BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clara Hätzlerin

um 1430 - 1476/77

 

 

Das Liederbuch

 

Bl. 331v-332r (I, 112)

 

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Ich hab biszher nit recht gewest,

Das ellend ist ain sölich geprest,

Als ich nun täglich wird gewar.

Ich hab es oft gehabt für schimpff,

5

Nu kan ich sicher chain gelimpff,

Dann senen vnd gedencken dar,

Da ich mein hertz mit willen liesz,

Vnd da es allzeit ist mit hus,

So tůt mir meiden widerdriesz,

10

Das ich waisz weder ein noch vsz.

 

Ach schaiden, das du seyest verflůcht!

Vnd wer dein mit willen gerůcht,

Der dunckt mich ye chain clůger man,

Wann schaiden hatt mich darzů pracht,

15

Das ellend täglich mich vmbfacht

Vnd ich Im nit entrynen kan.

Wurd aber mir das hail beschertt,

Das ich käm wider zu dir haim,

So wurd mein ‹gmüt› gantz gar ernert!

20

Sunst ist mein hertz in ellend ain!

 

Doch solt du wissen, lieber hordt,

Das mir dein weiplich weis vnd wort

In triuem gedanck pringet můt.

Vnd wann ich gentzlich für mich setz,

25

Wie ich mich laids mit dir ergetz,

Ob das dein lieb auch fräen tůt;

So wig ich als mein laid gering,

Vnd hoff, dein gütt, dein angesicht

Bedenck, das sy mich wider pring,

30

Ee ich in ellend werd entwicht.