BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Minnereden

1300 - 1500

 

Minnereden

 

Quelle:

Berliner Liederhandschrift mgf 922

(Berlin, Staatsbibliothek)

 

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28.

Klage einer Liebenden

 

[26ra]

Ich moes clagen clegelich,

Mynne, vandier bitterlich

dattu mit weldichliker kracht

hais mich sendes wyf behaft,

5

daz ich syn, herts, lyf und guet,

werlicher en wyflicher muoet

an eme hain mynnenclich gelacht

die mynre leyder niet enacht.

des roeffen ich waeffen over dich.

10

wes tzydstuo, morderinne, mich?

ich was und byn dir onderdaen,

daz ich zuo vrunde eme muoest ontfaen.

myns hertzen veste ich eme ontsloes,

dair ynne ich eme vruontlich erkoes,

15

das he mir lieft und niemans me

und leven sal, wies mir ge.

syne manlicheit, syne zuoesse woirt

haint mich sendes wyf bekoirt,

daz ich hertzen kommer drain.

20

ei suoesse Mynne, lais dair vain!

sint du gewalt haest over mich,

Mynne, so lais verbermen dich

das ich den kommer alleyne toelde

den he van schulden lyden solde.

25

Mynne, des moes ich straeffen dich

daz duo gewalt wisest over mich

mit dyner willenclicher daet

und he so onbesweret gaet

voir minen ogen alle dage.

30

reynen wyven ich daz clage

daz mir Mynne pyne doet,

eme zu lieve tiegen spoet.

myn leyt eme lieft, myn liefde eme leydt,

wat mich ervrauwet, dat is eme leyt,

35

was mich ervairt, das ist eme hais.

Mynne, daz weistu, niemans bais.

[26rb]

live mich eme als he ist mir,

Mynne, so dancke ich ommer dir.

he lieft mir ye lang so me

40

und ich eme leyder werder gheve.

dass ist myn alre hoeste clage

de ich in myne hertze drage.

he doe mir wol, he doe mir wee,

dorch eme enkrenche ich nemmerme

45

myn wyflich er, myn stedicheyt.

ydoch so willich syn bereyt

eme zu ontsien in stediger geir

mit weerdicheit in eeren weir.

ich manens dich, reynes mynnes vrucht,

50

gedenke an alre eren tzucht

und doe nu recht op rechte vrucht,

so wirt dyn name und auch zuocht

gepryst in hoer weerdicheit.

des denck aen stede stedicheyt

55

noch daz ich dynre nye envergas.

dyne mynne mer lieft ye lang zo bas.

lief, des laess genyessen mich

daz ich in truwen mynnen dich,

und lais dich noch erbermen

60

..............

want mich anders nicht ergetst

dan bitter trene, die mir netst

wangen, buorste menich falt.

dyne mynne mich machet eir tzyden alt.

65

ich streven leyder tegen stroem,

myne bitter klacht ist eme eyn droem.

ja enis al nit golt daz dair blycht.

syne woirt syne werck nit engelicht.

des dorre ich als der dorre ast,

70

dair de tortel duove uf rast

so wan se ir lief verloren hait.

o Mynne, vrouwe, dit ist dyn raet!

ich was vry, vro muoedes myn,

nu byn ich leyder eygen syn

75
[26va]

der mich verderven doit e tzyt.

duorch eme byn ich alre vreuden quyt.

wer ye van mynnen wairt ontsont,

der hylffe mir vynden nu den vont

wie ich des doedes mich gewere.

80

myns hertsen bloet ich gair vertzere

na synre mynnen sonder roe.

dach und nacht, spade und vroe

sal ich van sinen schulten sterven

und syn hulde auoch nit erwerven.

85

Daz clage ich reynen wyven tzairt

daz ich virderve uof rechte vairt.

weme ye leyde van mynnen geschach,

die hilffe mir leisten mynen dach.

tegen Mynne kracht ich vechten wil,

90

want sy myr doit geweldes vyl.

liever wil ich doot bliven

dan in suolcher pyne zuo bliven.

ich byn der werelde levende doot,

mir ist die werelt saen eyn loot,

95

mistroist drivet mich aen eyn oirt.

wat sal mir dat leven voirt?

nu tredt her aen, Mynne, aen mich,

mit kreften wil ich sagen dich,

of mir got der selden gan.

100

nu tret an, Mynne, tret her an!

Stede, comt te helffen mich,

want du weyst myns hertzen crych,

daz ich dir ye was onder daen

sint ich den ouoden hadde ontfaen.

105

Troest, tret her aen,

die moirderynne wille ich bestaen.

Truwe, hilff truwelich mich,

den grents boem bevele ich dich.

mit Hoeffen treden wir inden werf,

110

want ure hulffen ich bederf.»

[26vb]

idoch Hoffen sich virsan

und sprach: «ich byn der Mynnen man,

ich wil eyn middelbode syn

zuo dir und auch der vrouwen myn.

115

ich wil dir gheven goeden raet:

ouoch wie kommerlichen dirt staet,

duo moest haven goet gedolt.

al is dir vrouwe Mynne onholt,

sy mach noch wol ergetzen dich

120

in weerdicheit gair mynnenclich.

ir macht is dir zuo strenge.

ey, reyne wyf, des enge

dyn ongeber, dyns hertsen torn.

men sprichet: goet dienst wert nie verloren.

125

wan sich vrouwe Mynne bedencket

und dir alle zwere senket,

so wirt dyn zuoer dyn suoesse.

a Venuos, vrouwe, nu buesse

des reynen wyves smertze,

130

die ir bestricket daz hertze

mit mynnenclichen benden,

die duo kanst, Mynne, senden

mit strenger krefte dair duo wolt.

suos onderdaen is Minen solt,

135

des com ir zu genaden,

daz wil ich ummer raden.

ich werve dyn beste sonder wanck,

du sporest mich sicher eir yet lang.

nu doe myn leere gair ongehoent,

140

dyns arbeits wirt dir noch geloent.

reyne wyf, dair aen gedencke

und all dyn ongemuoete sencke!»

Nota.