B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Albrecht von Eyb
1420 - 1475
     
   


D a s   E h e b ü c h l e i n

E r s t e r   T e i l ,   6 .   K a p i t e l

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[14a]

So die fraw wolredende
vnd zornig iſt.

     HAt ein man ein wolredende vnd cleffige frawen genumen, der iſt wol bekůmert vnd beſchwert, Wann ir zurýnnen nýmmer der wort, Als Petrarcha ſpricht. derſelb man hat alle tag, damit er ſchreýet vnd diſputiert; Er hat im geſůcht ein frawen vnd hat gefunden ein meiſtrin. kein ding iſt verdroßner dann ein fraw, die cleffig iſt vnd nit ſchweigen kan. Apuleius ſchreibt alſo, das kein leichter ding ſeý dann ein cleffige zunge vnd ſchnỏde pỏſe ſiten: die zunge wirt von den leůten verſchmehet, vnd die pỏſen ſiten verſchmehen ſich ſelbſt. Sapiens hat alſo geredt, das ein ſchlang ſei gůtiger dann der zoren einer cleffigen frawen: welcher man die ſelben hat, der hat wol ein ſchlangen in ſeiner ſchoß; vnd wiewol die ſrawen mit harniſch nit gewappent ſein, ſo ſein ſie doch mit der zungen gewappent. So nun der man auch cleffig vnd mit der zungen gewappent iſt, Schreibt Zeno, das in pillich wunder neme, wie ſie beide, fraw vnd man, ein hawß můgen behalten. Darumb hat Dauid, der prophet, geſprochen: Ich will mein wege behůten, das ich nit miſſe far in meiner zungen. Dieſe lere des propheten, als ſie in der ſchule geleſen wart, nam ein ſeliger menſch, der von lernung wegen dar kumen was, zuhertzen, Als Petrarcha ſchreibt, vnd gedacht den worten nach vnd wolt nit mer in die ſchule gien. do der meiſter zu im kam vnd in fraget, durch was ſach er die lernung begeben het, antwurt er: «Ich hab ein lere von eůch gehỏrt. Ich ſỏlle mein wege behůten, das ich nit miß fare in meiner zungen: der ſelben lere kan ich nit genug nach gedencken vnd lerne ſtetes mit allem vleýs dar an, wie ich den ſelben worten krafft geben můg. Wann ich [14b] finde, das kein teýl des leibs behender iſt zu ſchaden vnd am ſchwerſten zu zemen, als die zunge des menſchen, vnd iſt ein woffen zu liegen vnd zu triegen, feintſchafft, leýmut vnd alles ůbel zu machen.» Darumb, hat dir die natur oder das glůcke geben ein zungen, ſoltu einlegen ein zaum vnd ſie regiren nach deiner vernufft vnd verſtentnuß, die dir auch got die zungen zu bebaren geben hat. So aber ein fraw weiſe iſt, geſcheýde, fůrſichtig vnd wolredende in guten dingen, als maniche gefunden wirt (nemlich vnter den wolgebornen vnd edelen frawen, Als Juuenalis ſchreibt, das ſelten vndter ſchnỏden vnd důnnen cleideren, das iſt vndter den armen, werde weýßheit vnd wolreden gefunden), die ſelb fraw iſt zuloben. Wer wolt nit loben die red vnd antwurt, die ein alte, erberge fraw zu Sýracuſis hat gethan, Als Valerius ſchreibt. Do ýderman begert vnd pate, das Dioniſius, der wůtrich vnd týrann daſelbſt, mit tode abgien ſolt, da pat dieſelb fraw alle morgen ir gỏtter, das er beý leben ſolt beleiben, da das der wůtrich vername, ſchickt er nach der frawen, ſie ſolt in laßen verſtien, warumb ſie umb ſein leben pete vnd was gutes er ir gethan hette. Antwurt die fraw: «Ich hab gut vrſach, das ich vmb dein leben pite. Do ich was ein Junckfraw, do het wir einen ſchweren wůtrich: pat ich alle tag, das er ſterben ſolt. do kam ein erger wůtrich, dann der erſte was: begert ich auch des ſelben tods vnd was froe, das ſein herrſchafft ein ende name. piſtu darnach kumen vnd piſt der aller hefftigſt wůtrich: darumb pit ich, das du lang lebeſt, vnd beſorg, ſo du ſterben wůrſt, es kum vil ein pỏſer vnd vnleidenlicher wůtrich, dann