dynck durch dyn laessen ader willen geschehen. So bitten ich dich: nit zug abe die hant dyns schirms vor boese bekorung, so mach ich nit fallen. Anders durch das abezihen dyns schirms leides du mich in die bekorung, als die sonne, durch das sij vndergait, gifft vns die nacht, dae wir nit gesehen».

[42]

Merck auch, wie wir in die sunde wider fallen, want wir werden geleit von eyner bekorung eyns schynende guetes, das vns vorbracht wirt in der synlicheit von diser sichtlichen werelt ader in der vernunfft von dem boesen geist, der bekoren is, das verstentenisse von der warheit zu verleiden. Vnd wanne wir zu Gode nicht flihen, das er vns behude vnd beschirme, so werden wir verleit, bis das wir in die bekorung komen vnd die offnemen vor guet. Also syn wir dan von Gode, der das oberste gut is, geuallen in das bedrogen schynber guet. Da haben wir keyn ander wege nit wider, dan nae der lere Cristi, Got zu bidden, in aller bekorung, das wir nit verleit werden, nae den worten dijs heiligen gebetes.

[43]

« S u n d e r   e r l o s e   v n s   v o n   v b e l »

Hie in diesen lesten worten haben wir wß der lere Cristi, das wir in dißer werlt aen die boese bekorung nit ensyn. Want wir sint, da das vbel is. Da bitten wir erlosung. Da ynne bekenne wir, eyn ander rijch zu sijn, dae das vbel nicht en is, sunder allein das oberste, warhefftig vnd vngemenckt gut, vnd das vnser erlosung von vbel is die erlosung von dijser synlicher, schalckhaftiger, bedrogener werlt. Vnd begeren der glorien des ewigen guedes, da yn wir allein erloest moegen syn von allen vbel. Want bußen die oberste glorien is keyn stat des puren vnuergenclichen steden gudes. Wir bitten vmb die erlosung.

Da in glauben vnd bekennen wir, wie wol das wir nu in dem leben der synlicher werlt syn vnd vß der anders dan durch den doit nit komen mogen, das nae dijsem sinlichen tode wir eyn wesen haben mogen in yme steden ewigen gude, vnd hoffen dar zu komen. Vnd mit groser liebde syn wir bitten vnd begeren dar zu komen, wie wol das aen den synlichen doet nit syn mach. Vnd dar vmb so is vnser synlicheit in desem gebede in die geistlicheit vnsers verstentenis erzuckt, vnd der wille Gottes «als in dem hymele» vnsers verstentenis is in der synlichen erden. Want der gantz mensch is gans vbersich in Got gekeret, begeren gescheiden vnd erloest zu syn von desem zijtlichen boesen leben, off das er bij Gode, der «das guet« is – vnd da von «Got» von dem guden genant is - , in ewicheit syn moege.

[44]

Merck hie: wer nit gerne sterben wulde dijss synlichen dodes, off das er zo Gode queme vnd biddet erlosung von vbel, der erwirbit nichs. Want er bijdt weder syn hertz. Vnd wer dijse boese werlt liber hait dan Got, der blibet gesceiden von Gode vnd dem guden vnd is in ewicheit in dem vbel, dar vß er nummer erloest mach werden. Vnd dar vmb so is dijss gebet des menschen, der recht vnbeflect vnd vngemenget lijbde dreit zu Gode. Want der setzt Got vor syn zijtlich leben vnd alles, das geschaffen is vnd nit Got is. Der bidt vmb die erlosung von desem krancken, vergencklichen leben, off daz er moege bij syme aller liebsten gude syn, aen welch guet er nit begert zu leben. Want der versteit, das er nicht en lebet anders dan in der vereinigung Godes, dar yn syne liebde hyn furet, vnd da er durch die liebde allein is, wie wol er noch in deser synlicher werelt, noch in syme fleischlichen tempel gefangen is. Der bitt mit andacht erlosung, dem dijss leben also leidet vmb der liebden wille, die er zu Gode dreit, das yn bedunckt, in yme snoden, duystern, vnreinen kerker gefangen syn, vnd wanne er da vß were, das er zu eyner steden, guden vnd obersten freuden, zu syme allerliebsten queme, des er allein begert.

[45]

Der also is in Godes liebden vnd nae den puncten dijs heiligen «Pater Nosters» dar zu komen is. Vnd fint besonder Gode zu zuhoren bouen alle artikel erlosung von vbel, das is gebung des ewigen lebens. Want das ewige leben nit anders is dan das oberste, das wir begeren mogen – vnd wir mogen anders dan gut nit begeren - , das is Got selber. Der mensch spricht: «O Here, sint du mir myn scholt vergeben hais durch das hemelsche broet, «nit verleide mich in bekorung!» Nit laes mich in deser bedrogener werlt lange bliben, dae ich vnbekort nit syn mag vnd vnverleit besteen aen dynen schirm, «sunder erlois mich», Here, «von allem vbel!» Want das is dyne erbschaff ver von allem vbel, dar zu du mir in dyme soen Ihesu gerofen hais!»

[46]

Merck hie: wilt du wissen, was die ewige freude sij, die kein mensch begrifen mag vmb irer groeste willen, so findes du, das die ewige freude nit mach bas, kurtzer vnd clarer verstanden werden durch vns, dan als Cristus vns hie leret. Want die freude is erlosung von dem vbel. Wilt du wissen, was die hell is? Cristus leret dich, das die hell is eyn ewich gefencknis in dem vbel. Erlosung von vbel is die oberste freude, vnerlosung ader gefencknis im vbel is das meiste bedrufnis vnd pyne. Die oberste hemelche freude is, in dem gude, das Got is, eweclich zu syn gescheiden von dem vbel. Die groeste hellische ader vnderrichsche pyne is, gescheiden zu syn von dem gude, das Got is.

Das rijch, dae nit dan gut ader Got is, heiset das hemelrich. Das is das oberste rijch. Das rijch, dae nit dan boes vnd vbel is, heist die hell. Want hell is vnder ader nider, vnd is die helle in eyner deilung, zwitracht, vnfriden vnd vnwissen, dusterniss. Dar vmb die fursten der hellen «fursten der dusterniss» ader dufel heisen. Aber «das rijch der hemel» is die eindrechticheit, fride, libde, wijsheit, alles gut vnd clarheit. Dar vmb heisset der furst erloser von allen vbel, den wir bitten, vns zu erlosen von der hellen vnd allen vbel.

« A m e n ».