BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Minnereden

1300 - 1500

 

Minnereden

 

Quelle:

Cod. Pal. germ. 313

(Die Blattangaben führen jeweils zu den

Originalseiten der Heidelberger Handschrift)

 

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4.

Klage eines Liebenden

Fassung II

 

[362v]

An eynem morgen es geschach,

e man den dag uff luchten sach,

das ich do lag alleyn.

myn frewd die was gar cleyn,

5

darzu myn drurn also gros.

myn hercz das dett ein stos

recht ob es sich wolt scheiden

von mynem lib vor leyden.

ja mich beducht zwar

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ein stund wol ein jar.

da hub ich an zu drachten

ob ich icht mocht achten

das mir wer zu ergeczen

unnd mich in frewd det seczen,

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also das ich nit enstürb

und in mynem leid gar schier verdurb.

ich gedacht vil her unnd hin.

sust kam mir in mynen syn,

mir moecht kein drost gescheen,

20

das dett myn hercz vergehen,

die zitt kem dann herwider

unnd het dan das ich sither

[363r]

durch scheyden muß enbern;

so moechtend wol kern

25

myn sachen sich wider zu gutt.

da leyd unnd unmut

ja wollent mich behalten,

mit leid so muß ich alten

unnd in sender clag

30

leben beid nacht unnd dag

in jemerlichem clagen.

androst muß ich verczagen,

undrost hat mich gefangen.

o herczlichs belanngen,

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du hast mich ueberwunden!

myn heil gancz ist verswunden,

so gar dar zu gluck

hat mir gekert sinen ruck.

ach mich senden armen!

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ich muß mich selbs erbarmen

wan ich bedenck myn smerczlich pyn!

von frewden muß ich sin

verirrt unnd gewendt.

Scheiden, du sist geschendt

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uff erd vor allen dingen!

myn zuversicht unnd gelingen

ist mir von dir enczogen,

ich find mich gancz bedrogen,

behafft dar zu mit allem schmercz.

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lid dich, gedruws hercz,

secz dich incleyn gedult,

[363v]

du lids on unschuld.

ach scheiden, das hastu gethan!

du wilt doch den lon

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mir geben zu der leczen,

dar durch ich muß seczen

myn hercz all zit in sennen.

ich möcht zwar wol wenen

das mir der dot vil weger wer.

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o gott, aller her,

durch din crafft so thu es wenden!

myn leben muß sich enden

in jamer unnd mit smerczen.

es ist nun mit scherczen

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gancz umb mich gethon.

ich muß nun faren lon

all lust unnd auch frewd,

unnd will zuleyd

mich gancz fugen unnd schicken

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o we der fruntlichen augenblicken

der ich ie muß embern!

myn drost wil sich kern

ganncz von mir, das sih ich wol.

ich muß unnd soll

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alczit one frewd leben

unnd stett in drurn streben.

das schaffstu, jemerlichs scheiden.

zwar du dust mir leyden

was mir zufrewd mag wesen,

80

du hast mir myn genesen

gar genczlich verkert.

[364r]

myn leid sich stetlichs mert

alczit on end,

da von mich nit wend

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kein lieb mag oder leid.

Ob ich nun gescheid

mich hab vonn der liebsten myn

doch ist sie in mynem synn

mir on als vergessen stet.

90

ir gedruewer knecht

will ich alczit bliben,

sie ist die mir verdriben

kan all myn leid

unnd all myn freud

95

gar schier widerbringen.

hoffen unnd gutt gedingen

sollen syn der drost myn,

gott woll nün syn

ir schirmer vor allem boesem.

100

das wer myn genesen,

unnd nit mer wolt ich han.

es ist gnug, ich far dar vonn.

Amen.