BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Minnereden

1300 - 1500

 

Minnereden

 

Quelle:

Cod. Pal. germ. 355

(Die Blattangaben führen jeweils zu den

Originalseiten der Heidelberger Handschrift)

 

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21.

Klage um den Tod einer Frau

 

[156r]

Wenn ich gedenck der lieben zyt,

was wonn und hocher froed lyt

an reinen wibes bilden,

so moecht min hertz erwilden

5

an froed und an hochem muot.

der tröst mir soelich schweben tuot

recht als ich sye gefider.

wenn ich gedenck da wider

das end der werden fröwen,

10

so moecht min hertz ergroewen

von leid und jemerlicher klag,

das nieman nit herwenden mag.

es sterbent wonnecliche wib,

der zarten wunbernden libe

15

menig hertz erfroewet hät.

das von wißheit frue und spät

die kunst in irem hertzen was,

wer kúnd an in volloben das?

[156v]

da gernder lust in hertzen lit

20

und sie ir selb doch wider strit

das ir kein unstät angesig

und doch der lieb in hertzen pflig

gen ainem tugent richen man,

der ir mit fliß gedienen kan

25

nach irem wört in stäter min,

dez er sin hertz und all sein sinn

ir willeklichen naiget

und sy gar denstlich zaiget

mit mengen aubentüren,

30

da mit er der gehüren

gefestnet sinen stäten muot.

was er durch irent willen tuot,

daz er wiplich huld bejag,

dez wirt von im von tag zuo tag

35

gar loblich wol gedichtet,

das laider wirt vernichtet

der anfang aller diser taut.

der er mit fliß gedienet haut,

die hort man clagen selten.

40

ach got, wes sol engelten

ain raines wib nach todes zil,

dez niement ir gedencken wil,

wie listlich waz ir angesicht,

und sye mit eren richer pflicht

45

ir zyt hie haut also vertriben

das sye ist beliben

mit werdem lob ovn alles mail,

und meng hertz doch machet geil

mit irer zarten triukait,

50

die got selb an sie hät geleit,

das manlich muot von der beschöd

empfieng wol tusent feltig froed, –

der wirt zuo mäl vergessen,

das es nit wirt gemessen

55

da hin da mit man ir gedecht!

súß, er sye ritter oder knecht,

lobt man nach tödes ende.

menig knab ist behende

wie er geticht sin wol getät,

60

als er sin zyt vertriben hät,

und wirt sin lob geraitet

und im die welt gebraitet

daz mencklich siner sel ze guot

vil menig hälsam wunschen tuot

65

und wirt an im die manlich er

von wib, von man geromet ser

die fúrbaß nach im fragen.

dar zuo haut man sin magen

[157r]

all dest bas in kúnfftiger zit,

70

des man im guotten lomden git

darnach vil menig jär.

sie sind öch wol zuo brieffen zwär

durch des erstorben mannes muot,

der ie so manlich lib und guot

75

gewagen torst durch raine wib.

Nuen hoert man layder fröwen lib

nach tot selten clagen.

die es da solten sagen

durch aller fröwen er,

80

der findt man leider keine mer;

und wer in doch zuo dichten ring,

sid got die wib von urspring

der welt zuo trost gegeben hät,

wenn aller trost an in bestät,

85

wä männlich muot ye er begän.

kein zung sie nit volloben kän

nauch iren hochen eren.

ach richer got, wie geren

wölt ich in wúnschen alles guot!

90

kúnd ich von größheit sinn und muet

[157v]

nauch irem lob gelencken,

und das in min gedencken

zuo stätten kem in oewikeit,

so wer ich willeclich bereit

95

den wipplichen figuren

ob allen creaturen,

wenn aller trost an in bestät.

dar umb so clag ich frue und spät

100

wäs in zuo leid hie geschicht;

und das ir zartlich angesicht

herblichen muoß von todes not.

ir wenglun und ir múndlin rot,

das jamert mich besönderlich,

105

wenn ir zartlich angesicht

das manlich hertz von trúren zoch,

do es mit froeden zuo ir floch,

zuo der kúnschen, reinen,

da es sich wolt vereynen

110

mit dem getrúwen hertzen

in wonnenclichem schmertzen

und beyd ir glúck volbrachten,

das blyck mit blyck fachten

[158r]

und keins dem andern gab einpfor.

115

ir beder hertz schwebt ein bor,

by im das ir, by ir das sin,

ir beder form ein bildes schin

yetwederm an dem andern was.

von schulden muoß ich clagen das

120

das es den wúrmen wirt zuo teil,

dar an der manheit hoechstes heil

von angeng was und úmer ist.

gnad richer herre Jhesus Crist,

wärumb haustü dem tod erlobt

125

das er so jemerlich berobt

den zarten fröwen ir leben

und in kein frist wil geben

durch schön und durch ir wiplich zücht?

es wer wol das die edel frücht

130

wer úmer junng und wol gestalt,

das ir der tod hett kein gewalt,

das sie vermitd alles leid,

als Enoch und Elyas beid

sind komen indas paradiß.