du vnd die andern ſeit geweſt.» ſỏllich hůbſche rede der frawen ließ Dioniſius der wůtrich vngeſtrafft. Wer wolt auch nit preiſen die hůbſchen rede vnd geſcheidig[15a]keit, der Semiramis, ein kůnigin zu Babilonia, an iren leczten zeýten hat gebraucht, Als Plutarchus ſchreibt. Do ſie ſterben ſolt, ließ ſie machen ein hůbſchs grab, dar innen ſie wolt raſten, vnd darein mit puchſtaben diſe wort graben: «Ein ieglicher kůnig, der da geldes wedůrffen ift, laß auffheben diſen ſtein, ſo vindet er geltes genug, wie vil er haben will.» Do ließ Darius, der kůnig, auffheben den ſtein vnd fand kein gelt, ſunder er fand geſchriben andre wort, die lawtend alſo: «Vnd werſtu nit ein pỏß man vnd vnerfůllig mit gelt, lieſt du pillich die toten cỏrper vnd leichnam vnbewegt.» alſo wart der kůnig beſchemet, vnd die tote fraw durch ſỏllich hůbſche rede gepreýſet. Was aber hůbſcher wort die fraw gebraucht, ſo ſie vnrecht vnd wider iren man gethan hat vnd ſich entſchuldigen will, Schreibt Vgolinus, das die alſo ſprech: «Mein lieber man, ich hab es ſelbs wol bedacht vnd bekenne, das ich vnrecht gethan habe, ich pit dich in aller lieb, du wỏlleſt mir das allein verzeihen! ich wil es nýmmer thun, vnd thu ich hinfůr mer wider dich, ſo magſtu mich tỏten.» So ſich aber die fraw leſt beduncken, das ſie nit vaſt mißgehandelt hab, entſchuldigt ſie ſich vnd ſpricht alſo: «Lieber man, ich bekenn, es iſt etwas vnrecht gethan, doch iſt es leidenlich. Haſtu nýe gehỏrt, das die nacht, die lieb, der wein vnd die iugent manchen menſchen ůberwinden, das er vnrecht thut? alſo iſt mir auch geſchehen. ich wil es nýmmer thun!» Vnd wenn ſich der man laſt beduncken, wie die fraw mit fremder lieb beladen ſeý, vnd ſtrafft ſie, gebraucht die fraw ſỏllicher wort vnd ſpricht: «Lieber man, du weiſt wol, das ich kumen pin ůber die zweinczig iar: ſo pin ich von fleiſch vnd plute als ander frawen, ſo pin ich hůbſch, iunck vnd ſtolcz, ſo kan ich den leůten nicht geweren, ſie haben wolgeuallen an mir. Du [15b] piſt auch lang von mir geweſt: ſolt ich dann nicht bewegt werden in begire vnd frỏlichkeit ſam ein andre fraw? was die natur gibt, iſt ettwas zudulden; doch es ſoll nit mer geſchehen!» Iſt dann die fraw zu lang auß dem hawß geweſt vnd der man zu ir ſpricht: « ſag an, du pỏſe haut, wo geſtu her? wo piſtu ſo lang geweſt? Ich laß mich beduncken: ýe lenger du lebeſt, ýe pỏſer du wirſt. Ich kan mich kawm enthalten, das ich dich nit ſchlahe! ſag an, wo piſtu neůr geweſt?» – Ich pit eůch alle: hỏret zu, wie ſie ſich wỏlle verantwurten –, Als dann leſt die fraw ein langen ſeůfftzer vnd ſpricht: «Sicher, lieber man, mir iſt die gantzen nacht ſo vnrecht geweſt vnd ſo mancherleý in dem ſchlaff fůrkumen, das ich mich hab bedacht vnd pin gen kirchen gangen vnd wolt mich meiner ſůnde beclagt haben, da waren vil ander frawen vor den prieſteren, die ſie mit lang peichten auffhielten, das ich nit fůrkumen mocht: alſo iſt mir die zeýt entgangen, das ich lenger auß geweſt pin, dann ich het gemeint; vnd iſt pillich, du vergebſt mir das: es iſt ýe in gut geſchehen.» So aber die fraw peý dem tantze oder ſunſt peý wolluſt oder ſpacieren geweſt iſt vnd der man alſo zu ir ſpricht: «Wiltu, hawßfraw, das ich dir ein guten rat geb, des du dein lebtag nit vergeſſen ſolt, ſo rate ich dir in trewen, das du dich mit tanczen, ſpacieren vnd ander leichtuertigkeit nit mer bekumerſt. Es zýmpt nit, allzeýt in einem leichten weſen zubeleiben. So das die iugendt, die ſtatt vnd erlich ſache erfoderen, iſt nicht vnrecht zu zeýten tanntzen vnd frỏlich ſein; Aber allzeýt des