BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clara Hätzlerin

um 1430 - 1476/77

 

 

Das Liederbuch

 

Bl. 294v-295v (I, 43)

 

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Soll ich ye nymmer singen,

So will ich aber sagen:

Mir will doch nit gelingen!

Das můsz ich ymmer clagen.

 

5

Zu ainer ich mich senet,

Der was ich gantz vnwert;

Ach got, wie hartt ich menet,

Noch was sy allzeit hertt.

 

Ich hofft, ich wolt beschulden,

10

Sy solt mir fräden machen;

Das musz ich ietz hertt dulden,

Mir ist yerpoten lachen.

 

Vrlaub hatt sy mir geben

Mit Worten hübsch vnd clůg;

15

Ich sorg, das nem mirs leben,

Wann ich so swär nye trůg.

 

Die nacht kan ich nit schlauffen,

Der tag ist mir gar langk;

Möcht ich nun rů erchauffen,

20

Darnach sagt ich mein danck.

 

Nun wolt ich ye nur pawen

Vff perg vnd nit in tal;

Das tůt mich ietz harlt rawen,

Wann ich hab tavn ain val.

 

25

Der tůt mich swärlich lämen,

Mein craft will mir entgavn,

Kain Artzat will ich nemen.

Ellend will ich bestavn.

 

Wann sölichs ist mir bescheret

30

Vnd hatt mich angeporen,

Kain trost mich fürbas neret,

Hoffnung hab ich verloren.

 

Die hennd trag ich verschlossen,

Mein haubt das naiget sich,

35

Mein hertz ist hart durchschossen,

Das macht die mynneclich.

 

Ellend halt mich vmbfangen

Vnd gibt mir täglich pein,

Vnmůt will an mir hangen,

40

Das ich nit sey allain.

 

Vnglück will mich nit lassen,

Wav ich mich hin richt,

Vnd fürkomt mir all mein strassen,

Mein fürsatz es mir pricht.

 

45

Mein liecht ist schier erloschen

Vnd waisz nit, wv ich gee,

Lärs stro hab ich getroschn

Das tůt meinem hertzen wee.

 

Mein gemüt das ist zersträet,

50

Gar swär ist mein gedanck,

Wann sy ain ander fräet,

Sy stoszt mich vndern panck.

 

Mein fräd ist ser verhawen,

Grosz laid trag ich verholen.

55

Entspent sind mir all frawen,

Mein hertz hat sy gestolen.

 

Noch wär ich wol zu erneren,

Wie grosz mein krankhait ist,

Wolt sy sich zu mir cheren

60

Vnd machet kurtz die frist!