BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Konrad von Megenberg

1309 - 1374

 

 

Buch der Natur

 

III. HIR HEBT AN DAZ DRITT

STÜCK DES PUOCHS

VON DEN TIERN

IN AINER GEMAIN

 

E. VON DEN SLANGEN.

 

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[Vorwort]

 

Wir schüllen nu sagen von den slangen und des êrsten in ainer gemain. Aristotiles spricht, der slangen zung ist behend, lang, swarz und gespalten und dar umb gêt si verr her auz auz dem mund. der slangen herz ist ze næhst nâch dem hals und ist geleich aim niern. die grôzen slangen habent ir vergift an der lebern, aber die klainen habent ir vergift in dem ingewaid. verplendet man ain slangen, si wirt wider gesehend. sleht man ir den swanz ab, er wehset ir wider von nâtûr, sam der egdehsen. diu slang hât dreizig rippe. die slangen koment sô nâh zuo enander in irr unkäusch, daz ainen menschen dunket, si sein neur ain leip und hab der leip zwai haupt. ain iegleich slang izt ân underschaid kraut und auch flaisch. diu slang trinkt wênig, aber si begert sêr weins und dar umb zement und lockent si die slangenvâher mit wein. wenn diu slang den menschen getœtt hât mit irm hecken, sô nimt si daz ertreich niht mêr noch haimet si mêr: si muoz ir sünd püezen, wan si stirbt kürzleich dar nâch, sam Plinius spricht. diu slang mag niht mêr denn neur ains ertœten, neur ze aim mâl und niht mêr, denn neur allain der salamander der ertœtt mêr denn ains. Plinius spricht, daz diu vergift niht anderz sei denn der slangen fäuht in der gallen und diu fäuht gêt von der gallen under dem ruck in den âdern zuo dem mund und zuo dem zagel oder zuo dem swanz, als man auch siht an dem schorpen. die slangen in der Syren lant laidigent niemant und dar umb tœtent si die läut in dem land niht. alsô spricht auch Aristotiles, daz in dem land Lacedonia ain perg sei, dâ kain schorp die gest laidig, aber si laidigen die wirt und die in dem land wonent. die slangen sint von nâtûr hitzig und dar umb, wenn si erkaltent, sô schadent si wênig oder gar niht. si schadent des nahtes minner denn an dem tag, wan si werdent des nahtes kalt von dem taw. die von vergift sterbent die erstarrent des êrsten, aber sô diu vergift erhitzt, sô tœtt si den menschen mit derren und mit dürr machen. aber man spricht, daz diu vergift dem menschen niht geschaden müg, si rüer denn sein pluot des êrsten. man spricht auch, daz die slangen den nakenden menschen förhten und vliehen und getürren in niht gelaidigen. Ambrosius spricht, daz ains nüehtarn menschen spaichel die slangen ertœt, wan ist daz diu slang der spaicheln ain klain berüert, sô stirbt si zehant. eyâ, mensch, nu sich, wie grôze kraft diu vaste hât, daz si mit der spaicheln ain erdisch slangen ertœt! treun, sô ist daz pilleich, daz diu vast auch wider die gaistleichen slangen helf, daz ist wider die pœsen gaist. ez ist als mangerlai vergift, diu von den slangen kümt, als mangerlai slangen sint. ez sint sô vil pôshait merkleicher an in, als vil ir nâtûr gezwaiet ist. si tuont sô vil smerzen den läuten, als vil varb an in gezwaiet ist. der slangen milz ist clain und sinbel. diu slang pirgt ir haupt und slingt den ganzen leip dar umb und wirft sich alsô gegen dem veind, wan sô si daz haupt beschirmt, sô beleibt si lebendig ân daz ander tail des leibs. wenn diu slang in daz wazzer wil, sô læzt si vor die vergift, und wenn si wider auz dem wazzer kümt, sô nimt si die vergift wider, und vermisset si der vergift, alsô daz si ir niht vindet, sô sleht si daz haupt oft auf die erd, unz daz si vor lait stirbt. diu slang fleuht allen guoten smack und stirbt oft dâ von. man spricht auch, daz auz des menschen mark slangen werden und allermaist auz des ruks dorn. Rabanus spricht, daz ze latein vergift als vil gesprochen sei als ain æderling, dar umb, daz diu vergift in die âdern gêt, wan vena ze latein haizt âder, dannen kümt daz wort venenum ze latein, daz haizt vergift, wan als vor gesprochen ist, diu vergift schadt niht, ê si daz pluot berüert. all vergift ist kalt von nâtûr und dâ von fleuht daz leben die vergift, wan daz leben stêt an wirm und an fäuhten. Aristotiles spricht, daz der slangen aigenchait sei, daz si daz haupt gewegen müg ân den leichnamen. Rabanus spricht, all slangen habent trüebz gesiht und dar umb siht si daz ir widerwârtig ist selten, wan die slangen habent ir augen niht an der stirn, si habent si an dem slâf und dar umb hœrent si ê daz si sehen. Alexander spricht, diu slang vertreibet ir plinthait mit fenchel ezzen, und dar umb, wenn si enpfindet, daz ir augen vinster sint, sô kan si ir selber erzneien mit kunst, diu si niht betreuget. Aristotiles spricht, daz kain ander tier sein zungen sô snell weg sam die slang, wan si wegt ir zungen sô snell, daz ainz dunket, si hab drei zungen, und hât doch neur ain. Augustînus spricht, diu vergift ist des menschen tôt und der slangen leben.