ſpiles zupflegen, iſt ſchand vnd leſterlich. die menſchen ſůllen mit vernufft leben vnd der geprauchen vnd nit nach lußt vnd begir als vnuernůfftige thýer, vnd ſoll ſein ein vnterſcheid der menſchen vnd der thýeren: die thýer volgen nach dem luſte, die [16a] menſchen der vernufft: darumb ſỏllen die menſchen vnrecht vnd wolluſt meýden vnd vmbfahen die tugenten.» Als dann lachet die fraw ein wenig vnd ſpricht: «Liber man, du werſt ſicher ein guter prediger worden vnd ſagſt gar recht, wenn ſỏllichs ſo leicht wer zuthun als zureden, welliche fraw kan ſich in der iugent nach ſỏllicher ſchwerer lere der meiſter, als du mir haſt erzelt, gehalten? Sage mir etwas, das meiner natur vnd meinen ſýnnen gleých iſt, willtu das es gehalten ſoll werden. ſollich weiſe wort gehỏren in ein cloſter, do man nit anders hat zuthun.» Vnd ſo ſollich red vnd entſchuldigung der frawen nit genug thun wollen, begert die fraw genad vnd ſpricht: «Lieber man, ich bekenne, das ich geſůndet hab; doch was ich vnweýßlich vnd in thorheit geredt oder getan hab, das ſoll mir dein weýßheit verzeihen. Sicher ich will nit mer wider dich thun, will dir in allen dingen vndtertenig vnd gehorſam ſein. Ich beuilhe mein leib vnd gut in dein getrawen, leb vnd ſchaff mit mir, wie du wilt!» So nun ſolliche ſůße wort den man nit erbeichen můgen, ſo zeůcht die fraw herfůr einen großen ſeufftzer, neýget nýder das hawbt vnd milchet die rede mit weinen, vmbfehet den man mit armen, henngt ſich an ſein hals vnd kůſſet in. Als dan ein valſcher zeher, den ſie kaum auß den augen gedrůckt hat, Als Therencius ſpricht, ůberwindet den zoren des mannes, das er im ſelbs vnrecht gibt vnd der frawen recht vnd vergibt ir, was ſie wider in hat gethon. Es ſchreibt Ouidius, das kein man geren ſehe ſchand vnd laſter an ſeiner frawen, vnd ob er die geſehen hat, ſo gibt im die fraw wort, laugent vnd ſchwert: da fůr ſo muß der man mit geſehenden augen plind ſein vnd vnrecht haben. Vnd ſo die fraw nit mer kan, facht ſie an vnd weint zu hand; weint der man mit der frawen, vnd [16b] iſt das alles vergeben. Vnd wenn ſỏlchs alles nit helfen wil, ſo hebt an die fraw vnd zůrnet mit dem mann vnd zeýhet in, des er nýe gethon hat. Wan auch ſunſt die frauen ſchnel ſein zu zůrnen, Als auch Therencius ſchreibt, wie die frawen ſein eins leichten ſýns vnd eins krancken gemůtz; vnd was der man will, das wỏllen ſie nit, vnd was er nit will, wỏllen ſie gehabt haben; vnd mag gar leicht ein wort ſein, ſie wỏllen darum zůrnen recht ſam die kinder. Das ſol ſich der man nit laßen bekůmeren, ſo er hat ein zornig vnd vnleidenlich weib, Als Petrarcha ſpricht: wann als dann hat er vrſach, zu wallen vnd zu wanderen vnd langkſam wider zukumen; Er hat auch dapeý erlernet, gedult zuhaben vnd die rue zubegeren. Doch findet man geſchriben das etlich frawen hefftigen vnd mannes zoren geůbet haben, da durch ſie gelobt worden ſein. Als Valerius ſchreibt von der kůnigin Semiramis: Do ir man Ninus, der kůnig, mit tode abganngen was vnd ſich die ſtat Babilonia het vmbgeſchlagen vnd ſollichs der kůnigin verkůndet wart, do ſaßen ob ir die iunckfrawen vnd wolten ir das hawbt mit flechten des hars vnd ſunſt zieren; vnd als die iunckfrawen der kůnigin einen zopff hetten geflochten, ſtunde auff die kůnigin mit dem anderen vngeflochten zopff vnd ward bewegt in menlichem zoren vnd wolt ir den andern zopff nit ee flechten laßen, ſie hette dann vor in eýgner perſon mit verworrem vnd außgepreitem hare die ſtat Babilonia wider gewunnen vnd in ir gehorſam vnd vndtertenigkeit gepracht, das alſo iſt geſchehen.