135

das rein wip in soelicher wiß

[158v]

von hinnen fúrent och dar in,

gesund, starck, ön alle pin,

das woelt ich inn erwúnschet hän,

wen es solt an ein sterben gän.

140

doch was din goetlich ordenung

geordnet hat, das sol kein zung

mit gedicht wider triben.

ach got, gib reinen wiben

geleit in dinen hoechsten trön!

145

gedenck das du die besten kron

einpfolhen haust der muoter din,

die wiplich bild gar kusch und vin

mit willen hät gefieret dar

úber aller engel schär,

150

da sye gewälteglichen lebt

und keisserlich in eren schwebt,

da ir kein engel ist genoß.

was der himel ye beschloß,

das ist ir alles undertän.

155

das soltü, herr, geniessen län

hie und dört die fröwen zart,

die du nach dinr goetlichen art

[159r]

gebildet hast in lieber pflicht

zuo dinr besundern zuoversicht,

160

wä manlich muot da nider laeg,

das wiplich bild ein fester stëg

wer fúr alles ungemút.

teil in genäd mit rechter gút,

da mit du wiplich er bestet,

165

wenn du selber woltest werden knecht

in einer jungfröwen lib,

die du selber hast genent ein wib,

wie doch ir magtum wäs gefrist

gantz kúsch, fin und úmer ist.

170

nuon fier die fröwen mit ir da hin

da sie ist worden kúngin

ob aller engel koeren,

das sie da singen hoeren

die suessen engelëschen dän,

175

und das dú muoter, all ir krun,

gemert werd von der wib schar,

näch den sie ist gebildet gar

in irem jungfrölichem wesen,

[159v]

der muoter Anna ist genessen,

180

nauch der der mensch hat aigen schäfft.

ach muoter gotz, hertzog din krafft

gen reinen wiben hie uff erd,

das inn din heiliger segen werd

gegeben und och alles heil.

185

läß niessen sie das best teil

das dir din kind gegeben hat

in diner hoechsten magen stät,

das dir niemen geniemen mag.

ach gott der jemerlichen clag

190

wä wiplich bild erstirpt

und ir nam verdirbt!

das ir vergessen wirt da by,

als ob sie nie gewesen sy,

das ist ein leid ob allem leid!

195

es wer wol uff minen eid,

wa ein wiplich bild wúrt bestaet,

das sye wúrd in die erd gelät,

das ir ein gantzes land genúß

und das der edel balsam gúß

200

uß irem gräb ön underlaß,

[160r]

und das ir fuoß pfäd und ir straß

truog aller werder krúter krafft,

und das man tëglich ritterschafft

ob irem grab solt triben

205

zuo lob den werden wiben,

als sie vor durch wiplich ere

mit irem schimpff hand geúbet sere,

als in gar wiplich wol gezäm.

ach ern richer wips näm,

210

wie mag dich einer verklagen

der by allen sinen tagen

dir willeclich gedient hät

und sich din froet frue und spät

in allem sinem dingen,

215

wie mag dem wirsz gelingen

in allen dem das im geschicht?

und siner liebsten zuoversicht

der bitter tod gesiget än,

der das nit erwenden kän,

220

mit allen sinen listen

nit lenger mag gefristen

das er der liebsten fröwen sin

mit also jemerlicher pin

[160v]

sich öweglich muoß verwegen,

225

das er nit me sol pflegen

mit ir der aller liepsten stunnd,

und sie mit roseletem munnd

in trulich wurd an lachen

und sy mit solichen sachen

230

in nimer me erfroewen mag,

dar an doch als sin glúck ye lag,

das er die muoß fermiden!

der moecht vor bitterm liden

an froeden gar verzagen,

235

wer semlich leid sol tragen

von siner liebsten fröwen end,

der er mit willen was behend

zehalten alles ir gebott.

O gnaden richer, werder gott,

240

vertrib der starken túffel kräfft

mit engelescher ritterschäfft

hie und dört, wö hersterb

ein wiplich bild, das nit verderb

ir sell durch kein missetät!

245

ob sye ye súnd begangen hät

die schedlich múg der sele sin,

die tilck mit den genaden din

[161r]

und gib in, herr, din hoch geleit

zuo diner oewigen gotheit,

250

da tusent jar ein kúrtze frist

by dinen oewigen froeden ist

als gestern der vergangen tag.

die fröwen ich mit gedicht clag,

der biß genedig aller meist,

255

gott vatter, suon und heiliger geist!

Amen.